"Gesundheit" wird häufig als das Fehlen von Krankheit definiert. Der Begriff Gesundheit bezieht sich mehrdimensional auf die körperlichen, psychischen und sozialen Aspekte des Menschen. Diese Aspekte sind eng miteinander verwoben zu einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis. Gesund sein und bleiben ist ein Gleichgewichtssystem, das in jeder veränderten Lebenssituation immer wieder neu justiert und erreicht werden muss. Eigene individuelle subjektive Einschätzungen sind dabei genauso wichtig wie objektive Beurteilungen. Erwerbstätigkeit kann dabei zu vielen gesundheitsfördernden Erlebnissen führen, durch die Stärkung des Selbstwertgefühls, das Einkommen oder dem sozialen Status. Mit betrieblicher Gesundheitsförderung lassen sich diese Potenziale weiter heben sowie Ressourcen der Beschäftigten erhalten und stärken. Ressourcen, wie die einer stabilen Gesundheit, um z.B. die Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten.
Inhalt
1. Einleitung
2. Meilensteine
2.1 DasArbeitssicherheitsgesetz
2.2 Die Ottawa-Charta
2.3 Das Arbeitsschutzgesetz
2.4 Die Luxemburger Deklaration
2.5 Das Präventivgesetz
3. Begriffsbestimmung von BGM und BGF
4. Systematischer Ablauf
4.1 Die Bedarfsbestimmung
4.2 Die Analyse
4.3 Die Interventionsplanung
4.4 Die Umsetzung
4.5 Die Evaluation
4.6 Die Nachhaltigkeit
5. Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung
5.1 VolkswirtschaftlicherNutzen
5.2 Betriebswirtschaftlicher Nutzen
6. Interventionen
6.1 Verbesserung derArbeits- und Aufgabengestaltung
6.2 Soziale Interventionen
6.3 Stressmanagement
6.4 Weitere Interventionsformen
7. Fazit
Anhang
A. Literaturangaben
B. Abbildungsangaben
DerWert einer Idee liegt in ihrer Umsetzung
Thomas Alva Edison (1847-1931)
Betriebliche Gesundheitsförderung
1. Einleitung
„Gesundheit“ wird häufig, als das Fehlen von Krankheit definiert. Der Begriff Gesundheit bezieht sich mehrdimensional auf die körperlichen, psychischen und sozialen Aspekte des Menschen. Diese Aspekte sind eng miteinander verwoben zu einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis. Gesund sein und bleiben ist ein Gleichgewichtssystem, das in jeder veränderten Lebenssituation immer wieder neu justiert und erreicht werden muss. Eigene individuelle subjektive Einschätzungen sind dabei genauso wichtig wie objektive Beurteilungen. Erwerbstätigkeit kann dabei zu vielen gesundheitsfördernden Erlebnissen führen, durch die Stärkung des Selbstwertgefühls, das Einkommen oder dem sozialen Status. Mit betrieblicher Gesundheitsförderung lassen sich diese Potenziale weiter heben sowie Ressourcen der Beschäftigten erhalten und stärken. Ressourcen, wie die einer stabilen Gesundheit, um z. B. die Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten.
2. Meilensteine
Ein geschichtlicher Überblick. Vom Arbeitssicherheitsgesetz zur Luxemburger Deklaration bis zum Präventionsgesetz der Bundesregierung:
2.1 Das Arbeitssicherheitsgesetz
1973 wurde das Gesetz zurArbeitssicherheit (ASiG) beschlossen. Es ist ein Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Es bestimmt Regelungen für Betriebsärzte und die der Fachkräfte für Arbeitssicherheit, sichert die betriebliche Arbeitsschutzorganisation und enthält viele Unfallverhütungsvorschriften.
§1 ASiG sagt „Der Arbeitgeber hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen. Diese sollen ihm beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen.“Im § 3 ASiG sind ihre Aufgaben genauer beschrieben. Sie beraten den Arbeitgeber, sollen die Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen durchführen. Im §3 Satz 3c ASiG steht weiterhin, „Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen sind zu untersuchen, die Untersuchungsergebnisse zu erfassen, auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zurVerhütung dieserErkrankungen vorzuschlagen“
Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit unterstützen außerdem noch nach § 6 ASiG den Arbeitgeber in allen Fragen der Arbeitssicherheit: “Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich dermenschengerechten Gestaltung derArbeitzu unterstützen.“
Der Schwerpunkt liegt auf der Organisation von Arbeitsschutz und Unfallverhütung am Arbeitsplatz und somit auf den Maßnahmen zur Prävention.
