Ziel der Ausarbeitung zu der Frage „Inwieweit beeinflusste der Mauerbau 1961 den Umgang mit den Vertragsarbeitern in der DDR?“ ist es, die vorliegenden Kontroversen zur Thematik Vertragsarbeiter in der DDR ausführlich zu untersuchen und anhand dessen die Bedeutung der unsichtbaren Grenzen für das Denken der DDR-Bürger gegenüber den ausländischen Vertragsarbeitern herauszuarbeiten.
Ein Großteil der Forschung beruft sich auf die aus Vietnam stammenden Arbeiter, da diese zahlenmäßig den größten Anteil der Vertragsarbeiter ausmachten. Es werden jedoch auch Vergleiche zu Vertragsarbeitern aus anderen Ländern gezogen, da sie der Meinung sind, dass die Konzentration auf nur eine nationale Gruppe die Sichtweise auf die Gesamtthematik zu sehr einschränkt.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. DAS BILD DER VERTRAGSARBEITER IN DEN DDR-ZEITUNGEN
3. GRUNDLAGE DES AUFENTHALTES VON VERTRAGSARBEITERN
4. SOZIALE SITUATION DER VERTRAGSARBEITER
4.1 AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT
4.2 INTEGRATION
5. STAATLICHE HALTUNG ZUR INTEGRATION
6. FAZIT
7. ANHANG
8. LITERATURVERZEICHNIS
9. ONLINELITERATUR
1. Einleitung
„Die Diktatur der Grenzen“ - so lautet die Überschrift eines Beitrages von Thomas Lindenberger zum Thema Gesellschaftsgeschichte in der DDR.1 Mit wenigen Worten wird damit eine Situation treffsicher beschrieben. Der Mauerbau 1961 zog eine Grenze um das ganze Land und schränkte dessen Bevölkerung für beinahe dreißig Jahre in ihrer Freiheit erheblich ein. Die Grenze zog sich jedoch nicht nur physisch um Ostdeutschland - auch innerhalb des Landes wurden durch das diktatorische Regime unsichtbare Grenzen gezogen, die sich auf das alltägliche Leben der Menschen auswirkten. Die Bürger in der DDR wurden in ihrer individuellen Lebensführung stark durch die Bestimmungen des Staates beeinflusst. Diese wirkten sich auf deren schulische und berufliche Laufbahn, die persönliche Wohnsituation und etliche weitere Bereiche ihres Lebens aus. Die staatlichen Organe der DDR wachten über allem und kontrollierten das persönliche Leben des Einzelnen.2 In der folgenden Arbeit soll es darum gehen, inwieweit diese durch den Staat festgelegten Grenzen das Denken und den Umgang der DDR-Bürger mit den ins Land kommenden Vertragsarbeiter beeinflussten. Die Bezeichnung Vertragsarbeiter schließt in der folgenden Arbeit sowohl männliche als auch weibliche Personen mit ein. Das Ministerium für Außenwirtschaft in der DDR definierte Vertragsarbeiter als: „Werktätige, die in sozialistischen Betrieben der DDR tätig sind, Einkünfte in Mark der DDR erhalten und die Grenze periodisch überschreiten.“3
Die Thematik Ausländer in der DDR ist ein relativ junges Forschungsgebiet, da es erst nach dem Ende der DDR zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung wurde. Auf westlicher Seite wurde die Thematik aufgrund von fehlendem Zugang zu Informationen oder aus Desinteresse nicht verfolgt. Vonseiten der DDR wurde vieles aus politischen Gründen unter Verschluss gehalten.4 Seit einigen Jahren hat sich jedoch ein vermehrtes Interesse in Bezug auf Interkulturalität auf zwischenmenschlicher Ebene gebildet. In der Forschung wird sich damit auseinandergesetzt wie die sogenannte „Völkerfreundschaft“ in der Praxis aussah.5 Besonders hilfreich zur Erforschung meiner Fragestellung war die Historikerin Ann- Judith Rabenschlag, die 2014 das Werk „Völkerfreundschaft nach Bedarf - Ausländische Arbeitskräfte in der Wahrnehmung von Staat und Bevölkerung“ veröffentlichte. Auch der Sammelband „Die ,Gastarbeiter’ in der DDR - Politischer Kontext und Lebenswelt“, herausgegeben von Almut Zwengel, bietet zahlreiche Informationen, mit denen ich mich meiner Fragestellung annähern konnte. Interessant war es, mich daraufhin mit dem Sammelband „Mosambikanische Vertragsarbeiter in der DDR-Wirtschaft“ auseinanderzusetzen. Ein Beitrag daraus von van der Heyden nimmt direkte Stellungnahme zu ihrem Werk und kritisiert sowohl Vorgehensweise als auch Argumentation der Herausgeberin.
