Ziel dieser Arbeit ist ein Überblick zum Forschungsstand des Themas Kinderlosigkeit bei Männern. Nicht geliefert werden kann der volle Umfang der bisherigen Forschung. Die genannten Studien sollen dabei lediglich rezipiert, nicht jedoch in ihrem methodischen Vorgehen ausführlich und kritisch beurteilt werden.
Kinderlosigkeit ist seit Langem ein in der empirischen Sozialforschung beobachtetes Phänomen. Im soziologischen Diskurs finden sich häufig Studien, welche die sozioökonomischen Merkmale von Kinderlosen untersuchen. Die Ursachen für Kinderlosigkeit werden zumeist in handlungstheoretische Konzepte generativen Handelns eingebettet. Der Fokus liegt dabei häufig auf dem generativen Verhalten von Frauen. Nur selten wird das Phänomen Kinderlosigkeit von Männern untersucht.
Die marginale Berücksichtigung der Kinderlosigkeit bei Männern wird zum Teil auf biologische Gründe geschoben. Die fruchtbare Phase von Männern sei unbestimmbar, was die Einstufung als endgültig kinderlos für Männer quasi unmöglich macht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Forschungsstand
2.1 Quantitative Studien
2.2 Qualitative Studien
2.3 Ausländische Studien
2.4 Spezifische Studien
2.5 Interdisziplinäre Forschung
2.6 Zusammenfassung und kritische Beurteilung
3 Theoriebezug und Schlussbetrachtung
3.1 Konzepte der Normativität
3.2 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Kinderlosigkeit ist seit langem ein in der empirischen Sozialforschung beobachtetes Phänomen. Im soziologischen Diskurs finden sich häufig Studien, welche die sozioökonomischen Merkmale von Kinderlosen untersuchen (Bujard 2015). Die Ursachen für Kinderlosigkeit werden zumeist in handlungstheoretische Konzepte generativen Handelns eingebettet. Der Fokus liegt dabei häufig auf dem generativen Verhalten von Frauen. Nur selten wird das Phänomen Kinderlosigkeit von Männern untersucht (vgl. Eckhard& Klein 2014, S. 311).
Die marginale Berücksichtigung der Kinderlosigkeit bei Männern wird z.T. auf biologische Gründe geschoben. Die fruchtbare Phase von Männern sei unbestimmbar, was die Einstufung als endgültig kinderlos für Männer quasi unmöglich macht (vgl. ebd.). Ferner wird argumentiert, dass nach heutigem Rollenverständnis Frauen für Kinder „[...] und daher auch für die Kinderlosigkeit“ (Schmitt& Winkelmann 2005, S. 10) zuständig seien. Die einseitige Betrachtung der Ursachen für Kinderlosigkeit sei demnach auf ideologische Gründe zurückzuführen. Die Vernachlässigung von Kinderlosigkeit bei Männern ist jedoch neben biologischen und ideologischen auf rein praktische Gründe zurückzuführen: Es gibt wenige Erhebungen, in welchen die Anzahl der leiblichen Kinder von Männern erfragt wird. Bei Forschung mit amtlichen Daten wie dem Mikrozensus ist die genaue Zuordnung leiblicher Kinder zu Vätern in Familien mit alleinerziehender Mutter sogar unmöglich (ebd.). Somit beschränken sich Untersuchungen der Kinderlosigkeit bei Männern meist auf Einstellungs-, Lebensverlaufs- und Lebensstilforschung, sowie Forschung zu den sozioökonomischen Merkmalen kinderloser Männer. Der Unterschied zu Untersuchungen der Determinanten von Kinderlosigkeit bei Frauen liegt darin, dass die Merkmale kinderloser Männer auf Grund von Datenmangel häufig nicht mit den Merkmalen von Männern, die Kinder haben, verglichen werden können.
In den letzten Jahren hat die Betrachtung der Determinanten der Kinderlosigkeit bei Männern jedoch Aufwind erfahren. Betrachtet man die Anzahl kinderloser Männer im Vergleich zur Anzahl kinderloser Frauen, so zeigen aktuelle Zahlen des DELTA-Instituts, dass der Anteil kinderloser Männer zwischen 30 und 50 Jahren bei 26 Prozent (4,4 Mio.) liegt. Im Vergleich dazu sind 22 Prozent (2,6 Mio.) der Frauen im Alter von 30 bis 50 Jahren kinderlos (vgl. Wippermann 2015).
