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Sport und Gesundheit im Schulunterricht. Historische Entwicklung und moderne Konzepte des Sportunterrichts

©2021 Hausarbeit (Hauptseminar) 20 Seiten

Zusammenfassung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Sport und Gesundheit. Im ersten Teil wird eine skizzenhafte Zusammenfassung der historischen Entwicklungen und Konzepte von 'Sport und Gesundheit' dargestellt. Hierbei werden sozial-kulturell-geschichtliche Hintergründe und Zusammenhänge aufgegriffen und erläutert. Anschließend werden verschiedene vorhandene Konzepte und Typusmodelle aus der fachdidaktischen Diskussion aufgegriffen.

Diese werden mehrdimensional, mit salutogenetischen und pathogenetischen Perspektiven erweitert beziehungsweise in Beziehung gesetzt. Besonders interessant dabei ist die Frage, inwieweit und ob durch die Implementierung salutogenetischer Perspektiven in einer global vernetzten Welt zu einer Bereicherung des Sportunterrichts mit Blick auf die Gesundheitsförderung beigetragen werden kann.

Der Sportunterricht, so wie auch seine Bezeichnung als solcher, wie Studierende der heutigen Zeit ihn in der Schule erfahren haben, ist erst seit wenigen Jahrzehnten in dieser Form existent. Wie alle anderen Unterrichtsfächer, die dazugehörigen Fachdidaktiken und die allgemeine Didaktik ist auch das Fach Sport, bedingt durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und sozial-kulturell-geschichtlicher Veränderungen, ständigen und auch nötigen Anpassungen unterworfen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Basale Begriffsbestimmungsversuche
2.1 Pathogenese
2.2 Salutogenese
2.3 Gesundheit und Krankheit
2.4 Kohärenzgefühl

3. Historische Entwicklungen und Konzepte von Sport und Gesundheit
3.1 Die Aufklärung und die Gesundheitsfrage
3.1.1 Rousseau
3.2 Das historische Konzept GutsMuths
3.3 Die zwei Phasen des Turnens
3.4 Die Jugendbewegung der 1920er Jahre in der Weimarer Republik
3.5 NS - Leibeserziehung
3.6 Von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart

4. Ein innovativer gesundheitsförderlicher Sportunterricht
4.1 Das Sportartenkonzept
4.2 Körpererfahrung im Sport
4.3 Fitnesskonzept
4.4 Abenteuer- und Wagniserziehung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Sportunterricht, so wie auch seine Bezeichnung als solcher, wie Studierende der heutigen Zeit ihn in der Schule erfahren haben, ist erst seit wenigen Jahrzehnten in dieser Form existent. Wie alle anderen Unterrichtsfächer, die dazugehörigen Fachdidaktiken und die allgemeine Didaktik ist auch das Fach Sport, bedingt durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und sozial-kulturell-geschichtlicher Veränderungen, ständigen und auch nötigen Anpassungen unterworfen. Als Mitinitiator für das Hinwenden zum modernen Sportunterricht und auch der modernen Didaktik sei dabei Wolfgang Klafki genannt, der seit den 50er Jahren einen unverkennbaren Einfluss auf die gesamte Wissenschaft der Didaktik hat. Seine Definition der kategorialen Bildung innerhalb der anfänglich bildungstheoretischen und später kritisch-konstruktiven Didaktik lud viele Wissenschaftler*innen ein, die Vermittlung von Lehrinhalten und die Anwendung von Methoden zu überdenken. Vor allem lieferte Klafki mit der didaktischen Analyse ein Werkzeug, um den Bildungsgehalt von vermittelten Inhalten zu ergründen. Ein ausschlaggebender Impuls für den modernen Sportunterricht war dabei die Hinwendung des Blicks auf die Bildung des Individuums und die damit verbundenen Grundfähigkeiten: Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidaritätsfähigkeit, welche selbsttätig erarbeitet werden und in einem personal verantwortetem Zusammenhang stehen sollen.1 So entstand sukzessive ein neues Bildungsverständnis, mit dessen Hilfe in dieser Hausarbeit eine Brücke zu der Salutogenese schlagen werden soll.

