Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die europäische Asylpolitik unter der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 tendenziell eher exklusiv oder inklusiv zu verorten ist.
Deutschland hat das Ziel, während ihrer Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 die gemeinsame europäische Asylpolitik zu reformieren. Mit dem neuen Migrations- und Asylpaket 2020 der Europäischen Kommission sollen die Fehler aus der Flüchtlingskrise 2015 nicht wiederholt werden. Jedoch stellen sich die Visegrad-Staaten - Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei - gegen eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen. Diese Haltung verletzt die Solidarität der Europäischen Union, zu der sich alle Mitgliedstaaten verpflichtet haben.
Deshalb kann die Frage gestellt werden, ob die Asylpolitik unter der Ratspräsidentschaft Deutschlands tendenziell inklusiv oder exklusiv ausgerichtet ist. Dies wird analysiert anhand der Vorschläge der Europäischen Kommission zum Rückführungssystem, der schnelleren Statuszuerkennung an den Außengrenzen und anhand des neuen Solidaritätsmechanismus. Die Daten von Eurostat über die Entscheidung der Asylanträge und die Aberkennung des erstinstanzlichen Status von Deutschland und den Visegrad-Staaten, welche gegen die Quotenumverteilung sind, dienen zur zusätzlichen Unterstützung und Visualisierung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition Asyl (-politik)
3. Theorieansatz - Das Solidaritätsprinzip
4. Forschungsdesign
5. Asylpolitik der Europäischen Union
5.1 Definition von Inklusion und Exklusion
5.2 Inklusive und Exklusive Ausrichtung der Europäischen Union
6. Auswertung
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Die Asylpolitik der Europäischen Union - Ist die europäische Asylpolitik unter der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 tendenziell exklusiv oder inklusiv zu verorten?
Deutschland hat das Ziel während ihrer Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 die gemeinsame europäische Asylpolitik zu reformieren. Mit dem neuen Migrations- und Asylpaket 2020 der Europäischen Kommission, sollen die Fehler aus der Flüchtlingskrise 2015 nicht wiederholt werden. Jedoch stellen sich die Visegrad-Staaten - Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei - gegen eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen. Diese Haltung verletzt die Solidarität der Europäischen Union, zu der sich alle Mitgliedstaaten verpflichtet haben. Deshalb kann die Frage gestellt werden, ob die Asylpolitik unter der Ratspräsidentschaft Deutschlands tendenziell inklusiv oder exklusiv ausgerichtet ist.
Dies wird analysiert anhand der Vorschläg der Europäischen Kommission zum Rückführungssystem, der schnelleren Statuszuerkennung an den Außengrenzen und anhand des neuen Solidaritätsmechanismus. Die Daten von Eurostat über die Entscheidung der Asylanträge und die Aberkennung des erstinstanzlichen Status von Deutschland und den Visegrad-Staaten, welche gegen die Quotenumverteilung sind, dienen zur zusätzlichen Unterstützung und Visualisierung.
The asylum policy of the European Union - should the European asylum policy under the German Council Presidency 2020 tends to be more exclusive or inclusive?