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Datensätzen und differenzierten Studien, die ebenso Informationen über die Charakteristika kinderloser Männer bieten (bspw. Bamberger-Ehepaar- Panel, SOEP, Familiensurvey, pairfam, diverse qualitative Studien). Das Anliegen dieser Arbeit ist es, einen komprimierten Einblick in den Forschungsstand zum Thema Kinderlosigkeit bei Männern aufzuzeigen. Dabei geht es in erster Linie darum, zu zeigen, welche Aspekte des Forschungsgegenstandes beleuchtet wurden und welche Ergebnisse aus den jeweiligen Studien folgten. Es wird unterschieden in quantitative, qualitative und Studien aus dem Ausland, sowie Studien, die spezielle Aspekte des Forschungsgegenstandes beleuchten und interdisziplinäre Forschung. Inhaltlich beziehen sich die gewählten Studien auf die sozioökonomischen Merkmale kinderloser Männer, die Einstellungen zu Elternschaft, die institutionellen Rahmenbedingungen von Elternschaft, sowie biologische und psychologische Faktoren. Im Schlussteil sollen die für besonders relevant befundenen Ergebnisse nochmals zusammengefasst werden. Schließlich werden die Ergebnisse der Studien zu Einstellungsforschung in das theoretische Konzept normativer gesellschaftlicher Erwartungen eingebettet.
Ziel dieser Arbeit ist ein Überblick zum Forschungsstand des Themas Kinderlosigkeit bei Männern. Nicht geliefert werden kann der volle Umfang der bisherigen Forschung. Die genannten Studien sollen dabei lediglich rezipiert, nicht jedoch in ihrem methodischen vorgehen ausführlich und kritisch beurteilt werden. Es geht dagegen um die reine Replikation eines Ausschnitts des Forschungsdiskurses, auf Basis dessen sich die Identifikation von Forschungslücken anbieten würde.
2 Forschungsstand
2.1 Quantitative Studien
Eine deskriptive Analyse der Charakteristika kinderloser Männer liefern Schmitt und Winkelmann (2005). Sie prüfen auf Datenbasis des SOEP (2003) u.A. den Anteil Kinderloser nach Geschlecht, Partnerschaftsstatus und nach Kohorte. In dieser Studie zeigt sich, dass 25 Prozent der Männer aus der Kohorte 1950-1959 im Vergleich zu 20 Prozent der Frauen der gleichen Kohorte kinderlos sind. Eine Erklärung dieser Zahlen liegt laut Autoren in einem Männerüberschuss, welcher vor allem für die jüngeren Kohorten von Bedeutung ist. Darüber hinaus bekennen sich Männer bei nichtehelichen Kindern seltener zur Elternschaft, oder wissen schlichtweg nichts von dieser. Dies macht die Beurteilung von Männern als ,endgültig kinderlos‘ zudem schwierig. Schmitt (2004) untersucht, ebenfalls auf Basis des SOEP (2002) die Charakteristika kinderloser Männer in Deutschland. Im Vergleich zu der Studie von Schmitt und Winkelmann nimmt Schmitt zusätzlich Merkmale wie das Bildungsniveau, den Erwerbsstatus, das Einkommen, regionale Differenzen sowie die Religionszugehörigkeit in seine Untersuchung auf. Ebenso untersucht Schmitt die prozentualen Anteile kinderloser Männer nach Lebensalter. Auffallend ist dabei, dass Elternschaft bei Männern zu einem späteren Lebenszeitpunkt als bei Frauen beginnt. Als Erklärung für diese Befunde wird genannt, dass Männer im Schnitt zu Beginn der Familiengründung älter als Frauen sind. Zum anderen orientieren sich Männer am „Male-Breadwinner-Modell“ und steigen in die Elternschaft erst ein, wenn der Erwerbsstatus gesichert ist. Die höchste Erklärungskraft für Kinderlosigkeit bei Männern scheint allerdings dauerhafte Partnerlosigkeit zu sein. Auf dieses Ergebnis kommen auch Kreyenfeld und Konietzka (2017) in einer weiteren Längsschnittstudie. Sie werten die sechste Welle des pairfam aus und kommen zu dem Ergebnis, dass Partnerschaftsbiografien eine große Erklärungskraft für die Kinderlosigkeit bei Männern haben. Auf derselben Datenbasis zeigen schließlich Buhr und Huinink (2017), dass Männer der Kohorte 1971-1973 gegen Ende ihrer Fertilitätsphase1 bewusst auf Kinder verzichten, da sie Partnerschaft und persönliche Interessen wie Arbeit, Freizeit und Hobbies in diesem Lebensabschnitt als gefährdet ansehen. Positiv auf den Einstieg in Elternschaft hingegen scheint sich sozialer Druck der eigenen Eltern auszuüben. Dieser äußert sich etwa durch den Wunsch nach Enkelkindern.