Ziel meiner Ausarbeitung ist es, die vorliegenden Kontroversen zur Thematik Vertragsarbeiter in der DDR ausführlich zu untersuchen und anhand dessen, die Bedeutung der unsichtbaren Grenzen für das Denken der DDR-Bürger gegenüber den ausländischen Vertragsarbeitern herauszuarbeiten. Ein Großteil meiner Forschung beruft sich auf die aus Vietnam stammenden Arbeiter, da diese zahlenmäßig den größten Anteil der Vertragsarbeiter ausmachten. Es werden jedoch auch Vergleiche zu Vertragsarbeitern aus anderen Ländern gezogen, da ich der Meinung bin, dass die Konzentration auf nur eine nationale Gruppe die Sichtweise auf die Gesamtthematik zu sehr einschränkt.
Um sich der Fragestellung anzunähern, soll zunächst das Bild betrachtet werden, welches die DDR-Zeitungen von den Vertragsarbeitern zeichneten und somit der Öffentlichkeit nahebrachten. Da auch Rabenschlags Forschung sich unter anderem auf das Bild der Vertragsarbeiter in den Print-Medien beruft, bietet es sich an, ihre Ergebnisse mit meinen zu vergleichen. Dieses Bild soll anhand verschiedener Aspekte ausgewertet und überprüft werden. Dazu gehört eine Betrachtung der Grundlagen, auf denen der Aufenthalt der Vertragsarbeiter durch das jeweilige Entsendeland und den DDR-Staat geregelt wurde. Anschließend erfolgt eine Untersuchung der sozialen Situation der Vertragsarbeiter. Inwiefern waren sie seitens der DDR-Bürger Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit ausgesetzt? Aus welchen Situationen ergaben sich Konflikte und inwiefern waren diese auf die Diktatur des Systems zurückzuführen? Gegensätzlich dazu wird herausgearbeitet, welche Möglichkeiten der Integration für die ausländischen Vertragsarbeiter bestanden. In welchen Bereichen konnten sie und die Ostdeutschen einander kennenlernen und eventuell freundschaftliche Kontakte zueinander entwickeln? Da der Staat einen immensen Einfluss auf das persönliche Leben aller in der DDR lebenden Menschen ausübte, wird außerdem die staatliche Haltung zur Integration betrachtet.
