Erwartungsverletzungen können einen durch Vorinformationen entstandenen ersten Eindruck direkt beeinflussen. Daher stellt sich die Frage, ob durch eine Erwartungsverletzung dieser erste Eindruck auch verändert und gegebenenfalls korrigiert werden kann.
Ziel der durchgeführten Studie war es, herauszufinden, ob der durch Vorinformationen entstandene erste Eindruck aufgrund von Erwartungsverletzungen verändert werden kann. Die intern präregistrierte Studie wurde als ein 2x2 Between-Subject-Design mit Messwiederholung konzipiert. Die Probanden wurden in zufällige Gruppen eingeteilt und durch eine positive beziehungsweise negative Vorinformation über die fiktive Person Andrea manipuliert und danach um eine erste Einschätzung gebeten. Es folgten weitere Informationen über eine fiktive Person und die Probanden wurden erneut dazu befragt.
Die Ergebnisse zeigten, dass ein anfänglicher negativer Eindruck nach einer positiven Erwartungsverletzung schwieriger zu korrigieren ist als ein positiver erster Eindruck. Die Ergebnisse sind für zukünftige Forschungen von enormer Wichtigkeit, beispielsweise inwieweit kulturelle Einflüsse auf den ersten Eindruck und dessen Erwartungsverletzung wirken können oder welcher sozioökonomische Status Personen dazu verleitet, ihren ersten Eindruck leichter oder schwieriger zu revidieren.
Inhaltsverzeichnis
1 Zusammenfassung
2 Einleitung
3 Methoden
4 Durchführung
5 Ergebnisse
6 Diskussion
7 Schlussfolgerungen
8 Literaturverzeichnis
9 Tabellenverzeichnis
1 Zusammenfassung
Erwartungsverletzungen können einen durch Vorinformationen entstandenen ersten Ein-druck direkt beeinflussen. Daher stellt sich die Frage, ob durch eine Erwartungsverletzung dieser erste Eindruck auch verändert und gegebenenfalls korrigiert werden kann. 509 Studi-enteilnehmer1, größtenteils Frauen, nahmen an einem Online-Experiment teil. Nach Auswer-tung der Daten wurde die Anzahl der Teilnehmer durch Ausschlusskriterien auf 185 redu-ziert. Am Häufigsten nahmen Probanden in der Altersklasse zwischen 19 und 30 Jahren teil. Hinsichtlich der Ausbildung gaben 47,0% einen Bachelor oder höheren Bildungsabschluss an. Ziel der Studie war es, herauszufinden, ob der durch Vorinformationen entstandene erste Eindruck aufgrund von Erwartungsverletzungen verändert werden kann. Die intern präregis-trierte Studie wurde als ein 2x2 Between-Subject-Design mit Messwiederholung konzipiert. Die Probanden wurden in zufällige Gruppen eingeteilt und durch eine positive beziehungs-weise negative Vorinformation über die fiktive Person Andrea manipuliert und danach um eine erste Einschätzung gebeten. Es folgten weitere Informationen über Andrea und die Probanden wurden erneut dazu befragt. Die Ergebnisse zeigten, dass ein anfänglicher ne-gativer Eindruck nach einer positiven Erwartungsverletzung schwieriger zu korrigieren ist als ein positiver erster Eindruck. Die Ergebnisse sind für zukünftige Forschungen von enormer Wichtigkeit, beispielsweise inwieweit kulturelle Einflüsse auf den ersten Eindruck und des-sen Erwartungsverletzung wirken können oder welcher sozioökonomische Status Personen dazu verleitet, ihren ersten Eindruck leichter oder schwieriger zu revidieren.
