Die Arbeit konzentriert sich auf die Trainingsmission der Europäischen Union in Mali. Ziel ist es zu überprüfen, inwieweit die Europäische Trainingsmission (EUTM Mali) effektiv zur Sicherheit und Stabilität und damit zu einer Konfliktlösung in Mali beiträgt.
Obwohl sich die Beteiligung der Union als militärischem Konfliktmanager in den letzten Jahren wesentlich verstärkt hat, liegt bislang wenig empirisches Wissen über die Wirksamkeit und die Auswirkungen auf die Konfliktsituation solcher militärischen Operationen der GSVP vor. Am Beispiel des Nordmali Konflikts soll ein aktiver Beitrag zur Aufklärung dieser Forschungslücke geleistet werden.
Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellung bedarf es zunächst eines analytischen Rahmens. Als theoretische Grundlage wird hierzu in Kapitel 2 das Konzept der EU als globalem Konfliktmanager nach Richard G. Whitman und Stefan Wolff (2012) herangezogen, mit dessen Hilfe EU-Konfliktmanagement spezifiziert und Kriterien für ein erfolgreiches Eingreifen herausgearbeitet werden sollen. Um das Einschreiten der EU besser nachvollziehen zu können, erfolgt im Anschluss ein kurzer Überblick über die Hintergründe und Ursachen des Konflikts in Mali.
Die empirische Analyse orientiert sich hauptsächlich an den Fragen, ob die Union ihre gesetzten Ziele erreicht hat und es zu einer positiven Veränderung vor Ort gekommen ist bzw. ein aktiver Beitrag zur Konfliktlösung geleistet wurde. Dazu wird zunächst das von der EU genutzte Konfliktmanagement Instrument vorgestellt, bevor die verfolgten Ziele der Trainingsmission erläutert werden. Kapitel 4.3 konzentriert sich ausschließlich auf die Analyse der Trainingsmission und dessen Auswirkung auf die Situation vor Ort. Um die Effektivität von EUTM Mali abschließend bewerten zu können, wird Effektivitätsmodell von Peen Rodt angewendet, welches die Erklärungsfaktoren für erfolgreiche militärische GSVP Operationen konkretisiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen
3. Mali - Überblick über die Ursachen und Entwicklung des Konflikts
4. Die Europäische Trainingsmission in Mali (EUTM Mali)
4.1 Die Europäische Trainingsmission in Mali (EUTM Mali) - Instrumente
4.2 Die Europäische Trainingsmission in Mali (EUTM Mali) - Ziele
4.3 Die Europäische Trainingsmission in Mali (EUTM Mali) - eine Analyse
4.4 Erklärungsfaktoren für den Erfolg einer militärischen Konfliktmanagement-Operation
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Europäische Union (EU) hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen beträchtlichen Ausbau ihrer Kapazitäten im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorgenommen. Angetrieben durch das scheiternde Vorgehen in den Jugoslawienkriegen in den 1990er Jahren, bei dem die Union weder diplomatisch noch militärisch einen aktiven Beitrag zur Konfliktbeilegung leistete, wurde beim Europäischen Gipfel in Köln im Jahr 1999 die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) ins Leben gerufen. Vor diesem Hintergrund wurde die ESVP, seit dem Vertrag von Lissabon Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), speziell mit der Bewältigung der Petersberg-Aufgaben beauftragt, bei denen humanitäre Aufgaben, friedenserhaltende Einsätze und militärische Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung und Friedensstiftung eine zentrale Rolle spielen. Seitdem hat die Union systematisch ihre Kapazitäten als internationaler Konfliktmanager erweitert und zahlreiche militärische und zivil-militärische Missionen auf sich genommen. So engagiert sie sich nicht nur auf dem eigenen Kontinent, sondern stabilisiert mit verschiedenen Mitteln die Lage im Nahen Osten oder am Horn von Afrika. Mit insgesamt 22 abgeschlossenen Operationen im Rahmen der GSVP konnte sich die Union durchaus als bedeutender globaler Sicherheitsakteur etablieren (European Union External Action 2019; European Parliament 2020).
