Diese Arbeit widmet sich dem Werk des frühneuzeitlichen Dichters Julius Wilhelm Zincgref "Emblematum Ethico-Politicorum Centuria", das dem pfälzischen Kurfürsten Friedrich dem V. gewidmet ist. Es handelt es sich um eine Emblem-Sammlung, die in erster Linie in Form von Fürstenspiegeln auf die Eigenschaften des idealen Fürsten und des idealen Staates Bezug nehmen. Im Zuge dieser Arbeit wird eine gezielt ausgewählte Gruppe von Emblemen in dem Werk auf ihre Botschaften hin untersucht.
Gegenstand der Arbeit sind die Embleme II, XIX, XLIV und C. Die Auswahl fiel gerade auf diese Embleme, da diese trotz ihrer Verwendung unterschiedlicher Motive und Symbole eine oder mehrere gemeinsame Botschaften zu teilen scheinen, die möglicherweise zugleich als zentrale Aussagen zu verstehen sind, die Zincgref in seinem Werk treffen will. All diese Embleme appellieren nämlich auf ihre jeweils eigene Art an den Gemeinsinn des Fürsten und legitimieren doch zugleich seine Herrschaft.
Zincgref führt insgesamt 100 vom bedeutenden Kupferstecher Matthäus Merian gestochene Embleme auf, die jeweils mit unterschiedlichen Motiven auf den politischen Alltag anspielen und mehr oder weniger konkrete Botschaften vermitteln sollen. Die Gattung der Embleme hat sich im Laufe des 16. Jahrhunderts etabliert und ist als Bild-Text-Gattung immer doppelt kodiert. Das Emblem setzt sich zusammen aus einem knappen, oft rätselhaften Motto (Inscriptio), einem prägnanten Bildteil (Pictura) und einem erläuternden Text in Versform (Subscriptio). Die Kombination der verschiedenen Bild- und Textelemente des Emblems ergeben eine Botschaft, die nicht immer eindeutig zu entschlüsseln ist.
Inhalt
1. Einleitung
2. Staatsmetaphorik bei Zincgref: Legitimierung der Herrschaft des gemein-nützigen Fürsten
2.1. Historischer Kontext und Werkzusammenhang
2.2. Das Motiv vom Hirtenhund bei Zincgref
2.3. Das Staatsschiff-Motiv bei Zincgref
2.4. Das Motiv des Bienenstaats bei Zincgref
3. Zusammenfassung
4. Bibliographie
4.1. Primärliteratur
4.2. Sekundärliteratur
1. Einleitung
Die vorliegende Seminararbeit widmet sich dem Werk des frühneuzeitlichen Dichters Julius Wilhelm Zincgref Emblematum Ethico-Politicorum Centuria, das am Anfang des Dreißigjährigen Krieges veröffentlicht wurde und dem pfälzischen Kurfürsten Friedrich dem V. gewidmet ist. Bei dem Werk handelt es sich um eine Emblem-Sammlung, die in erster Linie in Form von Fürstenspiegeln auf die Eigenschaften des idealen Fürsten und des idealen Staates Bezug nehmen. Zincgref führt insgesamt 100 vom bedeutenden Kupferstecher Matthäus Merian gestochene Embleme auf, die jeweils mit unterschiedlichen Motiven auf den politischen Alltag anspielen und mehr oder weniger konkrete Botschaften vermitteln sollen. Die Gattung der Embleme hat sich im Laufe des 16. Jahrhunderts etabliert und ist als Bild-Text-Gattung immer doppelt kodiert.1 Das Emblem setzt sich zusammen aus einem knappen, oft rätselhaften Motto (Inscriptio), einem prägnanten Bildteil (Pictura) und einem erläuternden Text in Versform (Subscriptio).2 Die Kombination der verschiedenen Bild- und Textelemente des Emblems ergeben eine Botschaft, die nicht immer eindeutig zu entschlüsseln ist. Im Zuge der vorliegenden Arbeit soll eine gezielt ausgewählte Gruppe von Emblemen in dem Werk auf ihre Botschaften hin untersucht werden. Gegenstand der Arbeit sind die Embleme II, XIX, XLIV und C. Die Auswahl fiel gerade auf diese Embleme, da diese trotz ihrer Verwendung unterschiedlicher