Ziel der Projektarbeit, welche das übergeordnete Thema „Industrie 4.0 und Handwerk 4.0“ beinhaltet, ist die Analyse und Entwicklung eins Kundenwertmodells für ein innovatives Energiestartup. Im Zuge dessen werden Handlungsempfehlungen zur Aussteuerung von variablen Boni für die Kundenbewertung und -bindung unter Verwendung von Incentives und Profiling erarbeitet.
In Deutschland gibt es immer mehr Stromanbieter. Derzeit liegt die Anzahl über 1200. Im Jahr 1998 wurden die Märkte liberalisiert, wodurch der Verbraucher heute aus über 12.000 Tarifangeboten wählen kann. Zuvor war man an den lokalen Anbieter gebunden. Im Durchschnitt stehen den Verbrauchern in Deutschland je nach Wohnort 91 Stromanbieter zur Verfügung. In den letzten Jahren haben sich die Wettbewerbsbedingungen verbessert und die Markmacht der größten Stromerzeugungsunternehmen ist deutlich geringer geworden. Gemäß § 18 Abs. 4 und 6 GWB geht das Bundeskartellamt davon aus, dass inzwischen kein Anbieter marktbeherrschend ist. Der Preiswettbewerb wird insbesondere durch Billigstromanbieter beziehungsweise Strom-Discounter angetrieben.
Das Energiestartup „Bliss“ möchte als off brand Marke von Innogy den Markt verändern und mit dem Versprechen „Strom umsonst“ in den Markt eintreten. Das Geschäftsmodell, welches insbesondere Aspekte der Aufmerksamkeitsökonomie aufgreift, lässt sich wie folgt beschreiben: Mittels einer App haben Kunden die Möglichkeit beispielsweise an Um-fragen teilzunehmen und Werbung zu schauen, um im Gegenzug temporär Freistrom zu erhalten. Bei der Gestaltung der „Tickets“ hat Bliss viele Möglichkeiten. Es können Umfragen, Werbe-, Quiz- und Cashback-Aktionen geschaltet werden. Bei diesem innovativen Geschäftsmodell ist es umso wichtiger die attraktiven Kunden zu identifizieren, für sich zu gewinnen und sie schließlich langfristig zu binden. Für eine langfristige Kundenbeziehung ist das Customer-Relationship-Management unumgänglich; hier werden variable Boni individuell an den Kunden angepasst und ausgesteuert.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1.. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit
2... Grundlagen
2.1 Kundenwertmodelle
2.1.1 Definition und Abgrenzung
2.1.2 Ein/- mehrdimensionale Methoden der Kundenwertberechnung
2.2 Incentivierung
2.3 Profiling
3. Analyse eines Kundenwertmodells fur ein innovatives Energiestartup
3.1 Eindimensionale Methoden
3.1.1 ABC-Umsatzanalyse
3.1.2 Kundendeckungsbeitragsrechnung
3.1.3 Customer-Lifetime-Value
3.2 Mehrdimensionale Methoden
3.2.1 Scoring Modelle
3.2.2 Portfolio-Analyse
4... Herleitung eines Losungsansatzes zur Bewertung und Bindung von Kunden
4.1 Entwicklung und Anwendung eines Kundenwertmodells fur Bliss
4.2 Handlungsempfehlungen zur Unterstutzung des Kundenwertmodells mittels Incentivierung und Profiling
5... Fazit und Ausblick
Verzeichnis der Rechtsnormen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Beispiel einer umsatzbezogenen ABC-Analyse.
Abbildung 2: Vereinfachte Formel zur Berechnung von Customer-Lifetime-Value
Abbildung 3: 9 Feldermatrix bezogen auf Kunden
Abbildung 4: Berechnung der fur den Score relevanten Summe der quantitativen Kriterien
Abbildung 5: Quantitative Kriterien
Abbildung 6: Qualitative Kriterien
Abbildung 7: Handlungsempfehlungen fur Bliss entlang dem Kundenlebenszyklus
Abbildung 8: Nike+ App
Abbildung 9: Die drei Phasen des Personalisierungsprozesses von Empfehlungssystemen
Abbildung 10: Beispiel von NPS Survey
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Ziel der Projektarbeit, welche das ubergeordnete Thema „Industrie 4.0 und Handwerk 4.0“ beinhaltet, ist die Analyse und Entwicklung eins Kundenwertmodells fur ein innovati- ves Energiestartup. Im Zuge dessen werden Handlungsempfehlungen zur Aussteuerung von variablen Boni fur die Kundenbewertung und -bindung unter Verwendung von Incentives und Profiling erarbeitet.