Gegenwärtig beteiligt sich die Europäische Union mit einer multinationalen Ausbildungsmission im westafrikanischen Staat Mali (EUTM Mali), bei der die malischen Streitkräfte eine militärische Grundausbildung erhalten sollen, um die Sicherheit und Stabilität im eigenen Land wiederherstellen zu können. Die European Union Training Mission soll die malischen Soldaten dazu befähigen, in eigenständiger Verantwortung zur Verteidigung ihrer Bevölkerung beizutragen und die Wiedergewinnung der territorialen Integrität des Staates zu unterstützen. Seit der gegründeten Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad im Jahr 2011 und den anhaltenden Rebellionen gegen die malische Regierung, die im März 2012 letztlich zu einem Militärputsch gegen den Präsidenten Amadou Toumani Touré führten, herrscht in Mali ein bewaffneter Konflikt, der sich vom Norden in weitere Landesteile ausbreitete. Die hohe Anzahl involvierter Akteure, die von nationalen Bewegungen bis hin zu terroristischen Organisationen reichen sowie die fragile Staatlichkeit führen zu einer äußerst komplexen Konfliktsituation. Nachdem zunächst Frankreich auf Bitte des malischen Präsidenten mit einer militärischen Offensive im Januar 2013 einschritt, startete kurz danach auch die Union ihre Trainingsmission. Diese war anfangs für lediglich 15 Monate mandatiert, doch die Ausbreitung und Verschärfung des Konflikts zwangen die EU bereits zu mehrmaliger Verlängerung der Ausbildungsmission.
Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die folgende Arbeit auf die Trainingsmission der Europäischen Union in Mali. Obwohl sich die Beteiligung der Union als militärischem Konfliktmanager in den letzten Jahren wesentlich verstärkt hat, liegt bislang wenig empirisches Wissen über die Wirksamkeit und die Auswirkungen auf die Konfliktsituation solcher militärischen Operationen der GSVP vor. Am Beispiel des Nordmali Konflikts soll ein aktiver Beitrag zur Aufklärung dieser Forschungslücke geleistet werden. Ziel ist es daher zu überprüfen, inwieweit die Europäische Trainingsmission (EUTM Mali) effektiv zur Sicherheit und Stabilität und damit zu einer Konfliktlösung in Mali beiträgt.
Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellung bedarf es zunächst eines analytischen Rahmens. Als theoretische Grundlage wird hierzu in Kapitel 2 das Konzept der EU als globalem Konfliktmanager nach Richard G. Whitman und Stefan Wolff (2012) herangezogen, mit dessen Hilfe EU-Konfliktmanagement spezifiziert und Kriterien für eine erfolgreiches Eingreifen herausgearbeitet werden sollen. Um das Einschreiten der EU besser nachvollziehen zu können, erfolgt im Anschluss in Kapitel 3 ein kurzer Überblick über die Hintergründe und Ursachen des Konflikts in Mali. Die empirische Analyse in Kapitel 4 orientiert sich hauptsächlich an den Fragen, ob die Union ihre gesetzten Ziele erreicht hat und es zu einer positiven Veränderung vor Ort gekommen ist bzw. ein aktiver Beitrag zur Konfliktlösung geleistet wurde. Dazu wird in Kapitel 4.1 zunächst das von der EU genutzte Konfliktmanagement Instrument vorgestellt, bevor in Kapitel 4.2 die verfolgten Ziele der Trainingsmission erläutert werden. Kapitel 4.3 konzentriert sich ausschließlich auf die Analyse der Trainingsmission und dessen Auswirkung auf die Situation vor Ort. Um die Effektivität von EUTM Mali abschließend bewerten zu können, wird in Kapitel 4.4 das Effektivitätsmodell von Peen Rodt angewendet, welches die Erklärungsfaktoren für erfolgreiche militärische GSVP Operationen konkretisiert. In Kapitel 5 werden die wichtigsten Ergebnisse nochmals zusammengetragen und ein abschließendes Fazit darüber gegeben, ob die Trainingsmission der Europäischen Union zur Konfliktlösung in Mali beiträgt.
