Warum kooperieren China und Pakistan im Rahmen des „China-Pakistan Economic Corridor”? Zur Beantwortung der Frage nutze ich die Theorien des Realismus und des Rationalen Institutionalismus nach Keohane. In der Arbeit werde ich analysieren, welche der beiden Theorien geeigneter ist, um die Kooperation zu erläutern.
Dabei gehe ich folgendermaßen vor: Zunächst werde ich die beiden Theorien darlegen und in Kürze zusammenfassen. Dann werde ich jeweils Implikationen ableiten, welche im weiteren Verlauf die Grundlage meiner Analyse bilden. Im darauffolgenden Kapitel lege ich die wichtigsten Fakten und Projekte von CPEC dar. Danach werde ich mich in meiner Analyse auf einige Aspekte konzentrieren. Der erste Aspekt ist die Krise in der Energie- und Stromversorgung in Pakistan und den damit in Verbindung stehenden Projekten. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die pakistanische Hafenstadt Gwadar, welche mit all ihren Projekten den Großteil meiner Analyse einnimmt. Daher werden einige damit in Zusammenhang stehende Themen bei meiner Betrachtung nicht berücksichtigt; wesentlich hier zu nennen ist die Frage der Finanzierung der Projekte und der sogenannten „dept diplomacy“ Chinas sowie die Sicherheitslage in Belutschistan.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theorie
2.1 Realismus
2.2 Rationaler Institutionalismus
3 “China-Pakistan Economic Corridor”
3.1. Energiekrise in Pakistan
3.2 Gwadar
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bilateraler Handel zwischen Pakistan und China (Eigene Darstellung nach WITS - World Integrated Trade Solution)
Abbildung 2: Herkunft chinesischer Ölimporte (Eigene Darstellung nach WITS - World Integrated Trade Solution)
Abbildung 3: Engpässe von Malakka und Hormus; Stützpunkte im Indischen Ozean (Albert 2016)
1 Einleitung
Während eines Besuches in Kasachstan 2013 verkündete Xi Jinping, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, offiziell den Start der "belt and road initiative" (BRI) (Parker 2017). BRI, auch Seidenstraßen-Initiative genannt, bildet den Eckpfeiler der jüngeren chinesischen Außenpolitik und ist ein Abbild des globalen chinesischen Aufstieges in wirtschaftlichen, strategischen und politischen Aspekten. Investitionen fließen in über 71 Länder auf der ganzen Welt, es umfasst die Hälfte der Weltbevölkerung und ein Viertel des globalen BIPs (Lily Kuo and Niko Kommenda 2018). Der „China-Pakistan Economic Corridor“ (CPEC) ist das „Flaggschiff“ der BRI und rund ein Drittel der Investitionen innerhalb der BRI fließen nach Pakistan in CPEC. Neben den positiven Entwicklungen schürt das Projektjedoch auch Spannungen und Konflikte in der Region, so bei Indien, wo die Angst der Einkreisung durch China wächst (Kamdar 2019).
Interessant ist die Tatsache, dass bei CPEC zwei in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht deutlich unterschiedlich starke Länder miteinander kooperieren und beide Staaten die Bedeutsamkeit und Nützlichkeit dieser Kooperation betonen. Daher soll in dieser Arbeit folgende Fragestellung beantwortet werden: Warum kooperieren China und Pakistan im Rahmen des „China-Pakistan Economic Corridor”? Zur Beantwortung der Frage nutze ich die Theorien des Realismus und des Rationalen Institutionalismus nach Keohane. In der Arbeit werde ich analysieren, welche der beiden Theorien geeigneter ist, um die Kooperation zu erläutern.
Dabei gehe ich folgendermaßen vor: Zunächst werde ich die beiden Theorien darlegen und in Kürze zusammenfassen. Dann werde ich jeweils Implikationen ableiten, welche im weiteren Verlauf die Grundlage meiner Analyse bilden. Im darauffolgenden Kapitel lege ich die wichtigsten Fakten und Projekte von CPEC dar. Danach werde ich mich in meiner Analyse auf einige Aspekte konzentrieren. Der erste Aspekt ist die Krise in der Energie- und Stromversorgung in Pakistan und den damit in Verbindung stehenden Projekten. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die pakistanische Hafenstadt Gwadar, welche mit all ihren Projekten den Großteil meiner Analyse einnimmt. Daher werden einige damit in Zusammenhang stehende Themen bei meiner Betrachtung nicht berücksichtigt; wesentlich hier zu nennen ist die Frage der Finanzierung der Projekte und der sogenannten „dept diplomacy“ Chinas sowie die Sicherheitslage in Belutschistan. Zum Schluss ziehe ich ein Fazit.
