Eine Analyse zu Max Webers "Politik als Beruf". Webers Vorstellungen von äußeren Gegebenheiten und inneren Voraussetzungen des Berufs des Politikers
Zusammenfassung
Im Januar 1919 hielt Max Weber in München vor dem freistudentischen Bund einen Vortrag mit dem Titel „Politik als Beruf“ indem er versucht, der Studierendenschaft seine Vorstellungen über die Legitimitätsgründe staatlicher Herrschaft, die historische Entwicklung des institutionellen Rahmens sowie abschließend seine Theorie von der inneren Berufung zur Politikerin oder zum Politiker zu präsentieren.
Die unmittelbare Nachkriegszeit, in der Weber seinen Vortrag hielt, und die Entwicklung der Weimarer Republik als demokratischen Staat, scheinen einen essenziellen Einfluss auf die Entwicklung seiner Theorie genommen zu haben.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Äußeren Gegebenheiten der Politik als Beruf
2.1 Die Politik, der Staat und die Macht
2.2 Typen der legitimen Herrschaft
2.3 Arten von Politikerinnen und Politikern in der historischen Entwicklung
2.4 Der Beamte und der Politiker
3. Innere Voraussetzungen zur Politik als Beruf
3.1 Machtgefühl und Ethik
3.2 Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Augenmaß
3.3 Gesinnungs- und Verantwortungsethik
4. Zusammenfassung und Aktualität der Rede
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Januar 1919 hielt Max Weber in München vor dem freistudentischen Bund einen Vortrag mit dem Titel „Politik als Beruf" indem er versucht, der Studierendenschaft seine Vorstellungen über die Legitimitätsgründe staatlicher Herrschaft, die historische Entwicklung des institutionellen Rahmens sowie abschließend seine Theorie von der inneren Berufung zur Politikerin oder zum Politiker zu präsentieren.1 Die unmittelbare Nachkriegszeit, in der Weber seinen Vortrag hielt, und die Entwicklung der Weimarer Republik als demokratischen Staat, scheinen einen essenziellen Einfluss auf die Entwicklung seiner Theorie genommen zu haben. Er „[...] unterbreitet [...] eine sozialphilosophisch eingefärbte Zeitdiagnose, die den Zusammenhang zwischen Beruf, professioneller Ethik und Persönlichkeit beleuchten soll."2
Der Vortrag wurde im Anschluss von Weber in der schriftlichen Ausarbeitung noch erweitert und verfeinert. Im Folgenden soll die schriftliche Ausführung von „Politik als Beruf" näher betrachtet und analysiert werden. Zentral soll es dabei um die Stellung von Politikerinnen und Politikern und deren Eigenschaften gehen, damit diese nicht „[...] zum karriere- und erfolgsorientierten Gesinnungsopportunisten einerseits, reinen Machtpolitiker [oder zur Machtpolitikerin] andererseits degenerieren [...].3 Dazu ist es notwendig neben Webers Vorstellungen über die Erlangung der Berufung zur Politik, ebenso seine Ideen von Macht und Herrschaft, der Verknüpfung von Politik und dem Staat, die Differenzierung der Gesinnung- und Verantwortungsethik sowie Ausführungen zu Berufspolitikerinnen und Berufspolitikern zu betrachten und in die Analyse des Textes einzubeziehen.
Abschließend soll eine Zusammenfassung über Webers Theorie von Politikerinnen und Politikern angeführt werden, bei der seine Idealvorstellungen sowie Anforderungen an die Menschen vorgestellt werden, die die Politik zu ihrem Beruf machen.
2. Äußeren Gegebenheiten der Politik als Beruf
Im Folgenden werden zunächst die für Weber wichtigen allgemeinen Grundlagen, Definitionen und Unterscheidungen von verschiedenen Typen von Politikerinnen und Politikern vorgestellt, bevor mit seinen persönlichen Vorstellungen an gute Entscheidungsträger fortgefahren wird.