2. Das Bild der Vertragsarbeiter in den DDR-Zeitungen
Um das Bild der Vertragsarbeiter in den DDR-Zeitungen untersuchen zu können, ist es zunächst notwendig, die Bedeutung von Medien in der DDR zu bestimmen. Generell wurde den Medien in der DDR vonseiten der Bevölkerung eher mit Skepsis begegnet. Rabenschlag zeigt dies auf, in dem sie zwei Witze aus DDR-Zeiten wiedergibt:
„Eine Frau ruft ihrem Mann zu: Du, Herbert! Hier les ich gerade, dass die DDR zu den führenden Industrienationen der Welt gehört! Ich glaube, das schreibe ich mal unserem Onkel in München! “ Ihr Mann antwortet: „Ja, mach das! Und schreib ihm auch, er soll gleich ein paar Rollen Klopapier mitschicken!“
„ Zwischenfall im VEB Elguwa, Elsterwerdaer Gummiwaren. Der Pförtner meldet an den Direktor: „Betriebsteil 5 ist abgebrannt. “ Der Direktor teilt dem Generaldirektor mit: „Betriebsteil 5 ist trotz meiner Mithilfe abgebrannt. “ Der Generaldirektor informiert das Ministerium: „ Im VEB Elsterwerdaer Gummiwaren sind neue Initiativen entflammt. “ Neues Deutschland titelt: „ VEB Elguwa - ein leuchtendes Beispiel.“6
Der erste Witz geht auf die mangelhafte Versorgung in DDR ein und wie diese in den Medien verleugnet wird. Der Zweite beschreibt, wie Geschehnisse vonseiten der Presse beschönigt wurden. Eine unabhängige Medienberichterstattung gab es in der DDR nicht, Meldungen wurden zwar nicht gänzlich frei erfunden, sie wurden jedoch so beschrieben, dass das DDR-Regime möglichst in einem guten Licht dastand. Schon vor der Verfassung von Zeitungsartikeln wurde den Redakteuren vom Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda genau vorgegeben, wie über welche Themen zu berichten sei. Teilweise wurden auch Überschriften oder konkrete Formulierungen bereits genau angegeben.7 Mit diesem Hintergrundwissen sind die Zeitungsartikel zu betrachten, in denen über Vertragsarbeiter in der DDR geschrieben wurde.
Die Forschung zu Ausländern in der DDR trifft in Bezug auf Zeitungen als Quellenangaben auf ein Hindernis, da erstaunlich wenig zu in der DDR lebenden Ausländern zu finden ist. Mehrfach wird in der Literatur auf die mangelhafte Existenz von Printmedien hingewiesen, die zum Thema Ausländer beziehungsweise
ausländische Arbeitskräfte berichten. Nicht einmal grundlegende Daten und Fakten wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.8
Auch ich bin bei meinen Recherchen auf nur wenige Zeitungsartikel gestoßen, in denen Ausländer in der DDR überhaupt Erwähnung finden. Um Zeitungsartikel zu finden, auf die ich mich in meiner Forschung stützen kann, habe ich vor allem auf der Seite des ZEFYS recherchiert. Diese bietet eine Vielzahl von Zeitungsartikeln aus DDR-Zeiten und ermöglicht durch die Suchmaschine eine gezielte Suche nach bestimmten Themengebieten. Vorhanden sind auf der Seite vor allem Zeitungsartikel der Zeitungen „Neues Deutschland“, „Berliner Zeitung“ und „Neue Zeit“.
Es finden sich mehrheitlich Artikel in denen die Verbundenheit zu den sozialistischen Ländern betont wird und darüber was in diesen Ländern selbst geschieht. Zu den Menschen jedoch, die von dort in die DDR kommen und wie diese in der DDR lebten werden nur geringfügig Angaben gemacht.
Rabenschlag hat in ihren Forschungen einige Printmedien, die zu der Thematik berichten, untersucht und ausgewertet. Die wenigen Quellen, die sie dazu gefunden hat zeigen einheitlich eine wesentliche Gemeinsamkeit auf: Wurde über Vertragsarbeiter in der DDR berichtet, geschah dies immer vor einem positiven Hintergrund. Es wird davon erzählt wieviel Spaß die Vertragsarbeiter an ihren neuen Arbeitsplätzen hätten, wie sie freundschaftlichen Kontakt mit DDR-Bürgern pflegten und auch, dass viele von ihnen die DDR als ihre zweite Heimat ansähen. Von Rassismus, interkulturellen Auseinandersetzungen oder Problemen am Arbeitsplatz wird nichts geschrieben.9 Alle Artikel, die ich zum Thema Vertragsarbeiter in der DDR finden konnte, waren ausschließlich Artikel aus der „Neue[n] Zeit“, der Parteizeitung der CDU in der DDR. Weitere Quellen habe ich in Krüger-Potratz’ Buch „Anderssein gab es nicht, Ausländer und Minderheiten in der DDR“ gefunden. Sie stammen aus der Zeitung „Junge Welt“ und „Die Wahrheit“.
