Die vorliegende Arbeit rückt Rassismuserfahrungen und ihre Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler (SuS) in der Grundschule ins Zentrum ihrer Betrachtung. "Rassismus ist ein allgegenwärtiges, vielschichtiges Phänomen, das alle Ebenen des sozialen Zusammenlebens durchdringt und seinen Ausdruck auch in den vielfältigen Praktiken des Alltags findet." Demzufolge machen ebenso Kinder in der Grundschule tagtäglich rassistische Erfahrungen.
Die Institution Schule hat den Auftrag die bestmögliche Bildung aller SchülerInnen sicherzustellen und hat darüber hinaus wesentlichen Einfluss auf die psychische Gesundheit ebendieser. Die von weißen Menschen nicht erkannten und anerkannten rassistischen Erfahrungen Schwarzer SchülerInnen in der Schule, haben das Potential die psychische und physische Gesundheit betroffener Kinder erheblich zu beeinträchtigen. Angesichts der gravierenden Auswirkungen von Rassismuserfahrungen, erscheint das Thema Rassismus und Schule nicht nur gegenwärtig, sondern auch zukünftig hochrelevant.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Rassismus
2.1. Rassismus Begriffsklärung
2.2. Alltagsrassismus
2.3. Institutioneller Alltagsrassismus
3. Rassismus und Schule
3.1. Institutionelle Verpflichtungen des deutschen Schulsystems
3.2. Schule als Ort von Rassismuserfahrungen
4. Auswirkungen von rassistischer Diskriminierung auf Schülerinnen und Schüler
5. Fazit
6. Literatur
1. Einleitung
„Rassismus ist ein allgegenwärtiges, vielschichtiges Phänomen, das alle Ebenen des sozialen Zusammenlebens durchdringt und seinen Ausdruck auch in den vielfältigen Praktiken des Alltags findet.“ (Scharathow 2015, 161) Demzufolge machen ebenso Kinder in der Grundschule tagtäglich rassistische Erfahrungen.
Die Institution Schule hat den Auftrag die bestmögliche Bildung aller SchülerInnen sicherzustellen und hat darüber hinaus wesentlichen Einfluss auf die psychische Gesundheit ebendieser. Die von weißen Menschen nicht erkannten und anerkannten rassistischen Erfahrungen Schwarzer SchülerInnen in der Schule, haben das Potential die psychische und physische Gesundheit betroffener Kinder erheblich zu beeinträchtigen.
Angesichts der gravierenden Auswirkungen von Rassismuserfahrungen, erscheint das Thema Rassismus und Schule nicht nur gegenwärtig, sondern auch zukünftig hochrelevant. Aus diesem Grund rückt die vorliegende Arbeit Rassismuserfahrungen und ihre Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler (SuS) in der Grundschule ins Zentrum ihrer Betrachtung.
Die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe Schwarz und People of Color werden als politische Selbstbezeichnungen von Menschen verstanden, die Rassismuserfahrungen erleben (vgl. Ogette 2020, 77).
Überdies ist zu erwähnen, dass die vorliegende Arbeit von einer weißen Person ohne Rassismuserfahrungen geschrieben wurde.
Die Arbeit ist wie folgt gegliedert:
Für ein grundlegendes Verständnis in das Thema erfolgt zunächst eine Definition des Begriffs Rassismus, sowie ein kurzer Einblick in Formen rassistischer Diskriminierung im Alltag und in Institutionen. Das nächste Kapitel schließt mit einer knappen Erläuterung institutioneller Verpflichtungen des deutschen Schulsystems in Bezug auf ein allgemeines Diskriminierungsverbot an und fokussiert daran anknüpfend Schule als Ort tagtäglicher Rassismuserfahrungen. Im Anschluss daran werden psychische und physische Auswirkungen rassistischer Diskriminierungen auf Schülerinnen und Schüler herausgearbeitet.
Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit können für Kapitel 3 und 4 lediglich exemplarische Darstellungen erfolgen, weshalb an dieser Stelle kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann.
2. Rassismus
Um Rassismuserfahrungen in ihrer Wirkmächtigkeit nachvollziehen zu können, erfolgt zunächst eine Begriffsdefinition sowie die Unterscheidung von Alltags- und institutionellem Rassismus.
2.1. Rassismus Begriffsklärung
Der Begriff Rassismus beschreibt eine konstruierte, auf Rassentheorien basierende Ideologie aus Vorurteilen, deren Beginn im 20.Jahrhundert zu verorten ist (vgl. Rösch 2019, 44).
Laut dieser rassistischen Ideologie existieren innerhalb der Spezies Mensch verschiedene „Unterarten“, die an der Hautfarbe als zentraler Kategorie erkennbar seien. Als Grundlage für eine solche hierarchische Unterscheidung zwischen Menschen, fungieren genetische Merkmale, die als Voraussetzung für soziale und kulturelle Fähigkeiten und Veranlagungen dienen (vgl. Sow 2018, 78ff). Anhand dieser Annahme erfolgt eine Teilung in „überlegene“ und „unterlegene“ Menschen, Gruppen und Gesellschaften (vgl. Auma 2018, 1).
Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Aufteilung von Menschen in verschiedene „Rassen“ unvertretbar und durch die Genforschung seit langem widerlegt (vgl. Rösch 2019, 44).
Nach Leiprecht basieren rassistische Praxen auf drei „Denkschritten“:
Der erste Schritt markiert auf Basis sichtbarer körperlicher Merkmale die Konstruktion eines „Wir“ in Abgrenzung von „den Anderen“. Im zweiten Schritt werden „die Anderen“ als Abweichung dargestellt. Das „Wir“ gilt demgemäß als herrschende, privilegierte und mächtige Norm. Personen, die zur Gruppe „der Anderen“ gehören erhalten infolgedessen eingeschränkten Zugang zu ökonomischen, materiellen, kulturellen, sozialen und intellektuellen Ressourcen und werden systematisch ausgeschlossen, diskriminiert und geschädigt. (vgl. Leiprecht 2015, 119)
2.2. Alltagsrassismus
Unter Alltagsrassismus wird ein bestimmtes, verinnerlichtes und oft unbewusstes Handlungs- und Denkschema verstanden, das von größeren sozialen Gruppen praktiziert wird. Alltagsrassismus wird aufgrund fehlender Reflexion über Vorurteile und Einstellungen von weißen Menschen häufig bagatellisiert und ignoriert (vgl. Rösch 2019, 22ff) oder teils als scheinbar wohlmeinend dargestellt (vgl. Ogette 2020, 54).
Othering als Form des Alltagsrassismus beschreibt die Konstruktion eines „Wir“, welches als Abgrenzungsmechanismus fungiert, um Menschen als abweichende „Andere“ zu identifizieren (vgl. Shure 2015, 7). Dies offenbart sich unter anderem in der häufig gestellten Frage nach der Herkunft einer rassistisch markierten Person (vgl. Sow 2018, 251ff). Alltagsrassismus äußert sich daneben in sog. Mikroaggressionen. Dies meint subtile, übergriffige und rassistisch konnotierte Äußerungen im täglichen Handeln und Kommunizieren (vgl. Ogette 2020, 54f) als auch Witze, unbewusst geäußerte Vorurteile, abwertende Blicke in der Öffentlichkeit, oder diskriminierende Darstellungen in Medien (vgl. Nguyen 2014, Abs. 5).
2.3. Institutioneller Alltagsrassismus
Institutioneller Rassismus ist in Strukturen öffentlicher und privater Institutionen verankert (vgl. Thompson 2020, Abs. 7) und bezeichnet kollektiv benachteiligende Erfahrungen von Schwarzen Menschen und People of Color durch Institutionen (vgl. Rösch 2019, 41). Benachteiligungen können u.a. die Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche, als auch den Umgang in Behörden, Krankenhäusern und öffentlichen Verkehrsmitteln betreffen (vgl. ebd.). Institutioneller bzw. struktureller Rassismus stellt darüber hinaus eine alltägliche Realität im deutschen Bildungssystem dar, sodass viele rassistisch markierte Schülerinnen und Schüler regelmäßigen schulischen Rassismuserfahrungen ausgesetzt sind (vgl. Nguyen 2013, 20).
3. Rassismus und Schule
Neben einer knappen Erläuterung der Verpflichtungen des deutschen Schulsystems, werden institutionelle Rassismuserfahrungen betroffener SuS exemplarisch aufgeführt.
3.1. Institutionelle Verpflichtungen des deutschen Schulsystems
Das deutsche Grundgesetz spricht mit Artikel 3 Abs. 3 ein Diskriminierungsverbot für alle staatlichen Behörden aus. So soll „[n]iemand […] wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden.“ (Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 2020, Abs. 1)
Zentrale Aufgabe der Schule ist es, SchülerInnen unabhängig ihrer Herkunft uneingeschränkte gesellschaftliche Teilhabe durch Bildung und Partizipation zu ermöglichen. Neben dem deutschen Grundgesetz beinhalten demnach ebenfalls die Kultusministerkonferenz als auch das Schulgesetz für das Land Berlin (Art. 4 Abs. 2) ein allgemeines Diskriminierungsverbot an Schulen (vgl. KMK 2013, 3; vgl. Schulgesetz Berlin 2004, Abs. 2), welches die UN-Kinderrechtskonvention durch das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung ergänzt (vgl. UN-Konvention über die Rechte des Kindes 2013, 11).
Die Institution Schule hat als staatliche Behörde einen zentralen Bildungsauftrag inne und ist ebenso dem deutschen Grundgesetz auf Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot verpflichtet. Dass trotz dessen Rassismuserfahrungen zur schulischen Realität gehören, verdeutlicht das nächste Kapitel.