Abstract
Germany aims to reform the common European asylum policy during its presidency in the second half of 2020. With the new migration and asylum package 2020 of the European Commission, the mistakes from the refugee crisis in 2015 should not be repeated. However, the Visegrad states - Poland, the Czech Republic, Hungary and Slovakia - oppose the mandatory acceptance of refugees. This attitude violates the solidarity of the European Union, to which all member states have committed. The question can therefore be asked whether asylum policy under the German Council Presidency tends to be inclusive or exclusive. This is analyzed on the basis of the European Commission's proposals on the return system, faster status recognition at the external borders and the new solidarity mechanism. The data from Eurostat on the decision on asylum applications and the revocation of the first-instance status of Germany and the Visegrad states, which are against the quota distribution, are used for additional support and visualization.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Erstinstanzliche Entscheidung über Asylanträge in Deutschland und den Visegrad-Staaten - 2020 drittes Quartal
Abbildung 2: Aberkennung und Entzug von erstinstanzlich gewährtem Status in Deutschland und den Visegrad-Staaten - 2020 drittes und viertes Quartal
Abkürzungsverzeichnis
EU GEAS
RFSR AEUV SPD
Europäische Union Gemeinsames Europäische Asylsystem
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Sozialdemokratische Partei Deutschland
1. Einleitung
„Migration war schon immer ein Faktum für Europa - und wird es auch immer sein" (Von der Leyen 2020, S.21). Das neue Migrationspaket fordert von den Mitgliedstaaten Kompromisse, ohne die Prinzipien der Europäischen Union aufzugeben (Von der Leyen 2020, S.21). Mit Blick auf die Flüchtlingskrise 2015-16 soll das neue Migrations- und Asylpaket die komplexen Aufgaben besser meistern und die erheblichen Mängel überwinden (Europäische Kommission 2020, S.2). Mit einer neuen Reform geht die Frage einher, wie inklusiv oder exklusiv die neue Asylpolitik der Europäischen Union (EU) ist. Federführend für diese Reform ist unteranderem Deutschlands Innenminister Horst Seehofer. Der Mitgliedstaat Deutschland hielt in der zweiten Jahreshälfte 2020 die Ratspräsidentschaft inne. Daher ist es sinnvoll die Frage, wie inklusiv oder exklusiv die Asylpolitik ist, in Hinblick auf die Periode der Ratspräsidentschaft Deutschlands zu beantworten. Horst Seehofers Vorschläge zu einer Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik (GEAS), stellen eines der „„Big Four"-Themen" (Goßner 2020)1 der Ratspräsidentschaft dar. Da die Mängel der Migrations- und Asylpolitik besonders in der Flüchtlingskrise in Erscheinung traten, ist eine Begutachtung der neuen Reform unter der Berücksichtigung wie sich die EU gegenüber Geflüchteten aufstellt, eine Forschungsfrage mit aktuellem Bezug. Die Visegrad-Staaten - Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn - wehren sich gegen Inhalte der neuen Reform, wie eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen (Euractiv, AFP/rtr 2020a)2. Diese Haltung spricht gegen die Einhaltung des Solidaritätsprinzips, auf dem die Europäische Gemeinschaft beruht und handelt (Duff 2012)3. Deshalb wird im dritten Kapitel der Theorieansatz des Solidaritätsprinzips vorgestellt, um die Reforminhalte nach Inklusivität und Exklusivität zu analysieren und im Kontext der Solidarität bewerten zu können.
Als Analysegrundlage dient der Datensatz von Eurostat über Asyl und gesteuerter Migration bezüglich der Visegrad-Staaten und Deutschland während der Ratspräsidentschaftszeit. Dieser gibt Auskünfte über die erstinstanzliche Entscheidung über Asylanträge und den Entzug beziehungsweise der Aberkennung des Status (Eurostat 2021a)4. Diese Daten enthalten Faktoren an denen abgeleitet werden kann, ob die Asylpolitik inklusive oder exklusive Tendenzen aufweist. Bevor jedoch die Statistiken herangezogen werden, muss die Begrifflichkeit Asyl und Asylpolitik definiert werden. Durch eine Definition wird die Wortbedeutung bewusst und dient als Hilfestellung innerhalb der Analyse. Hierdurch wird deutlich, was Asyl bedeutet und mit welchen Begriffsinhalten sich die EU auseinandersetzten muss. Darauffolgend wird der Theorieansatz des Solidaritätsprinzips vorgestellt. Sowohl die Definition als auch die Theorie dienen zum Verständnis und als Grundbaustein für die darauffolgende Analyse. Um Aussagen über die Inklusivität oder Exklusivität der Europäischen Asylpolitik treffen zu können. Erst dadurch kann eine Analyse des Datensatz von Eurostat stattfinden und die dazugehörige Betrachtung der inhaltlichen Ausrichtung des neuen Asylpakets. Anschließend werden die Ergebnisse ausgewertet und ein Ausblick auf die zukünftige Umsetzung gegeben. In einem Fazit wird die vorliegende Arbeit nochmals zusammengefasst.
