Das CISG (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods) stellt ein Regelwerk dar, welches bei internationalen Kaufverträgen eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Warenverkehr bietet. Im Folgenden soll in diesem Assignment das UN-Kaufrecht kurz vorgestellt und stellvertretend für das gesamte Übereinkommen, der Aspekt der Rechtsbehelfe des Käufers näher betrachtet werden.
Vor diesem Hintergrund werden die im UN-Kaufrecht genannten fünf Rechtsbehelfe des Käufers bei der Rechtsdurchsetzung anhand zweier frei gewählter Fallbeispiele aus der deutschen Rechtsprechung dargestellt und die Anwendungsmöglichkeiten der Rechtsbehelfe des Käufers kritisch betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Gliederung des Assignments
2. Aufbau und Anwendungsbereiche des CISG
3. Rechtsbehelfe des Käufers wegen Vertragsverletzung durch den Verkäufer
3.1 Erfüllung der Verkäuferpflichten
3.2 Nachbesserung
3.3 Aufhebung des Vertrags
3.4 Minderung
3.5 Schadenersatz
4. Fallbeispiele
4.1 Fall 1
4.1.1 Lösung zu Fall 1
4.2 Fall 2
4.2.1 Lösung zu Fall 2
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
Art. Artikel
bzgl. bezüglich
CISG United Nations Convention on Contracts
for the International Sale of Goods
Ebd. Ebenda
etc. et cetera
evtl. eventuell
Hrsg. Herausgeber
i.d.R. in der Regel
i.S.d. im Sinne der / des
IPR Internationales Privatrecht
lit. litera (= Buchstabe)
OLG Oberlandesgericht
o.V. ohne Verfasser
usw. und so weiter
u.a. unter anderem
vgl. vergleiche
z.B. zum Beispiel
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Das UN-Kaufrecht ist eine völkerrechtliche Konvention, welche 1980 in Wien als Übereinkommen der „Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf“ (engl. United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, kurz CISG genannt) verabschiedet wurde. Neben der Bezeichnung UN-Kaufrecht, werden ebenfalls die Begriffe: Wiener Kaufrecht oder CISG, verwendet.1 In dieser Arbeit werden die Begriffe UN-Kaufrecht und CISG genutzt. In Deutschland trat das CISG am 01.01.1991 in Kraft und ist Teil des deutschen Internationalen Privatrechts (kurz IPR).2
Als supranationales, dies bedeutet dem nationalen Recht überstelltes3, Regelwerk der Vereinten Nationen, wurde das UN-Kaufrecht inzwischen bereits von 89 Staaten4 (Stand: 04/2019) ratifiziert, wodurch es über einen breiten internationalen Akzeptanzrahmen verfügt. Das CISG stellt ein Regelwerk dar, welches bei internationalen Kaufverträgen eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Warenverkehr bietet.
Im Folgenden soll in diesem Assignment das UN-Kaufrecht kurz vorgestellt und stellvertretend für das gesamte Übereinkommen, der Aspekt der Rechtsbehelfe des Käufers näher betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund, werden die im UN-Kaufrecht genannten fünf Rechtsbehelfe des Käufers bei der Rechtsdurchsetzung anhand zweier frei gewählter Fallbeispiele aus der deutschen Rechtsprechung dargestellt und die Anwendungsmöglichkeiten der Rechtsbehelfe des Käufers kritisch betrachtet.
1.2 Gliederung des Assignments
Nach der Einleitung, wird im 2. Kapitel der Aufbau und die Anwendungsbereiche des CISG vorgestellt. Das 3. Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die fünf Rechtsbehelfe des Käufers. Im 4. Kapitel werden in zwei Fallbeispielen die fünf Rechtsbehelfe des Käufers bei der Rechts-durchsetzung dargestellt und auf deren mögliche Anwendung oder deren Ausschlusskriterien kritisch eingegangen. Das Assignment wird in Kapitel 5 mit einem Fazit beendet.
2. Aufbau und Anwendungsbereiche des CISG
Das CISG ist in vier Teile gegliedert:5
- Teil 1 beinhaltet in den Artikeln 1-13 CISG Regelungen zum Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen. Unter anderem geben diese Artikel darüber Auskunft, ob das CISG auf den jeweiligen Vertrag anwendbar ist und wie die Vorschriften auszulegen sind.
- Teil 2 beschreibt in den Artikeln 14-24 CISG den Abschluss des Vertrages, dies beinhaltet auch Angebot und Annahme des Angebots.