Motive und Symbole eine oder mehrere gemeinsame Botschaften zu teilen scheinen, die möglicherweise zugleich als zentrale Aussagen zu verstehen sind, die Zincgref in seinem Werk treffen will. All diese Embleme appellieren nämlich auf ihre jeweils eigene Art an den Gemeinsinn des Fürsten und legitimieren doch zugleich seine Herrschaft, wie im Folgenden gezeigt werden soll. Bei der Betrachtung von Inscriptio, Pictura und Subscriptio sollen die verschiedenen Embleme auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht werden, wobei insbesondere die Bildteile einer nähergehenden Betrachtung unterzogen werden und die verschiedenen Symbolträger in der Pictura jeweils im Mittelpunkt der Analyse stehen sollen. Dabei ist zu klären, auf welche Weise die Embleme eine ähnliche Botschaft vermitteln oder ähnliche Strukturen aufweisen, obwohl sie zum Teil sehr unterschiedliche Motive aufgreifen. Bevor die Embleme untersucht werden, wird jedoch im ersten Punkt der Arbeit knapp auf den Werkzusammenhang und den zeitgeschichtlichen Kontext eingegangen. Diese Zusammenhänge sollen die Basis für eine zielführende Interpretation der Botschaften bilden, die Zincgref seinem Fürsten vermittelt. Dabei wird auch auf das Emblem Nr. I eingegangen, das vor allem im Hinblick auf den Bezug, den Zincgref auf den pfälzischen Kurfürsten Friedrich nimmt, betrachtet wird
Zincgrefs Emblematum Ethico-Politicorum Centuria3 bildet die Primärquelle der vorliegenden Arbeit. Als hilfreiche Sekundärquelle ist zunächst der von Wilhelm Kühlmann herausgegebene Sammelband4 über Zincgref und den Heidelberger Späthumanismus zu nennen, der zahlreiche für die Arbeit relevante Informationen liefert. Insbesondere der im Sammelband enthaltene Aufsatz5 von Theodor Verweyen, der von Zincgrefs Leben und Wirken handelt und dieses in einen zeithistorischen Kontext stellt, bietet eine wichtige Grundlage für eine politische und historische Kontextualisierung der Embleme des Dichters. Auch die in dem Sammelband enthaltenden Aufsätze von Wilhelm Kreutz6 und Dieter Mertens7 liefern wichtige Erkenntnisse über die politischen Zusammenhänge der Zeit, in der Zincgrefs Werk erschien. Für die Analyse der einzelnen Bildmotive, die auf den behandelten Emblemen vorkommen, stellt Dietmar Peils Monographie8 zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik die wichtigste Sekundärquelle dar. Peil untersucht eine Vielzahl von Symbolen und Metaphern, die mit Herrschaft in Verbindung stehen, darunter auch das Hirtenmotiv, das Staatsschiffmotiv und das Bienenstaatsmotiv. Dabei liefert er Informationen nicht nur über die Botschaft, die hinter diesen Symbolen steht, sondern auch über die Entwicklungsgeschichte solcher Motive. Das Hirtenmotiv, das bei Peil aufgegriffen wird, wird auch in Benjamin Bühlers Monographie Zwischen Tier und Mensch9 thematisiert. Verschiedene Erkenntnisse über die Gattung der Embleme bietet indes der englischsprachige Sammelband Companion to Emblem Studies.10
Im nun folgenden Hauptteil der Arbeit, bei dem die Analyse einer Gruppe von Emblemen im Mittelpunkt stehen soll, die allesamt zugleich an ein gemeinschaftliches Denken und Handeln des Fürsten appellieren, dabei aber seine Herrschaft legitimieren, soll zunächst auf den historischen Kontext und die politischen Rahmenbedingungen zur Zeit der Veröffentlichung von Zincgrefs Emblematum Ethico-Politicorum Centuria eingegangen werden. Diese Zusammenhänge sind bei der Untersuchung der Embleme stets zu bedenken.
