HUNGERWEG
Diese Geschichte spielt zwischen 1850 und 1860.
Sebastian, Burgl und Schorsch sind Kinder aus Tirol. Sie müssen mit anderen Kindern im Alter ab ca. 6 Jahren den langen Weg nach Ravensburg zu Fuß zurücklegen. Dort werden sie auf dem Kindermarkt angeboten - als Arbeitskraft während dem Sommer. Das Geld, das sie dabei verdienen, bringen sie ihren Familien, die es dringend nötig haben.
Sebastian, Burgl und Schorsch stehen mit anderen Kindern unter dem Dachvorsprung des Pfarrhauses und warten auf den Kooperator Schwingshackl. Der soll sie auf dem Weg nach Ravensburg zum Kindermarkt begleiten. Endlich kommt er zu der kleinen Gruppe, begrüßt die Kinder und zählt sie. 35 Kinder sind es. 35 blasse, magere Gestalten mit großen brennenden Augen. Hunger und Elend sind ihnen ins Gesicht geschrieben. Da sind Mädchen, die nur ein Kleid anhaben und ein Stricktuch über dem Kopf, Buben ohne Mützen, einer sogar mit nackten Knien. Die meisten haben keine Fäustlinge und bereits blaugefrorene Finger.
Schwingshackl befiehlt den Abmarsch. Burgl soll als Letzte gehen und aufpassen, daß keiner verlorengeht.
Schorsch jammert dauernd, weil er Hunger hat, doch er ist keine Ausnahme. Die Schuhe von Sebastian sind schon bald völlig durchnäßt und fallen fast auseinander. Nach stundenlangem, ermüdendem Marsch durch den Schnee finden sie endlich einen Wirt, der so freundlich ist und den Kindern Heu in seiner Gaststube aufschüttet, damit sie einigermaßen weich und warm schlafen können. Von der freundlichen Frau des Wirts bekommen sie eine warme Suppe, dann legen sie sich ins Heu und schlafen ein. Am nächsten Morgen brechen sie früh wieder auf und danken dem Wirt.
Inzwischen sind noch viele andere Kinder zu der kleinen Gruppe gekommen, insgesamt sind es jetzt 57 und die Burgl geht noch immer am Schluß und achtet darauf, daß keiner zurückbleibt.
Am Abend haben sie nicht so viel Glück wie am Vortag. Die besseren Quartiere sind schon von anderen Kindern belegt, die das gleiche Ziel haben. Für sie bleibt nur noch eine zügige Feldscheune und von einer heißen Suppe ist keine Rede. Da geht Schwingshackl mir einigen Buben hinaus und bettelt an den Häusern um Essen. Das wird dann aufgeteilt und nach dieser Mahlzeit schlafen alle wie die Murmeltiere.
Am nächsten Morgen weht warmer Wind aus dem Süden und der Schnee schmilzt zu matschigen Pfützen. Heute müssen sie zum Arlbergpaß hinauf. Der Weg ist steil und beschwerlich und bald können sie kaum noch weiter. Der Schneematsch dringt durch die Schuhe, die sich damit vollsaugen wie ein Schwamm. Endlich legen sie eine Pause ein.
Nur mühsam können sich die Kinder weiterschleppen. Ihre Kleider sind naß und teilweise steif gefroren. Da entdeckt ein Mädchen ein kleines Licht hoch oben am Berg. Es ist ein Fenster! Mit neuem Mut stapfen sie das letzte Stück hinauf, dann stehen sie vor dem Haus. Es ist das Haus des Kaplans von St. Christoph und er empfängt sie freundlich und für jeden gibt es eine Linsensuppe, die sie im Halbdunklen essen. Der Kaplan erklärt Schwingshackl auch warum: In der Suppe schwimmen nämlich zwischen den Linsen kleine Käfer herum. Dann schlafen sie sofort ein.
LESEPROBE 1: S.58-S.60
Der Kaplan und Schwingshackl schleppen den phantasierenden Sebastian in die Küche und setzen ihn auf einen Stuhl. Zuerst muá er ein halbvolles Glas Enzianschnaps trinken. Er springt auf und ringt nach Luft. Doch er beruhigt sich wieder und schluckt eine widerlich schmeckende Mischung aus Olivenöl und Bienenhonig hinunter, die Burgl auf Geheiß der Tante des Kaplans bereitet hat. Es schüttelt ihn zwar zuerst gewaltig durch, doch dann läßt er sich vom Sessel auf den Boden sinken und bleibt dort regungslos, aber ein bißchen blöd lächelnd liegen. Kein Wunder nach dem vielen Schnaps ist er betrunken. Nach einer heißen Suppe setzen sie ihren Weg fort. Bald sind sie an der Grenze. Alle bekommen einen Reisepaß und dann geht es wieder los. Sebastian geht ein bißchen benommen zwischen Burgl und Schorsch, die ihn stützen.
Nach ein paar Stunden sind sie in Ravensburg am Kindermarkt angelangt. Alle Kinder müssen sich in einer Reihe aufstellen. Da kommt auch schon der erste interessierte Bauer. Er braucht einen Buben zum Kühe hüten, doch als er Schorsch fragt, ob er noch zu kaufen sei schüttelt der schnell den Kopf, denn Kühe hüten will er nicht. Er betet schon den ganzen Weg la ng darum, daß er zu einem Bauern kommt, der schöne Pferde hat, denn die sind sein Traum.
