Landschaften und Masken
Karlheinz Zinnecker in der Galerie Scholz/Hersbruck
Einführung: charlotte forster 27.September 2000
Im komplizierten 21.Jahrhundert der neuen Medien, der neuen Bilderwelten, der Antikunst-Künstler, der Alles-ist-erlaubt-und-alles- ist-Kunst-Kunst, der Kunstideologen und der desillusionierten Zyniker ist eine so geradlinige, wenn auch keineswegs unkomplizierte Natur wie KarlHeinz Zinnecker fast eine Einzelerscheinung, auch unter seinesgleichen:
keiner Gruppe verpflichtet, keiner jeweils gängigen Strömung ganz zugehörig, obwohl es in seinem umfangreichen Werk durchaus Berührungspunkte und Anklänge gibt.
Ich kenne das künstlerische Werk Karl-Heinz Zinneckers seit nunmehr fast zehn Jahren. Was aus den Jahren davor stammt, kenne ich soweit es in seinem Archiv befindlich ist oder von Abbildungen.
In seinem Atelier, im idyllischen Hinterhofambiente, erwarten den Besucher die Bilder, Zeichnungen, Objekte, Assemblagen, stets offenherzig, mit dem Gesicht nach Außen, Stehen, Hängen un d Liegen sie auf der Staffelei, an den Wänden, auf dem Boden, auf den Möbeln. Die Wirkung wird nicht sparsam dosiert und berechnet; denn das Berechnen ist dieses Künstlers Sache nicht; es sei denn, die Berechnung läge darin, daß gleich die ganze Fülle da rgeboten wird. Wie ja auch hier im Arrangement der Masken alle gehäuft, einander überlappend, gleichwertig - ein genießerisches Aus-dem-Vollen- Schöpfen, das sich in den Arbeiten von Karlheinz Zinnecker abspielt.
1950 in Rübleinshof bei Burgthann geboren, erlebt der schon als Kind immer malen wollende Künstler die ihn umgebende Fränkische Landschaft sehr direkt.
Und nie verläßt ihn diese Naturerfahrung als Basis seiner aus dem Vollen kommenden Arbeitsweise.
-2- Einführung zu Karlheinz Zinnecker Landschaften+Masken
Nach dem Studium der freien Malerei und Grafik bei dem legendären Professor Ernst Weil an der Nürnberger Akademie der Künste, entstehen eine Reihe großformatiger Rupfenbilder, von eigenwilliger abstrakter Ornamentik bestimmt, die erst auf den zweiten Blick ihre Bildwelten offenbaren: Gesichter und Landschaften.
Selbst wenn Zinnecker zu geometrischen Formen findet, wie in seinen strahlend bunten Mandala-Variationen, haben diese ihren Ursprung in einem seiner Leitmotive, der Landschaft: entstanden durch ständige Vereinfachung und Reduzierung auf reine Form und Farbe.
Doch wenden wir uns den hier gezeigten Landschaften zu.
Die Titel führen uns zu realen Orten, den Originalschauplätzen:
Glatzenstein, Alte Veste undsoweiter - doch ich persönlich könnte auf Titel verzichten: Binden oder führen diese mich zu sehr an einen bestimmten Ort, den ohnehin niemand gleich wahrzunehmen vermag.
Auch wenn dieser Künstler oft direkt nach der Natur malt, und ganze Skizzenbücher mit Landschaftstudien füllt, sind diese Landschaften nicht das Abbild der Natur, Können und wollen es auch gar nicht sein.
Die kraftvollen Landschaften Zinneckers verkünden dem Betrachter, es sei eine Lust zu malen
Die Aufrichtigkeit dieser Überzeugung teilt sich unmittelbar mit.
Seine Aquarelle und Ölbilder leben aus der Farbe und in der Farbe. Diese fast spontane, wenn auch nicht unreflektierte, von Zweifeln nicht unangefochtene Freude hat nichts mit jenem blinden Optimismus zu tun, der eine besonders gefährliche Form von Schwachsinn ist, und auch nichts mit jener unechten Naivität, welche die Wirklichkeit vor sich selbst zu verheimlichen sucht.