2 Theorie
2.1 Realismus
Nach Kirshner basiert der Realismus auf drei Prinzipien: dem Staat, welcher sein nationales Interesse verfolgt, und die Anarchie als Realität der internationalen zwischenstaatlichen Beziehungen (Kirshner 2009, S. 36). Realisten sehen den Staat als einen autonomen Akteur an. Zentral ist die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft, welche unterschiedliche Interessen verfolgen würden. Der Staat verfolgt das nationale Interesse, welches sich von privaten Interessen unterscheidet (Krasner 1978, S. 5-6). Die Anarchie in den internationalen Beziehungen bezeichnet das Fehlen einer zentralen Autorität, welche über den Staaten steht. Daher bestünde das Prinzip der Selbsthilfe: kein Staat könne in der Anarchie sicher, da er sich nie der Absichten der anderen Staaten sicher sein kann sein. Da kein Staat in der Lage ist, diese Struktur zu verändern, werden die Staaten versuchen, sich gegeneinander zu behaupten, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen (Waltz 2010; Mearsheimer 1994, S. 10).
Daher beurteilt der Staat die internationalen Wirtschaftsbeziehungen danach, inwiefern sie die Sicherheit des Staates beeinflussen. Nach Gilpin sind Veränderungen in der relative Machtverteilung, welche unmittelbar aus ungleichmäßigen Veränderungen in der wirtschaftlichen Kraft und im Wirtschaftswachstum von Staaten resultieren, die treibende KrafthinterKonfliktenzwischen Staaten (Gilpin 1981, S. 93).
Somit lassen sich für den Realismus folgende Implikationen ableiten:
1. Nach Krasner lässt sich ableiten, dass Staaten Handelsbeziehungen auch dann eingehen, wenn sie wirtschaftlich nicht rentabel sindjedoch die Sicherheit des Staates und die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen vergrößert und vice versa.
2. Unsicherheit ist ein grundlegendes Charakteristikum in den internationalen Beziehungen. So ist für den Staat sein Überleben und die Sicherheit das vorrangige Ziel.
3. Für Realisten stellen Institutionen die Machtverteilung in der Welt dar. Sie basieren auf den Eigeninteressen der Staaten und sind daher nicht unabhängig und beeinflussen nichtihrVerhalten (Mearsheimer 1994, S. 7).
4. Staaten achten immer auf die relativen Gewinne, welche durch Kooperation entstehen, da diese die internationale Machtverteilung beeinflussen. Daher wird Kooperation nach ihrem Einfluss auf die relative Machtverteilung beurteilt.
2.2 Rationaler Institutionalismus
Die Theorie des Rationalen Institutionalismus argumentiert, dass unter bestimmten Bedingungen auf der Basis komplementärer Interessen Kooperation zwischen Staaten möglich ist und dass Institutionen und Regime die Struktur der Kooperation beeinflussen (Keohane 1984, S. 9). Keohane übernimmt die Annahme des Realismus, dass das internationale System, in welchem die Staaten operieren, von Anarchie geprägt ist und dass Staaten ihre nationalen Interessen verfolgen. Im Gegensatz zum Realismus jedoch argumentiert er, dass Kooperation von Staaten durch internationale Regime als ein Set von expliziten und impliziten Normen, Regeln und Entscheidungsfindungsprozedere, auf welche sich die Staaten einigen, ermöglicht werden könne, indem die Erwartungen der Akteure konvergieren (Keohane 1984, S. 57). So könne gezeigt werden, dass selbst wenn eine Regierung nur ihre eigenen Interessen und keinen idealistischen Motive verfolgt, sie Anreize haben zur Kooperation habe. Die Gefahr der Unsicherheit der Anarchie könne so überwunden und die gegenseitigen Interessen verfolgt werden, indem ein Forum sowie festgelegte Prozedere und Standardisierungen etabliert werden. So würden internationale Regime es einfacher machen, einzelne Themen zu verbinden und Kompromisse zu finden (Keohane 1984, S. 91,259).
Für den Rationalen Institutionalismus lassen sich nun folgende Implikationen ableiten:
1. Den Staaten ist die internationale Machtverteilung weniger wichtig als die absoluten Gewinne für den Staat selber. So sind absolute Gewinne wichtiger als relative. Daher gehen Staaten Kooperationen ein, wenn sie sich dadurch absolute Gewinne erhoffen, ungeachtet der der anderen Staaten.
2. Das nationale Interesse zu verfolgen bedeutet nach Keohane nicht immer, die eigene Handlungsfreiheit zu maximieren, sondern es kann auch bedeuten wahrzunehmen, dass es von Institutionen abhängen kann, welche die Kooperation erst ermöglichen.