Im ersten Teil dieser Arbeit soll es nach einigen, für die Verständlichkeit des Sachverhalts basalen Begriffsbestimmungen, um eine skizzenhafte Zusammenfassung der historischen Entwicklungen und Konzepte von „Sport und Gesundheit“ gehen, wobei die bereits erwähnten sozial-kulturell-geschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge aufgegriffen und erläutert werden. Anschließend werden verschiedene, vorhandene Konzepte und Typusmodelle aus der fachdidaktischen Diskussion aufgegriffen und diese mehrdimensional, mit salutogenetischen und pathogenetischen Perspektiven erweitert bzw. in Beziehung gesetzt. Besonders interessant dabei ist die Frage, inwieweit und ob durch die Implementierung salutogenetischer Perspektiven in einer global vernetzten Welt zu einer Bereicherung des Sportunterrichts mit Blick auf die Gesundheitsförderung beigetragen werden kann.

2. Basale Begriffsbestimmungsversuche

Um den weiteren Verlauf des Verständnisses zu gewährleisten, soll versucht werden eine vieldiskutierte und nicht immer leicht zu fassende Thematik zu umreißen. Das ist auch der Grund, warum bspw. die Begriffsbestimmungen von Gesundheit oder Krankheit lediglich den Anspruch eines Versuches haben können.

2.1 Pathogenese

Die Pathogenese, was etymologisch aus dem Griechischen kommt und Krankheitsentstehung oder -entwicklung heißt, ist seit jeher ein dominierender, biomedizinischer Ansatz, der sich nicht nur mit kausalen, sondern auch formalen Entwicklungen und Entstehungen von Krankheiten befasst. Aus dieser Definition lässt sich eine pathogenetische Orientierung ableiten, welches ein Denken und Beschäftigen über die Entstehung und Behandlung von Krankheiten impliziert. Dazu gehört die medizinische Behandlung, die Beseitigung von körperlichen Defekten, die allgemeine Bekämpfung von Krankheiten und dem Tod. Das Hauptaugenmerk liegt also auf der Wiederherstellung der Gesundheit.2

2.2 Salutogenese

Das Modell der Salutogenese wurde von dem amerikanisch-israelischen Sozialmediziner Aaron Antonovsky entwickelt und zählt heute zu den erfolgreichsten Gesundheitskonzepten weltweit.3 Etymologisch herleiten lässt sich Salutogenese aus dem Lateinischen und beschreibt die Entstehung bzw. Entwicklung von Gesundheit.4 Antonovsky hat damit der pathogenetischen Orientierung, die salutogenetische Perspektive gegenübergestellt. Ging man zuvor davon aus, dass durch spezifische Stressoren Stress hervorgerufen wird, welche dann eine Krankheit hervorrufen, kam Antonovsky nach einer Studie zu der „Erkenntnis, dass es nicht der Stressor selbst sein kann, der den Menschen krank macht, sondern dass es immer das subjektive Erleben dieses Stressors ist“.5 Gesundheit ist also nicht nur ein reaktiver Prozess, der aus der Bekämpfung von Krankheit besteht, sondern ein aktiver Prozess, der aus der Prävention, Erhaltung und vor allem Förderung der Gesundheit besteht und einen dazu befähigen soll, mit Belastungen besser umgehen zu können, indem Bewältigungsstrategien für die Herausforderungen des Lebens angeeignet werden (coping). Antonovsky entwickelte daraus das Kohärenzgefühl, worauf in 2.4 noch genauer eingegangen wird. Die Salutogenese fragt also nach der Art und Weise, wie das Individuum mit den Herausforderungen des Lebens fertig wird und wie der Mensch trotz gesundheitsschädlicher, negativer Einflüsse und Stressoren, bspw. unter Besinnung auf individuelle Ressourcen, dennoch gesund bleibt. Wichtig ist, dass Antonovsky nicht die völlige Aufgabe der pathogenetischen Orientierung fordert oder bewirbt, sondern vielmehr, dass die pathogenetischen und die salutogenetischen Orientierungen als komplementär zu betrachten sind.6 Denn durch die Kombination aus beiden Orientierungen, kann, wie in weltbekannten Kunstwerken, die den Komplementärkontrast nutzen (bspw. Van Gogh), ein harmonisches und ansatzweise in sich schlüssiges Gesamtbild von Gesundheit entstehen.