-3- Einführung zu Karlheinz Zinnecker Landschaften+Masken
Eine Landschaft zu malen ist für Karlheinz Zinnecker keine schematische Angelegenheit.
Und weder sind seine Bilder Impressionistisch im Sinne „ der Wiedergabe des Eindrucks “ noch Expressionistisch im Sinne des „ Strebens nach Ausdruck “
Jedes seiner Bilder trägt einen eigenen, unverwechselbaren Charakter.
Jedes seiner Bilder ist ein Konzentrat aus bildnerischer Idee und zugrundeliegender Erfahrung von äußerer Wirklichkeit, dem Reichtum der Natur, von Landschaft, Berg, Fluß, Meer, Nacht und Licht und von innerer Befindlichkeit - das heißt: Heftigkeit, Freudigkeit aber auch Dunkelheit, Verlorenheit. In diesen Landschaften werden Farben von Bewegung erfaßt, dringen aufeinander ein, berühren sich, prallen ineinander oder kommen zusammen, um in polyphoner Harmonie zu erklingen - die äußeren Strukturen erzeugen Innere und umgekehrt.
Zwar sind hier Assoziationen zur Sichtbarkeit der Natur, sowie der Zivilisation- manchmal auch prosaisch: Hochspannungsmaste vor Happurg und stop-and-go auf dem Frankenschnellweg (mit alter Veste im Hintergrund). Aber da es gibt auch Bilder, wie hi er beispielsweise die Gletscherlandschaft, eine Kunstlandschaft, in der die Naturassoziation fast getilgt ist.
Wo dies anklingt, sind es nicht länger Gegenstände, nicht mehr ein Baum, nicht mehr ein Bach, ein Berg, ein Fluß sondern ein Gleiten, Fliesen, Miteinander und Ineinander, unten ist scheinbar oben, oder zumindest dort, wo Himmel und Meer sich berühren - dann sind es Kräfte, die alles hervorbringen, was in der Natur ist.
-4- Einführung zu Karlheinz Zinnecker Landschaften+Masken
„ UnbestÄndigkeit, dein Stil ist Kunst “ - mit diesem Zitat Sandro Chias möchte ich zu den Masken überleiten.
Denn „Das Antlitz“ und „Gesichter“, sind das zweite große Thema im Werk Zinneckers.
Einer der wesentlichsten Aspekte der Masken ist hier Karlheinz Zinneckers Umgang mit dem „Material“ und der „Farbe“ Im Gegensatz zu seinen Landschaftsaquarellen und seinen anderen Arbeiten ist es bei den Masken die „Nicht"-Farbe, die diese Arbeiten bestimmt.
Hier herrscht eine Farbigkeit, die sich dem Material verdankt, dem Pappmaché, einem Stoff von, man könnte sagen, “essentieller“ Tristesse.
Der bewußte Verzicht auf Farbigkeit läßt dem Künstler mehr Raum für eine weitere Dimension: den Ausdruck. Das Material Pappmaché ist hier nicht aus Nützlichkeitserwägung oder Recyclinggedanken gewählt, sondern weil bereits im Arbeitsprozeß, mit beiden Händen aus knappen Formen, wie dem Kreis und das Oval, seelisches und Emotionalität stärker hervortreten.
Hier geht es um elementares, bildnerisches Gestalten - Bezüge sind eventuell im Primitivismus oder der Volkskunst zu finden und deren Ausprägung der jeweils kultischen oder religiösen Traditionen. Es verwundert also nicht, daß viele maßgebende Künstler seit dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts in ihren eigenen Werken an genau diese Ursprünge zurückgingen, und sich mit dem Faszinosum „Maske“ beschäftigten: Max Ernst, Karl Schmitt-Rotluff und Emil Nolde, um nur einige zu nennen.
Hier befindet sich unser Künstler also in bester Tradition und Gesellschaft - ebenso wie hier, vertreten im bemerkenswerten Ausstellungsprogramm einer ambitionierten Galeristin, wie Frau Dr. Anna Scholz und Ihren kunstverständigen Gästen - - meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.