2. Theoretischer Rahmen
Um eine sorgfältige Analyse über die Effektivität der Militärmission der Europäischen Union in Mali durchführen zu können, muss zunächst einmal die Rolle der Europäischen Union als internationalem Konfliktmanager beleuchtet werden. Aus diesem Grund wird im Folgenden auf 2 das von Richard G. Whitman und Stefan Wolff (2012) aufgestellte Konzept der EU als globaler Konfliktmanager zurückgegriffen, um dieses anschließend als Analyserahmen verwenden zu können.
In Anlehnung an die wachsende Rolle der Europäischen Union als internationalem Sicherheitsakteur entwickeln Richard G. Whitman und Stefan Wolff in ihrem Werk „The European Union as a Global Conflict Manager“ einen analytischen Rahmen, der eine fundierte theoretische Perspektive über die Auswirkungen von Konfliktmanagement- Bemühungen darbietet (Whitman/Wolf 2012: 4ff.). Die Autoren kritisieren das mangelnde Wissen über den Einfluss von internationalen Organisationen auf Konfliktmanagement sowie die fehlenden konzeptionellen Bedingungen, die eine vergleichende Untersuchung möglich machen (Whitman/Wolf 2012: 4). Vor diesem Hintergrund erarbeiten die beiden nicht nur eine umfassende Definition von Konfliktmanagement, sondern identifizieren auch verschiedene Faktoren, die über den Erfolg und das Scheitern dieser Mission entscheiden. Whitman und Wolff zufolge bestimmen letzten Endes interne und externe Ursachen darüber, ob ein Einschreiten der Europäischen Union erfolgreich sein wird oder nicht (Whitman/Wolf 2012: 4).
Nach Whitman und Wolff handelt es sich bei EU-Konfliktmanagement um ein übergeordnetes Konstrukt, welches sich aus hauptsächlich drei außen- und sicherheitspolitischen Strategien der EU zusammensetzt (Whitman/Wolf 2012: 6). Demnach umfasst es die wesentlich bekannteren Terminologien wie Konfliktprävention, Krisenmanagement und Konfliktregelung beziehungsweise Konfliktlösung. (Whitman/Wolf 2012: 6). Betreffend die Konfliktprävention verfolgt die EU nach Maßgaben des Vertrages von Lissabon „den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken“ (EU- Vertrag Art. 21 (2c)). In diesem Sinne kann Konfliktprävention verstanden werden, als jeden Versuch Spannungen abzubauen und die Eskalation oder den Ausbruch von gewaltsamen Konflikten zu stoppen (Ramsbotham et al. 2011: 123-145; Blockmans/Juncos 2018: 131). Durch langfristig implizierte Strategien sollen strukturelle Veränderungen erzielt werden, um die Hauptursachen von Konflikten zu beseitigen. Insofern zielt Konfliktprävention gleichzeitig auf eine dauerhafte Friedenskonsolidierung ab. Im Unterschied dazu handelt es sich bei Krisenmanagement um kürzer angelegte Strategien, die ein gewisses Maß an Dringlichkeit und Unmittelbarkeit erfordern, um eine bevorstehende Eskalation zu stoppen oder die Folgen einer sich rapide verschlechternden Situation zu bewältigen (Whitman/Wolf 2012: 6). Unter solchen Umständen bedarf es der sofortigen Mobilisierung von EU-Ressourcen und einer ad-hoc- Entscheidungsfindung sowie dessen Implementierung. Die politischen Maßnahmen des Krisenmanagements umschließen die Petersberg-Aufgaben1 und beziehen sich hauptsächlich auf die Prävention der Ausbreitung oder Intensivierung von Gewalt, auf humanitäre Hilfe für Flüchtlinge sowie auf friedenserhaltende Prozesse (Whitman/Wolf 2012: 6; Pavlov 2015: 25; Kaplânovâ 2016: 10). Damit verfolgt das EU-Krisenmanagement insgesamt weniger ambitionierte Ziele bei einer gleichzeitig schnelleren Umsetzung der geplanten Maßnahmen.
