Inhaltsverzeichnis
1 Historische Entwicklung
2 Bindungsverhältnisse in Komplexen 2
3 Die Ligandenfeldtheorie 5
3.1 Allgemeines
3.2 Oktaedrische Komplexe
3.3 High-spin- und low-spin-Komplexe
3.3.1 Spektrochemische Reihe der Liganden
3.3.2 Spektrochemische Reihe der Metallionen
3.4 Die Ligandenfeldstabilisierungsenergie
3.5 Magnetische Eigenschaften
3.6 Der Jahn-Teller-Effekt
3.7 Farbe von Komplexen
3.7.1 d ® d Übergänge
3.8 Einfluß des Ligandenfeldes auf die Ionenradien
3.9 Tetraedrische Komplexe
3.10 Vergleich oktaedrische/tetraedrische Komplexe
3.11 Spinelle
3.11.1 Struktur
3.11.2 Erklärung der Spinellstruktiren mit Hilfe der Ligandefeldtheorie
3.12 Quadreatisch-planare Komplexe
3.13 Übersicht
1 Historische Entwicklung
Einzelne Verbindungen aus der Gruppe der heute als Komplexverbindungen bezeichneten Stoffklasse sind schon sehr lange bekannt. So wurde beispielsweise das Berlinerblau (Fe4[Fe(CN)6]3× n pO (n »14)) schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Farbstoff verwendet.
1798 beobachtete Tassaert, daß sich beim Stehenlassen ammoniakalischer Lösungen von Kobaltchlorid ein orangegelber Niederschlag bildet, der die Zusammensetzung CoCl3× 6 Nphat. Er erkannte dabei, daß es sich um einen neuen Verbindungstyp handelte, weil das Produkt durch Kombination zweier völlig „gesättigter“ Verbindungen enstanden war, jedoch ganz andere Eigenschaften als die beiden Ausgangskomponenten zeigte.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten Chemiker Schwierigkeiten zu verstehen, wie diese „Verbindungen höherer Ordnung“ aufgebaut sein können. Die Bildung einer stabilen Verbindung wie CoCl3× 6 Npschien verwirrend, da das einfache CoCl3instabil ist.
1893 schlug Alfred Werner ein Theorie vor, um die Verhältnisse in Verbindungen dieser Art zu erfassen. Er erkannte, daß eine bestimmte Anzahl an Atomen, Molekülen oder Ionen direkt an ein Zentralteilchen gebunden sein kann und dessen „Koordinationssphäre“ bildet. Ein Metallion besitzt also nicht nur eine charakteristische Ladung, die man als „Hauptvalenz“ bezeichnete, sondern zugleich eine bestimmte Koordinationszahl, welche die Anzahl der in der Koordinationssphäre gebundenen Liganden angibt. Die Bindung der Liganden an das Zentralion geschieht nach Werners Theorie durch die sog. „Nebenvalenzen“, die – ähnlich wie die Valenzen des C-Atoms – räumlich gerichtet sind.
2 Bindungsverhältnisse in Komplexen
Die erste Theorie zur Erklärung der Bindungsverhältnisse in Komplexen nahm einfach an, daß Liganden Elektronenpaare zur Verfügung stellen, um Bindungen mit dem Zentralion einzugehen. Die Liganden lassen sich also als Lewis_basen und das Komplexzentrum als Lewissäure beschreiben. Solche Bindungen nannte man koordinative Bindungen.
Die Weiterentwicklung dieser Theorie führte zur Valence Bond Theory (VB-Theorie). Zur Erklärung der räumlichen Struktur der Metallkomplexe nahm Pauling an, daß unter sich gleichwertige Atomorbitale (durch Hybridisierung con s-, p- und eventuell auch d-Orbitalen) des Metallions durch die freien Elektronenpaare der Liganden aufgefüllt werden. Die Bindung entsteht also durch Überlappung eines gefüllten Ligandenorbitals mit einem leeren Orbital des Zentralteilchens.