2.1 Die Politik, der Staat und die Macht
Weber beginnt seine Ausführungen mit einer Definition von dem, was er unter der Politik im Kontext eines Berufes versteht. Demnach sei für ihn in diesem Zusammenhang unter der Politik, „[...] die Leitung oder die Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes, [...] eines Staates [zu verstehen]."4 Darüber hinaus verfeinert er den Staatsbegriff selbst unter soziologischen Gesichtspunkten, um ein klares begriffliches Verständnis von der Aufgabe von ebendiesem zu erhalten. Diese Spezifikation nimmt er bereits in seinen Aushandlungen über politische und menschliche Gemeinschaften vor, welche sich für Weber durch die gewaltsame Behauptung der geordneten Herrschaft über ein Gebiet und deren Menschen auszeichnen.5 Aus dieser Gemeinschaft heraus entstehe durch die Monopolisierung der legitimen Gewaltanwendung der Staat, welcher schließlich selbst das Monopol legitimer Gewaltsamkeit für sich beansprucht und damit die alleinige Quelle jeglichen Rechts auf Gewaltsamkeit darstellt.6 Somit ist es allein der Staat selbst, der bestimmten Institutionen, Verbänden oder Einzelpersonen gewisse Rechte der physischen Gewaltsamkeit zuschreiben kann.
Aus diesen Definitionen ergibt sich somit das allgemeine Verständnis und Ziel vom politischen Agieren. Demnach würde derjenige der Politik betreibt, nach Machtanteilen oder nach der Möglichkeit der Beeinflussung der Machtverteilung streben. Dabei kann mit der Macht ein ideales oder mit der Macht als solche ein materielles Ziel im Sinne eines Prestigegefühls verfolgt werden.7 Letzteres bedeutet, dass alle Akteure mit ihrer politischen Tätigkeit das Ziel der Erlangung eines Machtgefühls eint, während die reale Machtausübung im ungewissen bleibt.
2.2 Typen der legitimen Herrschaft
Weiterhin versucht Weber zu Beginn seines Vortrages über „Politik als Beruf" den Zuhörenden zu verdeutlichen, aus welchen Gründen dieses Machtkonstrukt in einem Staat funktionieren kann, obwohl es auf einem Herrschaftsverhältnis beruhe, indem Menschen über Menschen herrschen. Für ihn sei es dafür notwendig, dass sich die beherrschten Menschen den jeweils Herrschenden fügen.8 Weber unterscheidet in diesem Zusammenhang drei zentrale Legitimitätsgründe einer Herrschaft, die einen inneren Rechtfertigungsgrund für Beherrschung darstellen.
Erstens kann diese Legitimitätsgeltung auf einen rationalen Charakter beruhen. Demnach liegt der innere Rechtfertigungsgrund in dem Glauben an „[...] die Geltung legaler Satzung und der durch rational geschaffene Regeln begründeten sachlichen ,Kompetenz' [...]."9 Das Herrschaftsverhältnis von Herrschenden und Beherrschten funktioniert in diesem Fall aufgrund der sachlichen Ordnung und der formalen Legalität der Anordnungen.10 Diese Form einer legalen-rationalen Herrschaft wirkt nahezu identisch mit dem System der Bürokratie, welche sich ebenso durch fest bestimmte Verhaltensabläufe, Strukturen und klar definierten Verfahren der Ernennung oder Wahl derjenigen Personen auszeichnet, die die Herrschaft ausüben.
Zweitens spricht Weber von der traditionellen Herrschaft, „[...] wie sie der Patriarch und der Patrimonialfürst alten Schlages übten."11 Damit ist gemeint, dass der herrschenden Person, die aufgrund der Sitte und Gewohnheit die Macht erhalten hat, durch Tradition in ihrem gewohntem Umfeld gehorcht und die Beherrschung von den Menschen akzeptiert wird.12
Drittens könne der charismatische Charakter einer Person eine Ordnung der Herrschaft schaffen, die auf dem persönlichen Gefühl der Hingabe der Beherrschten zu den spezifischen Führereigenschaften oder Heldenkraft eines einzelnen beruht.13 Diese charismatische Herrschaft impliziert ein großes Vertrauen in die herrschenden Persönlichkeiten und wird durch die Hingabe an diese Personen als legitim angesehen.14 Ein Beispiel für charismatische Ausstrahlung und Herrschaft bietet der politische Parteiführer.