Die Konfliktregelung bzw. Konfliktlösung wird als weitere Dimension dem Konfliktmanagement zugeordnet. Darunter zu verstehen sind jegliche Strategien, die auf die Einigung eines Kompromisses zwischen den Konfliktparteien abzielen, um verbleibende oder künftige Streitigkeiten mit politischen und friedlichen Mitteln beizulegen (Whitman/Wolff 2012: 6). Häufig werden dazu von die EU repräsentierenden einzelnen oder kollektiven Akteuren verschiedene Formen der Streitschlichtung eingesetzt, sodass einem Rückgriff auf Gewalt entgegengesetzt wird (Bergmann/ Niemand 2015: 959). Im Vergleich zu den beiden erstgenannten Strategien der Außen- und Sicherheitspolitik der EU, handelt es sich bei Letzterem um ein weniger institutionalisiertes Instrument mit geringeren Fallbeispielen. Allerdings könnte dies der Tatsache geschuldet sein, dass Informationen zu Streitschlichtungsbemühungen oftmals nicht dem öffentlichen Publikum zugänglich gemacht werden (Bergmann 2020: 3).
Infolgedessen definieren die beiden Autoren EU-Konfliktmanagement als ein langfristiges Eingreifen in einen bestimmten Staat oder eine Region, welches im Laufe der Zeit den Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen, wie Entwicklung und humanitäre Hilfe, zivile und militärische Missionen als auch Streitschlichtung zwischen Konfliktparteien notwendig macht (Whitman/Wolf 2012: 6). Die bei diesen Operationen eingesetzten Maßnahmen variieren in ihrer Intensität und spiegeln in der Regel die drei definierten außen- und sicherheitspolitischen Strategien der EU wider. Folglich bezieht sich Konfliktmanagement auf alle Bestrebungen, einen anhaltenden Konflikt zwischen politisch motivierten Akteuren auf staatlicher oder substaatlicher Ebene zu kontrollieren oder einzudämmen (Bergmann 2017: 15). Die hier zugrundeliegende Definition von EU-Konfliktmanagement und die damit verbundenen Strategien machen allerdings deutlich, dass eine Vielzahl von Institutionen involviert ist, die aufgrund ihrer verschiedenen Entscheidungsfindungsprozesse und Kapazitäten die übergreifende Performanz der EU als internationalem Konfliktmanager beeinträchtigen könnte (Whitman/Wolff 2012: 7ff.).
Nachdem zunächst definiert wurde, was genau unter EU-Konfliktmanagement zu verstehen ist, werden im Folgenden die Ursachen und Gegebenheiten dargestellt, die für den Erfolg bzw. für das Scheitern einer solchen Intervention verantwortlich sind. Unterschieden werden hierbei interne und externe Faktoren, die einerseits die Formulierung und erfolgreiche Implementierung von Konfliktmanagement-Strategien ermöglichen und andererseits eine Konfliktregelung bzw. Konfliktlösung begünstigen. Bevor jedoch die notwendigen Faktoren herausgearbeitet werden, bedarf es eines grundlegenden Verständnisses von Erfolg, sodass eine Analyse über die Performanz der EU als Konfliktmanager überhaupt möglich ist. Der Grad des Erfolgs einer Intervention könnte anhand des zuvor ausgearbeiteten EU-Mandats und dessen festgelegten Ziele gemessen werden. Demzufolge gilt es zu untersuchen, ob die Union, die von ihr selbst gesetzten Ziele erreicht hat und ob diese einen positiven Einfluss auf den Konflikt als solchen bewirken (Whitman/Wolff 2012: 8). Da die EU bei der Formulierung ihrer Mandate allerdings sehr realistisch und zurückhaltend vorgeht, werden die gesetzten Ziele prinzipiell immer erreicht. Aus diesem Grund gilt es allgemeiner zu prüfen, ob die Folgen der Intervention tatsächlich zu einer Veränderung vor Ort geführt haben und ob ein aktiver Beitrag zur Konfliktlösung geleistet wurde (ebd.: 8). Diese kurze, aber notwendige Begriffseinordnung erlaubt es nun die relevanten Bedingungen für eine erfolgreiche EU-Intervention zu konzeptualisieren.