Eine Studie auf Datengrundlage des Bamberger-Ehepaar-Panels von Schneider (1996) untersucht, welchen Faktoren Erklärungskraft für die Kinderlosigkeit von Männern zukommt. Die höchste Erklärungskraft kommt dem Wunsch nach einem autonomen, unabhängigen und flexiblen Lebensstil zu (Varianzaufklärung von 24 Prozent). Die zweithöchste Erklärungskraft (Varianzaufklärung von 14 Prozent) kommt den persönlichen Karrierebestrebungen zu: Familiengründung wird mit einem Verzicht auf Karriere verbunden und daher eher abgelehnt, bzw. aufgeschoben. Der dritthöchste Faktor zur Varianzaufklärung (11 Prozent) ist die fehlende Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dieser Faktor steht in Verbindung mit hohen normativen Vorstellungen und Ansprüchen an Elternschaft, welche sich die Befragten meist nicht zu erfüllen in der Lage fühlen. Schließlich trägt die Orientierung an der Partnerschaft eine Varianzaufklärung von 8 Prozent bei: Die Befragten befürchten hierbei, dass sich die Entscheidung für Kinder nachhaltig negativ auf die Partnerschaft auswirken könnte. Auf Datengrundlage des SOEP (1984-2010) untersucht Oppermann (2014) Frauen und Männer vom Zeitpunkt der abgeschlossenen Ausbildung bis zur Geburt des ersten Kindes. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, welchen Einfluss das berufliche Feld und der Bildungsabschluss auf den Übergang zur Elternschaft haben. In dieser Studie weist die Höhe des Bildungsgrades der Männer eine große Erklärungskraft für die Kinderlosigkeit bei Männern auf. Durch höhere Bildungsabschlüsse können höhere Einkommen realisiert werden und der Übergang zur Elternschaft wird eher nach hinten verschoben. Theoretisch wird dies wiederum durch die Orientierung am „Male-Breadwinner-Model“ erklärt.
2.2 Qualitative Studien
Eine qualitative Perspektive auf Kinderlosigkeit bei Männern bietet u.A. Buschmeyer (2016). In Einzelinterviews im Zeitraum von 2015 bis 2016 befragt der Autor Elternpaare, die gerade ein Kind bekommen haben und Paare mit schwangerer Frau. Seine Ergebnisse zeigen, dass Männer ,vorsichtiger‘ bei der Familiengründung sind als Frauen. Männern ist besonders die berufliche Absicherung vor der Familiengründung wichtig. Die Interpretation des Autors beinhaltet den Hinweis darauf, dass sich das Bild des ,guten Vaters‘ in den letzten 15 bis 20 Jahren verändert hat. Väter wollen, anders als ihre eigenen Väter und Großväter, für welche Kinderkriegen eine Selbstverständlichkeit darstellte, besonders gute Väter sein. Carl (2002) untersucht in qualitativen Interviews die Determinanten gewollter lebenslanger Kinderlosigkeit bei Männern. Dabei zeigt sich, dass sich Befragte, die sich schon im frühen Lebensalter bewusst gegen Kinder entscheiden, auf Grund negativer Erfahrungen in der Kindheit nie einen Kinderwunsch verspürt haben. Darüber hinaus haben Befragte, die sich endgültig gegen Kinder entscheiden, eher Unabhängigkeitsbestrebungen und hohe Bildungs- und Berufsaspirationen.
