In dieser Ausarbeitung wird der Fokus auf eine Annäherung einer "guten Mutter" gesetzt. Welche Anforderungen begegnen ihr? Mit welchen Herausforderungen gilt es umzugehen und inwiefern spielt das Beziehungsnetzwerk zu anderen, insbesondere zum Vater, eine Rolle?
Zudem soll der Begriff "gute Mutter" an sich kritisch reflektiert werden. Ohne Zweifel handelt es sich hier um eine stark subjektiv orientierte Formulierung, jedoch soll anhand der vorgelegten Analyse untersucht werden, ob es allgemeingültige Eigenschaften oder Kriterien an eine "gute Mutter" in einer westlich orientierten Gesellschaft des
21.Jahrhunderts gibt.
Gliederung
1 Einleitung
2 Verschriftlichung des Referats „Die gute Mutter“
2.1 Definition einer guten Mutter
2.2 Die Mutterrolle im Wandel - die Abnahme der Mutterrolle
2.3 Mutter sein und Beruf ausüben - Rechtlicher Rahmen
2.4 Elterliche Beziehungen
2.4.1 Vater
2.4.2 Stiefmutter
2.5 Zusammenfassung
3 Schlussdiskussion
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die „gute Mutter“1. Unter dieser Begrifflichkeit kann sich vermutlich jede/r etwas vorstellen und eine eigene Definition aufstellen. Wie sieht es allerdings aus, wenn man unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Literatur die gute Mutter ausmachen möchte?
Dieser Frage haben sich Svea Löschmann und Laura Kathy Zorrmann im Zuge des Seminars „Neue Väter - Neue Mütter - Andere Familien?“ für ihr Referat zum 30.11.2020 gewidmet. Eine Beschäftigung mit dieser Thematik scheint besonders dahingehend interessant, ob eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der guten Mutter andere Bezüge und Definitionen aufstellt, als es die eigene subjektive Vorstellung macht. Wird eine Mutter positiv beurteilt, wenn sie sich der klassischen Familienrolle fügt oder hat das Mutterbild im Laufe der Zeit einen Wandel erfahren? Und wie wird heutzutage die Vereinbarung von Mutterschaft und Beruf bewertet? Außerdem soll untersucht werden, ob elterliche Beziehungen oder Rollenbilder starken Einfluss auf das Bild einer guten Mutter einnehmen.
Den Anfang bildet ein Einstieg über eine Definition einer guten Mutter (Kap. 2.1), woraufhin dann im zweiten Unterkapitel mit Blick auf die Mutterrolle im Wandel auf „die Abnahme der Mutterrolle“ (Kap. 2.2) näher eingegangen wird. Im dritten Teil des Referats zur guten Mutter wird die Verbindung aus „Mutter sein und Beruf ausüben“ (Kap. 2.3) untersucht, wobei in dieser Ausarbeitung der Fokus auf dem rechtlichen Rahmen liegt. Daran anschließend folgt ein Blick auf „Elterliche Beziehungen“ (Kap. 2.4), auch hier wieder mit einem Schwerpunkt: der Vaterrolle (Kap. 2.4.1) sowie der Rolle der Stiefmutter (Kap. 2.4.2). Die gesammelten Erkenntnisse werden im letzten Abschnitt des Hauptteils, der Zusammenfassung (Kap. 2.5), aufgegriffen und in einer Art Fazit dargestellt. Nach der schriftlichen Ausarbeitung des Referats endet die Arbeit mit einer Schlussdiskussion (Kap. 3), in welcher die gewonnen Erkenntnisse noch einmal reflektiert werden. Dabei wird Stellung zu dem Seminargespräch im Plenum genommen sowie ein abschließendes Meinungsbild entworfen.
2 Verschriftlichung des Referats „Die gute Mutter“
Wie bereits erläutert, stellt die Grundlage dieser Arbeit das Referat „Die gute Mutter“ dar, welches zum 30.11.2020 entworfen wurde. Aufgrund der thematischen Aufteilung und Schwerpunktsetzung der beiden Referentinnen behandelt dieses Kapitel nicht alle inhaltlichen Themen, die in dem Referat aufgezeigt werden, sondern setzt den Schwerpunkt auf die Kapitel, die in Eigenarbeit geleistet worden sind.
2.1 Definition einer guten Mutter
Als Grundlage für die weiteren Auseinandersetzungen soll zunächst der Begriff der Mütterlichkeit sowie der guten Mutter anhand von wissenschaftlicher Literatur definiert werden. Burghard Behncke definiert Mütterlichkeit als „die Fähigkeit und Bereitschaft einer Mutter, ihr Kind zu nähren, für es zu sorgen, es zu beschützen und in seiner Entwicklung zu fördern“ (Behncke 2018: 104).