Im Hinblick auf die interne Dimension stellt sich die grundlegende Frage, welche Fähigkeiten die Union besitzen muss, um als globaler Konfliktmanagement-Akteur erfolgreich operieren zu können. Dazu zählen die „Fähigkeiten zu handeln“ (Capabilities to act), die „Fähigkeiten der Finanzierung“(Capabilities to fund) als auch die „Fähigkeiten zur Koordination und Kooperation“(Capabilities to coordinate and cooperate) (Whitman/Wolf 2012: 11). Diese internen Voraussetzungen stehen in keiner Hierarchie zueinander und müssen gleichermaßen vorliegen.
Die Fähigkeiten zu handeln setzen einen einheitlichen politischen Willen der europäischen Staatsoberhäupter voraus. Diese müssen ihre Zustimmung bei jeder bevorstehenden Intervention abgeben, wenn sie in die Führung oder in die Rolle eines Streitschlichters in einem Konflikt involviert werden (ebd.: 11). Diese Zustimmung ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, wie dem staatlichen Eigennutzen, den vertretenen Werten und Ideologien sowie den voraussichtlichen Erfolgschancen des geplanten Vorhabens 5 (Niemann/Wekker 2010: 7; Whitman/Wolf 2012: 11). Des Weiteren ist für ein effektives Handeln eine Ausstattung mit ausreichend Personal und technischen Hilfsmitteln notwendig. Daneben spielen aber auch die einzelnen Institutionen der EU und deren Instrumente eine entscheidende Rolle (Whitman/Wolff 2012: 11ff.). Besonders durch den Vertrag von Lissabon, der eine Neustrukturierung des auswärtigen Handelns zur Folge hatte, kann die Union in ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nun einheitlicher und koordinierter auftreten (Koutrakos 2013: 27). Die Einführung eines Hohen Vertreters2 macht deutlich, dass die Union durchaus die erforderlichen Fähigkeiten zum Handeln als internationaler Konfliktmanager besitzt und ein ständiger Ausbau von Kapazitäten erfolgt (Verola 2012: 40ff.; Krotz/Wright 2018: 9).
Die zweite Komponente der internen Dimension besteht aus den Fähigkeiten, verschiedene kurz- oder langfristige Operationen im Rahmen des Krisenmanagements zu finanzieren. Mit der Einführung des Instruments für Stabilität (IfS) im Jahr 2007, welches 2014 durch das Instrument für Stabilität und Frieden (ISP) abgelöst wurde, hat die EU eine Möglichkeit geschaffen, auch kurzfristig auf Krisen zu reagieren. Der Schwerpunkt des ISP liegt demnach auf Krisenreaktion, Krisenvorsorge, Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung (European Commission 2020: 1). Der ISP hat neben den kurzfristigen Missionen auch den Anspruch, langanhaltende Operationen zu finanzieren. Dazu gehören der Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder die Stärkung von Drittstaaten im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Verbrechen (Whitman/Wolff 2012: 13). Inwiefern die Fähigkeiten der Finanzierung die Effektivität einer Intervention beeinflussen, hängt zum einen von der Höhe der Finanzierungsmittel ab und zum anderen davon, ob die Finanzierungsmittel sich auch tatsächlich an die Krisensituation richten (Whitman/Wolff 2012: 13).