In Deutschland gibt es immer mehr Stromanbieter. Derzeit liegt die Anzahl uber 1200. Im Jahr 1998 wurden die Markte liberalisiert, wodurch der Verbraucher heute aus uber 12.000 Tarifangeboten wahlen kann. Zuvor war man an den lokalen Anbieter gebunden. Im Durchschnitt stehen den Verbrauchern in Deutschland je nach Wohnort 91 Stromanbieter zur Verfugung. In den letzten Jahren haben sich die Wettbewerbsbedingungen verbessert und die Markmacht der groBten Stromerzeugungsunternehmen ist deutlich geringer ge- worden. GemaB § 18 Abs. 4 und 6 GWB geht das Bundeskartellamt davon aus, dass inzwi- schen kein Anbieter marktbeherrschend ist. Der Preiswettbewerb wird insbesondere durch Billigstromanbieter beziehungsweise Strom-Discounter angetrieben.1
Das Energiestartup „Bliss“ mochte als off brand Marke von Innogy den Markt verandern und mit dem Versprechen „Strom umsonst“ in den Markt eintreten. Das Geschaftsmodell, welches insbesondere Aspekte der Aufmerksamkeitsokonomie aufgreift, lasst sich wie folgt beschreiben: Mittels einer App haben Kunden die Moglichkeit beispielsweise an Um- fragen teilzunehmen und Werbung zu schauen, um im Gegenzug temporar Freistrom zu erhalten. Bei der Gestaltung der „Tickets“ hat Bliss viele Moglichkeiten. Es konnen Um- fragen, Werbe-, Quiz- und Cashback- Aktionen geschaltet werden. Bei diesem innovativen Geschaftsmodell ist es umso wichtiger die attraktiven Kunden zu identifizieren, fur sich zu gewinnen und sie schlieBlich langfristig zu binden. Fur eine langfristige Kundenbeziehung ist das Customer-Relationship-Management unumganglich; hier werden variable Boni in- dividuell an den Kunden angepasst und ausgesteuert.
1.2 Aufbau der Arbeit
Zu Beginn der Projektarbeit wird ein Uberblick uber Kundenwertmodelle, Incentivierung und Profiling geboten. Diese Themen bilden das Fundament der Analyse und Entwicklung eines Kundenwertmodells fur ein innovatives Energiestartup. Im dritten Kapitel werden ein- und mehrdimensionale Methoden zur Bewertung von Kunden in Bezug auf Bliss vor- gestellt und analysiert. Die eindimensionalen Methoden umfassen die ABC-Umsatzanalyse, die Kundendeckungsbeitragsanalyse und den Customer-Lifetime-Value. Scoring-Modelle und Portfolio-Analysen lassen sich den mehrdimensionalen Methoden zuordnen. Im Hauptteil werden Losungsansatze zur Bewertung und Bindung von Kunden erlautert. Im Rahmen dessen wird ein Kundenwertmodell fur Bliss anhand der zuvor analysierten Methoden entwickelt und mittels eines Beispiels angewendet. AuBerdem liefert die Projektar- beit Handlungsempfehlungen zur Unterstutzung des zuvor entwickelten Kundenwertmo- dells, wobei insbesondere auf Incentivierung und Profiling Bezug genommen wird. Im Fazit folgt eine kritische Hinterfragung der Ergebnisse mit anschlieBendem Ausblick.