2. Definition Asyl (-politik)
Bevor die Ausrichtung der Asylpolitik inhaltlich untersucht werden kann, muss zuerst definiert werden, was Asyl beziehungsweise Asylpolitik bedeutet. Aus dem Griechischen abstammend bedeutet der Begriff Asyl: Heim oder Unterkunft (Haase/Jugl 2007)5. Weiterführend stellt Asyl einen Ort dar, „von dem man nicht gewaltsam weggeholt wird" (Thurich 2011). Demnach suchen Asylbewerber:innen Schutz in einem für sie fremden Land, wegen beispielsweise politischer Verfolgung. Im engsten Sinne gilt die Flucht- und Asylpolitik für die Gruppe politisch Verfolgter. Im weiteren Verständnis gibt es noch zwei weitere Flüchtlingsgruppen, welche im europäischen Recht unterschieden werden. Zum einen Geflüchtete aus Bürgerkriegsgebieten, welche nach der EU vorübergehenden Schutz erhalten können und zum anderen Flüchtlinge, die subsidiären Schutz erhalten, weil ihnen Lebensgefahr droht (Haase/Jugl 2007).
Das Europäische Parlament definiert die Asylpolitik wie folgt:
„Durch die Asylpolitik der EU soll jedem Drittstaatsangehörigen, der in einem der Mitgliedstaaten internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status gewährt und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sichergestellt werden." (Schmid-Drüner 2020)6
Die Definition des Europäischen Parlaments dient unteranderem als Grundlage für den weiteren Verlauf der Arbeit. In dieser Definition wird die Nichtzurückweisung von Flüchtlingen als politisches Ziel formuliert. Mit der Begrifflichkeit, dass jedem Geflüchteten Schutz gewährleistet und die Nichtzurückweisung sichergestellt wird, ist die Formulierung der Asylpolitik des Europäische Parlaments inklusiv ausgerichtet. Die Voraussetzung ist jedoch, dass ein „angemessener Status gewährt" (Schmid-Drüner 2020) werden muss. Wie ein angemessener Status ausgestellt beziehungsweise bemessen wird oder welcher es sein kann, wird in der Definition nicht weiter thematisiert. Folglich ist die Definition allgemein gefasst und ermöglicht den Mitgliedstaaten Freiheiten für die Auslegung der Asylpolitik.
Die allgemeine Formulierung kann weitere Probleme und Konflikte im Umgang mit der Asylpolitik als auch zwischen den Mitgliedstaaten entstehen lassen. Grundpfeiler des europäischen Handelns ist die Solidität, welche bereits in der Vergangenheit, durch die Flüchtlingskrise 2015, auf die Probe gestellt wurde. Nun dient auch das Migrations- und Asylpaket 2020 für neue solidarische Spannungen zwischen den Visegrad-Staaten und den restlichen EU-Mitgliedern.
Der Theorieansatz des Solidaritätsprinzips wird im Folgenden näher beleuchten, wie stark das Solidaritätsprinzip in der EU ausgeprägt ist, in welcher Verbindung es mit der Asylpolitik steht und welche Bedingungsfaktoren das Prinzip zum Arbeiten in der EU stellt. Durch das theoretische Fundament wird die Problematik der Asylpolitik und des Umgangs der Mitgliedstaaten deutlicher.