2.3 Ausländische Studien
Eine finnische Studie von Jalovaara und Fasang (2017) untersucht die Bedeutung des Partnerschaftskontextes für endgültige Kinderlosigkeit. Durch Clustering der Stichprobe in vier Gruppen zeigt sich, dass Männer besonders häufig zu der Personengruppe gehören, die nie mit einem festen Partner zusammengelebt haben. Theoretische Überlegungen sind in dieser Studie, dass partner- und kinderlose Männer heute nicht als weniger männlich gelten als jene mit Kindern. Die zunehmende Akzeptanz von Kinderlosigkeit als Option trägt zu Partner- und schließlich zu Kinderlosigkeit bei Männern bei.
Eine Perspektive auf die institutionellen und politischen Rahmenbedingungen des geringen Anteils kinderloser Männer in Frankreich bieten Köppen, Mazuy und Toulemon (2014). Deren Analysen ergeben, dass der pronatalistische Familienpolitik (in Form von Steuerentlastungen, finanzieller Unterstützung für kinderreiche Familien und gut ausgebauten Betreuungssystemen) ein großer Anteil der Varianzaufklärung von Kinderlosigkeit zukommt. Die theoretische Einbettung der Autoren bezieht sich auf das in Frankreich bis in die 1970er Jahre dominierende Ideal der traditionellen Familie, welches den Anteil Kinderloser zusätzlich geringhielt. Aus der Studie geht hervor, dass französische Männer mit niedrigem Bildungsstand besonders häufig kinderlos sind. Dieser Effekt ist allerdings darauf zurückzuführen, dass niedriggebildete Männer häufiger partnerlos sind.
2.4 Spezifische Studien
Eine vielfach untersuchte Dimension von Kinderlosigkeit ist der Partnerschaftskontext. Die Ergebnisse dieser Studien sind sowohl im Hinblick auf Kinderlosigkeit bei Frauen als auch bei Männern aufschlussreich. Wirth (2014) untersucht auf Datenbasis der Mikrozensen 1991, 1995, 1999 und 2003 den Zusammenhang zwischen der Bildungsstruktur von Paaren aus Westdeutschland und Kinderlosigkeit im Kohortenvergleich. Darüber hinaus wird die Bildungsstruktur von Paaren in einen Zusammenhang mit der Lebensform (Ehe, Nichteheliche Lebensgemeinschaft) gesetzt. Der zentrale Befund ist dabei, dass Kinderlosigkeit unwahrscheinlicher wird, wenn in der Partnerschaft ein Bildungsgefälle zugunsten des Mannes vorliegt. In einem Beitrag von Eckhard und Klein (2014) wird auf Basis des Familiensurveys 1988 unter Berücksichtigung der Beweg- und Hinderungsgründe die Motivation zur Elternschaft bei Männern und Frauen untersucht. Besonders häufig geben Männer ohne Elternschaftserfahrung und ohne Partner instrumentelle Beweggründe für Elternschaft an. Liegt jedoch eine Partnerschaft vor, so gewinnen für Männer immaterielle Beweggründe2 3 eine größere Bedeutung. Dennoch sind instrumentelle Beweggründe für Männer eher relevant als immaterielle, unabhängig vom Partnerschaftsstatus. Dieses Ergebnis zeigt sich auch bei der Untersuchung der Männer mit Elternschaftserfahrung. Hinderungsgründe für Elternschaft sind bei Männern besonders häufig die Befürchtung, Kinder können im sozialen Umfeld (Nachbarn, Öffentlichkeit...) Probleme verursachen. Ferner fürchten Männer eher als Frauen, durch Elternschaft auf Freizeit und Hobbies verzichten zu müssen. Weitere Studien, die sich mit Kinderlosigkeit im Paarkontext beschäftigen, finden sich bei Klein (2003), Onnen-Insemann (2003) sowie Bauer und Jacob (2010). Theoretisch wurde jüngst die Familiengründung im Paarkontext in das Konzept partnerschaftlicher Aushandlungsprozesse eingebettet (Stein& Willen 2018).
[...]
1 Es sollte berücksichtigt werden, dass das Ende der Fertilitätsphase des Mannes im Grunde jenes der Partnerin ist (vgl. Eckhard& Klein 2014, S. 211).
2 Als instrumentelle Beweggründe gelten jene, welche zur Umsetzung eigener Ziele dienen, bspw. die Absicherung im Alter (vgl. Eckhard& Klein 2014, S. 316).
3 Immaterielle Beweggründe spiegeln sich u.A. in der Freude an Kindern wider (vgl. Eckhard& Klein 2014, S. 316).