2. Grundlagen
2.1 Kundenwertmodelle
2.1.1 Definition und Abgrenzung
Im Folgenden sollen die Begriffe des Kundenwertes und den damit zusammenhangenden Kundenwertmodellen fur den Inhalt dieser Arbeit klar definiert und abgegrenzt werden. Samtliche Erwahnungen dieser Fachtermini greifen im Weiteren somit auf die nun ange- stellten und erlauterten Definitionen zuruck. Den Kundenwert kann man okonomisch auf zwei verschiedene Arten interpretieren. Zum einen als sogenannten „customer value“, den Kundenwert aus Kundensicht2 und zum anderen als „customer equity“, den Kundenwert aus Unternehmenssicht, der den okonomischen Wert eines Kunden beschreibt.3 Dies sind allgemein verbreitete Definitionen und werden im Fachjargon synonym verwendet.4 Inhalt dieser Arbeit ist der „customer equity“, also die Betrachtung des Kundenwertes aus der Sicht des Unternehmens, abschlieBend speziell aus der Sicht der Innogy SE. Daraus abge- leitet sind Kundenwertmodelle Modelle, die es einem Unternehmen ermoglichen, die Wer- tigkeit einzelner Kunden oder Kundensegmente in Kategorien einzugliedern und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten, welche Strategie bei welcher Art von Kunden ange- wendet wird. Mit dem Kundenwert stark korrelierende und im Zusammenhang stehende Begriffe sind die der Kundennahe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, deren Wert jedoch „selten (...) empirisch uberzeugend festgestellt“5 werden kann. Die Kundenbewer- tung beruht dementsprechend auf GroBen, mit deren Hilfe die Bedeutung eines Kunden bewertet werden kann.6 Dabei ist jedoch herauszuheben, dass es „keine einheitliche Sys- tematisierung vorhandener Ansatze zur Bewertung von Kunden“7 gibt. So wurden sich erste Beitrage hierzu mit der Bestimmung des okonomischen Wertes anhand einer Investi- tionsrechnung beschaftigen, die durch Gegenuberstellung aller kundenbezogenen Ein- und Auszahlungen einen Nettobarwert ermitteln lasst.8 Wahrend erste Modelle streng monetare Rahmen schufen, haben sich mit der Zeit viele weitere Ansatze zur Kundenbewertung entwickelt. Nicht-monetare GroBen, also GroBen, die nicht direkt quantifizierbar sind, ha- ben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen und Einzug in neu entwickelte Kundenwertmodelle erhalten. Man spricht auch von okonomischen, bzw. monetaren, und nicht-okonomischen, bzw. nicht-monetaren GroBen,9 wobei in anderen Quellen auch von monetaren und monetarisierbaren Kriterien die Rede ist.10 Hier findet man noch eine weite- re Stufe der Abgrenzung vor. Neben den okonomisch-monetaren GroBen wie dem Umsatz oder dem Deckungsbeitrag (im Folgenden als „DB“ bezeichnet), den nicht-okonomisch- monetarisierbaren GroBen wie Kundenpraferenzen oder dem Cross-Selling-Potential („Cross Selling bezeichnet den Verkauf zusatzlicher Produkte oder Dienstleistungen, die keine Substitute der Erstleistung darstellen. (...) Die Zusatzleistung kann dabei aus dem eigenen Sortiment des Anbieters stammen oder durch den Anbieter zugekauft werden.“11 ), existieren zudem okonomisch-monetarisierbare GroBen, wie dem Bedarfsvolumen und dem Umsatzpotential. Der Ubergang zwischen einzelnen Kategorien wird zunehmend un- scharfer, es ist der Versuch erkennbar, nicht-quantifizierbare qualitative GroBen in messba- re und verwertbare Daten umzuwandeln, um Strategien der Kundenbewertung abzuleiten. Um die in dieser Arbeit analysierten Kundenwertmodelle klar voneinander abgrenzen zu konnen, wird eine Unterteilung anhand Ein- und Mehrdimensionalitat vorgenommen, eine Methode zur Kundensegmentierung, also Kundenbewertung, die im Folgenden genauer erlautert werden soll.