2. Staatsmetaphorik bei Zincgref: Legitimierung der Herrschaft des gemein-nützigen Fürsten
2.1. Historischer Kontext und Werkzusammenhang
Der Heidelberger Dichter und Publizist Julius Wilhelm Zincgref (1591-1635) veröffentlichte im Jahre 1619 sein Emblem-Buch Emblematum Ethico-Politicorum Centuria in einem Jahr, das ganz im Zeichen von Krisen und politischen Umbrüchen stand. Der Dreißigjährige Krieg hatte ein Jahr zuvor mit dem Böhmenaufstand seinen Anfang genommen und im Zuge dessen stand auch die Zukunft der Kurpfalz und des Calvinismus im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation auf dem Spiel.11 Für den „glaubensfesten (…) Calvinisten Zincgref“12 stellte diese heikle Situation den Rahmen für die Veröffentlichung seines Werkes dar, in dem er sich als „politischer Propagator“13 für die kurpfälzische Sache einsetzte. Gerichtet ist dieses Werk direkt an den pfälzischen Kurfürsten Friedrich den V., eine zentrale Figur auf protestantischer Seite im Reich, dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Zincgrefs Werk die richtweisende Entscheidung bevorstand, ob er die ihm von den böhmischen Reichsständen angetragene Königswürde annehmen würde.14 Ein direkter Zusammenhang der Emblemata Zincgrefs mit eben dieser Entscheidungssituation ist jedoch nicht gegeben, das Werk entstand im Zuge mehrjähriger Vorbereitung, und Böhmen oder die Königswürde werden darin nicht thematisiert.15 Nichtsdestoweniger ist das Emblem-Buch dem pfälzischen Kurfürsten gewidmet und stellt in erster Linie einen Fürstenspiegel dar, in dem die Merkmale herausgestellt werden, die einen guten Fürsten und einen guten Staat ausmachen. Friedrichs Name wird dabei an keiner Stelle erwähnt, er dient vordergründig lediglich als „Adressat der Widmung“.16 Auf subtile Weise verknüpft Zincgref dennoch den Inhalt des Werks mit dem Kurfürsten und seiner Heimat, so zum Beispiel gleich im ersten Emblem, das die Inscriptio Parte Tamen Vigilat trägt. Die Überschrift kann mit „zum Teil ist er trotzdem wach“17 übersetzt werden. Der Bildteil des Emblems zeigt einen von ein paar Sträuchern umgebenen Löwen in liegender, sich ausruhender Position und im Hintergrund eine Stadt und ein Schloss. Der Löwe ist ein positiv beladenes Symbol für Macht und Kraft. Der König der Tiere steht „an der Spitze der sozialen Pyramide innerhalb des vermenschlichten Tierreichs“18 und stellt häufig einen symbolischen Hinweis auf den Fürsten dar. Die Darstellung des Tieres stellt zugleich einen expliziten Bezug auf Friedrich her, weil der Löwe das Wappentier der Kurpfalz ist. Dieser Bezug wird dadurch untermauert, dass das im Bildhintergrund erkennbare Schloss als das Heidelberger Schloss identifizierbar ist19 und die Stadt im Hintergrund folglich die Residenzstadt des pfälzischen Kurfürsten zeigt. In der Subscriptio des Emblems findet sich eine Erläuterung des Motivs: Fürsten sollen sich die Eigenschaft des Löwen zum Vorbild nehmen, auch im ruhenden Zustand doch stets aktiv zu sein, und den Aufgaben des Amts „ auch in dem schlaffen “ nachzukommen. Das erste Emblem des Werkes ist also als direkter Appell an den steten Fleiß und die ständige Wachsamkeit des Kurfürsten Friedrich zu verstehen. Der subtile Verweis auf den pfälzischen Fürsten ausgerechnet im ersten Emblem hat zur Folge, dass der Betrachter wohl auch bei allen darauffolgenden Emblemen als erstes an Friedrich denkt, wenn die Eigenschaften eines Fürsten angedeutet werden, selbst wenn nicht bei jedem Emblem explizite Hinweise auf ihn oder seine Residenz deuten. Der Fürst indes ist