- Teil 3 beinhaltet in den Artikeln 25-88 CISG die Rechte und Pflichten der Verkäufer und Käufer. Diese Artikel regeln die allgemeinen Bestimmungen, die Rechte und Pflichten und jeweiligen Rechtsbehelfe von Verkäufer und Käufer wie auch die Regelung des Gefahrenübergangs.
- Teil 4 beschreibt in den Artikeln 89-101 CISG die Schlussbestimmungen.
Das CISG wird angewandt wenn:
- ein internationaler Kaufvertrag zwischen Vertragsparteien geschlossen wird, deren Niederlassungen in unterschiedlichen Vertragsstaaten liegen bzw. das IPR (internationales Privatrecht) auf die nationale Rechtsordnung eines Vertragsstaates verweist und die das CISG ratifiziert haben,6
- der Kauf bewegliche, körperliche Sachen zum Gegenstand hat, die nicht zum privaten Gebrauch erworben werden.7
- das UN-Kaufrecht keine Regelung anbietet oder eine der Vertragsparteien das CISG nicht unterzeichnet hat, ist auf das nach den Grundsätzen des IPR anzuwendende nationale Recht zurückzugreifen.8
Für die rechtlichen Aspekte, die im CISG nicht berücksichtigt werden, wie z.B. die Produzenten-haftung, findet das jeweils anwendbare innerstaatliche Recht Anwendung.9
3. Rechtsbehelfe des Käufers wegen Vertragsverletzung durch den Verkäufer
Im UN-Kaufrecht wird nicht der Begriff des Mangels verwendet, in Art. 35 Abs. 1 CISG wird von der Vertragsmäßigkeit der Ware gesprochen, die der Verkäufer dem Käufer zu liefern hat. Dies bedeutet, dass die Ware bzgl. Menge, Qualität und Art wie auch die Art und Weise der Verpackung lt. der vertraglichen Vereinbarungen zu entsprechen hat.10 Stellt der Verkäufer dem Käufer vertragswidrige Ware im Sinne des Artikels 35 Absatz 1 CISG zur Verfügung, hat der Käufer zwei Obliegenheiten einzuhalten, bevor der Käufer Folgeansprüche aus vertragswidrig gelieferten Waren geltend machen kann. Die Obliegenheiten des Käufers sind die Untersuchungsobliegenheit nach Artikel 38 CISG, hierbei sind innerhalb kurzer Frist die Waren auf Vertragskonformität zu untersuchen und die Rügeobliegenheit von vertragswidrigen Waren gegenüber dem Verkäufer nach Artikel 39 CISG innerhalb einer angemessenen Frist und genauer Bezeichnung der Vertragswidrigkeiten zu rügen.11
Als Rechtsbehelf für jede Art der Vertragswidrigkeit, bietet das CISG ab Artikel 46 ff. CISG dem Käufer die folgenden fünf Rechtsbehelfe.
3.1 Erfüllung der Verkäuferpflichten
Der Käufer kann vom Verkäufer nach Art. 46 Abs. 1 CISG Erfüllung der Vertragspflichten verlangen. Dies geht ab dem Moment, ab dem der Verkäufer nicht liefert, da dieser durch die Nichtlieferung eine Vertragsverletzung begeht. Hierfür kann der Käufer dem Verkäufer auch eine angemessene Nachfrist nach Art. 47 Abs. 1 CISG einräumen.12
3.2 Nachbesserung
Der Käufer kann den Verkäufer nach Art. 46 Abs. 3 CISG zur Nachbesserung auffordern, sofern dies dem Verkäufer zumutbar ist.13
3.3 Aufhebung des Vertrags
Der Käufer kann nach Art. 49 Abs. 1 CISG gegenüber dem Verkäufer die Aufhebung des Vertrags erklären. Dies setzt eine wesentliche Vertragsverletzung nach Art. 49 Abs. 1 lit. a oder dem Verstreichen einer durch den Käufer nach Art. 47 Abs. 1 gesetzten Nachfrist zur Lieferung voraus.14
3.4 Minderung
Der Käufer kann nach Art. 50 CISG den Kaufpreis für nicht vertragsmäßige Ware mindern. Die Minderung des Kaufpreises liegt im Verhältnis zwischen dem tatsächlichen Wert der gelieferten, jedoch vertragswidrigen, Ware und dem Wert, den die vertragskonforme Ware gehabt hätte.15
3.5 Schadenersatz
Der Käufer kann nach Art. 45 Abs. 1 lit. b, 77 ff. CISG vom Verkäufer Schadenersatz verlangen. Der Käufer kann dies auch tun, wenn er bereits andere Rechtsbehelfe ausübt (Art. 45 Abs. 2 CISG).16
4. Fallbeispiele
4.1 Fall 1