3. Theorieansatz - Das Solidaritätsprinzip
Ziel ist, dass das Konzept der Solidarität als theoretisches Fundament der Forschungsfrage dient. Denn nicht aus Zufall wird die Solidarität der Mitgliedstaaten betont und dient als ein Grundsatz der EU (Saracino 2018, S.258). Der Begriff der Solidarität ist sowohl durch rechtliche, philosophische, theologische, soziologische, wirtschaftswissenschaftliche und politische Elemente geprägt. Diese Zusammenstellung wird im Konzept der Solidarität vereinigt. Die EU spiegelt diese wider, indem die deskriptive Dimension von Solidarität sich auf eine partikulare Gruppe beschränkt. Die Akteure binden sich oder entwickeln dabei eine Abhängigkeit und Interdependenz (Saracino 2019, S.37). Die Solidarität eines Akteures gegenüber allen anderen kann eine Überforderung darstellen. Jedoch können Akteure auch mehrere Solidaritäten besitzen. Denn Solidarität „ist immer auf ein gemeinsames Ziel gerichtet, das die Bezugsgruppe zu erreichen sucht und dessen Legitimität von ihr anerkannt
ist" (Saracino 2019, S.38). Somit ist sie nie der Zweck, so wie sie kein Wert an sich ist. Stattdessen kann Solidarität auf Werte bezogen sein, welche die Gruppe erreichen möchte. Deshalb ist die Zielerreichung unter dem Konzept von Solidarität immer mit Freiheits-, Gleichheits- und Gerechtigkeitsprinzipien verbunden (Saracino 2019, S.38). Der normative Aspekt von Solidarität zielt darauf ab, dass „ein Akteur die notwendige Hilfsleistungen von der Gruppe erwartet, wenn er sie benötigt, jedoch keine direkte Gegenleistung erwartet, wenn er sie leistet" (Saracino 2019, S.39).
Demnach münden die normativen als auch die deskriptiven Dimensionen in vier Bedingungsfaktoren vom Konzept der Solidarität:
„(1) Solidarität hat immer einen partikularen Charakter und ist nur auf spezifische Gruppen anwendbar. (2) Solidarität ist auf ein gemeinsames Ziel gerichtet, dessen Legitimität von der Bezugsgruppe anerkannt ist. Solidarität ist das Mittel zum Zweck zur Erreichung dieses Zieles. (3) Solidarität schafft eine wechselseitige Verbundenheit und verlangt eine reziproke Verpflichtung. (4) Solidarität äußert sich in einem Füreinandereinstehen für das gemeinsame Ziel, welches sich in Unterstützung und Hilfe ausdrückt." (Saracino 2019, S.40).
Jeder dieser Bedingungsfaktoren kann auf die Gültigkeit der Europäischen Union übertragen werden. Um dies zu verdeutlichen dient Art. 67 AEUV, in dem die Union die Grundsätze der RFSR7 festlegt (Europäische Union 2012, C 326/73). In Absatz 2 steht geschrieben, dass die Union auf dem Prinzip der Solidarität gegründet ist (Europäische Union 2012, C 326/73). Der Solidaritätsartikel wird zusätzlich in Art. 80 AEUV des Politikbereiches für Asyl, Einwanderung und Grenzschutz hinzugefügt (Europäische Union 2012, C 326/78). Durch die Solidaritätsklausel wird deutlich, dass in der Asylpolitik eine hohe Notwendigkeit zur Solidarität besteht. Der Artikel fordert demzufolge „explizit die Geltung des Grundsatzes der Solidarität ein [.]" (Saracino 2019, S.62).
Der erste Bedingungspunkt der Solidarität ist erfüllt, da die Mitgliedstaaten der EU sich aus einen gemeinsamen Interessenszusammenhang zusammengeschlossen haben. Da Solidarität nie der Zweck an sich ist, nutzt die EU zur Verwirklichung ihrer Ziele die Solidarität. Die dritte Bedingung setzt eine wechselseitige Verbundenheit voraus und verlangt eine gegenseitige Verpflichtung. Das Solidaritätsprinzip sorgt dafür, „ dass alle Akteure grundsätzlich alle Verpflichtungen umzusetzen haben" (Saracino 2019, S.65; Hervorh. im Orig.). Die letzte Bedingung wird durch das Asylpaket und den Widerständen der Visegrad- Staaten auf die Probe gestellt. Das Gemeinschaftsinteresse sollte, über dem nationalstaatlichen Interesse stehen und wird durch das Solidaritätsprinzip in Maßnahmen der Unterstützungs- und Hilfeleistungen ausgedrückt (Saracino 2019, S.66). Die Schwierigkeit ist, dass alle vier Faktoren interdependent sind. Stellen sich einige Mitgliedstaaten gegen einen Entwurf schwindet auch die Solidarität innerhalb der EU, obwohl sich die einzelnen Mitgliedstaaten zur Einhaltung verpflichtet haben. Wenn die Solidarität nicht als Voraussetzung angesehen wird, dann kann keine funktionsfähige und effektive Kooperation möglich sein (Saracino 2019, S.48). Die Nationalstaaten gehen diese Pflicht ein, auch unter der wahrscheinlichen Voraussetzung Nachteile für die eigenen Interessen zu erfahren. Da sie sich aus Gründen der Gemeinwohlverwirklichung und der politischen Vernunft zusammengeschlossen haben, um sich auf gemeinsame Ziele zu verpflichten. Das erklärt die theoretische Wichtigkeit, warum Solidarität in der EU notwendig ist (Saracino 2019, S.49).