2.3 Gesundheit und Krankheit

Die Frage nach der Definition der Begriffe Gesundheit und Krankheit reicht weit zurück bis in die Antike und ihren großen Philosophen. Das heute noch in der westlichen Medizinwissenschaft am weitesten verbreitete Verständnis von Gesundheit ist dabei das der Störungsfreiheit.7 Demnach gilt ein Mensch als gesund, wenn eine Abwesenheit von Beschwerden, Symptomen oder Störungen festzustellen ist, und als krank, wenn diese festzustellen sind. Die WHO erweiterte dieses Begriffsverständnis der Gesundheit im Jahre 1946 um die Dimension der subjektiven Komponente des Wohlbefindens mit den Worten: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens.“8 Doch die Frage, die sich daraus ableiten lässt, ist, ob Gesundheit wirklich als ein Zustand beschrieben werden kann. Zustand, so einige Kritiker, heißt auch Stagnation und ein Nicht-Vorankommen. Demgegenüber lohnt sich deshalb die Betrachtung auf die Gesundheit als Prozess, denn ein gesunder Organismus strebt weniger nach Erhalt seines aktuellen Zustands, als vielmehr danach sich selbst zu verwirklichen.9 Aufgrund dieser vielfachen Verständnisebenen, lässt sich Gesundheit nur schwerlich als ein eindeutig zu definierendes Konstrukt verstehen. Es legt viel eher nahe, Gesundheit als ein mehrdimensionales Konstrukt anzusehen, worüber auch in den Sozialwissenschaften und der Medizin heutzutage Konsens herrscht.10

2.4 Kohärenzgefühl

Antonovsky entwickelte basierend auf seinen Studien und Veröffentlichungen zur Salutogenese das Kohärenzgefühl (Sense of Coherence), was in der Fachliteratur auch mit Kohärenzsinn, Kohärenzempfinden oder Kohärenzerleben synonym verwendet wird. Demnach sind die Ressourcen, welche zur Lebensbewältigung aktiviert werden können, maßgeblich abhängig von dem Kohärenzgefühl, was als Grundkompetenz für die Nutzung und Aktivierung dieser Ressourcen gilt.11 Das Kohärenzgefühl lässt sich in vielen Elementen der psycho-physisch-sozialen Gesundheit verorten und verschafft einem Menschen, der sich mit herausfordernden Lebenssituationen konfrontiert sieht, ein positives Bild der eigenen Handlungsfähigkeit mit diesen Situationen umzugehen. Daraus lässt sich schließen, dass das Kohärenzgefühl als eine generelle Lebensorientierung, also Einstellung dem Leben gegenüber, verstanden werden kann. Dabei formuliert Antonovsky drei Elemente des Kohärenzgefühls:

Erstens die Verstehbarkeit, die besagt, dass die Umwelteinflüsse, welche uns umgeben, verständlichen und nachzuvollziehenden Gesetzmäßigkeiten folgen, welche einschätzbar sind und nicht der Willkür unterliegen.

Zweitens die Handhabbarkeit, welches das Vertrauen auf die vorhandenen Ressourcen beschreibt, um die schwierigen Situationen zu lösen und schließlich zu meistern.

Drittens die Bedeutsamkeit, die das Vertrauen beschreibt, die Anforderungen als sinnvolle Herausforderungen anzunehmen und als sinnstiftende Handlung umzusetzen.12

Daraus ergeben sich einige für uns nicht unwesentliche Ansatzpunkte der Gesundheitsförderung mit psycho-physisch-sozialen Elementen, die z. B. das Selbstwertgefühl und die Selbstwahrnehmung und somit qua Definition die Gesundheit von Schüler*innen steigern können, was bei der Konzeption eines innovativen gesundheitsförderlichen Sportunterrichts herangezogen werden kann, worauf in Abschnitt 4. Näher eingegangen werden soll.