nicht der Einzige, der sich von den Emblemen Zincrefs angesprochen fühlen soll. Das Werk ist zugleich auch „als eine calvinistische Regimentslehre angelegt“20, die die Bürger in Zeiten der Krise an ihre Pflichten erinnern soll, zu denen nicht zuletzt Gehorsam gegenüber dem Fürsten21 zählt. Dass die Kupferstiche in dem Emblem-Buch von Matthäus Merian angefertigt wurden, der zu den bedeutendsten Kupferstechern der Zeit gehörte22, verweist auf eine gewisse Popularität Zincgrefs und es ist davon auszugehen, dass seine Embleme vielfach rezipiert wurden. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass das Werk hauptsächlich an ein eher gebildetes Publikum gerichtet war, denn um alle Elemente des Emblems verstehen zu können, bedurfte es durchaus einer gewissen Gelehrsamkeit. Dies betrifft insbesondere die den Emblemen jeweils zur Seite gestellten Erläuterungen auf lateinisch. Die Beherrschung der lateinischen Sprache galt zu dieser Zeit als Statussymbol und bewies ein hohes Maß an Bildung.23 Der lateinische Kommentar stellt zum größten Teil eine Zitatmontage mit Textstellen aus Werken fremder Autoren dar. Bei diesen handelt es sich häufig um antike Autoren wie Ovid, Seneca oder Tacitus. Die Kommentare von etablierten Stimmen, die jeweils das Thema des Emblems aufgreifen, verleihen den Emblemen zusätzliche Autorität und untermauern die Aussage, die sich aus Inscriptio, Pictura und Subscriptio ergeben, können dem Emblem zum Teil aber auch eine andere Bedeutungsebene verleihen.24 Bei der Betrachtung verschiedener Embleme Zincgrefs sollen im Folgenden aber insbesondere die Bildelemente im Mittelpunkt stehen, indes die Inscriptiones und Subscriptiones jeweils Hinweise auf deren Aussage geben sollen. Exemplarisch werden solche Embleme untersucht, die sich stark in ihrer Aussage ähneln, wie im Folgenden aufzuzeigen ist.
2.2. Das Motiv vom Hirtenhund bei Zincgref
Auf das bereits angesprochene Emblem mit dem liegenden Löwen folgt bei Zincgref ein Emblem, das mit der Inscriptio Pro Grege (für die Herde) versehen ist. Die Pictura zeigt einen Hund, der ähnlich wie der Löwe im Emblem Nr. I im Vordergrund des Bildes liegt, dabei aber wachsam den Kopf in die Höhe gereckt hält. Er bewacht eine eingezäunte Schafsherde. Im Hintergrund ist wiederum eine Stadt zu erkennen, bei der es sich erneut um Heidelberg handeln könnte, allerdings ist hier das Schloss, das ein eindeutiges Erkennungsmerkmal darstellen würde, nicht abgebildet. In der untergeordneten Subscriptio werden die Eigenschaften des dargestellten Hundes beschrieben: Wachsam und zuverlässig nimmt er, der weiß was ihm gebührt, sich der Schäflein an. Er handelt für die heerde, nicht für sich. In der letzten Zeile ist ein Appell an den Fürsten angefügt, sich eben diese Tugenden anzueignen. Das Emblem weist in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeiten mit dem Löwen-Emblem auf. Die liegende, doch zugleich wachsame Haltung der beiden Tiere ist ein gemeinsames Element der Pictura auf beiden Emblemen. Zum Aufruf zur Wachsamkeit des Fürsten, kommt im zweiten Emblem jedoch noch das Motiv der Herde hinzu, die sinnbildlich für das Volk steht, das der Fürst zu beschützen hat. Die Herden-Metapher ist ein weit verbreitetes Bild für politische Herrschaft, das schon Jahrtausende lang verwendet wird. Im Christentum spielt die Metapher vom Hirten auf das Amt des Priesters oder Bischofs an, der seiner Gemeinde vorsteht.25 Der Hirt, der die Herde bewacht, bemüht sich um das Wohlergehen seiner Schafe, genau wie der Herrscher für die Menschen in