2.1.2 Ein/- mehrdimensionale Methoden der Kundenwertberechnung
Als eindimensionale Modelle werden Verfahren bezeichnet, die auf einem Kriterium basie- ren.12 Gibt es bereits einige Modelle, die auf den „direkt verfugbaren Daten des Rech- nungswesens“13 aufbauen (zum Beispiel Umsatz oder DB je Kunde, also quantitativ), so erhalten inzwischen auch qualitative Segmentierungsmethoden Einzug in eindimensionale Bewertungen. Als mehrdimensionale Ansatze werden solche bezeichnet, die als Bewer- tungsgrundlage mehrere Kriterien beinhalten und sich somit nicht auf einen zentralen As- pekt fokussieren. So ergibt sich fur eine bessere Trennbarkeit und Transparenz eine drei- stufige Differenzierungsmoglichkeit einzelner Modelle. Neben der Unterscheidung, ob ein- oder mehrdimensional bewertet wird, quantitativ oder qualitativ, konnen Modelle des Wei- teren verschiedenen „Zuordnungen“ unterliegen. Auf der einen Seite die sogenannte „indi- viduelle Darstellung“, die impliziert, dass jeder Kunde separat bewertet wird, auf der ande- ren Seite die „kumulierte Darstellung“, die Kunden in vorher festgelegte Segmente einord- net und zu Kundengruppen zusammenfasst. Auf diese Weise lasst sich fur jedes Modell bestimmen, ob es eindimensional-individuell, eindimensional-kumuliert, mehrdimensional- individuell oder mehrdimensional-kumuliert ist. Innerhalb dieser Einstufung erfolgt die oben bereits beschriebene Trennung zwischen der qualitativen und quantitativen Segmen- tierung.14
Mehrdimensionale Methoden konnen dabei sowohl qualitative als auch quantitative Krite- rien einflieBen lassen: „Die Frage, wie attraktiv Kunden fur ein Unternehmen sind, kann anhand von Kriterien wie derzeitige Bedarfsvolumen, deren erwartetes Wachstum, Preis- bereitschaft, Bonitat, Ertragskraft, DB-Potenzial, Referenzwert, allgemeine Loyalitat usw. beantwortet werden.“15 Dabei kann jedes Unternehmen individuell festlegen, welche Krite- rien wie stark gewichtet werden, immer angepasst an die eigenen Strategie, Handlungsvo- lumina und das jeweilige Ziel, welches mit der Kundenbewertung verfolgt werden soll. Hierbei ist zu betonen, dass sich diese Arbeit ausschlieBlich mit Geschaftsbeziehungen beschaftigt, deren Rahmenbedingungen vertraglich geregelt sind, da an dieser Stelle eine weitere Unterscheidung getroffen wird, ob es sich um vertraglich festgelegte oder spekula- tive Beziehungen zwischen Kunde und Unternehmen handelt.16 Daraus folgt, dass nur Kunden betrachtet werden, die bereits einen gultigen Vertrag besitzen17, wodurch die Be- deutung von Bestandskunden deutlich wird: „Solange sich auf Bestandskunden kon- zentriert wird und diese erhalten bleiben, bleibt der Marktanteil gleich. Wird ein Bestands- kunde verloren, sinkt der Marktanteil und der Umsatz leidet.“18
AbschlieBend lasst sich formulieren, dass eine moglichst optimale Kundenbewertung fur jedes Unternehmen von elementarer Bedeutung ist, der Entscheidungsprozess jedoch auf- grund vielschichtiger Entscheidungen weder eindeutig noch trivial ist, wodurch den ver- schiedenen Modellen mit ihren Bewertungsmethoden eine noch groBere Relevanz zu- kommt. Unternehmen soll somit die Aufteilung der verfugbaren Ressourcen pro Kunde erleichtert und ubersichtlich gestaltet werden.
2.2 Incentivierung
Da im Rahmen dieser Arbeit Handlungsempfehlungen fur „Tickets“ von Bliss entwickelt werden sollen, die attraktive Kunden mittels Incentivierung und Profiling gewinnen und halten konnen, ist es sinnvoll, zuerst der Begriff von Incentivierung (bzw. Incentive auf Englisch) zu erklaren. In der Definition von Laurie & Lynn wird vor allem der motivieren- de Charakter von Incentives beschrieben, dass ein Incentive in Form von Zahlung oder Geschenk als Anreiz zur Teilnahmebereitschaft bedeuten kann.19 Der erweiterte Charakter wird in der Definition von Schnell als kleine Geschenke, seltene Dienstleistungen und vor allem finanzielle Entlohnungen bezeichnet.20 Hierbei kann ein Incentive aus Kundenper- spektive als Bezahlung oder Aufmerksamkeit wahrgenommen werden.