3. Institutionen und Regime ermöglichen durch Rechtsgrundsätze und Standards Staaten, eine quid pro quo Strategie zu verfolgen. Staaten gehen Kooperationen ein und akzeptieren, dass sie in einigen der Beziehungen keinen Vorteil haben, wenn sie dafür an anderer Stelle etwas gewinnen. Am Ende zählt der absolute Gewinn für den Staat.
3 “China-Pakistan Economic Corridor”
Der “China-Pakistan Economic Corridor” (CPEC) ist ein Teil von der „beit and road initiative“ (BRI). Er ist einer von sechs Wirtschaftskorridoren, welche Asien und Europa miteinander verbinden sollen. Es ist das größte Projekt innerhalb der BRI und umfasst ein Investitionsvolumen von 62 Milliarden US-Dollar, was ungefähr 20% des pakistanischen BIPs entspricht (National Development and Reform Commission, Ministry of Foreign Affairs ofPRC 28.03.2015).
Nach offizieller Bezeichnung ist die Konnektivität von Pakistan, China und der Region das Ziel von CPEC. Neben dem Ausbau der Energieversorgung sowie Schienen und Straßen ist der Ausbau der pakistanischen Hafenstadt Gwadar und der angeschlossenen Infrastrukturprojekte der wichtigste Teil von CPEC. Es umfasst die Errichtung einer Freihandelszone in Gwadar sowie weitere Freihandels- und Sonderwirtschaftszonen in Pakistan, der Bau eines Flughafens, mehrerer Autobahnen und Schienennetze von Gwadar und Karachi bis an die chinesisch-pakistanische Grenze, Ölraffinerien in Gwadar sowie viele Energieprojekte, vor allem Kohlekraftwerke, jedoch auch Wind- und Solarparks (Project Director/CPEC Coordinator 2019).
3.1. Energiekrise in Pakistan
Zentral für das Verständnis der pakistanischen Position ist die Krise in der Energieversorgung, insbesondere in der Versorgung mit Elektrizität. Pakistan leidet seit 2005 unter einer schweren Lücke in der Stromversorgung, da das Angebot der immer weiter steigenden Nachfrage nicht hinterherkommt. 2015 betrug diese Lücke 6500 MW und die Nachfrage steigt weiter, bis 2030 soll sie um geschätzte 41% steigen (Wakeel et al. 2016, S. 73; Mirza et al. 2019). So wird geschätzt, dass die mangelhafte Stromversorgung Pakistan ungefähr 2% BIP-Wachstum pro Jahr kostet (Masood und Walsh 2015).
Die meisten Projekte im Energiebereich innerhalb von CPEC werden von chinesischen Firmen durchgeführt und finanziert. Der Großteil der Investitionen fällt bei CPEC in den Bereich der Stromerzeugung. Es sollen kurzfristig 10,400 MW zusätzliche Kapazitäten durch neue Projekte generiert werden, langfristig 17,045 MW. So soll die Energiekrise in Pakistan kontrolliert werden. Der Großteil dieser Kapazität soll durch Kohlekraftwerke erzeugt werden (Planning Commission 2014). Es wird angenommen, dass nach Abschluss aller Energieprojekte das zusätzliche Energieangebot das BIP-Wachstum Pakistans um 2,5% auf 7,5% steigern wird (Mirza et al. 2019).
Die meisten der Projekte sind noch im Bau und daher liegen zu den tatsächlichen Auswirkungen der Projekte auf das Wirtschaftswachstum noch keine Daten vor. Jedoch ist davon auszugehen, dass eine verbesserte Stromversorgung sich zumindest nicht negativ auf das BIP-Wachstum Pakistans auswirken wird, sodass ich von der oben genannten Schätzung ausgehe, dass die verbesserte Stromversorgung sich positiv auswirken wird.