Anhand dieser Artikel werde ich das Bild, dass die Zeitungen der DDR von den Vertragsarbeitern zeichneten, bestimmen und meine Ergebnisse mit Rabenschlags vergleichen.
Ein konkreter Artikel zu vietnamesischen Vertragsarbeiterinnen in einem DDR- Betrieb findet sich in der Neuen Zeit, vom Dienstag, den 14. Juli 1987. Dem Jahr, in dem die Einreisezahlen der Vertragsarbeiter mit am höchsten stiegen.10 Der Autor schreibt über die Facharbeiterausbildung junger Vietnamesinnen in einer Baumwollspinnerei in Mittweida in Karl-Marx-Stadt. Schon die Überschrift allein, unterstützt Rabenschlags These, dass Berichte über Vertragsarbeiter vor allem vor einem positiven Hintergrund geschrieben wurden: „Erlebte Solidarität im Großen und im Alltag“. Der Begriff Solidarität ist bezeichnend für Zusammenhalt. Er macht die Vertragsarbeiter zu einem Teil der DDR-Gesellschaft und schließt Separierung aus.
„Erfolgreich führen die Mädchen aus Vietnam einen Wettbewerb um die besten Lern- und Arbeitsleistungen. In der theoretischen Ausbildung schlossen in zwei Fächern alle mit einer „Eins“ ab. Sie schaffen die Produktionsnormen, viele erreichen noch zehn oder zwanzig Prozent darüber. Huong wurde für ihre gute Arbeit sogar als „Aktivist der sozialistischen Arbeit geehrt.‘a1 Es wird ein Bild fleißiger, arbeitsfreudiger und vor allem zufriedener Arbeiterinnen gezeichnet. Die überdurchschnittlich guten Leistungen und die Ehrung als „Aktivist der sozialistischen Arbeit“ stehen für ein System das funktioniert. Auch der Kontakt zur deutschen Vorgesetzten wird positiv beschrieben, es heißt: „ Heute spricht sie mit Stolz von ihren vietnamesischen Mädchen.“12 Etwaige Probleme hätten für die vietnamesischen Arbeiterinnen nur darin bestanden, „die für sie so schwierige deutsche Sprache zu lernen. “13 Es wird bereits ein Ausblick auf die Rückkehr der jungen Frauen in ihr Heimatland gegeben: Huong „freut sich schon auf den Herbst, da gibt es die Facharbeiterzeugnisse. Und dann geht es wieder zurück in die Heimat. “ Es wird nicht erwähnt, dass die in der DDR erworbenen fachlichen Qualifikationen für die meisten vietnamesischen Arbeiter nur wenig hilfreich waren. Mit ihren Abschlüssen aus der DDR war es für sie kaum möglich im eigenen Heimatland eine gleichwertige Arbeitsstelle zu finden.14
Ein Beitrag der Zeitung „Die Wahrheit“ aus dem Jahr 1985 fordert vor allem eine deutliche Abgrenzung zu den Verhältnissen in der BRD: „ Wie leben ausländische Arbeiter in der DDR? Willkommene Gäste - aber keine Gastarbeiter für Billiglohn. “10 11 12 13 14 15 Es geht darum die Verhältnisse im eigenen Land positiv darzustellen und gleichzeitig die Bedingungen für Ausländer in der BRD schlechtzumachen. Solidarität zwischen sozialistischen Staaten im Gegensatz zur Ausbeutung in der BRD.
„Er schildert den herzlichen Empfang vor drei Jahren auf dem Flugplatz durch die Betriebsleitung und wie allen seinen Landsleuten geholfen wurde, das erste Heimweh zu überwinden. “16 Nicht nur die Arbeitsbedingungen werden positiv beschrieben, sondern auch der zwischenmenschliche Kontakt zwischen Ausländern und Ostdeutschen. Die einzigen Probleme der Vertragsarbeiter in der DDR bestehen auch diesem Artikel nach in lapidaren Angelegenheiten wie Klima und Essen - Angelegenheiten, die eben unvermeidbar sind, wenn man in ein weit entferntes Land von Zuhause reist, denen man jedoch leicht entgegenwirken kann: „ Wir hatten am Anfang auch Schwierigkeiten mit dem Essen, mit dem Klima und mit der deutschen Sprache. Aber alle haben sich hier Mühe gegeben, uns zu helfen.“11 „Die Bezahlung erfolgt nach den üblichen Lohngruppen und nach Leistung wie bei den deutschen Kollegen. “18 Dem Artikel nach waren die vietnamesischen Arbeiter den Deutschen genau gleichgestellt. Benachteiligung gab es nicht.