3. Historische Entwicklungen und Konzepte von Sport und Gesundheit

Alle gesellschaftlichen, sozialen und geschichtlichen Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte stehen in einem interdependenten Verhältnis zueinander und zu der jeweils zeitgenössischen Umwelt. Eine treffende Allegorie dazu lässt sich in der Avantgarden Kunst des frühen 20. Jahrhunderts finden. Hans Arp et al. zeigen im Buch „Die Kunstismen“ die verschiedensten Kunstströmungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf, setzten diese in Beziehung und belegen wie diese sich gegenseitig unmittelbar bedingt und beeinflusst haben.13 Der nächste Abschnitt soll mit einer kurzen Verortung des Ausgangspunktes zu den historischen Entwicklungen und Konzepten von Sport und Gesundheit begonnen werden.

3.1 Die Aufklärung und die Gesundheitsfrage

In vielerlei gesellschaftlichen und sozialen Ebenen entwickelte sich ab ca. Mitte des 17. Jahrhunderts ein neuer Zeitgeist, der als die Aufklärung bekannt wurde. Galt das vorausgehende Mittelalter als eine Epoche der Dunkelheit und des Aberglaubens, so sollte die damalige Neuzeit mit Wissenschaft und Vernunft aufgeklärt, also erhellt werden. Alte Denkmuster, absolutistische Machtgefälle und tradierte Glaubenssätze, die den Fortschritt und die Wissenschaft behinderten, sollten zugunsten der Vernunft und Wissenschaft weichen. Die Fachleute des Gesundheitswesens beschäftigten sich „u.a. mit dessen Ausbau und in diesem Zusammenhang speziell mit einer Leib und Seele umspannenden Gesundheitsfürsorge.“14 Ebenfalls lassen sich bereits salutogenetische Ansätze der Prävention und Gesundheitsförderung finden. Zwar fand das Individuum dabei Berücksichtigung, jedoch vielmehr unter der Kontrolle des Staates und zur Erhaltung der Arbeitskraft, welche für die Erweiterung des gesellschaftlichen Wohlstandes benötigt wurde. Nach der Französischen Revolution, in der die Aufklärung gipfelte, wurde Ende des 18. Jahrhunderts die Schulpflicht eingeführt, was dazu führte, dass die regelmäßige Diskussion und Aufarbeitung jedweder Gesundheitsfragen und deren schulische und didaktische Vermittlung begann.15

3.1.1 Rousseau

Ein bekannter Aufklärer war der Franzose Jean-Jacques Rousseau (1712 - 1778). Der in vielen Bereichen der Geisteswissenschaft tätige Rousseau veröffentlichte 1762 sein wichtigstes pädagogisches Werk mit dem Namen „Émile oder Über die Erziehung“, in dem er gravierende Neuerungen hinsichtlich der Erziehung beschreibt. Demnach sind Krankheit und Elend nicht natürlich, sondern von der Gesellschaft und Kultur verursacht. Dies lässt einen minimalen pathogenetischen Gedanken hervorblitzen bzw. das dafür zugrundeliegende biomedizinische Verständnis von Gesundheit, da angenommen wird Gesundheit sei der Normalzustand und Krankheit etwas Abnormales. Rousseau formulierte aus seinem Verständnis der krankheitsfördernden Elemente die Forderung nach der Abkehr von der Kultur. In den Augen Rousseaus ist eine gesunde Erziehung jene, die natürlich ist und am Körper ansetzt, um ein Gleichmaß der Körpervermögen herzustellen. Damit argumentiert er auf Basis der alten Griechen und antiken Ärzte wie Hippokrates, Paracelsus und Galen. Aus diesen Ansätzen entwickelte sich ein Gesundheitsverständnis, was davon ausgeht, dass Gesundheit körperliche Betätigung und vielseitige Bewegung erfordert, was wiederum ein salutogenetischer Ansatz ist. Je mehr Körperkräftigung, desto besser der Verstand und Scharfsinn. Der Gesundheitsbezug war also ein pragmatischer. Um das von dem Menschen (Kultur) gemachte Unheil abzuändern, schlägt Rousseau konkret zwei Maßnahmen vor. Die erste ist der Gesellschaftsvertrag und die zweite die bereits umrissene Erziehung des Einzelmenschen zum Bürger der Republik.16