3.2. Schule als Ort von Rassismuserfahrungen
„Die meisten Lehrer halten sich für überzeugte Nicht-Rassisten, wollen gute und vor allem faire Menschen sein.“ (Ogette 2020, 108) Ungeachtet dieser Annahme, stellt Rassismus eine Normalität von Kindern in Bildungssituationen dar (vgl. Eggers 2013, 1). Durch den Rückgriff auf vermeintlich selbstverständliche Bedeutungskonstruktionen, die als gesellschaftlich „gültiges“ und vermeintlich „richtiges“ Wissen anerkannt sind und sich daher als machtvoll erweisen (vgl. Scharathow 2015, 163f), werden Teilhabebarrieren und Exklusion erzeugt und aufrechterhalten (vgl. Eggers 2013, 1).
„An den meisten Schulen in Deutschland gibt es keinen Rassismus. […] Zumindest, wenn wir die meisten Lehrer*innen fragen.“ (Ogette 2020, 107) Steinbach begreift Lehrkräfte an Schulen bereits als Resultat rassistischer Strukturen, da die meisten Lehrkräfte „der in rassistischen Verhältnissen dominanten Mehrheit zugeordnet werden können“ (Steinbach 2015, 40). Aufgrund dessen bleiben alltagsrassistische Strukturen und Praktiken häufig unerkannt. Dies führt dazu, dass homogenisierende und ausgrenzende Bedeutungskonstruktionen unreflektiertes, selbstverständliches und wirkmächtiges Element des Unterrichts sind (vgl. ebd.). Besonders das fehlende Erkennen rassistischer Umgangsweisen in der Schule ist oft folgenreich für Betroffene (vgl. Nguyen 2013, 20).
So belegen diverse Studien, darunter PISA und IGLU, den Zusammenhang von Schulerfolg und Migrationshintergrund (vgl. IDA-NRW 2020, Abs. 5). Demnach konnten diskriminierende Entscheidungspraktiken hinsichtlich rassistischer Zuschreibungen bei der Leistungsbewertung beobachtet werden. So wies eine empirische Studie (2017) nach, dass angehende Lehrkräfte bei völlig identischen Diktaten je nach Vornamen (Max oder Murat) unterschiedliche Noten ableiteten – zum Nachteil des Schülers mit dem Namen Murat. (vgl. Bonefeld 2018, Abs. 1-4) In der Folge erzielen SuS mit Migrationshintergrund aufgrund der auf Vorurteilen basierenden subjektiven Benotung von Lehrkräften schlechtere Noten, die wiederum die Basis für Übergangsempfehlungen darstellen (vgl. ADB 2018, 12). Als Ergebnis dieser Entscheidungspraktiken weisen Studien wie PISA nach, dass trotz gleicher schulischer Leistung die Wahrscheinlichkeit für eine Gymnasialempfehlung für Kinder mit Migrationshintergrund deutlich geringer ausfällt. Die Abhängigkeit zwischen Schulerfolg und sozialer Herkunft ist nirgendwo höher, als in Deutschland (vgl. OECD 2018, Abs. 1ff).
Im Schulunterricht sind rassistisch markierte SuS oft Formen des Othering ausgesetzt. Die Konstruktion der „Anderen“ manifestiert sich in weitgehen gängigen und als selbstverständlich erachteten Fragepraktiken im Kontext schulunterrichtlicher Normalität (vgl. Scharanthow 2016, Abs. 7ff). So werden rassistisch markierte SchülerInnen häufig mit der Frage „Wie ist das denn bei euch?“ konfrontiert (vgl. Rösch 2019, 35). Dies betrifft in den meisten Fällen die Auskunft nach Herkunftsländern der Kinder, ihrer Eltern oder Großeltern, sowie ihre Religion, insbesondere den Islam. Laut Scharanthow stellt diese Art der Fragepraktik, die nur an bestimmte Kinder im Kontext bestimmter Themen gerichtet ist, für betroffene SuS nicht nur eine explizite Unterscheidung zum Rest der Klasse dar, sondern auch eine vermeintliche Abweichung zur „deutschen Normalität“. Lehrkräfte sind demnach aktiv an der Produktion von Differenz und Rassismuserfahrungen beteiligt – selbst dann, wenn Fragen aus Perspektive von weißen Personen als unschuldige, harmlose und legitime Interessensbekundungen gemeint sind. (vgl. Scharanthow 2016, Abs. 6ff)
Eine Bremer Studie (2015) ergab, dass alle befragten SuS neben versteckten auch offenen Rassismus durch Gewalt, Abweisung, Ironie, Missachtung und Benachteiligung in der Schule erfahren (vgl. Rösch 2019, 61). Dazu zählt auch das abwertende Sprechen über betroffene SchülerInnen oder explizite Äußerungen in Form von Beleidigungen und Herabwürdigungen aufseiten von Lehrkräften und MitschülerInnen (vgl. Nguyen 2013, 21). Die Sprache des Unterrichts vermittelt demnach Vorstellungen von geltenden Werten, Vorurteilen und Ungleichheiten, die als Wirklichkeit wahrgenommen und reproduziert werden (vgl. ADB 2018, 12). Sprache als wesentliches unterrichtliches Kommunikationsmittel hat folglich erheblichen Einfluss auf Diskriminierungspraktiken und Rassismuserfahrungen innerhalb der Schule.
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