Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik von "Rockergruppen" als Objekt polizeilichen Handelns.
Immer häufiger berichten Medien über „Rocker“ und sogenannte „Outlaw Biker“. Doch mit der Assoziierung von Rockmusik oder Motorradfahrern, die ein freies Leben führen und ihre Zeit mit Motorradfahren verbringen, haben diese Bezeichnungen lange nichts mehr zu tun.
Im Rahmen der polizeilichen Arbeit müssen Polizeibeamte vermehrt gegen „Rocker“ vorgehen. Es stellt sich das Problem über mögliche Handlungen gegen diese Gruppierungen und deren Mitglieder. Unterstützer der Rocker-Clubs sowie die Mitglieder selbst sagen nicht bei staatlichen Organen über mögliche Geschehnisse aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob „Rocker“ als Zeugen oder Geschädigte vorgeladen werden. Unbeteiligte Zeugen sowie auch Polizeibeamte werden des Öfteren durch Drohungen beeinflusst, sodass Außenstehende ebenfalls zu weiteren Kooperationen häufig nicht bereit sind. Als Folge dieses Verhaltens scheitern viele Ermittlungen der Polizei gegen „Rocker“ bereits im frühen Stadium. Wie tiefgreifend das Dunkelfeld an Rockerkriminalität ist, bleibt dementsprechend nicht erforscht.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. „Rocker“
III. Grundlagen
IV. Aufgaben und Maßnahmen nach dem Polizeigesetz NRW
V. Polizeiliches Handeln
V.I. Generalklausel, § 8 PolG NRW
V.II. Identitätsfeststellung, § 12 PolG NRW
V.III. Erkennungsdienstliche Maßnahmen, § 14 PolG NRW
V.IV. Datenerhebung durch Observation, § 16a PolG NRW
V.V. Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel, § 17 PolG NRW
V.VI. Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen, § 18 PolG NRW
V.VII. Datenerhebung durch Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist, § 19 PolG NRW
V.VIII. Datenerhebung durch den Einsatz verdeckter Ermittler, § 20 PolG NRW
V.IX. Abfrage von Telekommunikations- und Telemediendaten, § 20a PolG NRW
V.X. Einsatz technischer Mittel bei Mobilfunkendgeräten, § 20b PolG NRW
VI. Strafbarkeit durch Tragen von Rockerkutten verbotener Vereine
VII. Fazit
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Immer häufiger berichten Medien über „Rocker“und sogenannte „Outlaw Biker“. Doch mit der Assoziierung von Rockmusik oder Motorradfahrern, die ein freies Leben führen und ihre Zeit mit Motorradfahren verbringen, haben diese Bezeichnungen lange nichts mehr zu tun.
Im Rahmen der polizeilichen Arbeit müssen Polizeibeamte vermehrt gegen „Rocker“vorgehen. Es stellt sich das Problem über mögliche Handlungen gegen diese Gruppierungen und deren Mitglieder. Unterstützer der Rocker-Clubs sowie die Mitglieder selbst sagen nicht bei staatlichen Organen über mögliche Geschehnisse aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob „Rocker“als Zeugen oder Geschädigte vorgeladen werden. Unbeteiligte Zeugen sowie auch Polizeibeamte werden des Öfteren durch Drohungen beeinflusst, so dass außenstehende ebenfalls zu weiteren Kooperationen häufig nicht bereit sind. Als Folge dieses Verhaltens scheitern viele Ermittlungen der Polizei gegen „Rocker“bereits im frühen Stadium. Wie tiefgreifend das Dunkelfeld an Rockerkriminalität ist, bleibt dementsprechend nicht erforscht.
Interessant ist, ob die Polizei „Rocker“mit Clubzugehörigkeit zu einer Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) im Rahmen von präventiven Maßnahmen möglicherweise anders behandeln darf als andere Personen. Des Weiteren sind mögliche Grenzen des polizeilichen Handelns von wichtiger Bedeutung, denn bestimmte Tatbestandsvoraussetzung bringen Maßnahmen zum Scheitern, soweit diese nicht erfüllt werden können.