3.2 Das historische Konzept GutsMuths

Fußend auf dem Fundament dieses Zeitgeistes, eingebettet in dem gesellschaftlich-kulturellem Kontext des Rationalismus und der Aufklärung, entwickelte der Philanthrop Johann Christoph Friedrich GutsMuths sein Gymnastikkonzept. Das zuvor vorherrschende Modell der klerikalen Paukschule, bei dem es um rein kognitive und moralische Bildung ging, wurde durch die Entdeckung des Körpers und der Sinne als Werkzeug zum Lernen und zur Entwicklung erweitert. GutsMuths etablierte in Schnepfenthal im Thüringer Wald, wo er als Lehrer tätig war, erstmal das Konzept der gesundheitsfördernden Gymnastik. Damit lassen sich eindeutig salutogenetische Ansätze der Gesundheitsentwicklung und -erhaltung erkennen. Das sich aus diesen Ansätzen entwickelte Gesundheitsverständnis, was, wie bereits im Abschnitt 3.1.1 beschrieben, davon ausgeht, dass Gesundheit körperliche Betätigung und vielseitige Bewegung erfordert, bot zwar einen weitgehenden Anspruch an die Gesundheit, zeugt jedoch trotzdem von einem Hang zum existenziellen Funktionalismus. Dieses zeugt wiederum von einer gewissen Pragmatik. Inhaltselemente innerhalb dieser gesundheitsfördernden Gymnastik sind Laufen, Springen, Werfen, Schwimmen, Klettern, Balancieren, Heben, Tragen, Halten, Raufen, Ringen und (Funktions-) Spiele. Auch Exkursionen und Wanderungen als Teil der Weltaneignung gehörten zu diesem Konzept, was auch als eine Art salutogenetischer Moment gedeutet werden kann. Die Methoden und das Rollenverständnis haben weitere salutogenetische Orientierungsmomente, da die Heranwachsenden zunächst explorativ und eher experimentierend, also nachdenkend an einen Sachverhalt herantraten. Später überwiegt der Grundsatz „vom Leichten zum Schweren“, was einen gewissen Rückschluss auf die Allmethode des Johann Amos Comenius in seiner 1657 veröffentlichten „Didactica magna“ zulässt. Als Voraussetzung und Merkmal für GutsMuths Gymnastik gilt unter anderem das planmäßige Üben, die Durchführung von motorischen Tests, methodische Prinzipien und die Leistungsmessung anhand individueller Leistungsprotokollierung, um die aktuelle sittliche Verfassung der Heranwachsenden verfolgen zu können. Ebenfalls neu war, dass die kindliche Affinität zu Spielen und das Zunutze-Machen dieser Affinität Berücksichtigung in der Gesundheitswissensvermittlung Einzug erhielt.