2.2 Die Ottawa-Charta der „World Health Organisation (WHO)“
Die Weltgesundheitsorganisation organisierte in den 80er-Jahren eine internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung. In der beschlossenen Ottawa-Charta der WHO von 1986 wurde Gesundheitsförderung zum ersten Mal beschrieben und wichtige Merkmale für eine weitere Entwicklung und Verbreitung angeregt. Die Konferenz tagt weiterhin alle zwei bis drei Jahre.
In der „Ottawa-Charta“ (1989, S.1) steht:
„Gesundheitsförderung: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“
Hier wird betont, dass jeder Mensch befähigt werden soll selbst aktiv zu werden. Nach dem Verständnis der WHO ist dies ein lebenslanges Lernen. Gesundheitsrisiken und Potenziale sollen selbst erkannt und reguliert werden können. In den unterschiedlichen Lebensphasen soll es allen Menschen möglich sein, Erkrankungen oder chronische Behinderungen zu umgehen.
Weiter ist beschrieben ,,[...] die Verantwortung für Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur bei dem Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen und zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden” (Ottawa-Charta, 1989, S.1.) Hier wird die Ganzheitlichkeit der erforderlichen Maßnahmen betont. Sie ruft zur Verantwortung von Institutionen und Politik auf, an der Gestaltung von gesünderen Lebens- und Arbeitsbedingungen mitzuwirken.
2.3 Das Arbeitsschutzgesetz
Im Jahr 1996 wurde das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) beschlossen.
Es ist ein Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes, zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei derArbeit. Unternehmen werden damit verpflichtet, Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten zu treffen.
Es regelt die Grundpflichten des Arbeitgebers im §3 Absatz 1 ArbSchG:
„DerArbeitgeberist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen desArbeitsschutzes unter Berücksichtigung derUmstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit derBeschäftigten bei derArbeitbeeinflussen. Erhatdie Maßnahmen aufihre Wirksamkeitzu überprüfen und erforderlichenfalls an sich ändernde Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat ereine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz derBeschäftigten anzustreben.“
Auf eine Überarbeitung von Sicherheit und Gesundheitsschutz ist hinzuzielen, allerdings bietet das Arbeitsschutzgesetz noch keine Grundlage für Maßnahmen bei Gefährdungen durch psychische und stressbedingte Fehlbelastungen.
2.4 Die Luxemburger Deklaration
Die europäische Union verfasste 1997 die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Sie entstand durch eine Initiative zum Aufbau eines europäischen Netzwerkes für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF). Große Firmen und Betriebe aus allen 27 Mitgliedsstaaten des europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz sind Mitglieder des Netzwerkes. Ziel ist ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch, um vorbildliche Praxisbeispiele zu erkennen und auszustrahlen. BGF wird als Teil einer modernen Unternehmensstrategie verstanden und soll als Führungsleitlinie, als Grundsatz verstanden werden, die Mitarbeiter als Humankapital und nicht als Kostenfaktor sieht.
In der Luxemburger Deklaration sind dazu folgende Herangehensweisen verknüpft, von dem auch der Erfolg einer BGF maßgeblich abhängt:
(vgl. Luxemburger Deklaration, 2007, S.4)
- Das Prinzip der Partizipation: Die Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung unter Einbezug dergesamten Belegschaft.
- Die Integration der BGF in alle Unternehmensbereiche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
- Mit durchdachtem Projektmanagement wird die BGF in Unternehmen installiert. Eine Durchführung erfolgt systematisch.
- Sie verfolgt das Prinzip der Ganzheitlichkeit und verbindet die Risikoreduktion mit dem Ausbau und der Stärkung persönlicher Kompetenzen als Empowerment.
Die Gesundheit soll durch Veränderungen von Arbeitsbedingungen, im weiten Sinn, verbessert werden, unter Beteiligung der Beschäftigten. Die Luxemburger Deklaration geht von Prävention und Arbeitssicherheit weiter zu Gesundheitsförderung hin zu psychischem Wohlbefinden.
2.5 Das Präventionsgesetz der Bundesregierung
2015 hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Prävention erlassen. Im §20 SGB V ist eine Sollvorschrift zur Primärprävention für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beschrieben. Es soll weithin der Gesundheitsförderung dienen.
„Gesundheitsförderung und Prävention sollen dort erfolgen, wo Menschen Zusammenkommen - in Kitas, Schulen, am Arbeitsplatz, im Stadtteil oder im Pflegeheim. Dort kann man auch diejenigen erreichen, die bislang kaum gesundheitsfördernde Angebote in Anspruch genommen haben. Nur so können die Angebote besser auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden“ (Bundesregierung.de, 2015).
Außerdem sollen [...] „betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz besseraufeinander abgestimmt werden. Dies ist vor allem für Menschen wichtig, die im Beruf oder in der Familie besonders belastet sind, wie beispielsweise Schichtarbeiter oder pflegende Angehörige. Sie können Präventionsangebote künftig leichter in Anspruch nehmen (Bundesregierung.de, 2015).