Bis in die 40er Jahre blieb diese Theorie nahezu alleinherrschend. Im Laufe der Zeit mußte man jedoch feststellen, daß sie in machen Fällen zu falschen Ergebnissen führte, andere Fälle überhaupt nicht zu erklären vermochte, und für quantitative Betrachtungen (insbesondere angeregter Zustände) kaum zu gebrauchen war. So kann sie die Anzahl der ungepaarten Elektronen in manchen Komplexen nicht erklären und ebenso keine Aussage zur Farbigkeit von Komplexen machen.
An ihre Stelle traten deshalb allmählich Vorstellungen, wie sie bereits um 1930 von Bethe und van Vleck zur Erklärung magnetischen Verhaltens von Ionenkristallen entwickelt wurden. Die ursprünglich rein elektrostatische „Kristallfeldtheorie“ von Bethe wurde später – durch Berücksichtigung, der Tatsache, daß die Bindungen in den Komplexen zweifellos in einem gewissen Ausmaß kovalenten Charakter besitzen – zur „Ligandenfeldtheorie“.
In der Kristallfeldtheorie wird eine Überlappung zwischen Orbitalen des Zentralatoms und der Liganden nicht berücksichtigt. Die Atomorbitale des Zentralatoms und der Liganden werden vielmehr als voneinander völlig getrennt angenommen. Die Komplexe werden als aus Ionen oder Dipolmolekülen aufgebaut betrachtet, welche entsprechend ihrer Raumbeanspruchung möglichst symmetrisch um das Zentralatom herum angeordnet sind.
Da Überlappungen zwischen Orbitalen des Tentralteilchens und der Liganden nicht berücksichtigt werden, und unter der Annahme, die Liganden seien punktförmig, handelt es sich bei der Kristallfeldtheorie nur um eine Näherung. Tatsächlich aber ist das Ausmaß der Überlappung bei den meisten Komplexen der Übergangsmetalle in ihren normalen Oxidationsstufen nur gering, so daß die Kristallfeldtheorie und besonders ihre verbesserte Form, die Ligandenfeldtheorie, relativ gute Ergebnisse liefert. Wird die Überlappung jedoch beträchtlich (so z.B. bei Komplexen der Metalle in ungewöhnlichen Oxidationsstufen), so ist ein zufriedenstellendes Ergebnis nur mittels der MO-Theorie zu erzielen.
3 Die Ligandenfeldtheorie
3.1 Allgemeines
Die meisten Komplexe werden von Ionen der Übergangsmetalle gebildet. Die Übergangsmetallionen haben unvollständig aufgefüllte d-Orbitale. In der Ligandenfeldtheorie wird die Wechselwirkung der Liganden eines Komplexes mit den d-Elektronen des Zentralatoms berücksichtigt. Die Bindung beruht auf der elektrostatischen Anziehung zwischen dem Rumpf des Zentralions und den als Punktladungen betrachteten Liganden. Gleichzeitig stoßen sich jedoch zum einen die äußeren d-Elektronen des Zentralions und die Liganden, zum anderen die Liganden untereinander, gegenseitig ab.
Betrachtet man zunächst das isolierte Ion eines Übergangsmetalls, so haben alle fünf d-Orbitale die gleiche Energie, sie sind also entartet.
Folie 1 (linkes Drittel)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Oktaedrische Komplexe
Betrachten wir nun ein Übergangsmetallion in einem Komplex mit sechs Liganden, die sich in Richtung der drei Raumkoordinaten x,y, und z dem Zentralion nähern.
Folie 2a
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es kommt nun zu der bereits erwähnten Abstoßung der Liganden mit den Elektronen der d-Orbitale des Zentralteilchens. Dadurch erhöht sich die Energie dieser Orbitale um durchschnittlich 20-40 eV. Im kugelsymmetrischen Ligandenfeld sind die fünf d- Orbitale immer noch entartet.
Folie 1 (mit mittlerem Drittel)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wenn man nun aber berücksichtigt, daß es sich nicht um ein kugelsymmetrisches Ligandefeld handelt, ist die Abstoßung für die verschiedenen d-Orbitale unterschiedlich. Zur Verdeutlichung betrachten wir die Orientierung der einzelnen d- Orbitale relativ zu der Anordnung der sechs Liganden.