Schlagwörter: Erster Eindruck, Eindrucksbildung, Erwartungsverletzungen, Korrektur Erwartungsverletzungen
2 Einleitung
Die Entstehung von ersten Eindrücken und einer eventuellen Erwartungsverletzung bestimmen größtenteils das menschliche Miteinander. In sozialen Interaktionen mit anderen Menschen kommt es häufiger vor, dass man sich aufgrund von positiven oder negativen Vor-informationen schon einen ersten Eindruck über eine Person erstellt hat. Und nicht selten passiert es, dass man nach einigen weiteren Informationen über diese Person diesen Ein-druck noch einmal korrigieren muss. Erwartungsverletzungen sind daher mittlerweile ein wichtiger Gegenstand der psychologischen Forschung.
Eine der grundlegenden Forschungen auf dem Gebiet der wiederholten Erfahrungen und Erwartungen beziehungsweise der Erwartungsverletzungen ist die Theorie der Erwar-tungsverletzungen (Expectancy Violations Theory) von Judee K. Burgoon (Burgoon, 1976)2. Diese Theorie ist eine Kommunikationstheorie, welche analysiert, wie Einzelpersonen auf unerwartete Verstöße gegen soziale Normen und Erwartungen reagieren. Nach Burgoon (Burgoon, 1993) bilden die Menschen nach Kontakt mit anderen Personen eine Erwartungs-haltung aus und erhoffen sich von diesen Person ein bestimmtes Verhalten in diversen Situ-ationen. Verhalten sich die Personen aber entgegengesetzt zu der von den anderen Men-schen aufgebauten Erwartungshaltung, spricht Burgoon von einer Erwartungsverletzung. Diese Erwartungsverletzung kann negativ oder positiv sein. Des Weiteren kann eine Erwar-tungsverletzung auch den ersten Eindruck verändern, unabhängig davon, ob dieser erste Eindruck positiv oder negativ ist.
Um die bisherige Forschung aufzugreifen und zu vertiefen, wurden für das geplante Experiment mehrere bereits veröffentliche Studien verwendet, darunter die Studie von Roh-mann (Rohmann et al., 2002), die Studie von Zunhammer (Zunhammer et al., 2017) und die Studie von DelGreco (DelGreco et al., 2020). Die Studie von Rohmann untersuchte, inwie-weit Erwartungsverletzungen in partnerschaftlichen Beziehungen vorhanden sind. Gezielt wurde der Zusammenhang zwischen Erwartungsverletzungen und den Beziehungsmerk-malen Zufriedenheit und Ärger analysiert . Probanden, welche in einer partnerschaftlichen Beziehung sind und in einem Haushalt lebten, beantworteten in drei unterschiedlichen Fra-gebögen diverse Items, welche die erwartete und die reale Aufteilung der Hausarbeit, die partnerschaftliche Zufriedenheit und den erlebten Ärger in der Beziehung evaluierten. Durch die angenommene Ungleichverteilung der Hausarbeiten wurde erwartet, dass die Zufrieden-heit in der Beziehung, entsprechend den Annahmen der Equity-Theorie von Walster (Walster et al., 1978) niedriger und der Ärger in der Beziehung höher ausfällt. Die Erwartung konnte in der Studie auch gezeigt werden, jedoch wurde die Hypothese, dass sich eine Erwartungs-verletzung negativ auf die Zufriedenheit in der Beziehung auswirkt und dadurch vermehrt Är-ger auftritt, nicht bestätigt. Die Beziehungsqualität wird laut der Studie nicht durch verletzte Erwartungen bezüglich der Aufteilung der Hausarbeit beeinträchtigt.
In der Studie von Zunhammer (Zunhammer et al., 2017) wurde untersucht, ob eine veränderte Verabreichung von Medikamenten die negativen Erfahrungen gescheiterter me-dizinischer Behandlungen von Patienten verringern kann. Die Probanden wurden einer von vier Gruppen zugeordnet, in denen die Erwartung beziehungsweise die Erwartungsverlet-zung über positive oder negative Behandlungserfahrungen manipuliert wurde. Die Ergebnis-se zeigten auf, dass bereits die Ankündigung einer neuartigen Behandlung mit Medikamen-ten die Behandlungserwartung in der Gruppe der Teilnehmenden mit negativen Vorerfahrun-gen die Behandlungserwartung signifikant erhöhte, während die Behandlungserwartung der Teilnehmenden mit positiver Vorerfahrung signifikant sank. Es zeigte sich, dass die Behand-lungserwartung signifikant von der Vorbehandlung beeinflusst wurde und die veränderte Ver-abreichung der Medikamente den Effekt der Behandlungserfahrung modulierte.