seinem Reich Sorge zu tragen hat. Zu den Aufgaben des Hirts gehört es zudem, andere Tiere davon abzuhalten, seine Schafe zu reißen, was dem Schutz des Fürsten entspricht, den er seinen Untertanen vor Feinden gewährt. Hinzu kommt die Rechenschaftspflicht gegenüber einer höheren Instanz26, die sowohl Hirte als auch Herrscher zu leisten haben. Zu beachten ist jedoch, dass das Emblem keinen menschlichen Hirten als denjenigen darstellt, der die Herde bewacht, sondern einen Hirtenhund. Aufgrund seines ihm zugesprochenen Gehorsams ist der Hund in der Emblematik häufig auch als Symbol für einen loyalen Soldaten zu finden.27 Das Tier ist zu dieser Zeit jedoch insgesamt eher negativ behaftet. In der Fabelliteratur und Tierallegorese etwa erscheint das Tier häufig in einem negativen Kontext.28 Und Georg Scheibelreiter konstatiert in seinem Aufsatz über die Tiersymbolik im Mittelalter, in dem er den Hund für die Wahl des Wappentiers als deutlich weniger reizvoll skizziert als etwa den Löwen: „Wolf und Hund werden gering geschätzt, abgewertet, negativ gedeutet.“29 Die Darstellung eines Fürsten als Hund erscheint in dieser Hinsicht auf den ersten Blick überraschend und für den Fürsten wenig schmeichelhaft. Die Gleichsetzung von Hund und Fürst gelingt jedoch durch eine Abwesenheit des Hirten in der Pictura. Das Tier ist dem nicht abgebildeten Hirten hierarchisch unterstellt und ihm Rechenschaft schuldig, worauf auch in der Subscriptio mit dem Hinweis angespielt wird, das Tier wisse, was ihm gebührt. Der Schäfer nimmt hier also die Rolle einer höheren Instanz ein, so wie Gott diese auf Motiven einnimmt, die den Hirten und nicht den Hund als Wächter darstellen. Der Hirte ist als derjenige, der seinen Auftrag von Gott erhalten hat, zugleich Anführer und Bestandteil der Herde, genau wie der Hund in Zincgrefs Emblem, der seinen Auftrag vom Hirten erhalten hat. Festzuhalten ist, dass Zincgref politische Herrschaft mithilfe des Hirtenmotivs legitimiert, denn die Metapher lehrt eine klare Hierarchie. Im Falle von Zincrefs Emblem gliedert sich diese Hierarchie in die Bestandteile Höhere Instanz (Hirte), Fürst (Hund) und Volk (Schafe). Die Gleichsetzung von Hund und Fürst wird durch die Rolle des Hirten als höhere Instanz festgelegt und dadurch noch begünstigt, dass das Emblem auf wenige bedeutungstragende Bildelemente beschränkt ist. Die Aussage des Hirtenmotivs, die dem frühneuzeitlichen Rezipienten bekannt ist, drängt sich auf den ersten Blick als einzige Deutungsmöglichkeit auf und eine mögliche negative Deutung aufgrund der Darstellung des Fürsten als Hund wird durch die Bekanntheit des positiv beladenen Hirtenmotivs von vornherein ausgeschlossen. Unter diesen Gesichtspunkten gelingt eine Übertragung der Eigenschaften des Hundes auf den idealen Fürsten, der im Auftrag Gottes nicht für sich, sondern für die Herde, also das Gemeinwohl, handeln soll. Wachsam soll er sein Volk vor Feinden verteidigen und stets auf einen Angriff auf das Gemeinwohl vorbereitet sein, statt sich zu sehr auf sich zu konzentrieren oder sich nur um höfische Angelegenheiten zu sorgen. Das Hirtenmotiv bildet in Zincgrefs Emblem-Buch den Auftakt einer ganzen Gruppe von Emblemen, die eben diesen Gemeinsinn im Fürsten, also konkret in Friedrich dem V. beschwören sollen, und dabei zugleich mithilfe eindeutiger Motive immer wieder seinen kurfürstlichen Herrschaftsanspruch bekräftigen. Ein weiteres Motiv, das zu dieser Gruppe zu zählen ist, ist die Metapher vom Schiff als Staatsschiff, auf die im folgenden Punkt eingegangen werden soll.