Das Werk „Normative Orientierungen in Berufs- und Lebensentwürfen junger Frauen“ von Christiane Micus-Loos et al. behandelt im gesamten sechsten Kapitel das Thema Mutterschaft, wobei die Ergebnisse diverser Gruppendiskussionen mit jungen Heranwachsenden ausgewertet werden. Hier wird die gute Mutterschaft charakterisiert mit „der unhinterfragten Vorstellung von der (Allein ^Verantwortung für die eigenen Kinder [.] [sowie] die selbstständige finanzielle Absicherung zum Kriterium und zugleich zur normativen Absicherung“ (Micus-Loos et al. 2016: 138). Auch eine liebevolle Zuwendung sowie das Eingehen auf die Bedürfnisse des Kindes und die Erziehung von Werten werden in den Gruppendiskussionen als relevante Eigenschaften einer guten Mutter angesehen (vgl. ebd.). Bei der genannten Studie handelt es sich um Gruppendiskussionen, die anhand einer dokumentarischen Methode, der Auswertung von streng anonymisierten Audio- und Videoaufzeichnungen, analysiert wurden. Dabei wurden insgesamt 23 Gruppendiskussionen mit Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 16 sowie zwischen 17 und 19 Jahren an Schulen mit gymnasialer Oberstufe in geschlechtshomogenen und geschlechtsheterogenen Gruppen in unterschiedlichen Regionen Deutschlands durchgeführt. Die Diskussionen waren frei gestaltet, indem lediglich Impulse wie „die Ausübung eines Berufes“ eingeworfen wurden, auf welche junge Frauen, die bspw. in einer Phase zwischen Schule und Beruf stehen, ihre Meinung äußern und in einer Diskussion gegenüberstellen durften. Die Ergebnisse dieser Studie werden erneut in einem der folgenden Kapitel relevant, wenn die Kombination aus Mutter sein und Beruf ausüben (Kap. 3) näher betrachtet wird.
In einem ganz anderen Kontext lassen sich ebenfalls Antworten auf die Frage einer guten Mutter vorfinden: 2016 hat Eva Tolasch eine diskursanalytische Untersuchung über „die protokollierte gute Mutter in Kindtötungsakten“ veröffentlicht, bei welcher Subjektpositionen der guten Mutter in den Blick genommen werden. Hier werden teils ähnliche, teils aber auch neue Aspekte aufgegriffen, wie z.B., dass sich eine gute Mutter ihr Kind wünscht (vgl. ebd.: 212), sich um das emotionale (vgl. ebd.: 215) und „körperliche Wohl des Kindes, anderer und sich selbst“ (213) sorgt und „körperlich verfügbar“ (218) ist. Gerade beim letzten Aspekt der Deutungsmuster aus dem Aktenwissen zeigt sich, wie zentral hier eine körperliche Präsenz der Mutter angesehen wird, wenn es z.B. um Mutter-KindHandlungen wie das Stillen, aber auch um das geteilte Sorgerecht mit dem Vater geht. Dabei besteht in der gesamten Dissertation, wie der Titel evtl. schon erahnen lässt, ein Bezug zu Sorgen und Krisensituationen, was den Blick auf Definitionsansätze einer guten Mutter noch einmal ausweitet.
Insgesamt zeigt sich hier eine große Spannbreite, die den Begriff der guten Mutter umfasst. Zwar präsentiert die aufgegriffene Literatur einerseits einen sehr positiven Blick auf Mutterschaft, einem intimen und engen Verhältnis zum eigenen Kind, aber es wird auch ein gewisser Leistungsdruck vorausgesetzt, wenn es z.B. um die Verantwortung und Kompetenz geht, das eigene Kind ausreichend zu versorgen. Einen zusätzlichen Punkt behandelt Orna Donath, Autorin der Studie Regretting Motherhood, die auf das gesellschaftliche Verständnis der guten Mutter näher eingeht:
Dem herrschenden Modell aus Forderungen und Erwartungen an Mütter folgend, hat [.] der Körper einer Mutter denselben heteronormativen Standards zu entsprechen, die der Schönheits- und Sexualitätsmythos Frauen insgesamt auferlegt, und zwar während der Schwangerschaft, unmittelbar nach der Geburt und noch Jahre danach (Donath 2016: 59).
Deutlich wird hier auch eine kritische Perspektive auf das Muttersein, wenn es um die körperlichen/ ästhetischen Ansprüche an Mütter geht. Welche Beziehungen und Handlungen, wie das Aufnehmen einer Arbeit, noch von Bedeutung sind, zeigen die folgenden Kapitel.
