Diese Arbeit analysiert den Umgang mit Gewalt an Schulen. Sie untersucht pädagogische Konzepte für die beteiligten Individuen im Sozialgefüge Schule und Maßnahmen, die auch mit geringem Aufwand zur Gewaltprävention durchgesetzt werden können. Mit Gewaltprävention kann man gewährleisten, dass das Thema Gewalt in Schulen erst gar nicht zum Thema an sich wird. Die Fähigkeiten zur gewaltfreien Konfliktbewältigung sind nicht angeboren, dafür aber lern- und lehrbar.
In unserer heutigen Gesellschaft ist Gewalt allgegenwärtig und in gewisser Weise sind wir alle davon betroffen: durch Medien, Filme, Computerspiele, in der eigenen Familie, in der Öffentlichkeit oder eben auch in der Schule. Weiterhin leben wir in gewalthaltigen Strukturen, die teilweise auch von Politik, Kultur, Religion oder Wirtschaft hervorgerufen werden. Dennoch kann man davon ausgehen, dass Gewalt nicht einfach aus dem nichts entsteht; sie wird von Personen oder Strukturen ausgeübt, hinter denen wiederum Personen stehen.
Kinder und Jugendliche sind die Erwachsenen von morgen. Der Auftrag der Schulen ist es, sie auf ihr späteres Leben vorzubereiten. Doch neben der Wissensvermittlung in den einzelnen Fächern hat die Schule zusätzlich das Ziel, die Schüler auch auf sozialer Ebene zu formen, sodass sie ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Dazu bedarf es auch an Vermittlung von gewissen Werten und Normen, die sich über die Jahrzehnte in unserem Gesellschaftssystem durchgesetzt haben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Formen von Gewalt
2.1 Allgemeine Gewaltformen
2.2 Gewaltformen in der Schule
3. Motive von Gewalt
4. Ursachen von Gewalt
4.1 Einflussfaktoren
4.2 Theorien über Gewalt
5. Die drei Rollen in Gewaltsituationen
5.1 Täter,
5.2 Opfer.
5.3 Zuschauer,
6. Gewaltprävention in der Schule
7. Pädagogische Konzepte zur Konfliktbewältigung
7.1 Konfrontative Pädagogik
7.2 Mediation
7.3 Körperorientierte und erlebnisorientierte Konzepte 1
7.4 Faustlos-Curriculum
8. Diagnostik
9. Fazit
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Bei den Schülern, da sind sich Lehrer, Eltern und Psychologen einig, sinkt die Fähigkeit zur Konzentration, steigt die Angriffslust, fehlen die Geduld und die Lernbereitschaft, erlahmt das Interesse am Unterricht. In Umfragen bestätigen Pädagogen bundesweit, dass Krawalle und Clownerien, Aggression und Apathie in den Klassenzimmern kräftig zunehmen.“ (DerSpiegel, 1988).
Obwohl dieses Zitat aus dem Jahre 1988 stammt, kann man feststellen, dass sich das Sozialverhalten von Schülern in unserer heutigen Zeit nicht wesentlich verändert hat. Rückblickend kann ich anhand meiner eigenen Erfahrungen im Integrierten Semesterpraktikum sagen, dass dieses Zitat die Missstände ziemlich gut widerspiegeln.
In unserer heutigen Gesellschaft ist Gewalt allgegenwärtig und in gewisserWeise sind wir alle davon betroffen: durch Medien, Filme, Computerspiele, in der eigenen Familie, in der Öffentlichkeit oder eben auch in der Schule. Weiterhin leben wir in gewalthaltigen Strukturen, die teilweise auch von Politik, Kultur, Religion oder Wirtschaft hervorgerufen werden. Dennoch kann man davon ausgehen, dass Gewalt nicht einfach aus dem nichts entsteht; sie wird von Personen oder Strukturen ausgeübt, hinterdenen wiederrum Personen stehen.1
Kinder und Jugendliche sind die Erwachsenen von morgen. Der Auftrag der Schulen ist es, sie auf ihr späteres Leben vorzubereiten. Doch neben der Wissensvermittlung in den einzelnen Fächern hat die Schule zusätzlich das Ziel, die Schüler auch auf sozialer Ebene zu formen, sodass sie ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Dazu bedarf es auch an Vermittlung von gewissen Werten und Normen, die sich über die Jahrzehnte in unserem Gesellschaftssystem durchgesetzt haben.
In diesem System hört man immer wieder den Satz „Gewalt ist keine Lösung“ - und dennoch tritt sie im Schulalltag auf. Um dieses Phänomen besser verstehen und analysieren zu können, werde ich innerhalb der folgenden Hausarbeit darauf eingehen.