In der Moderne lassen sich überwiegend diejenigen „Staatsdiener"15 wiederfinden, deren Herrschaft auf Legalität und rational geschaffenen Regeln beruht und sich durch ebendiese auszeichnen. Für seine Aushandlung über die Politik als Beruf und den darin integrierten Ideen über Berufspolitikerinnen und Berufspolitikern sei allerdings besonders der dritte Typus über Herrschaft ein entscheidender. Für Weber ist das Charisma einer Person das entscheidende Merkmal für eine Politikerin oder einen Politiker. „Denn hier wurzelt der Gedanke des Berufs in seiner höchsten Ausprägung."16 Dieses Charisma bildet die Basis auf derer die weiteren Eigenschaften von Politikerinnen und Politikern aufbauen und die Grundlage eines vernünftigen politischen Handelns. Zudem sorge ebendieses dafür, dass die Menschen an die politische Führungskraft, deren Berufung aus einem innerlichen Drang heraus entstehe, glauben würden und sich ihm nicht allein aus der allgemeinen Sitte heraus oder der Satzung nach fügen.17 Darin zeigt sich zudem Webers Verständnis der Tätigkeit einer Politikerin oder eines Politikers als Berufung und nicht allein als Beruf.
2.3 Arten von Politikerinnen und Politikern in der historischen Entwicklung Im Bezug auf die äußere Organisation von Politik18 diskutiert Weber die Figur der Politikerin oder des Politikers und der Parteien im historischen Wandel. „Eine zentrale Rolle Pointe Webers liegt jedoch darin, daß (sic!) ,der Politiker' kein einheitlicher Typus ist, er kann vielmehr unterschiedliche Ausgangspunkte und historisch wandelbare Formen annehmen. Auch in einem aktuellen Zeitpunkt bleiben denjenigen, die ^Politiker werden' wollen, breite Variationen idealtypischer Art verfügbar."19 Er unterscheidet dabei drei verschiedene Rollen einer Politikerin beziehungsweise eines Politikers, die ein jeder der Politik treibt, „[...] also: die Machtverteilung zwischen und innerhalb politischer Gebilde zu beeinflussen trachten [versucht]"20, einnehmen kann.
Die erste Stufe sei der Gelegenheitspolitiker. Diese Rolle würden alle Menschen innerhalb einer Demokratie einnehmen, etwa wenn sie zur Wahl gehen oder öffentliche Willensäußerungen auf einer Demonstration, Versammlung oder ähnlichem kundtun.21
Die zweite Möglichkeit sei die Tätigkeit als nebenberuflicher Politiker. Als solche bezeichnet Weber vorwiegend jene, die ihre politische Tätigkeit „[...] nur im Bedarfsfälle ausüben und weder materiell noch ideell in erster Linie daraus ,ihr Leben machen'."22 Dazu zählen ebenso solche, die allein auf Forderung in Funktion und Aktion treten. In der Moderne bilden beispielsweise ehrenamtliche Mitglieder im Gemeinderat oder mandatsträgerlose Vorstände von parteipolitischen Vereinen ein passendes Beispiel für nebenberufliche Politikerinnen und Politiker.