II. „Rocker“
Zunächst ist fraglich, was die Begriffe „Rocker“und „Rockerkriminalität“bedeuten. Diese werden vom Bundeskriminalamt wie folgt definiert:
„Eine Rockergruppe ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen mit strengem hierarchischem Aufbau, enger persönlicher Bindung der Gruppenmitglieder untereinander, geringer Bereitschaft, mit der Polizei zu kooperieren und selbst geschaffenen strengen Regeln und Satzungen. Die Zusammengehörigkeit der Gruppenmitglieder wird durch das Tragen gleicher Kleidung oder Abzeichen nach außen dokumentiert.“1
„Rockerkriminalität umfasst alle Straftaten von einzelnen oder mehreren Mitgliedern einer Rockergruppe, die hinsichtlich der Motivation für das Verhalten im direkten Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe und der Solidarität zu sehen sind. Rockerkriminalität wird über die Motivation für die begangenen Straftaten, die in direktem Zusammenhang mit dem Motorradclub steht, definiert. Für die Zuordnung reicht die durch kriminalistische Erfahrung untermauerte Betrachtung des Tatgeschehens.“2
Die OMCG wurden in den USA Mitte des 20. Jahrhundert gegründet Die erste OMCG wurden aus einer ehemaligen Fliegerstaffel gebildet.3
Ermittlungsbehörden bezeichnen Rockergruppen als Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG). Dazu zählen auch deren Supportclubs.4
Die Strukturierungen der jeweiligen Clubs unterscheiden sich kaum voneinander und die OMCG sind alle hierarchisch aufgestellt. Es gibt clubinterne Regeln und Strafen. Dabei werden die jeweiligen Ortsvereine als „Chapter“bezeichnet und sind in den jeweiligen Regionen unabhängig von den anderen, jedoch stark an die Gesamtorganisation gebunden.5 Viele Rocker-Clubs wurden von Mitgliedern mit der Zeit als Tarnung genutzt, um sich leichter organisieren und somit auch verdeckt kriminell agieren zu können. In der Bundesrepublik Deutschland kommt es vermehrt zu Konkurrenzen zwischen den Outlaw Motorcycle Gangs. Diese führen zu erheblicher Gewalt zwischen den Mitgliedern. Zunehmend werden rivalisierenden Bandenkriege ausgetragen. Es geht für die Clubs und deren Mitgliedern dabei um Macht, Geld, Respekt, Ehre, Autorität und Einfluss. Um diesen Einflussfaktor halten zu können, werden Straftaten wie zum Beispiel Menschenhandel, Erpressung, Geldwäsche, Körperverletzungsdelikte, Drogendelikte, Waffenkriminalität und Mord begangen. Durch die Auseinandersetzungen mit der Polizei und durch gehäufte vollendete Straftaten aus den Rocker-Clubs heraus resultieren polizeiliche Maßnahmen wie zum Beispiel: Festnahmen, Durchsuchungen und Clubverbote.
III. Grundlagen
In der nachfolgenden Darstellung wird geprüft, in welcher Form polizeiliches Handeln gegen Rockergruppen (Outlaw Motorcycle Clubs) möglich und erforderlich ist. Es werden sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen bearbeitet.
Das Handeln der Polizei ist immer dem Rechtsstaatsprinzip untergeordnet und benötigt wie jedes staatliche Handeln eine Rechtsgrundlage. Das Grundgesetz legt den allgemeinen Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols dar. In Art. 20 GG ist festgelegt, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht und durch besondere Organe der Exekutive, Art. 20 Abs. II Satz 2 GG, ausgeübt wird. Die Polizei ist solch ein besonderes Organ der Exekutive und daher auch dazu berechtigt und verpflichtet, die Staatsgewalt auszuführen. Die Bundesländer sind nach dem Grundgesetzt zur konkreten Gestaltung der Ausführung der Staatsgewalt zuständig, da diesen die Ausführung der staatlichen Aufgaben und die zugehörige Erlaubnis dazu übertragen wurde.