In Anlehnung an LG Ellwangen Urteil vom 24.02.2003, 10 O 87/01 (Sachverhalt für das Assignment gekürzt). 17
Situationsbeschreibung: Die in Österreich ansässige Klägerin handelt mit Lebensmitteln. Die Beklagte stellt im Inland Schokolade her. Die Beklagte veräußerte mit ihrer Rechnung vom 27.09.2000 an die Klägerin insgesamt 458.496 200g-Tafeln Schokolade á 0,70 DM zu einem Gesamtpreis von 348.656,50 DM. Die Rechnung ist bezahlt. Die Lieferung erfolgte mittels Lkw-Transport in 23.040 Kartons in der Zeit vom 16. bis 28.10.2000 an das Zentrallager der Klägerin in M., Deutschland. Mit ihrem Schreiben vom 07.12.2000 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie noch 255.390 Tafeln am Lager in M., Deutschland habe, welche weiß angelaufen seien und verlangte deshalb eine Gutschrift von 0,35 DM pro Tafel. Mit ihrem Antwortschreiben vom 08.12.2000 wies die Beklagte die Reklamation zurück, wobei sie sich auf den Standpunkt stellte, dass das Auftreten von Fettreif nicht lebensmittelbedenklich sei. Mit dem Anwaltsschriftsatz vom 08.01.2001 beantragte die Klägerin beim LG Duisburg - 22 OH 1/01 - die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Mit Beschluss vom 29.01.2001 ordnete das LG Duisburg die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an. Der vom LG Duisburg bestellte Gutachter M. kam aufgrund seiner Untersuchung der Ware zu dem Ergebnis, dass sich an den Schokoladetafeln ein Fettreif gebildet hat, welcher auf Temperaturschwankungen bei der Lagerung über 18 Grad C zurückzuführen sei. Der Kläger habe die mangelhafte Ware gegenüber der Beklagten am 28.10.2000 fernmündlich gerügt und mit ihrem Telefax-Schreiben vom 07.12.2000 eine Minderung des Kaufpreises verlangt. Der Kläger trug vor, dass die Schokolade bei ihm nicht über Temperaturen von 15 Grad C gelagert worden sei, wodurch sich der Fettreif nicht in seinem Lager hätte bilden können. Da sich die Beklagte (folgend Verkäufer genannt) geweigert habe, die Ware zurückzunehmen und zu ersetzen, habe sie, die Klägerin (folgend Käufer genannt), diese mit Verlust weiter veräußert und zwar 23.040 Tafeln zu je 0,60 DM und weitere 295.648 Tafeln zu je 0,25 DM. Daraus sei ihr ein Verlust in Höhe von 144.819,79 DM entstanden. Welche Rechtsbehelfe hat der Käufer in diesem Fall?
4.1.1 Lösung zu Fall 1
Vorab ist zu prüfen, ob in diesem Fall das CISG Anwendung findet.
I. Anwendbarkeit CISG (+)
a) Sachlich: Warenverkauf nach Art 1 Abs. 1 CISG (+)
b) Räumlich: Parteien mit Sitz in unterschiedlichen Ländern, beide Länder (hier Österreich und Deutschland) haben das CISG ratifiziert und sind somit Vertragsstaaten, Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG (+)
c) Persönlich: Art. 1 Abs. 3, Art. 2 CISG (+).
II. Vertragsschluss über den Kauf und die Lieferung über 458.496 200g-Tafeln Schokolade.
III. Obliegenheiten des Käufers
Der Käufer hat die Ware nach Erhalt geprüft und ist dadurch der Untersuchungsobliegenheit nach Artikel 38 CISG nachgekommen, hierbei sind innerhalb kurzer Frist die Waren auf Vertragskonformität zu untersuchen. Dabei stellte der Käufer fest, dass sich auf der Schokolade ein Fettreif gebildet hatte, worüber er den Verkäufer am 28.10.2000 informierte. Da die Ware zwischen dem 16. und 28.10.2000 geliefert wurde, erfolgte die Information über den Mangel an der Ware in angemessener Frist nach Artikel 39 CISG. Bei verderblicher Ware kann die „angemessene“ Frist zur Anzeigepflicht des Käufers nur wenige Tage dauern, ansonsten wird ein grober Mittelwert von etwa einem Monat angenommen.18 Erst nachdem der Käufer seine Obliegenheiten erfüllt hat, kann der Käufer Folgeansprüche aus vertragswidrig gelieferter Ware gegenüber dem Verkäufer geltend machen.