Ausländische Arbeiter in der DDR hätten einen anderen Status als die Gastarbeiter in Westdeutschland beziehungsweise Westeuropa. Diese Intention verfolgt auch der Autor eines Artikels in der Jungen Welt vom 28.09.1972. Hier geht es um die Arbeiter aus Polen und die Frage „ Ist ihre Rolle zu vergleichen mit den Gastarbeitern in westeuropäischen Ländern?“16 17 18 19 20 21
Und tatsächlich behandelt die erste Hälfte des Artikels lediglich die Rolle der Gastarbeiter in der BRD, die „ kaum staatlichen oder gewerkschaftlichen Schutz [genießen und] [...] gezwungen [sind] ihre Arbeitskraft billiger zu verkaufen“ 20 In der zweiten Hälfte wird betont, dass das Konzept in der DDR eben genauso nicht aussähe. Ganz im Gegenteil: „Unsere polnischen und ungarischen Freunde sind geachtete Bürger innerhalb unserer sozialistischen Gesellschaft. “21 Schon die Verwendung des Wortes „Freunde“ zeichnet ein Bild völliger Harmonie in Bezug auf das Verhältnis zu ausländischen Arbeitskräften. Durch den Begriff „Freunde“ wird ein emotionaler Bezug hergestellt, der Ausbeutung und Diskriminierung von vorneherein ausschließt.
Ein Beitrag der Neuen Zeit vom 11. März 1987 zeichnet ein ähnliches Bild bezüglich der Beziehung zwischen der DDR und dem Entsendeland Vietnam. Hier heißt es: „DDR und Vietnam im Geiste enger Völkerfreundschaft verbunden“. Zwei Staaten wird eine emotionale Bindung zueinander zugeschrieben. Die Arbeit mit Vertragsarbeitern auf Grundlage bilateraler Verträge wird als ein Erfolgskonzept verkauft, mit dem auch die Entsendeländer sehr zufrieden seien:
„ Pham van Dong betonte, die bemerkenswerten Erfolge der DDR stärkten den Sozialismus in der Welt. Die Ausbildung und Arbeit junger vietnamesischer Werktätiger in der DDR sei ein weit in die Zukunft wirkendes Beispiel fruchtbarer sozialistischer Zusammenarbeit.“22
Anhand der wenigen Artikel, die ich zu diesem Thema gefunden habe, lässt sich Rabenschlags These eindeutig bestätigen. Sie alle sind in ihrer Grundaussage einheitlich, das heißt sie zeigen zufriedene, willkommene und in keiner Weise benachteiligte ausländische Arbeiter in der DDR und stellen deren Lebensbedingungen als völlig gegensätzlich zu den Bedingungen in Westdeutschland dar.
Im DDR-Handbuch von 1979 wird zumindest eingestanden, dass es Probleme mit der Akzeptanz von Ausländern gab, die über Essgewohnheiten und Klimavorlieben hinausgehen. Diese werden zurückgeführt auf Unterschiede in der Herkunft, den Lebensgewohnheiten, der Mentalität und der Entwicklung der Entsendeländer. Hinzugefügt wird jedoch, dass derartige Schwierigkeiten in sozialistischen Staaten leicht lösbar seien, da die grundsätzlichen Probleme der Ausländerbeschäftigung ein Phänomen des Kapitalismus seien.23
Inwiefern das harmonische Bild, das die DDR-Presse zeichnet, der Realität entsprach, soll im Folgenden untersucht werden.
