Die Sinti und Roma. Opfer der NS-Rassenideologie
Zusammenfassung
Hauptquelle für diese Hausarbeit bildet das Buch "Sinti und Roma im Dritten Reich" von Till Bastian, das sich gut fundiert und tiefgründig mit der Thematik auseinandersetzt. Generell gestaltete sich die Literaturrecherche als einfach, da die Auswahl an Werken zu diesem Thema relativ umfangreich und vielfältig ist.
Der Ursprung des nationalsozialistischen Rassenwahns und der daraus resultierenden Verbrechen im Dritten Reich lag in den rassenideologischen und sozialdarwinistischen Theorien des 19. Jahrhunderts und in dem Wunsch der Nationalsozialisten, eine Volksgemeinschaft zu erschaffen, die allen anderen Völkern körperlich wie auch geistig überlegen ist und somit die Weltherrschaft auf ewig für sich in Anspruch nehmen kann.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die NS-Rassenideologie – Die „arische Rasse“ und das „Untermenschentum“
2.1. Theoretische Grundlagen – „Rassenkampf“ und „Rassenhygiene“
2.2. Arier versus „Untermensch“ – eine nationalsozialistische Charakterisierung
3. Die soziale Ausgrenzung, Verfolgung und der Völkermord an den „Zigeunern“
3.1. Wurzeln der Ablehnung
3.2. Verfolgung und Ausgrenzung der Sinti und Roma im Dritten Reich
3.3. Übergang zum Massenmord
4. Fazit
5. Literatur
1. Einleitung
„Um dem auf Deutschlands Erde gewachsenen Volke wieder zur Blüte zu verhelfen, müssen wir das Unkraut ausjäten und Fremdrassiges entfernen.“1
Der Ursprung des nationalsozialistischen Rassenwahns und der daraus resultierenden Verbrechen im Dritten Reich lag in den rassenideologischen und sozialdarwinistischen Theorien des 19. Jahrhunderts und in dem Wunsch der Nationalsozialisten, eine Volksgemeinschaft zu erschaffen, die allen anderen Völkern körperlich wie auch geistig überlegen ist und somit die Weltherrschaft auf ewig für sich in Anspruch nehmen kann.
Voraussetzung für diese Überlegenheit war jedoch die gleichzeitige Eliminierung aller minderwertigen, artfremden bzw. fremdrassigen, gemeinschaftsunfähigen und erbkranken „Elemente“.
Zu Beginn des NS-Regimes erfolgte die Eliminierung, hier noch im Sinne von Ausgrenzung, auf dem Wege der Gesetzgebung. Mit der Radikalisierung des Krieges gab es jedoch nur noch eine Lösung - den Genozid von Millionen unschuldiger Menschen, die nicht in das Bild einer idealen Volksgemeinschaft passten.
In der hier vorliegenden Hausarbeit werden die rassentheoretischen Grundlagen der NS-Rassenideologie näher betrachtet und deren praktische Anwendungen und Auswirkungen auf die für „minderwertig“ erklärte Gruppe der Sinti und Roma untersucht.
Der Fokus liegt dabei auf der Frage, welche Maßnahmen sich die Nationalsozialisten bei der Produktion einer rassisch überlegenen Volksgemeinschaft zunutze machten und mit welchen rassenideologischen Grundannahmen sie diese Maßnahmen rechtfertigten. Ich möchte hier speziell Auswirkungen auf die kleine Minderheit der Sinti und Roma untersuchen.
In Kapitel 2 wird zunächst die NS-Rassenideologie vorgestellt, die von der Ungleichheit verschiedener Rassen und der Überlegenheit der arischen Rasse ausgeht, bevor im dritten Kapitel die Gruppe der „Zigeuner“ vorgestellt wird, die als „minderwertig“ und „fremdrassig“ stigmatisiert wurde und die es zu eliminieren galt. Hier möchte ich die Voraussetzungen und Mittel des NS-Regimes darstellen, mit dem sie gegen die Sinti und Roma vorgingen.
Hauptquelle für diese Hausarbeit bildet das Buch „Sinti und Roma im Dritten Reich“ von Till Bastian, das sich gut fundiert und tiefgründig mit der Thematik auseinandersetzt. Generell gestaltete sich die Literaturrecherche als einfach, da die Auswahl an Werken zu diesem Thema relativ umfangreich und vielfältig ist.