Laut der oben genannten Definitionen kann man zwischen monetaren und nicht-monetaren Incentives unterscheiden. AuBerdem lassen sich Incentives zu verschiedenen Zeitpunkten unterscheiden, zum einen „Prepaid“ (bzw. vor Beginn ausgegebene) Incentive, zum ande- ren „Postpaid“ Incentive, der erst im Nachherein mit verbindliche Zusage oder durch Ver- losung ausgegeben wird.21 Eine besonders zu erwahnende Darstellung hat Incentives zwi- schen „Self-benefiting“ und „Other-benefiting“ Incentives unterteilt, wobei „Self- benefiting“ direkte Nutzen fur Teilnehmer und „Other-benefiting“ die Nutzen fur anderer Person oder Gruppe, wie z.B. Familie, Angestellter und Spender, bezeichnet.22
In der Praxis wird Incentivierung haufig bei der Umfrage verwendet, deren Auswirkung von einer Vielzahl an Studien erforscht wurden, dass die Teilnahmerate und Datenqualitat mittels Incentivierung eine Verbesserung aufweisen.23 Die Grundidee von Vertriebsstrate- gien durch Preisdiskriminierung wie Cashback und Coupon lasst sich auch durch Incenti- vierung erklaren. Der Marketingansatz „Cashback-Affiliate“, der sich durch die Merkmale von Affiliate Marketing und Digital Promotion kennzeichnet, zeigt als Werbungstrategien die Effizienz mittels monetare Incentives auf.24
2.3 Profiling
Im Zuge der Digitalisierung und dem Einsatz von Informationstechnologien hat sich auch die Art und Weise, wie Marketing betrieben wird, verandert. Der Zugriff auf groBe Men- gen an Kundendaten bietet dem Unternehmen die Moglichkeit, einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, denn sie erhalten tiefe Einblicke in die Bedurfnisse ihrer Kunden. Der Pro- zess der Datensammlung und die Erstellung von Datenbanken stellen dabei Schlusselfunk- tionen dar.25 Dabei stellt sich heraus, dass sich die Kunden nicht mehr zu homogenen Gruppen zusammenfassen lassen, sondern nach ihren spezifischen Praferenzen individuell angesprochen werden mussen.26
Eine Moglichkeit hierzu bietet das sog. Kundenprofiling. Robert M. Goldwyn bezeichnet Profiling als das Verfassen eines biografischen Essays, in dem alle nennenswerten Charak- tereigenschaften eines Subjektes vorgestellt und zu einem Profil verdichtet wer- den.27. Profiling ist somit die Erstellung des Gesamtbildes einer Personlichkeit zum Zwecke der Identifikation, Uberwachung und zur Verhaltensvorhersage.
Eine Weiterfuhrung des individualisierten Kundenprofilings stellt das zielgruppenorientier- te Direktmarketing dar.28 Da die relevanten Informationen in Datenbanken gespeichert und verwaltet werden, spricht man vom Datenbanken Marketing. Es handelt sich beispielswei- se um Transaktionsdaten, Daten zum Social Media Verhalten sowie Informationen uber das Aktions-, Kauf- und Reaktionsverhalten.29 Das Data Mining dient dabei der Suche nach kundenbezogenen Daten, die anschlieBend nach Mustern und Trends durchsucht werden, um nutzliche Informationen zu extrahieren. Das bildet die Grundlage, um auf die individu- ellen Wunsche und Praferenzen der Kunden eingehen, um eine Kundenbeziehung aufbau- en und aufrechterhalten zu konnen, also ein gelingendes Kundenbeziehungsmanagement gestalten zu konnen.30 Damit konnen nun MarketingmaBnahmen und Werbebotschaften entsprechend der individuellen Kundenbedurfnisse eingesetzt werden. Zielgerichtete und personalisierte Informationen ermoglichen den Aufbau von engen Kundenbeziehungen (CRM). Dabei spiel der Datenschutz eine wichtige Rolle, um gleichzeitig dem Kunden zu zeigen, dass nicht in ihre Privatsphare eingegriffen wird.31
3. Analyse eines Kundenwertmodells fur ein innovatives Energiestartup
3.1 Eindimensionale Methoden
3.1.1 ABC-Umsatzanalyse