Der Theorieansatz des Solidaritätsprinzips wird nochmals deutlicher, wenn die Analyse über die inklusiven und die exklusiven Ausrichtungen der Asylpolitik beginnt. Erst unter der Betrachtungsweise der Solidarität wird die Problematik zwischen dem Migrations- und Asylpaket 2020 in der deutschen Ratspräsidentschaft und den Visegrad-Staaten in der Analyse herausgestellt. Mit welchen Datensätzen die Analyse durchgeführt wird und welche Aspekte betrachtet werden, wird im nächsten Kapitel erläutert.
4. Forschungsdesign
Um die Forschungsfrage, ob die europäische Asylpolitik unter der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 tendenziell eher exklusiv oder inklusiv ausgerichtet ist, zu beantworten werden Datensätze durch das Statistikprogramm SPSS visualisiert. Um die Visualisierung näher zu beschreiben wird zusätzlich das Asyl- und Migrationspaket 2020 auf inklusive und exklusive Tendenzen analysiert. Bei den Datensätze handelt es sich um Sekundärdaten von Eurostat. Aus der Datenbank, Asyl und gesteuerte Migration, werden die Daten zur Aberkennung und Entzug von erstinstanzlich gewährtem Status und die erstinstanzliche Entscheidung über Asylanträge verwendet (Eurostat, 2020a)8. Die Visulisierung durch SPSS Statistics in Form von Balkendiagrammen hilft die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten deutlicher und schneller zu erkennen. In den Diagrammen werden die Mitgliedstaaten Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei und Deutschland auf der x-Achse abgebildet. Grund dafür ist, dass die Visegrad-Staaten eine Sonderrolle einnehmen, in dem Sie sich gegen einige Inhalte des Asylpakets 2020 aussprechen, wie zum Beispiel gegen eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen (Euractiv, AFP/rtr 2020b)9. Deutschland wird als Vergleichswert hinzugezogen, um die Unterschiedlichkeit zwischen den Gegnern und den Befürworter des Asylpakets deutlich zu machen. Ein weiterer Grund ist, dass Deutschland federführend für die Reformierung der Asylpolitik ist. Um die Analyse der Forschungsfrage anzupassen werden die Daten aus der Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft beleuchtet.
Beide Datensätzen über die erstinstanzliche Entscheidung über Asylanträge und der Aberkennung und Entzug von erstinstanzlich gewährtem Status bilden die vier Visegrad- Staaten und Deutschland ab. Bei der erstinstanzlichen Entscheidung differenziert der Datensatz zwischen: Humanitärer Rechtsstatus, Genfer Abkommen Rechtsstatus, Abgelehnt und der Gesamtzahl der positiven Beschlüsse. Um die Darstellung zu vereinfachen und die Unterscheidung zwischen Bleiben und Gehen deutlicher zu machen, werden in das Balkendiagram nur die positiven und die abgelehnten Beschlüsse abgebildet. Der Datensatz über die erstinstanzliche Entscheidung bildet nur das dritte Quartal ab, da im Vierten die Visegrad-Mitgliedstaaten teilweise keine Daten zur Verfügung gestellt haben.