Der Rationale Institutionalismus hat in diesem Fall eine gute Erklärungskraft. So lohnt sich für Pakistan die Kooperation mit China, da es auf die chinesischen Investitionen angewiesen ist, um seine Infrastruktur in der Stromversorgung weiterzuentwickeln (Stevens 2015). Dies wiederum wirkt sich positiv auf das BIP-Wachstum aus und erhöht so Pakistans Wohlstand. Auch könnten durch die Investitionen in die Stromversorgung neue Jobs geschaffen werden. Hier bewahrheitet sich Keohanes Aussage, dass im nationalen Interesse zu handeln bedeuten kann, nicht seine Handlungsfreiheit zu maximieren, sondern zu kooperieren und Kompromisse einzugehen. Für Pakistan besteht der Kompromiss in der Tatsache, dass den chinesischen Firmen in den Freihandelszonen und Sonderwirtschaftszonen in Pakistan in CPEC Steuerfreiheit über mehrere Jahrzehnte zugesagt werden. Auch werden die meisten Projekte von chinesischen Unternehmen geleitet und erst nach einigen Jahrzehnten an Pakistan übergeben (Project Director/CPEC Coordinator 2019). Die absoluten Gewinne für Pakistan sind jedoch positiv. Auf die Auswirkungen der Freihandelszonen und von CPEC im Ganzen auf Pakistans Handel gehe ich später ein. Ein Gewinn für China hierbei ist die tendenzielle Stabilisierung Pakistans durch den Infrastrukturausbau und ein höheres BIP- Wachstum. Malik (2012) betont besonders die positiven stabilisierenden Auswirkungen auf Xinjiang, Chinas westliche, muslimisch dominierte Provinz, worauf ich jedoch nicht weiter eingehen werde. Die Handlungsweise Pakistans lässt sich also als eine quid pro quo Strategie bezeichnen, in welcher Gewinne in einem Bereich durch Zugeständnisse an die andere Partei in anderen Bereichen realisiert werden.
Aber auch der Realismus kann angewendet werden, wenn man bedenkt, dass Pakistan in China keinen Konkurrenten sieht, sondern Indien Pakistans Hauptgegner ist. Somit sind die Handlungen Pakistans in Hinsicht auf die relative Machtposition zu Indien zu sehen und nicht im Bezug auf China. Die Investitionen in die Stromversorgung stärken die Wirtschaftskraft und haben so Auswirkungen auf die militärische Stärke Pakistans und die relative Machtposition gegenüber Indien. Pakistan und China sind seit vielen Jahren enge Verbündete und auch China sieht Indien als Konkurrenten in der Region an und daher wären die Gewinne Chinas gleichzeitig zuträglich für Pakistans Sicherheitsinteressen. Aus dieser Sichtweise ist die Kooperation durch die regionale Rivalität Pakistans und Chinas mit Indien zu erklären.
3.2 Gwadar
Der Hafen von Gwadar ist das wichtigste Projekt innerhalb von CPEC in Pakistan. Es wurden bereits über 800 Millionen US-Dollar in verschiedene Projekte investiert, darunter in eine neue Universität, eine Ölraffinerie im Norden der Stadt, in die Gwadar Free Trade Zone (GFTZ), in welche bereits 30 Firmen investiert haben, in Werften, einen neuen Flughafen und Eisenbahnverbindungen. Auch sollen 3000km an neuen Straßen gebaut werden, die Gwadar über Kashgar mit China im Norden verbinden sollen (Planning Commission 2014). Schon vor der offiziellen Verkündung von CPEC wollte Pakistan in Gwadar einen Tiefseehafen bauen, jedoch auch nach der Rückkehr Gwadars von Oman nach Pakistan begannen die Arbeiten erst Jahrzehnte später. 2007 übergab Pakistan das Management des Hafens von Gwadar an die Port of Singapore Authority für 40 Jahre. Dies erfolgte auf Druck der USA, welche einen zu großen Einfluss Chinas befürchteten. Jedoch führten wachsende Spannungen zwischen den USA und Pakistan dazu, dass Pakistan 2013 das Management an eine chinesische Firma, der China Overseas Ports Holding Company für 43 Jahre übergab. 2015 dann wurde Gwadar offiziell Teil von CPEC, unter welchem der Hafen erweitert werden soll (Grare 2018, S. 2).
Schauen wir uns zunächst Pakistans Position hierzu an. Wie bei den Energieprojekten sind auch in Gwadar viele Projekte noch im Bau und so liegen bislang keine verlässlichen Daten zu deren Wirtschaftlichkeit und Rentabilität vor. Nach Angaben der China Overseas Ports Holding Company, dem chinesische Staatsunternehmen, welches den Hafen leitet, soll die Freihandelszone in Gwadar einen jährlichen Ertrag von 790 Millionen US Dollar erbringen (Asia News 2018). Jedoch gibt es bereits Hinweise auf erste Schwierigkeiten. Erst diesen September verkündete das chinesische Unternehmen COSCO, dass es seinen ContainerLiniendienst zwischen Karachi und Gwadar einstellen wird wegen zu langsamen Ausbaus der Freihandelszone in Gwadar. Auch, so COSCO, hätten die mangelhafte Arbeitsweise der Zölle in Gwadar und die hohen Inlands-Transportkosten zu der Entscheidung des Unternehmens beigetragen (Chaudhury 2019). So ist der Gesamteindruck der Wirtschaftlichkeit von Gwadar derzeit noch unklar. Obgleich nicht direkt zur GFTZ, so liegen aber zum gesamten bilateralen Handel zwischen Pakistan und China Daten vor:
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