Die auf den Umsatz basierende ABC-Analyse ist eine von vielen eindimensionalen Methoden, den Wert eines Kunden zu ermitteln. Sie gehort in der Praxis zu den meist verbrei- tetsten Instrumenten der Kundenbewertung. Hierbei wird monetar der Umsatz des jeweili- gen Kunden ins Verhaltnis zum Gesamtumsatz der Unternehmung gesetzt.32 Der Ansatz dieser Methode stutzt sich auf die Pareto-Regel, aus der hervorgeht, dass 20% der Kunden 80% des Gesamtumsatzes generieren. Die Kunden, welche also den groBten Anteil am Umsatz einer Unternehmung haben, werden als Kunden der Kategorie A bezeichnet, wah- rend B-Kunden weniger Anteil am Gesamtumsatz besitzt und C-Kunden nur einen Bruch- teil ausmachen. Diese kategorische Einteilung lasst sich graphisch anhand einer Lorenz- kurve darstellen. In der Graphik stellt die Abszisse den prozentualen kumulierten Anteil am Kundenbestand dar, wahrend die Ordinate den kumulierten Umsatz in Prozent angibt. Die Lorenzkurve steigt also anfangs stark und flacht bei hoher werdendem Anteil am Kun- denbestand immer weiter ab. Ein A-Kunde verspricht also dem Unternehmen in der ABC- Umsatzanalyse aufgrund seines hoheren Anteils am Gesamtumsatz entsprechend einen hoheren Kundennutzen und -wert als ein B- oder C-Kunde.33
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Beispiel einer umsatzbezogenen ABC-Analyse (Quelle: Entnommen aus Lennartz (2016), S.120)
Ein Beispiel einer umsatzbezogenen ABC-Analyse stellt die Abbildung 1 dar. Hier bilden 20% des Kundenstamms 80% des Gesamtumsatzes, was dem Pareto-Prinzip entspricht. Alle Kunden, welche in diese Kategorie fallen, sind also A-Kunden. Die B-Kunden beste- hen aus weiteren 25% des Kundenstamms und generieren 15% des Gesamtumsatzes, wah- rend die restlichen 55% C-Kunden sind und nur 5% des Umsatzes ausmachen. Ware der Umsatz gleich auf alle Kunden verteilt, wurde die Lorenzkurve als eine 45 Grad steigende Gerade verlaufen.34
Die ABC-Analyse lasst sich durch die eindimensionale Herangehensweise und die leichte Zuordnungsmoglichkeit der Umsatze auf die Kunden einfach durchfuhren. Jedoch liegt genau in dieser Simplizitat und Eindimensionalitat auch die Schwache der Methode. Es wird durch die ausschlieBliche Betrachtung des Kundenumsatzes und die daraus resultie- rende Missachtung, der durch den Kunden verursachten Kosten, ein wirtschaftliches Feh- lerpotenzial geschaffen. Der Deckungsbeitrag konnte von B-Kunden groBer als der von A- Kunden sein, wenn diese geringere Kosten verursachen. Daruber hinaus wird der Kunde im Ist-Zustand fur seine Umsatze der Vergangenheit bewertet. Diese statische Zeitdimen- sion fuhrt dazu, dass gegenwartige Veranderungen hierbei nicht betrachtet werden. Auch zukunftige Potenziale fur B- und C-Kunden werden vollig auBen vor gelassen, sodass der Nachhaltigkeitsaspekt des Modells deutlich kritisiert werden muss.35
Auch fur Bliss ware eine reine ABC-Analyse zur Kundenbewertung nicht sinnvoll. Hier wird rein der wirtschaftliche Aspekt der Vergangenheit betrachtet. Jedoch besteht das Po- tenzial der App auch darin, durch Profiling Informationen vom Kunden zu bekommen, ob ein C-Kunde einer umsatzbezogenen ABC-Analyse das Potenzial hat, in Zukunft A-Kunde zu werden. Wenn beispielsweise der C-Kunde 1 durch eine Umfrage preisgibt, dass er ein 24 jahriger Masterstudent ist, lasst sich daraus schlieBen, dass dieser mit erhohter Wahr- scheinlichkeit uberdurchschnittlich verdient.36 Das zukunftige Potenzial fur eine Entwicklung zu einem zahlungskraftigen Kunden, welcher somit mehr finanzielle Mittel fur Affiliate-Sells hat und sich auch einen hoheren Stromverbrauch leisten kann, wird bei einer rei- nen ABC-Analyse nicht beachtet. C-Kunde 1 kann also nicht von C-Kunde 2 unterschie- den werden, welcher im letzten Jahr gleich viel Umsatz erbracht hat, jedoch bei Umfragen angibt, 40 Jahre alt zu sein und einen Hauptschulabschluss zu besitzen. Diese verschiede- nen Potenziale und Kundenwerte konnen durch das Einsetzen von Profiling bei Bliss er- mittelt werden, jedoch nicht mit einer reinen ABC-Analyse.