Deshalb werden nationale Konferenzen einberufen, mit dem Ziel ein gemeinsames Vorgehen bei Prävention und Gesundheitsförderung zu erreichen. Teilnehmer sind SozialVersicherungsträger, Bund, Länder und Sozialpartner. Einen rechtlichen Anspruch zur Durchführung von BGF in Unternehmen gibt es jedoch nicht. Die Umsetzung in den Betrieben ist freiwillig.
3. Begriffsbestimmung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Betriebliche Gesundheitsförderung hat nun das Ziel, Krankheiten am Arbeitsplatz vorzubeugen, die Gesundheit zu stärken und das Wohlbefinden der Mitarbeiter/innen zu verbessern.
4. Systematischer Ablauf einer BGF/BGM
Eine betriebliche Gesundheitsförderung läuft, genauso wie betriebliches Gesundheitsmanagement, idealtypischer Weise in einer Reihenfolge von sechs Schritten ab: Die Bedarfsbestimmung, die Analyse, die Interventionsplanung, die Umsetzung, die Evaluation und die Nachhaltigkeit, wie es in der Grafik dargestellt ist:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Abb. 1 BGM in 6 Schritten (Rehbein , H, 2021)
4.1 Die Bedarfsbestimmung
Dieser erste Schritt dient derVorbereitung und der Bedarfsklärung.
In der Vorbereitungsphase ist zu ergründen, ob grundsätzlich die Bereitschaft für die Organisation einer BGF vorhanden ist. Dabei sind verschiedene Fragen zu klären, z.B. wodurch sich die Motivation für das Unternehmen ergibt. Auch die Klärung von Erwartungen der Geschäftsleitung und die der Mitarbeiter gehören zur Vorbereitungsphase. Ist die Motivation eher in den oberen oder unteren Hierarchien vorhanden? Gibt es evtl, bestehende Strukturen, an die man anknüpfen könnte? Gibt es schon Vorstellungen darüber, was der Betrieb braucht oder gibt es konkrete Auslöser?
Fällt die Entscheidung für eine BGF positiv aus, wird ein Projektteam z.B. als Arbeitskreis Gesundheit oder als Steuerungsgruppe gebildet. Diese hat die Aufgabe der Bedarfsbestimmung, im ersten Festlegen von Zielen und einer Zusammenstellung der Ressourcen sowie der Zuständigkeiten. Die Zustimmung der Unternehmensspitze ist dabei eine unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung. Auch muss abgeklärt werden, ob es eine Projektleitung braucht, oder einen Beauftragten als Bindeglied zwischen der Führung und einzelnen Projektteams. Wichtig ist zu überlegen, inwieweit externe Unterstützung benötigt wird.
Im Anschluss werden Richtziele und Feinziele formuliert. Das Richtziel eines Unternehmens könnte beispielsweise die Senkung von Krankheitszeiten sein. Danach wird operationalisiert und das Ziel noch eindeutiger, noch genauer formuliert z.B. in der Abteilung x soll der Krankenstand auf unter 5 % reduziert werden. Aus der Konkretisierung erschließen sich Ideen für die Auswahl der Strategien und der Handlungsfelder. Dabei sollten folgende Kenndaten bedacht werden:
Die Zielgruppe - Fürwen ist die Maßnahme gedacht?
Die Anzahl - Wie viele der Beschäftigten werden eingebunden?
DerZeitraum - Wann ist der Beginn, wie oft und wie lange soll die Maßnahme dauern bzw. stattfinden?
Die Art - Soll es ein ganzheitliches Projekt werden, ein Pilotprojekt oder ist eine einmalige Sache?
Danach sind die betrieblichen Ressourcen zu prüfen. Fragen zu einem Budget, zu den Kosten und zu Teilprojekten müssen untersucht werden. Genauso wie die Frage, wieviel Arbeitszeit in gesundheitsförderliche Tätigkeiten eingesetzt werden kann.
An dieser Stelle ist es besonders wichtig, die Belegschaft über das Projekt einer BGF zu informieren und aufzuklären.
4.2 Die Analysephase
In folgender Grafik sind die einzelnen Methoden der Unterstufen dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Abb.2 Die Methoden derAnalysephase, Prof. Dr. Wolstein, 2020)
Die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen werden geprüft und danach die Analysemethoden ausgewählt und durchgeführt. Mögliche Gefahren sowie Risiken sollen überlegt und bedacht werden. Die Gesamtsituation auf der bedingungs- und personenbezogenen Ebene wird systematisch untersucht. Dies erfolgt in drei aufeinanderfolgenden Phasen, in derOri- entierungs- phase, dem Screening und derVertiefungsphase.
[...]