IV. Pflichtverletzung nach Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG.
Art. 35 Abs. 1 CISG (Vertragsmäßigkeit der Ware): An der Schokolade hatte sich ein Fettreif gebildet, der laut Gutachten aufgrund einer fehlerhaften Lagerung (bei Temperaturen über 18 Grad) entstand. Der Verkäufer hat dem Käufer nach Art 35 Abs. 1 CISG mangelfreie Ware zu liefern. Der Verkäufer hat dem Käufer jedoch vertragswidrige Ware verkauft, da die gelieferte Schokolade nicht der vereinbarten Güte (Ware war vergraut) entsprach. Hierdurch entstand eine Pflichtverletzung durch den Verkäufer nach Art 35 Abs. 1 CISG. Ebenso haftet der Verkäufer nach Art. 36 Abs. 1 CISG auch für eine Vertragswidrigkeit, wenn die Vertragswidrigkeit erst nach dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs auf den Käufer offenbar wird.19 Im Gegenzug hätte der Verkäufer aufgrund des vorliegenden gerügten Mangels den Gegenbeweis antreten können, um zu beweisen, dass der Mangel bei Auslieferung aus ihrem Lager noch nicht vorlag, i.S.d. Art. 35 CISG. Dies erfolge hier nicht.
V. Rechtsfolge:
Der Käufer hat den Verkäufer als Rechtsbehelf eine Kaufpreisminderung, nach Art. 50 GISG, vorgeschlagen, um die Waren schnellstmöglich weiterzuverkaufen und nicht unnötig lange in seinem Lager einlagern zu müssen. Der Minderungsbetrag wird durch eine Gleichung auf Grundlage des vereinbarten Kaufpreises errechnet. Hierbei wird mit dem Quotienten der Werte der vertragswidrigen (Wert den die gelieferte Ware zum Zeitpunkt der Lieferung hatte) und der vertragsgemäßen Ware (Wert den die vertragsmäßige Ware zum Lieferzeitpunkt gehabt hätte) multipliziert.20 Das Ergebnis hieraus ist dann der herabgesetzte Kaufpreis. Jedoch musste der Käufer die Ware zu einem geringeren Preis, als dem Einkaufspreis veräußern, wodurch dem Käufer ein Verlust entstand. Diesen Verlust kann der Käufer i.S.d. Art. 74 Satz 1 CISG als Schadenersatz geltend machen.21
[...]
1 Vgl. Karollus, Prof. Dr. Martin (1991). S. 3.
2 Vgl. Piltz, Prof. Dr. Burghard (2008). Rn. 26.
3 Vgl. Rohde, Dr. Christian; Lorenzmeier, Dr. Stefan (1999). S. 4.
4 Vgl. Link: http://www.uncitral.org/uncitral/uncitral_texts/sale_goods/1980CISG_status.html (Seitenaufruf vom 11.04.2019).
5 Vgl. Handelsrecht (2014). O.V. S. 435-458.
6 Vgl. Handorn, Dr. Boris (2007), S. 10
7 Vgl. Ebd. S. 13.
8 Vgl. Ebd. S. 11f.
9 Vgl. Gabath, Christoph Walter (2008). S. 61.
10 Vgl. Magnus, Dr. Ulrich (2010). S. 387f.
11 Vgl. Ebd. S. 39.
12 Vgl. Magnus, Dr. Ulrich (2013). Rn. 15.
13 Vgl. Müller-Chen, Dr. Markus (2013). Rn. 40.
14 Vgl. Holthausen, Dr. Rüdiger (1990). S. 101-107.
15 Vgl. Karollus, Prof. Dr. Martin (1993). S. 490-491.
16 Vgl. Schnyder, Prof. Dr. Anton; Straub, Dr. Ralf Michael (2013). Rn. 74 ff.
17 Vgl. LG Ellwangen, 24.02.2003, 10 O 87/01. CISG-online 2694.
18 Vgl. OLG Stuttgart, 21.08.1995, 5 U 195/94. RIW 1995, 943.
19 Vgl. Schlechtriem, Prof. Dr. Dr. Peter; Schroeter, Prof. Dr. G. Ulich (2016). Rn. 146 f.
20 Vgl. Schlechtriem, Prof. Dr. Dr. Peter (2007). Rn 203.
21 Vgl. Brunner, Prof. Dr. Christoph (2004). Art. 74 Rn. 8.