Meiner Meinung nach kann man dem Thema Gewalt schon viel früher entgegentreten. Die Fähigkeiten zur gewaltfreien Konfliktbewältigung sind nicht angeboren, dafür aber lern- und lehrbar. Mit Gewaltprävention kann man gewährleisten, dass das Thema Gewalt in Schulen erst gar nicht zum Thema an sich wird. Welche pädagogischen Konzepte bieten sich für alle beteiligten Individuen im Sozialgefüge Schule am besten? Welche Maßnahmen kann man auch mit geringerem Aufwand durchsetzen und führen zu welchem Erfolg? Die Klärungen dieser Fragen sind die Hauptbestandteile meiner Hausarbeit, welche ich im Folgenden ausführlich erläutern werde.
2. formen von Gewalt
ln der Alltagssprache wird dem Begriff Gewalt eine durchweg negative Bedeutung zugesprochen und steht für eine soziale Handlungsweise, die in unserer Gesellschaft als inopportun angesehen ist.2 Dennoch sind Konflikte und Gewaltausübungen universelle Begleiterscheinungen menschlichen Zusammenlebens. Da der Begriff breit gefächert ist und in vielen verschiedenen Formen auftritt, muss man zwischen allgemeiner Gewalt und Gewaltformen, die insbesondere in der Schule auftreten, differenzieren.
2.1 Allgemeine Gewaltformen
Gewalt und Aggressionen sind eng miteinander verbunden. Hierbei wird zwischen einer konstruktiven und einer destruktiven Form unterschieden. Der konstruktive Aggressionstyp basiert auf einem ausgeprägten inneren Drang, der schon bei Kindern ab 6 Monaten zu beobachten ist. Sie wollen im Laufe ihrer psychologischen Entwicklung ihre Umgebung erkunden und sich durch sensomotorische Aktivitäten gegen diesen behaupten. Die zweite destruktive Form hingegen lässt sich als feindselige Aggression bezeichnen, die als Folge von starken Unlust- oder Frustrationserlebnissen entsteht. Typisch für diese Erscheinungsform sind Gefühle wie Wut, Feindseligkeit und Hass, die zudem eine affektive, unlustgetönte Qualität aufweist.3
Um den Begriff Gewalt zu definieren kommt man im Hinblick auf ihre negative Form zum Ergebnis, dass Gewalt eine destruktive Form der Machtausübung ist, die dem Zweck der Konfliktlösung dient.4
Wenn Menschen Gewalt anwenden haben sie immer das Ziel, eine andere Person zu verletzen oder zu schädigen. Die dafür angewendeten Methoden basieren nicht immer auf körperlicher Aggression und müssen deshalb in verschiedene Gewaltformen unterteilt werden. Dafür hat sich die Kategorisierung des Jugendamtes Bern bewährt:5
1) Physische Gewalt: Körperliches Verletzen Anderer.
2) Psychische Gewalt: Schädigen der mentalen Unversehrtheit Anderer durch Ausnützen von Schwächen, Missbrauch von Überlegenheit, Diskrimination, Ausschluss und Nichtbeachtung.
3) Verbale Beleidigung: Beleidigen, Erniedrigen.
4) Sexuelle Gewalt: Körperliches oder mentales Schädigen Anderer durch sexuelle Handlungen.
5) Strukturelle Gewalt: Schädigung einer Gruppe von Menschen durch ein Regelwerk oder ein ungerechtes System.
Bei dieser Kategorisierung ist anzumerken, dass es je nach Fallbeispiel zu Überschneidungen kommen kann und die Formen somit nicht klar voneinander abgrenzbar sind.
2.2 Gewaltformen in der Schule
Im Schulbereich tritt Gewalt in unterschiedlichen Formen in Erscheinung. Am sichtbarsten und am leichtesten zu erkennen ist hierbei die physische Gewalt. Das Spektrum der physischen Gewalt reicht hier über leichte Varianten wie Schubsen und Treten bis hin zu schwereren Vergehen wie Schlägereien, unter anderem auch mit Einsatz von Gegenständen. Unter dieser Kategorie fällt auch das Wegnehmen oder Beschädigen von Eigentum eines anderen Schülers. Außerdem gehört auch der Vandalismus an schulischem Eigentum zur Form der physischen Gewalt.6
Nicht immer so klar erkennbar aber dafür quantitativ am stärksten vertreten ist die psychische Gewalt.7 Vorrangig wird sie verbal in einer verrohten Sprache ausgedrückt. Darunter zählen Handlungen wie provozieren, drohen, erpressen, beleidigen, einschüchtern, diskriminieren und nötigen.