Folie 2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es wird deutlich, daß die Orbitale dxy, dxzund dyzeine weniger starke Abstoßung hervorrufen, wogegen die Obitale dz2 und dx2-y2 mit den Bereichen höchster Elektronendichte auf die Liganden zeigen, was zu einer Erhöhung der Abstoßung führt. Im oktaedrischen Ligandenfeld sind die d-Orbitale nicht mehr energetisch gleichwertig, die Entartung ist aufgehoben. Es erfolgt eine Aufspaltung in zwei Gruppen von Orbitalen.
Folie 1 (komplett)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Orbitale dxy, dxzund dyz, im oktaedrischen Ligandenfeld als t2g- oder de-Orbitale bezeichnet, sind untereinander äquivalent; sie liegen auf einem niedrigeren Energieniveau als die dz2- und dx2-y2-Orbitale. Diese sind ebenfalls untereinander äquivalent und werden als eg- bzw. dg-Orbitaale bezeichnet.
Die Bezeichnungen t2g und eg bringen zum Ausdruck, daß es sich um dreifach (t = trippel) bzw. zweifach entartete (e = entartet) Orbitale handelt. Im oktaedrischen Ligandenfeld kommen noch der Index g (= gerade) hinzu, da der Oktaeder ein Symmetriezentrum besitzt, welches beim Tetraeder fehlt.
Es ist nicht sofort ersichtlich, daß ein dz2-Orbital einem dx2-y2-Orbital völlig gleichwertig ist. Es wird jedoch verständlich, wenn man bedenkt, daß ein dz2-Orbital als Linearkombination von zwei Orbitalen dz2-y2 und dz2-x2 angesehen werden kann, welche die gleiche Gestalt wie das dx2-y2-Orbital haben, aber lediglich anders orientiert sind.
Folie 5
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da die Zahl der Orbitale auf fünf begrenzt ist, können die Orbitale dz2-y2 und dz2-x2 nicht unabhängig voneinander sein.
Die d-Elektronen werden sich also bevorzugt in den Orbitalen aufhalten, in denen sie möglichst weit von den Liganden entfernt sind, da dort die Abstoßung geringer ist.
Ich fasse nocheinmal kurz zusammen: Es wird ein elektrisches Feld angenommen, das von den negativen Enden der dipolaren Liganden oder von den als Liganden fungierenden Anionen um das zentrale Metallion erzeugt wird. Ein Elektron des Metallions in einem d-Orbital, das auf die Liganden ausgerichtet ist, hat wegen der elektrostatischen Abstoßung eine höhere Energie als ein Elektron, das in einem zwischen den Liganden liegenden d-Orbital ist. Demnach haben in einem oktaedrischen Komplex die eg-Orbitale höhere Energien als die t2g-Orbitale.
Die Energiedifferenz zwischen dem t2g- und dem eg-Niveau, also die Größe der Aufspaltung wird im oktaedrischen Ligandenfeld mit DOoder 10 Dq bezwichnet. Die Größe 10 Dq ist eine Relativgröße, d.h. sie ist willkürlich so festgelegt und gilt für jeden Komplex, auch wenn die Größe der Aufspaltung von Komplex zu Komplex variiert. DOhat eine Größenordnung von 100 bis 500 kJ.
Bezogen auf die mittlere Energie der d-Orbitale ist das t2g-Niveau um 4 Dq erniedrigt, das eg-Niveau um 6 Dq erhöht. Dies ergibt sich aus dem Energieschwerpunktsatz, nach dem beim Übergang vom kugelsymmetrischen zum oktaedrischen Ligandefeld der energetische Schwerpunkt der d-Orbitale sich nicht ändert. Sind alle d-Orbitale mit zwei Elektronen besetzt ergibt sich:
Folie 6
+ 4 ××× 6 Dq – 6 ××× 4 Dq = 0
Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß die durchschnittliche Energie der d-Niveaus sich durch eine „Störung“, wie sie das Ligandenfeld darstellt, nicht ändert. Die Summe aus der durch das Vorhandensein eines Ligandenfeldes bedingten Energiezunahme von 4 eg-Elektronen und Energieabnahme von 6 t2g-Elektronen muß daher gleich Null sein. Das t2g-Niveau liegt also um 4 Dq (2/5 DO) unterhalb des ursprünglichen Niveaus, während das eg-Niveau um 6 Dq (3/5 DO) oberhalb davon liegt.