2. Die NS-Rassenideologie – Die „arische Rasse“ und das „Untermenschentum“
2.1. Theoretische Grundlagen – „Rassenkampf“ und „Rassenhygiene“
Intellektuelle wie Gobineau und Chamberlain sind für das Verständnis der NS-Ideologie von umfassender Bedeutung, da sie mit ihren rassentheoretischen Lehren und Ideen im 19. Jahrhundert die Grundlagen für die Rassenideologie der Nationalsozialisten gelegt haben.
Gobineau, der den Begriff „arische Rasse“ prägte, versuchte die Ungleichheit der menschlichen Rassen zu beweisen. Er behauptete, dass die „arische Rasse“ überlegen wäre und hielt die so genannten Mischlinge, Menschen unterschiedlicher Herkunft, für minderwertig. Chamberlain und Gobineau vertraten die Ansicht, dass alle Kulturleistungen das Werk von Ariern seien.2
Zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik entstanden schon die pseudowissenschaftlichen Werke über Rassenkunde, Erblichkeitslehre und Rassenhygiene, die auch Hitler für sein Buch „Mein Kampf“ als Grundlage seiner eigenen Rassenlehre dienten.3
Eine besondere Anziehung auf die Nationalsozialisten hatte der Sozialdarwinismus. Hier stand der „Kampf um das Dasein“, der auch auf die menschliche Gesellschaft übertragen wurde, im Mittelpunkt. Hier konnte nur der Tüchtigste überleben und diese Vorstellung wurde dann auf die NS-Rassenideologie übertragen.4 Die Verschiedenheit der Rassen, der Menschen, lag gemäß dieser Vorstellung der Nationalsozialisten in der Vererbung, und nicht in Einflüssen der Umwelt oder der Erziehung. Man konnte also alles auf das Blut, auf die Gene, zurückführen.5 „Deshalb galt: Einmal ein Jude, immer ein Jude, einmal ein Zigeuner, immer ein Zigeuner.“6
Hitler ging in „Mein Kampf“ von der Ungleichheit der Rassen aus, die sich in stärkere und minderwertige, schwächere Rassen ordnen lassen. Hitler forderte die Unterordnung der schwächeren gegenüber den stärkeren Rassen und gab den Rassenmischlingen die Schuld am Untergang der Zivilisation. Aus seiner Sicht musste die Fortpflanzung dieser kranken und kriminellen Elemente verhindert werden. Hier gab die Rassenhygiene die pseudowissenschaftlichen Rechtfertigungen.7
Hitler sprach hier auch von dem Rassenkampf. Das Ziel der Nationalsozialisten war eine von „minderwertigen Elementen“ befreite Volksgemeinschaft, die jedem anderen Volk in der Welt körperlich und geistig überlegen ist und die Weltherrschaft auf ewig für sich beanspruchen kann. Daraus leitete Hitler die dringendste Aufgabe des Staates ab. Diese bestand in der Reinhaltung und Gesundung der Erbmasse des Volkes. Damit verbunden war die Pflicht des Staates zur Aussonderung und Vernichtung aller lebensunwerten Rassen, erblich Kranken und Belasteten sowie alle Fremdrassigen.8
2.2. Arier versus „Untermensch“ – eine nationalsozialistische Charakterisierung
Das deutsche Volk galt wegen seiner nordalpinen Lage als ein nordisch-europäisches Volk. Aufgrund dieser Tatsache weise es eine spezielle Rassenbeschaffenheit auf, dessen Hauptbestandteil das nordische Blut ausmache. Und somit verkörpere es auch am besten das nordische Menschenideal, dem die Deutschen ihre Führungsfähigkeit und Führerrolle in Europa zu verdanken habe.9
1933 erschien das Werk „Neue Grundlagen der Rassenforschung“ von H. Gauch. Es wurde als Grundpfeiler der deutschen Rassenlehre bezeichnet. Nach dieser Lehre existierten nur zwei wesentliche Rassenstämme: die nordisch-arische Rasse und das Mongolentum, die nicht gegensätzlicher sein könnten. Alle Rassen, die keine arischen Merkmale vorweisen konnten, bzw. nur in vermischter Form, gehörten ebenfalls zur mongolischen Rasse, oder wie man sie auch nannte: die „nicht arische Rasse“. Gauch unterschied diese Rassen aufgrund geistiger und körperlicher Merkmale und brachte die Ungleichheit der Menschen und die Überlegenheit der arischen Rasse besonders zum Ausdruck. Die arische Rasse wurde als besonders leistungsfähig dargestellt und ausschließlich positive Eigenschaften wurden ihr zugeschrieben. Der Nicht-Arier wurde komplett negativ dargestellt. Es wurden viele Bezüge zum Tierreich gezogen, um den Glauben zu erwecken, dass die Nicht-Arier eine Zwischenstellung zwischen den arischen Menschen und Tieren darstellten. Sie waren also eine niedere Rasse und keine vollkommenen Menschen. Der Begriff „Untermensch“ wurde zum Symbol für alle Nicht-Arier.10
Diese Überlegenheit des Herrenmenschen gegenüber dem Untermenschen wurde schon in der Schule und in den Universitäten gelehrt.