3. Grundlage des Aufenthaltes von Vertragsarbeitern
Das Arbeitsverhältnis der Vertragsarbeiter beruhte auf Grundlage bilateraler Abkommen zwischen dem aufnehmenden und dem entsendenden Land. Auf diesem Weg konnte das Aufnahmeland gezielt den eigenen Bedarf an Arbeitskräften decken, während das Entsendeland genauen Einfluss auf die Zusammensetzung der abwandernden Gruppe und ihre Arbeitsbedingungen ausüben konnte. In der Regel übernahmen die Arbeitsmigranten un- beziehungsweise angelernte Tätigkeiten, mit hohem körperlichen Aufwand, gesundheitlicher Belastung und Lohnbedingungen, die die Einheimischen nicht ausüben wollten.24 In den bilateralen Regierungsabkommen waren Art der Beschäftigung, Lohnhöhe, Einkommenstransfer in das Herkunftsland, die Anreise- und Urlaubsregelungen, Sozial- und Ausbildungsleistungen sowie Anstellungsort und Art und Weise der Unterkünfte bereits im Voraus genau festgelegt.25
1989 lag die Zahl der ausländischen Vertragsarbeiter in der DDR bei ca. 91.000. Die größte Gruppe bildeten die Vietnamesen, von denen bis zur Wiedervereinigung etwa 69.000 in der DDR als Vertragsarbeiter tätig waren. Des Weiteren kamen etwa 50.000 Polen, 40.000 Ungarn, 25.000 Kubaner, 22.000 Mosambikaner, 8000 Algerier und 2000 Angolaner zum Arbeiten ins Land.26 Ein rasanter Anstieg der Einstellungszahlen erfolgte in den Jahren 1987 und 1988. Vor allem in den Gebieten Frankfurt/Oder, Cottbus und Dresden waren die Vertragsarbeiter tätig. Ihr Aufenthalt war für zwei bis vier Jahre vorgesehen, die Beschäftigungen erfolgten nach dem Rotationsprinzip und Familiennachzüge waren nicht gestattet.27 Vor allem junge Arbeiter zwischen 18 und 35 Jahren sollten angeworben werden, da diese Gruppe als besonders leistungsfähig galt. Es war grundsätzlich nicht vorgesehen, dass Verwandte beziehungsweise Eheleute gemeinsam einer Tätigkeit in der DDR nachgingen. Erfolgte diesbezüglich dennoch eine Einverständniserklärung der einheimischen Behörden, hatten die Arbeiter keinen Anspruch darauf, gemeinsam im gleichen Betrieb oder auch nur im gleichen Ort eingestellt zu werden. Auch eine gemeinsame Unterkunft stand ihnen nicht zu, da die Unterbringung generell nach Geschlechtern getrennt erfolgte.28
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1 Lindenberger 1999, S.13.
2 Vgl. Meyer 2010, S.6.
3 Jajesniak-Quast 2005, S.275.
4 Vgl. Rabenschlag 2014, S.29.
5 Vgl. Rabenschlag 2014, S.34.
6 Rabenschlag 2014, S.69.
7 Vgl. Rabenschlag 2014, S.70.
8 Vgl. Rabenschlag 2014, S.77.
9 Vgl. Rabenschlag 2014, S.82f.
10 Vgl. Zwengel 2011, S.5.
11 Neue Zeit, 14. Juli 1987.
12 Neue Zeit, 14. Juli 1987.
13 Neue Zeit, 14. Juli 1987.
14 Vgl. Poutrus 2016, S.993.
15 Die Wahrheit, 22.04.1985.
16 Die Wahrheit, 22.04.1985.
17 Die Wahrheit, 22.04.1985.
18 Die Wahrheit 22.04.1985.
19 Junge Welt, 28.09.1972.
20 Junge Welt, 28.09.1972.
21 Junge Welt 28.09.1972.
22 Neue Zeit, 11. März 1987.
23 Vgl. Krüger-Potratz 1991, S.8.
24 Vgl. Rabenschlag 2014, S.19.
25 Vgl. Poutrus 2016, S.984.
26 Vgl. Rabenschlag 2014, S.22.
27 Zwengel 2011, S.5
28 Vgl. Poutrus, S.989f.