Wird an einem Mitschüler über einen längeren Zeitraum psychisch oder im Zusammenspiel mit physischer Gewalt oben beschriebene Handlungen ausgeübt, so spricht man gelegentlich auch von Mobbing.8 Teilweise werden diese Handlungen auch von mehreren Schülern an einem Mitschülervorgenommen.
Eine neuere Form des Mobbings ist das sogenannte Cybermobbing, das mithilfe von elektronischen Kommunikationsmittel ausgeführt wird. Heutzutage bieten sich vor allem soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter dafür an, das Opfer im Internet öffentlich und für jeden frei zugänglich bloßstellen zu können. Diese Form der Gewalt ist für Angestellte der Schule jedoch nicht immer einfach zu erkennen.
In meinem Integrierten Semesterpraktikum bin ich vor allem psychischer und physischer Gewalt begegnet. Die 7. Klasse galt als schwer unterrichtbar. Sie beleidigten sich während den Unterrichtseinheiten permanent und wurden auch zum Teil im Sportunterricht untereinander handgreiflich. Der Vandalismus wurde in Form von Beschmutzen und Verstopfen der Toiletten betrieben.
3. Motive von Gewalt
Um Gewalt besser verstehen zu können, sollte man sich ebenfalls mit der Frage nach den Motiven und Zielen der Gewaltausübung auseinandersetzen. Bei Anwendung von Gewalt können ganz unterschiedliche Motive der Grund dafür sein. Meistens liegt der Auslöser für Gewaltanwendung nicht bei einem einzelnen Motiv, sondern besteht vielmehr aus einer Kombination von mehreren Motiven, deren Rekonstruktion gerade für die Planung von Präventionsmaßnahmen hilfreich sein kann.9
Für gewalttätige Schüler kommen hierbei vor allem folgende Motive besonders in Betracht:10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4. Ursachen von Gewalt
Betrachtet man Gewalt auf einer konzeptuellen Stufe, so kommt man zu dem Ergebnis, dass Gewalt eine Lösungsstrategie ist, um Interessendivergenzen aufzulösen. Das heißt, dass hinter jeder Gewaltanwendung immer ein ungelöster Konflikt steckt. Jedoch gibt es zahlreiche Menschen, die in der Lage sind, Konflikte ohne Anwendung von Gewalt zu lösen. Um besser verstehen zu können, wieso es Menschen gibt, die dazu nicht imstande sind, untersucht man entweder die Lebensumstände (Einflussfaktoren) des Menschen oder seine mentale Innenwelt (Theorien über Gewalt).9
4.1 Einflussfaktoren
Verantwortlich für die Ursachen von Gewalt an Schule ist eine Vielzahl an verschiedenen Einflussfaktoren. Aufgrund dessen bedarf es hierbei einer Einteilung in individuell-biographischen Faktoren und strukturell-gesellschaftlichen Faktoren. Typisch für individuell-biographische Faktoren sind Übergriffe und Misshandlungen innerhalb der Familie, eine aggressive oder drogensüchtige Lebensform der Eltern, traumatische Erlebnisse oder Gewalterfahrungen im Umgang mit Jugendlichen im gleichen Alter. Auffällig an allen genannten Punkten ist, dass sie sozial und kulturell durchdrungen sind. Bei den strukturell-gesellschaftlichen Faktoren sind folgende Missstände verantwortlich: Armut; Arbeitslosigkeit der Eltern oder ähnliche Lebenslagen, die zu einer Ausgrenzung innerhalb der Gesellschaft führen; gewaltbereite Jugendgruppen, die ihre Prinzipien auf Begriffen wie Rechtsradikalismus oder Patriotismus beschränken; oder die Gewaltverherrlichung in Medien.10
An meiner Praktikumsschule waren die meisten gewalttätigen Schüler sowohl von individuell-biographischen Faktoren als auch von strukturell-gesellschaftlichen Faktoren betroffen. Viele von ihnen kamen aus einem sozial schwachen Elternhaus, in dem vor allem Drogenmissbrauch betrieben wurde. Durch eine Vernachlässigung der Eltern versuchten sie durch Gewalthandlungen die Aufmerksamkeit von Lehrkräften und Mitschülern auf sich zu ziehen.