In der Studie von DelGreco (DelGreco et al., 2020) wurde untersucht, welche emo-tionalen Reaktionen Erwartungsverletzungen bei heterosexuellen Interaktionen bei Online-Dating hervorrufen. Erwartungsverletzungen wurden implementiert, indem den Studierenden ein fiktiver Chat vorgelegt wurde, in dem immer eine Frau Empfängerin eines Kompliments war. Anhand der Reaktion der Frauen auf das jeweilige Kompliment wurde die Erwartungs-verletzung in die Bedingungen positiv, neutral und negativ unterteilt. Anschließend wurde die weibliche Chat-Partnerin anhand von einem Fragebogen in Bezug auf Items wie soziale Attraktivität, konversationelle Angemessenheit, Beliebtheit, Machtgefälle und Selbstachtung beurteilt. Bei negativer Erwartungsverletzung wurde die Chat-Partnerin in den Punkten sozi-ale Attraktivität, Beliebtheit und konversationeller Angemessenheit niedriger eingestuft, dafür aber in den Punkten Selbstachtung und Macht höher bewertet. In allen Bedingungen, außer der neutralen Bedingung, wurden niedrigere Werte für das Verhalten der Chat-Partnerin ver-geben. Einzig die Antworten in der negativen Bedingung wiesen signifikant höhere Einschät-zungen in Bezug auf Selbstachtung und Macht auf.
Basierend auf den genannten empirischen Untersuchungen zu Erwartungsverletzun-gen und auf der Grundlage der Studie von Oscar Ybarra (Ybarra, 2001) wurde eine Hypo-these erstellt, welche auch im Rahmen der Open-Science-Initiative der Universität X präre-gistriert wurde. In dieser Hypothese wird postuliert, dass durch eine negative Vorinformation über eine Person ein negativer erster Eindruck induziert wird und dieser Eindruck nach einer positiven Erwartungsverletzung schwieriger zu korrigieren ist als bei einem durch positive Vorinformationen induzierten positiven ersten Eindruck, auf den eine negative Erwartungs-verletzung folgt.
Diese Studie bezieht sich im Gegensatz zu vorausgegangenen Forschungen auf so-ziale Interaktionen zwischen zwei oder mehreren Personen unabhängig von Geschlecht, Al-ter, Bildung, Familienstand oder auch der Sexualität. Darin liegt auch der Mehrwert der Stu-die, da sich diese nicht auf eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe der Bevölkerung be-zieht, sondern auf die allgemeine Bevölkerung anwendbar ist.
3 Methoden
Stichprobe
Die Studie wurde im Rahmen des Empirisch-experimentellen Praktikum der Univer-sität X durchgeführt. Für die Studie wurden Freunde und Familie, aber auch Studenten der Universität X und anderen Universitäten rekrutiert. Die Rekrutierung fand hauptsächlich on-line statt, vor allem über soziale Netzwerke wie beispielsweise Facebook, Instagram, Xing oder auch Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Signal. Der Zeitraum der Rekrutierung war vom 12.12.2020 bis zum 28.12.2020. Es wurden 509 Probanden für alle vier Studien der Forschungsgruppe 1-4 rekrutiert. Studierende konnten bei Teilnahme eine Bescheinigung über 0,5 Versuchspersonenstunden erwerben. Der Basisdatensatz der Gruppe 4 betrug vor Einsatz der Ausschlusskriterien 261 Probanden. Die relevante Stichprobengröße betrug nach Einsatz der Ausschlusskriterien 185 Teilnehmer. Probanden wurden aus der Studie ausgeschlossen, wenn sie unter 18 Jahre alt waren beziehungsweise keine Angabe zu ih-rem Alter gemacht, das Einverständnis zur Bearbeitung der Daten nicht gegeben oder nicht ernsthaft an der Studie teilgenommen hatten. Ebenso wurden Teilnehmer ausgeschlossen, deren Bearbeitungszeit der Fragen lediglich weniger als fünf Minuten gedauert hat oder Per-sonen, welche immer nur Antwort 4 (neutral) gegeben hatten.