LESEPROBE: S.96-S.97
Doch als er seinen Käufer fragt, ob er ein Kindermädchen braucht, schüttelt der wehmütig den Kopf. Nach und nach werden alle Kinder gekauft, nur den blassen Sebastian will niemand haben. Schwingshackel hat ihn schon so oft angepriesen, doch niemand interessiert sich für den kranken Kerl. Doch da kommt ein Mann ...
LESEPROBE: S.108-S110
Nachdem Herr Scheuble Sebastian gekauft hat, bekommt Sebastian eine Suppe und dann darf auf einem Leiterwagen mit Pferd, den Herr Scheuble bestellt hat, nach Hause fahren.
Auch Schorsch geht es sehr gut. Die Frau Tant, wie er die Frau des Riesen nennen darf, stopft ihn mit Essen voll, so da er schon fürchtet bald zu platzen und vom dem Onkel hat er sogar ein neues Gewand und neue Schuhe bekommen. Mit denen geht er auch jeden Sonntag in die Kirche.
Burgl hat es nicht so gut erwischt. Der Bauer, bei dem sie ist, ist Witwer und bei ihm wohnen seine Schwägerin Anna und seine 4 Kinder. Die Kinder sind sehr nett zu Burl, doch unter der Anna haben alle zu leiden. Oft fallen ihr mache Arbeiten, die Burgl ihrer Meinung nach tun soll, erst ein, wenn die anderen schon beim Tisch sitzen, und wenn Burgl dann verspätet kommt, ist nichts mehr für sie da. Doch die Kinder machen das und heben heimlich den einen oder anderen guten Brocken für sie auf. Das ist ein Trost für sie.
Doch schnell ist die Zeit vergangen und schon müssen sich die Kinder wieder auf dem Platz versammeln, an dem sie vor 7 Monaten angekommen sind. Leicht fällt keinem der Abschied. Burgl weint, als sie sich von den 4 Kindern, die ihr gute Freunde geworden sind, verabschieden muß. Schorsch wird von seiner Tante fast zerdrückt und auch der Onkel hat feuchte Augen. Sebastian geht auch unter Tränen mit Herrn Scheuble zum Versammlungsplatz. Scheuble hat eine wohldurchdachte Rede aufgesetzt, die er dem jungen geistlichen Schwingshackl halten will. Doch er ist versetzt worden. An seiner Stelle steht ein korpulenter geistlicher Herr da, der nicht besonders freundlich dreinschaut. Nach einem letzten Gebet für eine glückliche Heimkehr setzt sich der Kinderzug in Bewegung. Als sie aus ihrer österreichischen Heimat gekommen sind, haben sie gehungert. Jetzt da sie den Weg zurückge hen, sind die meisten satt und haben Verpflegung für den Marsch. Im März sind sie aus dem Winter in einen ungewissen Sommer gezogen, nicht wissend, was sie erwartet. Jetzt marschieren sie in den Winter der Berge zurück, sehr wohl wissend, was dort ihrer ha rrt: Mangel und Armut.
In diesem Buch ist die Situation der Kinder in den Jahren 1850-1860 sehr gut beschrieben. Selber kann man sich solche Umstände gar nicht mehr vorstellen. Wer geht heute ca. 120 km zu Fuß? Diese Kinder mussten tapfer sein und viel durchmachen wie zum Beispiel mit 6 Jahren 9 Monate von den Eltern getrennt sein. Allein die Vorstellung macht mich persönlich nachdenklich.
Mir ist im Winter kalt, auch wenn ich eine Jacke anhabe und ich frage mich die ganze Zeit, wie die Kinder das ausgehalten haben, bei minus-graden ohne Handschuhe, ohne Haube und mit kaputten, nassen Schuhen den langen Weg gegangen sind. Sind wir verwöhnt, oder waren die Kinder damals abgehärteter? Als ich die Passage mit den K„fern in der Suppe gelesen habe, grauste mir richtig davor. Das die Kinder das nicht bemerkt haben wunderte mich zuerst, doch glaube ich auch, dass ich die Suppe selber auch gegessen hätte, wenn ich so einen Hunger hätte wie diese Kinder.
Schwingshackel hat eine sehr schwere Aufgabe. Bei ihm liegt die Verantwortung, die Kinder heil nach Ravensburg zu bringen und heil wieder zurück. Er muss für sie immer wieder Nahrung auftreiben, egal wie. Als Sebastian krank wurde hatte Schwingshackel natürlich groáe Sorgen. Er konnte ihn nicht zurück nach Hause schicken, weil wer sollte ihn begleiten und alleine konnte Schwingshackel ihn so und so nicht gehen lassen. Gott sei dank fand der Wirt, wo sie in dieser Nacht untergebracht waren einen alten Schlitten, wo sich Sebastian drauflegen konnte. Ab der Grenze konnte er dann schon wieder gehen, aber nur mit Hilfe von Schorsch und Burgl.
Das Verkaufen am Kindermarkt ist wieder so eine eigene Sache. Die Kinder wissen nicht zu wem sie kommen, ob der Käufer nett oder böse ist. Wie schon erwähnt hat es Burgl nicht so gut erwischt. Bei ihrer Ankunft war es so:
LESEPROBE: S.120-S.121
Schorsch und Sebastian hatten dagegen Gl•ck.
Der Autor beschreibt die Gefühle der Kinder besonders gut, er übertreibt oder verkitscht es aber nicht. Er schreibt alles sehr glaubwürdig und ich möchte dieses Buch auf alle Fälle weiterempfehlen.
DANKE!!!