3.1.2 Kundendeckungsbeitragsrechnung
Eine weitere Moglichkeit Kundenwerte zu ermitteln, liegt in der Kundendeckungsbeitrags- rechnung (KDBR). Auch diese Methode ist wie die bereits beschriebene ABC-Analyse eindimensional und monetar. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Model- len liegt darin, dass nun nicht nur Umsatze, sondern auch die durch den Kunden verursach- ten Kosten beachtet werden. Dies uberwindet das oben genannte Fehlerpotenzial bei reiner Umsatzbetrachtung.37
Es gibt verschiedenste Herangehensweisen eine solche Rechnung durchzufuhren. Man unterscheidet zwischen einstufigen (Direct Costing) und mehrstufigen Modellen, als auch bei der Wahl der fokussierten Kostenart zwischen variablen Kosten und kundenbezogenen Einzelkosten.38
Im Folgenden wird exemplarisch auf das mehrstufige Modell auf Basis kundenbezogener Einzelkosten eingegangen. Ziel ist es hierbei die durch den Kunden erbrachten Umsatze mit den durch den Kunden verursachten Kosten zu verrechnen. Es werden zunachst pro- duktspezifische Kosten einzelnen Auftragen zugeordnet, welche dann schlussendlich dem jeweiligen Kunden zugeordnet werden.39 Betrachtet man den Grundaufbau einer solchen KDBR, lasst sie sich in vier grobe Schritte einteilen. Als Grundlage wird der Kundenbrut- toerlos pro Periode gewahlt. Im ersten Schritt werden Erlosschmalerungen, wie zum Bei- spiel Rabatte, abgezogen, wodurch man den Kundennettoerlos pro Periode erhalt. Subtra- hiert man hier die variablen Herstellungskosten bezogener Leistung des jeweiligen Kunden, so erhalt man den produktbezogenen Kundendeckungsbeitrag I. Werden von diesem Betrag wiederum die eindeutig kundenbedingten Auftragskosten, wie beispielsweise Ver- sandkosten, abgezogen, ergibt sich der auftragsbezogene Kundendeckungsbeitrag II. Um im letzten Schritt den kundenbezogenen Kundendeckungsbeitrag III zu errechnen, subtra- hiert man eindeutig kundenbedingte Besuchskosten (z.B. Spritkosten) und sonstige relative Einzelkosten des Kunden pro Periode. Darunter versteht man beispielsweise das Gehalt eines speziell zustandigen Key-Account Managers.40
An diesem Kundendeckungsbeitrag III wird dann letztendlich der Wert eines Kunden ge- messen. Je hoher der Deckungsbeitrag III des jeweiligen Kunden ausfallt, desto hoher ist folglich auch sein Wert fur die Unternehmung.
Um solch eine Rechnung durchfuhren zu konnen, bedarf es jedoch einer strukturierten Da- tenorganisation. Kosten im Bereich der Kundenbetreuung werden oftmals nicht als kun- denspezifische Einzelkosten, sondern als Vertriebs- und Verwaltungskosten verbucht. Dadurch lassen sich jedoch solche unechten Gemeinkosten, das heiBt kundenspezifische Einzelkosten, die in der Buchhaltung wie Gemeinkosten behandelt werden, nicht mehr klar dem Kunden zuordnen.41
Der Vorteil der KDBR im Vergleich mit der ABC-Analyse, dass man kundenbezogene Kosten ins Verhaltnis zum erbrachten Umsatz des Kunden setzt, kann durch die sich stei- gernde Komplexitat auch zum Nachteil werden. Zudem wird auch hier nur retrospektiv und statisch gearbeitet, wodurch Kunden mit zukunftigem Potenzial auBer Acht gelassen werden.42
Der letztere Aspekt ist im Bezug zu Bliss der entscheidendste Kritikpunkt. Wie auch schon bei der ABC-Analyse wurde unter reiner Anwendung dieses Kundenwertmodells Potenzial zukunftiger wertvoller Kunden verloren gehen. Die durch Profiling ermoglichten Fahigkei- ten, gezielt langfristige bedeutungsvolle Kunden herauszufiltern, konnen hier nicht mit einflieBen.