Der dritte entscheidende Faktor der internen Dimension stellt die Fähigkeiten der Kooperation und Koordination dar. Unterschieden wird hierbei einerseits zwischen dem horizontalen Geltungsbereich, also die Koordination und Kooperation zwischen den einzelnen am Konfliktmanagement beteiligten EU-Institutionen, und andererseits dem vertikalen Geltungsbereich, bei welchem die EU als supranationale Organisation mit ihren eigenen Institutionen gegenüber den Mitgliedstaaten auftritt (ebd.: 13). Neben dieser internen Verflechtung ist außerdem die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und internationalen Organisationen von großer Bedeutung. Da sich viele Organisationen auf unterschiedliche Aufgaben von Krisenmanagement spezialisiert haben, befürwortet die Union eine verstärkte multilaterale Vorgehensweise. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Kooperation mit der NATO zu erwähnen, deren Ressourcen und Kapazitäten häufig von der Union in Anspruch genommen werden (Whitman/Wolff 2012: 13; Koutrakos 2013: 104). Die Bandbreite an Akteuren sowie die möglichen Interessendivergenzen können folglich die Effektivität des Konfliktmanagements beeinträchtigen. Daher muss hier abschließend überprüft werden, ob die geplanten Ziele durch die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen oder Drittstaaten realisiert werden und welche Auswirkungen diese tatsächlich haben (Whitman/Wolff 2012: 14ff.).
Die Effektivität europäischer Interventionen stützt sich nicht nur auf die internen Fähigkeiten der Union, sondern ist in einem großen Maße von externen Faktoren beeinflusst, die nicht in der Kontrolle der EU liegen. Der Erfolg und die Beilegung des Konflikts sind ebenfalls von der Bereitschaft verschiedener Konfliktparteien abhängig, sich den KonfliktmanagementMaßnahmen zu beugen und sie anzunehmen (ebd.: 14). Diese Voraussetzungen wiederum sind an die lokalen und regionalen Gegebenheiten im Krisengebiet geknüpft.
Whitman und Wolf greifen daher bei der Entwicklung ihres analytischen Modells auf die traditionelle Zwei-Ebenen Analyse zurück, die sich besonders unter Wissenschaftlern im Bereich der Internationalen Beziehungen durchgesetzt hat (Whitman/Wolff 2012: 14ff.). Im Unterschied zur konventionellen Vorgehensweise erweitern die Autoren ihr Modell um zwei weitere Ebenen, dessen Analyse das Verhalten und die Auswirkungen der Akteure und Strukturen während des gesamten Konflikts berücksichtigen soll. Ihrem Modell zur Folge muss bei der Untersuchung eines Konflikts zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Strukturen und Akteuren auf der lokalen, der nationalen sowie der regionalen und globalen Ebene differenziert werden. Darüber hinaus sind weitere Faktoren bei der Analyse hinzuzuziehen, die weder den Akteuren noch den Strukturen zugeordnet werden können. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Probleme wie Umweltzerstörung, Ressourcenknappheit, mangelnde Versorgung mit Nahrung oder Elektrizität und übertragbare Krankheiten (ebd.: 18). Solche Umstände wirken sich auf den Ausbruch oder die Intensivierung von Konflikten aus und bedürfen daher einer gesonderten Betrachtung.
Die unterste Untersuchungsebene spielt sich auf dem lokalen Level ab und umschließt auf Seiten der staatlichen Strukturen und Akteure verschiedene lokale Führungskräfte und 7 Regierungsvertreter, die im Kontext von sozioökonomischen Strukturen und der institutionellen Ordnung betrachtet werden müssen. Auf Seiten der nicht-staatlichen Akteure sind es hingegen lokale Gemeinschaften, ethnische oder religiös-motivierte Gruppen als auch Aufständische und kriminelle Banden, die mit ihrem Handeln einen Einfluss auf die Effektivität von Konfliktmanagement-Bemühungen ausüben (ebd.: 16ff.).
Das staatliche bzw. nationale Level stellt die nächsthöhere Analyseebene dar und besteht im Wesentlichen aus den Akteuren und Strukturen der lokalen Ebene. Obwohl sich viele Konflikte auf der lokalen Ebene ereignen, könnten diese ohne Bezugnahme auf politische, kulturelle oder wirtschaftliche Dynamiken auf dem übergeordneten, staatlichen Level nicht erklärt werden. Der lediglich graduelle Unterschied kann folglich nur unter Hinzunahme von allgemeinen nationalstaatlichen Umständen erklärt werden (ebd.: 16).