Schließlich gibt es für Weber die Stufe der hauptberuflichen Politiker, „[...] d.h. einem Mann, der mindestens ideell, in der Masse der Fälle aber materiell, den politischen Betrieb innerhalb einer Partei zum Inhalt seiner Existenz macht."23 Weber unterscheidet dabei zunächst zwei Arten von Berufspolitikern. Einerseits gäbe es die Möglichkeit für die Politik, andererseits aber auch von der Politik zu leben. Diese seien allerdings nur durch die jeweilige Betrachtungsweise voneinander zu trennen. So würde zum einen derjenige der für die Politik lebt, gleichzeitig „[...] im innerlichen Sinne ,sein Leben daraus' [machen].24 Zum anderen aber würde für denjenigen der danach strebt von der Politik zu leben und daraus seine Einnahmequelle zu beziehen, der ökonomische Anreiz dominieren. Lebt jemand für die Politik, will er dieser nicht zu seiner finanziellen Sicherung nachgehen, sondern gibt sich ein Leben lang der Sache hin. Dafür gibt es nach Weber zwei zentrale Voraussetzungen. Erstens müsse der- oder diejenige vermögend sein. Dies impliziert Unabhängigkeit gegenüber möglichen Einkünften, die aus der politischen Tätigkeit gezogen werden können und stellt die Erwartung an die Politikerin oder den Politiker, seine ökonomische Absicherung anderweitig sicherzustellen.25 Zweitens müsse die Person wirtschaftlich abkömmlich sein. Damit meint Weber, dass derjenige für den Erwerb seiner Einkünfte nicht den überwiegenden Teil seiner Denkleistung und Arbeitskraft in den Erwerb stecken muss, sondern für die Politik aufwenden kann.26 Aufgrund dieser beiden Anforderungen haben sich daher „zu allen Zeiten [...] Rentiers, Advokaten und landwirtschaftliche Unternehmer in der Politik engagiert, während Arbeiter, Unternehmer und Ärzte dort so gut wie nicht vertreten sind"27, so Müller. Werde eine ausschließliche „[...] plutokratische Leitung [,..]"28 des Staates, also eine Herrschaftsform bei der das Vermögen die entscheidende Voraussetzung für Herrschaft ist, abgelehnt, so muss der Staat den Interessenten der politischen Führung ein regelmäßiges und ausreichendes Einkommen zufließen lassen. Für Palonen zeige sich hierbei Webers Pointe gegenüber den Beschimpfungen von Politikerinnen und Politikern und dessen Entlohnung. Würde es diese Einnahmequelle nicht geben, ziehe man die Herrschaft der plutokratisch rekrutierten Politiker vor.29
[...]
1 Vgl. Max Weber: Politik als Beruf, Berlin 2010.
2 Hans-Peter Müller: Max Weber. Eine Einführung in sein Werk, Köln/Weimar/Wien 2007, S.202.
3 Ebd. S. 203.
4 Max Weber: Politik als Beruf, in: Horst Baier/Rainer Lepsius/Wolfgang Mommsen/ Wolfgang Schluchter/Johannes Winckelmann (Hrsg.), Max Weber Gesamtausgabe Band 17, Tübingen 1992, S. 157.
5 Max Weber, Politische Gemeinschaften, in: Horst Baier/Rainer Lepsius/Wolfgang Mommsen/ Wolfgang Schluchter/Johannes Winckelmann (Hrsg.), Max Weber Gesamtausgabe Band 22-1, Tübingen 1992, S. 204 f.
6 Ebd. S. 215.
7 Vgl. Weber: Politik als Beruf, in: Baier et al. (Hrsg.), S. 159.
8 Vgl. ebd. S. 160.
9 Ebd.
10 Vgl. Dirk Kaesler: Max Weber. Eine Einführung in Leben, Werk und Wirkung, Frankfurt/New York 2014, S. 223.
11 Weber: Politik als Beruf, in: Baier et al. (Hrsg.), S. 160.
12 Vgl. Kaesler: Max Weber, S. 223.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. Karin Glaser: Über legitime Herrschaft. Grundlagen der Legitimitätstheorie, Wiesbaden 2013, S. 24.
15 Weber: Politik als Beruf, in: Baier et al. (Hrsg.), S. 160.
16 Ebd. S. 161.
17 Vgl. ebd.
18 Vgl. Müller: Max Weber, S. 214.
19 Kari Palonen: Eine Lobrede für Politiker. Ein Kommentar zu Max Webers „Politik als Beruf", Opladen 2002. S. 45.
20 Weber: Politik als Beruf, in: Baier et al. (Hrsg.), S. 174.
21 Vgl. ebd.
22 Ebd. S. 168.
23 Max Weber: Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens, Berlin 2011, S. 93.
24 Weber: Politik als Beruf, in: Baier et al. (Hrsg.), S. 169.
25 Vgl. ebd. S. 170.
26 Vgl. ebd. S. 170 f.
27 Müller: Max Weber, S. 214.
28 Weber: Politik als Beruf, in: Baier et al. (Hrsg.), S. 171.
29 Vgl. Palonen: Eine Lobrede für Politiker, S. 53.