Die Ausführung der staatlichen Gewalt durch die Polizei stellt in einigen Punkten einen Eingriff in die Grundrechte der Menschen dar. Ein Grundrechtseingriff, welcher sich durch polizeiliche Maßnahmen ergibt, ist aber nur auf Grund eines Gesetzes möglich, so dass die Bundesländer wie bereits erwähnt hierzu zuständig waren, dazu die gesetzliche Grundlage zu schaffen. Das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) hat dementsprechend für den Bereich der Polizei das Polizeigesetz (PolG) NRW und das Polizeiorganisationsgesetz (POG) NRW erlassen. Hier sind die Zuständigkeiten, örtlich und sachlich, die Aufgaben und die Mittel zur Durchführung dieser Aufgaben festgelegt.
IV. Aufgaben und Maßnahmen nach dem Polizeigesetz NRW
In § 1 Satz 1 PolG NRW wird als oberste Aufgabe die Abwehr der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung genannt. In Satz 2 wird diesbezüglich ausgeführt, dass in Rahmen der Gefahrenabwehr Straftaten zu verhüten und vorbeugend zu bekämpfen sind. Hierdurch wurde die Ermächtigungsgrundlage geschaffen, um präventiv tätig werden zu können. Jedoch wird diese Befugnis eingeschränkt durch § 1 Abs. 5 PolG NRW. Es dürfen nur rechtliche Maßnahmen aufgrund dieses Polizeigesetzes ergriffen werden, wenn die Rechte von Personen eingeschränkt werden und insbesondere Grundrechte betroffen sind. Die Einschränkungen sind in § 7 PolG NRW aufgeführt.
Für die im PolG NRW angegebenen Ermächtigungen, die angewendet werden dürfen, gilt ein Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es muss immer eine Maßnahme gewählt werden, die den Betroffenen zum Erreichen eines Zieles am wenigsten beeinträchtigt. Hierzu gilt das Übermaßverbot nach § 2 PolG NRW. Die Polizei wird somit dazu aufgefordert und verpflichtet eine Maßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen zu wählen, § 3 PolG NRW.
Die durchzuführenden Maßnahmen sind abhängig davon, ob eine konkrete Gefahr gegeben ist, ob also mit hinreichender Sicherheit mit einem Schadensereignis in naher Zukunft zu rechnen ist. In diesem Falle ist ein Handeln der Polizei absolut notwendig. Jedoch ist es anders, wenn lediglich nur eine abstrakte Gefahr durch eine Rockergruppe vorhanden ist. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in der Entscheidung vom 28.01.20156 festgestellt, dass Rockergruppen Organisationen sind, deren Mitglieder „... gehäuft Straftaten unter zum Teil erheblicher Gewaltanwendung ...“ begangen haben. Zudem gibt das BVerwG an, dass „... Streitigkeiten aller Art innerhalb der Rockerszene regelmäßig mit Gewalt ...“ ausgetragen werden.
Das Gericht kommt daher zu der Prognose, dass in der Zukunft Gewalttaten durch Mitglieder einer Rockergruppe zu erwarten sind. Aus dem Urteil des BVerwG folgt somit, dass auch ohne einen konkreten Anlass, eine Vermutung begründet sein kann, dass von Mitgliedern einer Rockergruppe Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Somit kann ein Handeln der Polizei zur Gefahrenabwehr nicht nur im Falle der abstrakten Gefahr, sondern auch bei der Anscheinsgefahr, angemessen sein.
V. Polizeiliches Handeln
V.I. Generalklausel, § 8 PolG NRW
In § 8 Abs.1 PolG NRW sind die allgemeinen Ermächtigungen der Polizei aufgeführt. Diese Generalklausel bestimmt, dass man alle nötigen Maßnahmen treffen muss, soweit im Einzelfall eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgewehrt werden soll. Es muss somit also eine konkrete Gefahr für die Gesamtheit der Regeln des Zusammenlebens einer Gemeinschaft und für die individuellen Rechtsgüter bestehen.7 Das Tätigwerden der Polizei setzt somit voraus, dass sofort gehandelt werden muss, weil mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schadenseintritt in naher Zukunft anzunehmen ist.8 Sollte ein Schadenseintritt jedoch nicht mit einer gewissen Sicherheit bevorstehen, ist ein Handeln der Polizei auf Grund von § 8 PolG NRW nicht möglich. Es könnten dann aber aufgeführte Maßnahmen, die in §§ 9 bis 46 PolG NRW aufgeführt sind, in Betracht kommen.