Die darauffolgende Untersuchungseinheit bezieht sich auf das regionale Level. Hier sind es einerseits angrenzende Staaten und ihre Institutionen, regionale Organisationen und Kräfte wie auch regional etablierte Strukturen und Kooperationen, die als Erklärungsfaktoren heranzuziehen sind. Andererseits setzen sich die nicht-staatlichen Strukturen und Akteure aus länderübergreifenden Netzwerken (ethnisch oder religiös motivierte Gruppen sowie Rebellen) und ihren Eliten zusammen (Whitman/Wolff 2012: 17).
Die Analyse auf globaler Ebene schlägt vor, sich vorwiegend auf machtvolle Staaten und internationale Organisationen zu konzentrieren, da sie die relevanten staatlichen Akteure und Strukturen bilden, die die Performanz von EU-Konfliktmanagement-Operationen beeinflussen. Indessen gelten auch nicht-staatliche Akteure wie internationale Nichtregierungsorganisationen und Verbrechernetzwerke, transnationale Gesellschaften und ihre Eliten als bestimmende externe Faktoren (ebd.: 17). Das konstruierte Vier-Ebenen Modell umfasst eine Vielzahl an Akteuren, die bei der Analyse von EU-Konfliktmanagement-Operationen zu berücksichtigen sind und macht gleichzeitig deutlich, dass eine ausführliche Betrachtungsweise unumgänglich ist.
Für eine erfolgreiche Intervention der Europäischen Union im Rahmen von Konfliktmanagement-Handlungen sind eine Menge unterschiedlicher Faktoren ausschlaggebend. Whitman und Wolff kombinieren in ihrer Theorie einerseits interne Voraussetzungen, die weitgehend an die Strukturen und die Ressourcen der EU geknüpft sind, und andererseits externe Voraussetzung auf lokaler, staatlicher, regionaler und globaler Ebene, die einen Konflikt auf eine bestimmte Art und Weise beeinflussen und daher den Erfolg oder das Scheitern einer Intervention mitbestimmen. Nachdem nun der theoretische Rahmen abgesteckt ist, wird im folgenden Kapitel ein Überblick über die Ursachen und Entwicklung des Konflikts in Mali gegeben, sodass eine Basis für die anschließende Analyse der militärischen Trainingsmission gegeben ist.
3. Mali - Überblick über die Ursachen und Entwicklung des Konflikts
Um die militärische Trainingsmission der EU auf ihre Effektivität analysieren zu können, ist es zunächst erforderlich, einen kurzen Überblick über die Ursachen des bewaffneten Konflikts in Mali zu geben, sodass ein größeres Verständnis über die eigentlichen Gründe der Intervention geschaffen wird.
Mit einem Human Development Index (HDI) von 0.427 gehört Mali zu einem der ärmsten Länder der Welt und belegt den 184.3 Platz im Ranking der Vereinten Nationen (UNDP 2020). Obwohl der westafrikanische Binnenstaat von der internationalen Gemeinschaft als erfolgreiches Beispiel für die Demokratisierung der Dritten Welle erachtet wurde, hat das Land seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 mit verschiedenen Problemen zu kämpfen, die insbesondere durch die Konflikte mit der Volksgruppe der Tuareg geprägt sind (Lavallée/Völkel 2015: 160; Erforth 2019: 54). Die Tuareg, die eine Minderheit in Mali darstellen, fordern bereits seit 1963 mit Hilfe mehrerer Rebellenbewegungen eine größere Unabhängigkeit und mehr Autonomie vor allem für die im Norden liegende Region Azawad (Morgan 2012; Papendieck/Papendieck 2012: 9; Erforth 2019: 55). Nachdem es zwischen 2006 und 2009 zu erneuten gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und den Rebellen gekommen ist, versprach man den Tuareg erneut die Möglichkeit an der Regierungsbeteiligung, die Integration ihrer Kämpfer in das malische Militär sowie vermehrte staatliche Hilfen für den Norden (Robert 2008: 2; Erforth 2019: 56). Wie bereits bei früheren wirtschaftlichen Entwicklungsprogrammen für den Norden, wurden die von Algerien geführten Vermittlungsbemühungen und getroffenen Vereinbarungen jedoch nie vollständig umgesetzt (Erforth 2019: 56ff.; International Crisis Group 2020). Die jahrelange Marginalisierung der Tuareg und das fehlende politische und institutionelle Mitspracherecht förderte bei vielen ein Gefühl der Ausgrenzung und der Ablehnung der malischen Regierung (Kolb 2013: 3).