Das Ziel der Nazis wurde als „Reinigung des Volkskörpers“ bezeichnet und bedeutete nichts anderes als den Völkermord aller Juden, Sinti und Roma.11
3. Die soziale Ausgrenzung, Verfolgung und der Völkermord an den „Zigeunern“
3.1. Wurzeln der Ablehnung
Die „Zigeuner“, wie sie in der Sprache ihrer Peiniger genannt wurden, blicken auf eine etwa 600-jährige Geschichte in Mitteleuropa zurück. Den Ursprung hat diese Minderheit in Indien. Sie ist dann über mehrere Jahrhunderte in einer Wanderbewegung Richtung Westen gezogen. Ihr Weg führte sie wohl über Griechenland, den Balkan und schließlich im Mittelalter in das Gebiet des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen. Sie galten damals schon als „fremd“ und „wild“. Kaiser Sigismund (1433-1437) stellte ihnen noch einen Schutzbrief aus und sie wurden noch allgemein geduldet. Kurze Zeit später, im Jahre 1544, sind die ersten schriftlichen Vorurteile gegenüber den „Zigeuner“ verfasst worden. So schrieb der Heidelberger Universitätsprofessor Sebastian Münster von einem „elend Volk“ ohne Vaterland. Ernehret sich mit stelen, ein Volk ohne Religion welches wie ein Hund lebt, was ohne Sorgen lebt und von einem Land zum nächsten zieht. Die Toleranz gegenüber dieser Gruppe wurde immer geringer, der soziale ökologische Spielraum ebenso. Der Schutzbrief wurde aufgehoben und es gab immer häufiger Erlasse gegen das „Zigeunerwesen“.12
In der folgenden Geschichte bis 1919 wurden die nichtsesshaften Fremden immer häufiger als „Plage“ bezeichnet, die durch ihre Kultur und Lebensweise provozierten. Es kam immer häufiger zu Eingriffen der Obrigkeit. Man versuchte, die Sinti und Roma sesshaft zu machen. Es wurden „Zigeunerkolonien“ gegründet, in denen die Zigeuner sesshaft gemacht werden sollten. Bismarck war ein besonderer Scharfmacher der „Zigeunerpolitik“. Er forderte die strikte Unterscheidung zwischen ausländischen und deutschen „Zigeunern“. Die ausländischen Zigeuner sollten ausgewiesen werden und die deutschen „Zigeunerbanden“ dauerhaft sesshaft gemacht werden. Auch kam es zu Berufseinschränkungen und einer umfangreichen Überwachung und Erfassung durch die 1899 in München errichtete „Zigeunerzentrale“.13
In der Weimarer Republik änderte sich wenig, im Gegenteil. Die Bespitzelung, der Versuch der Sesshaftmachung und die Vertreibung nahmen weiter zu.