Insgesamt nahmen 133 Frauen (71,9%), 48 Männer (25,9%) und 1 Divers (0,5%) an der Studie teil, drei Personen machten keine Angabe (1,6%). Das mittlere Alter der Teilneh-mer lag bei 33,8 Jahren (SD=12,08). Hinsichtlich der Ausbildung gaben 87 Probanden (47,0%) an, einen Bachelor oder höheren Abschluss zu besitzen. Der Anteil der Probanden ohne Bachelor oder höheren Abschluss war in dieser Studie jedoch höher und lag bei 95 Teilnehmern (51,4%).
Design
In der Studie wurde anhand eines Online-Experiments überprüft, inwieweit ein durch Vorinformationen entstandener erster Eindruck durch eine positive Erwartungsverletzung korrigiert werden kann beziehungsweise ein positiver erster Eindruck durch eine negative Erwartungsverletzung. Zur Prüfung der Hypothese wurde eine experimentelle Studie mit ei-nem 2x2 Between-Subject-Design mit Messwiederholung durchgeführt. Es erfolgte eine zu-fällige Zuweisung der Teilnehmer in eine Gruppe, welche entweder eine positive oder nega-tive Vorinformation über die fiktive Person Andrea erhält. Die Stimuli für das vorliegende De-sign werden durch die sozialen Vignetten über die fiktive Person Andrea dargestellt. Die Pro-banden mussten zu Beginn der Studie eine Einwilligungserklärung zustimmen und wurden vorab zu demographischen Variablen wie dem Alter, Geschlecht oder dem Bildungsab-schluss befragt.
Material/ Messinstrumente
Als Material der Studie diente die fiktive Person Andrea. Für die Beschreibung dieser Person wurden soziale Vignetten erstellt, welche entweder positiv oder negativ waren. Diese Vignetten sollten die befragten Personen zu Beurteilungen oder zu weiterführenden Hand-lungsmöglichkeiten anregen. Die fiktive Person Andrea ließ die Probanden zu Beginn des Experiments glauben, dass lediglich die Einschätzung dieser Person der zentrale Gegen-stand der Studie ist. Der Effekt wurde mittels eines Fragebogens erhoben. Die Studie wurde intern bei der Universität X präregistriert und ist an der Fakultät für Psychologie einzusehen.
Demographische Variablen
Die Probanden wurden zu Alter, Geschlecht, Bildungsstatus, Migrationshintergrund und Staatsbürgerschaft befragt.
Skala Wärme nach Asbrock
Für die allgemeine Einschätzung der Person wurde die Skala Wärme von Asbrock (Asbrock, 2010) mit den Items, warmherzig, gutmütig und sympathisch von 1 (überhaupt nicht) über 4 (teils teils) bis 7 (voll und ganz).
Manipulationscheck
Der Manipulationscheck wurde selbst konstruiert. Hierfür wurden Cut-Off-Werte ver-wendet, um Probanden herauszufiltern, welche die Items nicht in beabsichtigter Reihenfolge oder neutral beantwortet haben. Die Cut-Off-Werte für den ersten Eindruck bei Gruppe 1 wa-ren >=4 und bei Gruppe 2 <=4.
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1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nur das generische Maskulinum verwendet. Personen aller Geschlechtszugehörigkeiten sind dabei jeweils miteingeschlossen
2 Zitiert nach den Richtlinien der American Psychological Association APA (7th ed.)