Die schwache sozioökonomische Leistungsfähigkeit des Staates, die vermehrt im Norden des Landes zu spüren ist, verstärkte die ablehnende Haltung zunehmend. Die verheerende Dürre im Jahr 2010 verschlimmerte die ohnehin schon fragile Situation und löste eine große Hungersnot aus, die zahlreiche Krankheiten und Tode verursachte und viele im Norden lebende Menschen in das Exil zwang (BTI 2018: 16; Erforth 2019: 53). Das fehlende Einschreiten der malischen Regierung während der Dürre wurde als geplanter Angriff gegen die nordische Bevölkerung gedeutet und nährte den Boden für weitere Rebellionen (Erforth 2019: 53). Die Lage spitzte sich zu, nachdem zahlreiche rekrutierte Tuareg Söldner und Islamisten, die zuvor auf Seiten des Gaddafi-Regimes kämpften, nach Mali zurückkehrten und sich dem Momentum der anhaltenden Rebellion anschlossen. Die daraufhin im Jahr 2011 gegründete Nationale Bewegung zur Befreiung des Azawad (MNLA), bestehend aus Angehörigen der Tuareg sowie weiteren im Norden lebenden ethnischen Minderheiten, proklamierte als erste Organisation die komplette Unabhängigkeit des Azawad von Mali (BTI 2014: 5; Lavallée/Völkel 2015: 162; Erforth 2019: 56). Anfang 2012 griff die MNLA schließlich zu Waffen, um ihre Pläne eines unabhängigen Azawad-Staates zu realisieren. Mit Hilfe weiterer islamistischer Gruppierungen, wie Ansar Dine, die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) oder der Organisation al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI), gelang es ihnen weitgehend, drei wichtige Regionen der Nordsahara unter ihre Kontrolle zu bringen, die etwa zwei-Drittel des gesamten malischen Territoriums ausmachen (BTI 2014: 5; Erforth 2019: 57). Die anhaltenden Konflikte führten indessen zu einer wachsenden Unzufriedenheit der im Süden lebenden Bevölkerung, welche die Integrität und das Gewaltmonopol des malischen Staates zunehmend in Frage stellte. Die unzureichende Vorgehensweise der Regierung gegen die Aufständischen und der mangelhafte Zustand der Armee führten letztendlich zu einem Militärputsch am 22. März 2012 (BTI 2014: 5; Papendieck/Papendieck 2012: 5). Die folgende Militärregierung wurde allerdings durch eine Interimsregierung ersetzt, der ebenfalls die notwendige Effizienz und Unabhängigkeit fehlte (Heinrich 2013: 1).
[...]
1 Bei den Petersberg-Aufgaben handelt es sich um eine Reihe von Maßnahmen zur Konfliktbewältigung, die vom Ministerrat der Westeuropäischen Union (WEU) im Jahr 1992 vereinbart wurden. Diese Aufgaben wurden später auf die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESDP) der EU übertragen. Mit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 wurde das Aufgabenspektrum erweitert (Krotz/ Wright 2018: 9).
2 Mit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 wurde das Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt. Diese Position vereint verschiedene Funktionen in mehreren Organen. Der Hohe Vertreter führt sowohl die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als auch die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Des Weiteren hat er den Vorsitz im Rat für „Auswärtige Angelegenheiten“ inne und ist der Vizepräsident der Kommission (Wessel 2019: 3; Bundesministerium für Verteidigung).
3 Der Wohlstandsindikator der Vereinten Nationen ordnet Mali im Human Development Index (HDI) auf Platz 184 von 189 ein, sodass der Staat zu den Ländern mit einer geringen menschlichen Entwicklung gezählt wird. Lediglich Burundi, Südsudan, Tschad, die Zentralafrikanische Republik und der Niger schneiden schlechter ab (UNDP 2020).