Die Daten können die Verbindung zum Theorieansatz herstellen aufgrund der Tatsache, dass den Visegrad-Staaten Solidaritätsbruch vorgeworfen wird, da sie sich gegen eine Verteilungsquote aussprechen und die überlasteten Mitgliedstaaten nicht unterstützen (Euractiv, AFP/rtr 2020b). Mit der Verbindung zur Analyse des Migrations- und Asylpakets 2020 kann die Argumentation dieser Staaten gegen das neue Asylpaket der EU bestätigt beziehungsweise entkräftet werden. Welche inklusiven und exklusiven Elemente die Reform beinhaltet und wie die Staaten Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei und Deutschland dem gegenüber stehen wird im Folgenden näher erläutert.
5. Asylpolitik der Europäischen Union
Die Europäische Asylpolitik hat sich in den letzten Jahren kaum verändert und tritt auf der Stelle. Der Hauptgrund: Die Uneinigkeit über die Frage der Flüchtlingsaufnahme. Die Visegrad-Staaten stellen sich gegen eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen. Laut dem ungarischen Botschafter ist die „Europäische Solidarität [.] nicht gleichbedeutend mit einer verpflichtenden Zuteilung von Migranten" (Euractiv, AFP/rtr 2020b). Das vorgeschlagene neue Migrations- und Asylpaket der Europäischen Kommission ist das Zeichen einer Annäherung und erhöht die Chancen der Umsetzung. Denn Asylpolitik gelingt nur, wenn sich die Mitgliedstaaten einigen können, um gemeinsam zu handeln (Euractiv, AFP/rtr 2020b). Während Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nach einem Gespräch mit den Regierungschefs Polens und Tschechiens in der neuen Reform keinen Durchbruch sieht, ist Horst Seehofer der Meinung eine gute Grundlage geschaffen zu haben (Euractiv, AFP/rtr 2020b). Doch auch aus den eigenen deutschen Reihen muss Seehofer Kritik einstecken. „Die Pläne dienten lediglich ,Abschottung, Abschreckung' und
,Abschiebungen'" (Euractiv, AFP/rtr 2020b), lautet die Aussage der Linken Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow. Der Vize-Präsident der EU-Kommission Margaritis Schinas
„weis[t] das Argument kategorisch zurück" (Euractiv, AFP/rtr 2020b), dass die Pläne das Menschenrecht auf Asyl aufweichen würden.
Seehofer zeigt sich, trotz des Gegenwinds aus den eigenen Reihen, zuversichtlich, da aus seiner Perspektive fast alle Mitgliedstaaten „in unterschiedlicher Form zu Solidarität bereit [sind]" (Goßner 2020). Denn in den vergangenen Jahren hatte sich abgezeichnet, dass freiwillige Solidarität nicht ausreichend ist (Brzozowski/Steins 2020)10. Obwohl sich die Mitgliedstaaten nach Art. 67 AEUV Absatz 2 und Art. 80 AEUV darauf geeinigt haben. Ein verpflichtendes Migrationsmanagementsystem würde nicht nur das Solidaritätsprinzip aufleben lassen, sondern auch die Gegner von Flüchtlingsaufnahmen und Quotenumverteilung beruhigen (Brzozowski/Steins 2020). Das Ziel des neuen Pakets ist daher, dass kein Mitgliedstaat eine unverhältnismäßige Belastung erfährt, wie die EU- Grenzländer Griechenland und Italien. Durch die Entlastung der EU-Außengrenzländer müssen alle anderen EU-Mitglieder, kontinuierlich ihren Teil zur Solidarität beizutragen (Europäische Kommission 2020, S.3). Mit dem neuen Migrations- und Asylpaket soll daher auch ein neuer Solidaritätsmechanismus entstehen (Europäische Kommission 2020, S.12). In diesem werden die Prinzipien der Fairness im EU-Asylsystem verankert,
„indem zum einen den unterschiedlichen Herausforderungen Rechnung getragen wird [.] und zum anderen sichergestellt wird, dass alle solidarisch einen Beitrag leisten, damit die tatsächlichen Herausforderungen, [.] nicht von einzelnen Mitgliedstaaten allein, sondern von der EU als Ganzes bewältigt werden." (Europäische Kommission 2020, S.7)
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