In Bayern versuchte man nun auch, einen Arbeitszwang umzusetzen. Die „Zigeuner“ wurden immer stärker diskriminiert, überwacht und verfolgt, und dies aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Der überwiegenden Mehrheit der Deutschen war das Schicksal dieser Menschen anscheinend egal. Diese Gleichgültigkeit zog sich durch alle Schichten der Bevölkerung, egal ob Politiker oder der einfache Mann.14
Lewy beschreibt zwar negative Charakterzüge der „Zigeuner“, sieht sie aber mehr als Folge der Diskriminierung und Armut. Auch sieht er in bestimmten Aspekten ihrer Lebensweise Faktoren, die Feindseligkeit bei ihren Mitmenschen hervorbringen können, z.B. das Misstrauen der Sinti und Roma gegen den „Gajo“, den „Nichtzigeunern“.15
3.2. Verfolgung und Ausgrenzung der Sinti und Roma im Dritten Reich
„Zu den artfremden Rassen gehären alle anderen Rassen, das sind in Europa außer den Juden regelmäßig nur die Zigeuner.“16 Diesen Satz sprach der Reichsinnenminister Frick im Jahr 1936.
Um die Sinti und Roma aufgrund ihrer Rasse verfolgen zu können, mussten die Nazis erst das Problem der Rassenzugehörigkeit lösen. Man schuf den „Zigeunermischling“, da die „Zigeuner“ ja ursprünglich aus Indien kamen und somit auch zur arischen Rasse gerechnet wurden. So wurden sie gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie „sozialgefährlich“ und stellten eine Gefahr für die arische Bevölkerung da. Insgesamt rechnete man etwa 90% aller Sinti und Roma zu dieser Gruppe.17 Das NS-Regime gründete 1936 zur genauen Feststellung der Rassenzugehörigkeit die „Rassenhygienische und Erbbiologische Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes“ in Berlin. Dr. Robert Ritter, mit dem Forschungsschwerpunkt „Bastardforschung“, wurde Leiter dieser Forschungsstelle, die nun Gutachten über die Rassenzugehörigkeit erstellten. Diese entschieden über Leben oder Tot. Über 24.000 dieser Rassengutachten wurden durch diese Dienststelle erstellt. Sinn und Zweck dieser pseudowissenschaftlichen Forschung war, die Grundlüge für die NS-Verfolgung und spätere Vernichtung der „Zigeuner“ zu schaffen. 18
Eine weitere Voraussetzung für die Verfolgung war die Umgestaltung der Polizei. Hitler ernannte den Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, am 17.06.1936 zum Chef der Deutschen Polizei. Damit bekam die SS noch weitere Machtmittel in die Hand.
[...]
1 Zitat Kurt Saller: Die Rassenlehre des Nationalsozialismus in Wissenschaft und Propaganda, Darmstadt 1961, S. 136.
2 Vgl. Günter Lewy: „Rückkehr nicht erwünscht“, New York 2000, Seite 17-18, 70
3 Vgl. Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich. Geschichte einer Verfolgung, München 2001, Seite 29-30
4 Vgl. ebd. , Seite 30
5 Vgl. Günter Lewy: „Rückkehr nicht erwünscht“, New York 2000, Seite 70-71
6 Zitat ebd , Seite 72
7 Vgl. ebd, Seite 72
8 Vgl. Kurt Saller: Die Rassenlehre des Nationalsozialismus in Wissenschaft und Propaganda, Darmstadt
9 Vgl. ebd. , Seite 102 f.
10 Vgl. ebd. Seite 109-114
11 Vgl. Michail Krausnick: Der Völkermord, der Unterschlagen wurde oder: Der Bericht des Hermann W. Ein chronologischer Abriß. In: „Zwischen Romantisierung und Rassismus“. Sinti und Roma – 600 Jahre in Deutschland, Stuttgart 1998, Seite 18
12 Vgl. Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich. Geschichte einer Verfolgung, München 2001, Seite 10-15
13 Vgl. ebd. , Seite 17-24
14 Vgl. Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich. Geschichte einer Verfolgung, München 2001, Seite 25-29
15 Vgl. Günter Lewy: „Rückkehr nicht erwünscht“, New York 2000, Seite 27-34
16 Zitat Michail Krausnick: Der Völkermord, der Unterschlagen wurde oder: Der Bericht des Hermann W. Ein chronologischer Abriss. In: „Zwischen Romantisierung und Rassismus“. Sinti und Roma – 600 Jahre in Deutschland, Stuttgart 1998, Seite 18
17 Vgl. Dieter Pohl: Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933-1945, Darmstadt 2003, Seite 112
18 Vgl. Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich. Geschichte einer Verfolgung, München 2001, Seite 38-41