V.II. Identitätsfeststellung, § 12 PolG NRW
In Bezug auf Rockergruppen könnte eine mögliche Identitätsfeststellung nach § 12 Abs. 1 Nr.1 PolG NRW in Betracht kommen, soweit die hierfür nötigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Polizei hat hiernach die Möglichkeit, die Identität von Personen festzustellen, wenn die Maßnahme an sich zur Abwehr einer Gefahr dient. Anders als in § 8 Abs.1 PolG NRW kann in § 12 Abs.1 Nr.1 PolG NRW nicht nur die konkrete Gefahr, sondern auch die abstrakte Gefahr an sich ausreichen.9 Das BVerwG hat in seiner bereits oben genannten Entscheidung festgestellt, dass von Mitgliedern der Rockergruppen die Begehung von Straftaten erwartet werden kann und somit von ihnen eine abstrakte Gefahr ausgeht. In § 12 PolG NRW ist die abstrakte Gefahr schon von vornherein vorhanden. Diese ist dann gegeben, wenn ein unmittelbarer Schadenseintritt zwar nicht zu erwarten ist, jedoch ein bestimmtes Gefahrenpotential vorhanden ist.10 Diese Voraussetzung ist also erfüllt. Die Maßnahme der Identitätsfeststellung könnte einen Eingriff in das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung, nach Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 GG, darstellen. Hiernach sind personenbezogenen Daten geschützt und es ist jedem selbst überlassen, welche Daten er von sich preisgeben möchte. Ein Eingriff in dieses Grundrecht ist jedoch nur dann möglich, wenn dieses durch ein Gesetz erlaubt und zudem auch noch verhältnismäßig ist. Die gesetzliche Grundlage für den Eingriff ist der § 7 1. Alt PolG NRW. In diesem sind die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aufgeführt. Die Maßnahme muss des Weiteren verhältnismäßig sein. Also geeignet, erforderlich und angemessen, um das Ziel der Gefahrenabwehr erreichen zu können. Die Identitätsfeststellung ist unter anderem auch eine Präventivmaßnahme, durch die Straftaten in der Zukunft von Mitgliedern der Rockergruppen verhindert werden sollen. Denn eine Tat kann somit nicht mehr anonym begangen werden. Da es sich bei der Identitätsfeststellung um einen geringen Eingriff handelt und mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen, ist diese Maßnahme verhältnismäßig. Die Identitätsfeststellung gemäß § 12 PolG NRW ist also in Bezug auf Rockergruppen eine gesetzlich zulässige Maßnahme.
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1 vgl. URL: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/Rockerkriminalitaet/rockerkriminalitaet_node.html (aufgerufen 06.11.2017).
2 vgl. URL: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/Rockerkriminalitaet/rockerkriminalitaet_node.html (aufgerufen 06.11.2017).
3 vgl. URL: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/Rockerkriminalitaet/rockerkriminalitaet_node.html (aufgerufen 06.11.2017).
4 vgl. URL: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/Rockerkriminalitaet/rockerkriminalitaet_node.html (aufgerufen 06.11.2017).
5 vgl. URL: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/Rockerkriminalitaet/rockerkriminalitaet_node.html (aufgerufen 06.11.2017).
6 vgl. BVerwG Urteil vom 28.01.2015, AZ: 6 C 1.14. URL: https://www.bverwg.de/280115U6C1.14.0 (aufgerufen 06.11.2017).
7 vgl. Lambert Josef Tetsch / Marcello Baldrelli, PolG § 8, S. 227.
8 vgl. Lambert Josef Tetsch / Marcello Baldrelli, PolG § 8, S. 231.
9 vgl. Lambert Josef Tetsch / Marcello Baldrelli, PolG § 8, S. 229.
10 vgl. Lambert Josef Tetsch / Marcello Baldrelli, PolG § 8, S. 244.