3.3 Die zwei Phasen des Turnens

Die weitreichende Entwicklung des Turnens lässt sich in zwei Phasen einteilen. Friedrich Ludwig Jahn hat die Turnbewegung im Jahre 1807 begründet und damit die erste Phase der Entwicklung des Turnens, welche von ca. 1810 - 1820 stattfand, eingeläutet. Jahn erweiterte vorhandene Gymnastikübungen und fügte diesen viele neue Geräte wie den Barren und das Reck hinzu. Im Vordergrund standen freiere Bewegung gegen spießbürgerliche Enge und steife Formen wie auch die allseitige Kräftebildung und Gesundheitsförderung. Die Gesundheitsfördernden und -erhaltenden Aspekte legen gewisse salutogenetische Ansätze und Haltungen offen. Da Europa zu dieser Zeit zunehmend durch Napoleon und die französische Armee besetzt wurde, bekam die Turnbewegung, die ebenfalls Beziehungen zu Burschenschaften pflegte, einen immer mehr nationalen Charakter und schickte sich an, sich auf einen Befreiungskrieg vorzubereiten. Die Zunahme eines Nationalgefühls begünstigte eine Abschaffung von den damaligen schier unendlichen Kleinstaaten Deutschlands zu einer Nation. Neben einigen anderen Faktoren, war es diesem Bestreben geschuldet, dass es zwischen 1820 - 1842 zu der sogenannten Turnsperre, also dem Verbot des Turnens kam. Jahn war jedoch zutiefst von der Notwendigkeit des Turnens überzeugt und schrieb: „ich werde nie zugeben, dass das Turnen etwas anderes als ein Hauptteil der notwendigen Gesamtbildung sei“.17

[...]


1 Vgl. Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik: Grundzüge eines neuen Allgemeinbildungskonzepts. Im Zentrum: Epochaltypische Schlüsselprobleme, 5. Aufl., Weinheim, Deutschland: Beltz Verlag, 1996, S. 52.

2 Vgl. Lorenz, Rüdiger: Salutogenese. Grundwissen für Psychologen, Mediziner, Gesundheits- und Pflegewissenschaftler, München, Deutschland: Ernst Reinhardt Verlag, 2019, S.24.

3 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Was erhält Menschen gesund?. Antonovskys Modell der Salutogenese - Diskussionsstand und Stellenwert: 10.2.10.09 Auflage., Köln, Deutschland: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2001, S. 4.

4 Vgl. Krause, Christina/Rüdiger-Felix Lorenz: Was Kindern Halt gibt: Salutogenese in der Erziehung, 1. Auflage., Göttingen, Deutschland: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009, S. 20.

5 Krause/Lorenz, 2009, S. 23.

6 Franke, Alexa/Aaron Antonovsky/Nicola Schulte: Salutogenese: Zur Entmystifizierung der Gesundheit (Forum für Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis), 1. Aufl., Tübingen, Deutschland: dgvt-Verlag, 1997, S. 30.

7 Vgl. Jerich, Lisbeth: Wellnessfaktor psychische Gesundheit: Gesundheitsförderung durch Ressourcenaktivierung (BestMedDiss), 1. Aufl. 2016., Wiesbaden, Deutschland: Springer Fachmedien, 2016, S. 48.

8 In: Lorenz, 2019, S. 23.

9 Vgl. Jerich, 2016, S. 50.

10 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2001, S. 16.

11 Vgl. Krause/Lorenz, 2009, S. 97.

12 Vgl. Lorenz, 2019, S. 37 - 38.

13 Vgl. Lissitzky, El/Hans Arp/Jean Arp/Lisickij: Die Kunstismen, Zürich, Schweiz: L. Müller, 1990.

14 Lorenz, 2019, S. 22.

15 Vgl. Lorenz, 2019, S. 22.

16 Vgl. Krüger, Michael: Zur Entstehung und Entwicklung von Gesundheitskonzepten im Sport, in: Klaus Bös/Walter Brehm (Hrsg.), Handbuch Gesundheitssport, 2., Schorndorf, Deutschland: Hofmann-Verlag GmbH & Co. KG, 2006, S. 42 - 57.

17 In: Meyer, Wolfgang: Die Briefe F. L. Jahns, 1. Aufl., Leipzig, Deutschland: Verlag von Paul Eberhardt, 1913, S. 122.

Details

Seiten
Jahr
2021
ISBN (eBook)
9783346397638
ISBN (Paperback)
9783346397645
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Osnabrück – Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Note
1.0
Schlagworte
Pathogenese Salutogenese Sportartenkonzept Fitnesskonzept Abenteuer Körpererfahrung im Sport Abenteuer- und Wagniserziehung GutsMuths Antonovsky Sport und Gesundheit Gesundheitserziehung Typusmodelle Sportpädagogik Kohärenzgefühl
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