2.2 Die Mutterrolle im Wandel - die Abnahme der Mutterrolle
Nachdem ein wissenschaftliches Verständnis von einer guten Mutter behandelt wurde, geht es nun um die Mutterrolle im Wandel, und dabei vor allem um die Abnahme der Mutterrolle. Erstes Indiz für diese Annahme bieten die sinkenden Geburtsraten der letzten Jahrzehnte in Deutschland. Das zeigt bspw. ein Vergleich zwischen 1996 und 2015 von Familien, Paaren ohne Kindern und Alleinstehenden in Deutschland: während die Anzahl von kinderlosen Paaren mit 28% konstant geblieben ist, zeigt sich bei Familien eine Abnahme von 35 auf 28% und demgegenüber eine Zunahme der Alleinstehenden von 38 auf 44% (vgl. Behncke 2018: 30). Zudem ist zeitgleich neben der Rolle als Mutter auch eine Berufstätigkeit immer häufiger vorzufinden. Die Mutterrolle wird somit nicht als isolierte Hauptaufgabe betrachtet, sondern meist von einem Arbeitsverhältnis begleitet. Nichtsdestotrotz wird in Deutschland der größte Teil unbezahlter Hausarbeit, Kinderbetreuung sowie Angehörigenpflege nach wie vor von Frauen geleistet und dies, obwohl die Zahl der berufstätigen Mütter nach wie vor einen Anstieg erlebt (vgl. ebd.: 143-148).
Ebenfalls zeigt sich eine Abnahme der Mutterrolle, wenn man die Anzahl der Kinder2 von Familien 1996 und 2015 vergleicht. Hier lässt sich unmittelbar feststellen, dass der Trend erkennbar bei einem Kind pro Familie liegt und die Anzahl weiterer Kinder rapide absinkt. Eine solche Verteilung ließ sich auch schon 1996 diagnostizieren, nur ist bis 2015 eine noch stärkere Entwicklung zur EinKind-Familie vollzogen worden (vgl. ebd. 30). Leider können an dieser Stelle keine noch aktuelleren Daten herangezogen werden, jedoch lässt sich erahnen, dass dieser Trend weiter vorangeschritten ist.
2.3 Mutter sein und Beruf ausüben - Rechtlicher Rahmen
Dass ein gleichzeitiger Vollzug vom Mutter sein und Beruf ausüben vermehrt vorzufinden ist, wurde in den vergangenen Kapiteln bereits festgehalten. Bei Betrachtung der Müttererwerbstätigkeit zeigt sich, dass sie generell einen kontinuierlichen Anstieg erlebt und zudem der Wiedereinstieg in den Beruf nach dem Mutterschaftsurlaub diachron immer früher vorgenommen wird. Um finanzielle Beweggründe für diese Entwicklung zu eliminieren, wurde 2006 das Elterngeld eingeführt, welches das Erziehungsgeld3 ablöste (vgl. BMFSJ 2014b). Das Elterngeld ermöglicht allen Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern eine 65- bis 100prozentige Auszahlung des Bruttolohns, damit der Wiedereinstieg in den Beruf erleichtert wird und zudem beide Elternteile die Möglichkeit erhalten, eine bewusste Pausierung des Arbeitsverhältnisses einzulegen und die Eingewöhnung mit dem Kind mitzuerleben. Seit 2015 steht Eltern zudem die Wahl zwischen dem Elterngeld und dem Elterngeld Plus zur Verfügung. Dabei entspricht ein Monat der Elterngeld-Zahlung in etwa zwei Monaten des Elterngeld PlusBeitrags. Der Unterschied liegt hier bei der Dauer der Auszahlung: Das Basiselterngeld hat eine Laufdauer von 12-14 Monaten, wohingegen vom Elterngeld Plus doppelt so lange Gebrauch gemacht werden kann. Diese Programme sollen die Möglichkeit der Arbeit in Teilzeit fördern und so die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Passend dazu erscheint das Zitat der ehemaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, in welchem es heißt:
Die Mütter mit jungen Kindern heute sind die Trendsetterinnen: Sie erobern sich den Arbeitsmarkt zurück. Das ist gut für ihren beruflichen Erfolg, für die Chancen auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit und für das Einkommen der ganzen Familie. Mit dem Elterngeld Plus werde ich junge Eltern darin unterstützen, ihre Vorstellungen von einer guten Vereinbarkeit umzusetzen. (BMFSJ 2014b).
Das Elterngeld und Elterngeld Plus kann demnach als wichtiger Schritt in Richtung einer emanzipatorischeren Gesellschaft betrachtet werden.
[...]
1 Da der Begriff „gute Mutter“ stets eine subjektive Bezugnahme darstellt, wird er im Rahmen dieser Arbeit zum Ausdruck einer nicht wertenden Nutzung kursiv formuliert.
2 Einbezogen werden hier nur Kinder unter 18 Jahren.
3 Eine Auszahlung des Erziehungsgeldes geschah von 1986 bis 2006.