3.1.3 Customer-Lifetime-Value
Der Customer-Lifetime-Value (CLV) basiert auf die Verfahren der dynamischen Investiti- onsrechnung.43 Im Gegensatz zu anderen Kundenwertmodellen werden sowohl vergangene bzw. derzeitige als auch zukunftige Ein- oder Auszahlung eines Kunden betrachtet.44 Der CLV beschreibt Erfolgstrachtigkeit einer Investition in der Kundenbeziehung uber die ge- samte (voraussichtliche) Geschaftsdauer.45
Bei der Berechnung werden die prognostizierten Ein- und Auszahlung gemaB der dynami- schen Investitionsrechnung bewertet, d.h. zukunftige Ertrage werden diskontiert, und es erfolgt eine Aufsummierung aller diskontierten Barwerte in Zeitpunkt t0.46 Demnach kann die Berechnung des CLV wie in Abbildung 2 gezeigte vereinfachte Formel dargestellt werden, wobei e die Einzahlung, a die Auszahlung, i den Diskontierungsfaktor und n den Betrachtungshorizont bezeichnet. Neben den rein monetaren GroBen enthalt eine erweiterte Berechnung auch nicht-monetaren GroBen, wie z. B. das Referenzpotenzial, Cross-Selling- Potenzial oder das Informationspotenzial, die sich in Form von Ein- und Auszahlungen ausdrucken lassen.47
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Vereinfachte Formel zur Berechnung von Customer-Lifetime-Value Quelle: Entnommen aus Homburg (2017), S. 1229.
[...]
1 Vgl. Stromauskunft (2018).
2 Vgl. Krafft (2007), S. 44.
3 Vgl. Krafft (2007), S. 44.
4 Vgl. Gunter/Helm (2001), S. 239.
5 Krafft (2007), S. 43.
6 Vgl. Krafft (2007), S. 74.
7 Krafft (2007), S. 74.
8 Vgl. Krafft (2007), S. 44.
9 Vgl. Krafft (2007), S. 74.
10 Vgl. Gunter/Helm (2001), S. 240.
11 Maitzen (2016), S. 9.
12 Vgl. Krafft (2007), S. 75.
13 Krafft (2007), S. 75.
14 Vgl. Krafft (2007), S. 75.
15 Krafft (2007), S. 82.
16 Vgl. Krafft (2007), S. 51.
17 Vgl. Krafft (2007), S. 83.
18 Vgl. Institut fur Jungunternehmen (2015).
19 Vgl. Laurie/Lynn (2008), S. 205.
20 Vgl. Schnell (2012), S. 181f.
21 Vgl. Porter (2004), S. 13.
22 Vgl. Giebelhausen (2016), S. 59.
23 Vgl. Porter (2004), S. 13.
24 Vgl. Ho/Ho/Tan (2013), S. 3.
25 Vgl. Shaw/Subramaniam/Tan/Welge (2001), S. 127.
26 Vgl. Shaw/Subramaniam/Tan/Welge S. 132.
27 Vgl. Goldwyn (2004), S. 174.
28 Vgl. Shaw/Subramaniam/Tan/Welge (2001), S. 132 f.
29 Vgl. Rygielski/Wang/Yen (2002), S. 484.
30 Vgl. Shaw/Subramaniam/Tan/Welge (2001), S. 128.
31 Vgl. Rygielski/Wang/Yen (2002), S. 495.
32 Vgl. Lennartz (2016), S. 107.
33 Vgl. Hinterhuber/Matzler (2009), S. 248.
34 Vgl. Wilde/Hippner (2004), S. 302.
35 Vgl. Helm/Gunter/Eggert (2017), S. 503ff.
36 Vgl. Muller-Peters (2017), S. 21.
37 Vgl. Kleinaltenkamp et al. (2011) S.120.
38 Vgl. Lennartz (2016) S.124.
39 Vgl. Helm/Gunter/Eggert (2017) S.17f.
40 Vgl. Kleinaltenkamp et al. (2011) S.121.
41 Vgl. Kleinaltenkamp et al. (2011) S.116.
42 Vgl. Lennartz (2016) S.126.
43 Vgl. Haller (2016), S. 230.
44 Vgl. Helm/Gunter/Eggert (2017), S. 118f.
45 Vgl. Haller (2016), S. 230.
46 Vgl. Homburg (2017), S. 1229.
47 Vgl. Homburg (2017), S. 1230f.