4.2 Theorien über Gewalt
Anders als bei den äußeren Einflussfaktoren kann man die Ursache für Gewalt auch durch eine Auseinandersetzung mit individualpsychologischen Faktoren beim Individuum selbst suchen. In der Gewaltforschung werden hauptsächlich drei Möglichkeiten, die versuchen zu erklären, wie Gewalt entsteht, untersucht und beschrieben: Die Triebtheorie, die Frustrationstheorie und den lerntheoretischen Ansatz.11
Triebtheorie:
Diese Theorie basiert auf die berühmte Psychoanalyse von Sigmund Freud. Demnach ist Aggression die Ableitung von Triebenergie über die Muskulatur auf die Außenwelt. Laut Freud hat jeder Mensch eine angeborene Neigung zum Bösen, die dann zum Vorschein kommt, wenn er in seinem Luststreben gehemmt oder gekränkt wird. Je mehr das dem Individuum in seinen Kindheitsjahren widerfährt, desto höher ist seine Aggressivität im Jugend- und Erwachsenenalter. Zudem nimmt die Über-Ich- Entwicklung bei der Entstehung von Aggression eine bedeutsame Rolle ein. Wenn ein Kind während seiner Entwicklung keine ausreichend moralische Sicherung durch Identifikation mit einer erwachsenen Bezugsperson erworben hat, dann steigt das Potential zur Gewalt ebenfalls. Entscheidend für die Aggressionsbewältigung ist dabei, inwieweit andere Faktoren wie sportliche oder kulturelle Aktivitäten dem Aggressionsverzicht entgegenwirken können.12
Frustrationstheorie:
In der Frustrationstheorie wird angenommen, dass aggressives Verhalten auf aggressive Impulse beruht, die durch Frustrationen hervorgerufen werden. Der Grad der Aggression ist hierbei abhängig von den Auslösern. Deshalb entsteht die Gewalt in dieser Theorie anders als bei der Triebtheorie nicht von selbst, sondern reaktiv als Folge auf ein äußeres Ereignis.13
Lerntheoretischer Ansatz:
Eine weitere Erklärung zur Entstehung von Gewalt liefern lerntheoretische Ansätze. Demnach wird entweder durch operante bzw. instrumenteile Konditionierung, also durch Bestrafung oder Belohnung (Skinner 1991) oder durch Lernen am Modell (Bandura 1963; 1973) aggressivesVerhalten gelehrt.14
Kinder lernen, indem sie beobachten. Dabei speichern sie die Prozesse im Gehirn und ahmen sie nach. Wenn Schüler A beispielsweise in seiner Kindheit gesehen hat, wie sein älterer Bruder beim Spielen seinen Willen mittels Gewalteinwirkung durchsetzen konnte, so versucht er es im späteren Leben genauso durchzusetzen, da er sich gemerkt hat, dass das Verhalten seines Bruders zum Erfolg geführt hat.
5. Drei Rollen in Gewaltsituationen
Wenn im Schulalltag Gewaltsituationen entstehen, finden sich Schüler, ob sie unmittelbar daran beteiligt sind oder nicht, in drei verschiedenen Rollen wieder. Entweder sie agieren als Täter, der die Gewalt ausführt; als Opfer, welches in Reaktion auf eine Gewaltausübung eine entsprechende Handlung vornimmt oder als Zuschauer, welcher nicht aktiv am Geschehen teilnimmt. Allerdings kommt es bei diesen Gewaltkonstellationen stetig zu Verschiebungen. So kann beispielsweise ein Schüler bei einem Konflikt gleichzeitig mehrere Rollen einnehmen. Die folgenden Rollen sind für nahezu jeder Art von sozialen Konflikten gegeben, im Hinblick auf gewalttätige Umstände sogar besonders.15
5.1 Täter/-innen
Bei einer gewaltausübenden Handlung hat die Täterin oder der Täter eine höhere Position im Machtgefälle als sein Opfer. Gründe für seine Überlegenheit sind hierbei auf physische, psychische, soziale oder rhetorische Elemente zurückzuführen. Eine Machtposition kann zudem auch strukturell bedingt sein (Bsp. Lehrer gegenüber Schüler). Die Person, die Gewalt anwendet, sieht darin beispielsweise eine Möglichkeit, sein eigenes Selbstwertgefühl zu steigern, Macht und Kraft zu demonstrieren, Anerkennung bei anderen zu bekommen oder Stress abzubauen.16
[...]
1 vgl. Müller u.a. 2014, S.9
2 vgl. Melzer u.a.2011, S.45
3 vgl. Ulrich (Hrsg) 2008,S.18
4 vgl. Müller u.a.2014, S.50
5 vgl. Müller u.a 2014, S.51
6 vgl. Bertet u.a.2011, S.13
7 vgl. ebd.
8 vgl. Schmidt 1994, S.10
9 vgl. Müller u.a. 2014, S.52
10 vgl. Schröder 2007, S.21
11 vgl. Müller u.a. 2014,S.53
12 vgl. Bertet 2011, S.20
13 vgl. Melzer 2011, S.57
14 vgl. Müller u.a. 2014,S.55
15 vgl. Müller u.a. 2014, S.64
16 vgl. Ebd.