[...]
1 Vgl. Manns, Stefan: Nucleus emblematum. Überlegungen zu einer Semiotik des Emblems. In: Frank, Thomas/ Kocher, Ursula/ Tarnow, Ulrike (Hrsg.): Topik und Tradition. Prozesse der Neuordnung von Wissensüberlieferungen des 13. Bis 17. Jahrhunderts (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, Bd. 1). Göttingen 2007, S.65.
2 Daly, Peter M.: Emblems. An Introduction. In: Ders. (Hrsg.): Companion to Emblem Studies (AMS studies in the emblem, 20). New York 2008, S. 1.
3 Julius Wilhelm Zincgref: Emblematum Ethico-Politicorum Centuria. Frankfurt a.M. 1619.
4 Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Julius Wilhelm Zincgref und der Heidelberger Späthumanismus. Zur Blüte und Kampfzeit der calvinistischen Kurpfalz. Ubstadt-Weiher 2011.
5 Verweyen, Theodor: Julius Wilhelm Zincgref (1591-1635). Dichter und Publizist in der Blütezeit der calvinistischen Kurpfalz. In: Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Julius Wilhelm Zincgref und der Heidelberger Späthumanismus. Zur Blüte und Kampfzeit der calvinistischen Kurpfalz. Ubstadt-Weiher 2011, S. 15-48.
6 Kreutz, Wilhelm: Die Kurpfalz zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. In: Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Julius Wilhelm Zincgref und der Heidelberger Späthumanismus. Zur Blüte und Kampfzeit der calvinistischen Kurpfalz. Ubstadt-Weiher 2011, S. 71-84.
7 Mertens, Dieter: Zincgrefs „Epos ad Fridericum“. In: Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Julius Wilhelm Zincgref und der Heidelberger Späthumanismus. Zur Blüte und Kampfzeit der calvinistischen Kurpfalz. Ubstadt-Weiher 2011, S. 101-134.
8 Peil, Dietmar: Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart. München 1983.
9 Bühler, Benjamin: Zwischen Tier und Mensch: Grenzfiguren des Politischen in der Frühen Neuzeit. München 2013.
10 Daly, Peter M. (Hrsg.): Companion to Emblem Studies (AMS studies in the emblem, 20). New York 2008.
11 Vgl. Verweyen 2011, S. 33.
12 Ebenda, S. 32.
13 Garber, Klaus: Eine Stimme aus dem deutschen Südwesten. Julius Wilhelm Zincgref und der Aufbruch in Heidelberg um 1600. In: Ders.: Literatur und Kultur im Deutschland der Frühen Neuzeit. Paderborn 2017, S. 559.
14 Vgl. Kreutz 2011, S. 75.
15 Vgl. Mertens 2011, S. 111.
16 Vgl. Ebenda.
17 Selbstdurchgeführter Übersetzungsversuch.
18 Scheibelreiter, Georg: Tiersymbolik und Wappen im Mittelalter: grundsätzliche Überlegungen. In: Das Mittelalter 12 (2007), S. 9.
19 Vgl. Mertens 2011, S. 111.
20 Ebenda, S. 33.
21 Vgl. etwa Emblem Nr. LV.
22 Vgl. Verweyen 2011, S. 27.
23 Vgl. Verweyen 2011, S. 34.
24 Vgl. Ebenda, S. 33.
25 Vgl. Bühler 2013, S. 30.
26 Vgl. Peil, Dietmar: Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart. München 1983, S. 38.
27 Vgl. Ebenda, S. 126.
28 Vgl. Ebenda, S. 133.
29 Scheibelreiter 2007, S. 13.