Im Fokus der Ausarbeitung stehen die in Alexandria geprägten Münzen der römischen Kaiserzeit, auch Alexandriner genannt. Da Alexandria die einzige ägyptische Prägestätte war, kann in diesem Fall auch verallgemeinernd von ägyptischen Münzen gesprochen werden. Es wird auf die Prägungen vor der römischen Übernahme und auf die Datierungsweise alexandrinischer Münzen eingegangen, bevor im Hauptteil die Motiventwicklung unter ausgewählten römischen Kaisern im Fokus steht. Graphisch wird die Ausarbeitung durch Fotographien von Beständen der Münzsammlung des Archäologischen Museums der Universität Münster untermauert.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Forschungsstand
2. Überblick zur Geschichte Alexandrias
3. Prägungen vor der römischen Übernahme
4. Datierungsweise
5. Veränderung der Motive zu Beginn der römischen Kaiserzeit
6. Die kaiserzeitlichen Prägungen
6.1 Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.)
6.2 Tiberius (14-37 n. Chr.)
6.3 Claudius (41-54 n. Chr.)
6.4 Nero (54-68 n. Chr.)
6.5 Vespasian (69-79 n. Chr.)
6.6 Trajan (98-117 n. Chr.)
6.7 Hadrian (117-138 n. Chr.)
6.8 Antoninus Pius (138-161 n. Chr.)
6.9 Marcus Aurelius (161-180 n. Chr.)
6.10 Commodus (180-192 n. Chr.)
6.11 Septimius Severus (193-211 n. Chr.)
6.12 Caracalla (211-217 n. Chr.)
6.13 Severus Alexander (222-235 n. Chr.)
7. Ende der alexandrinischen Münzprägung unter Diokletian (284-305 n. Chr.)
Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
Bei den kaiserzeitlichen Städteprägungen im Osten des Römischen Reiches, die ihren „Boom“ im 2. und 3. Jh. n. Chr. erlebten, handelt sich meist um stark urbanisierte Regionen, die auf eigene lokale Städteprägungen zurückgreifen können. Zu Beginn des 1. Jhs. n. Chr. profitierten die Städte wohl von der pax romana, was zum Aufschwung der Münzprägungen führte. Das führte zu einer hohen Monetarisierung der Gesellschaft – viele Münzen waren im Umlauf, die auch den einfachen Leuten eine gewisse Kaufkraft ermöglichte. Im Normalfall sind auf den Städteprägungen auf dem Avers ein Porträt des Kaisers und auf dem Revers lokale Ikonographien dargestellt, was einerseits die Zugehörigkeit zum Imperium und andererseits eine regionale Identität ausdrückte. Die Münzprägeintervalle sind dabei ökonomisch oder repräsentativ, sei es durch Feste oder sogar Kaiserbesuche, bestimmt. Als Prägeautoritäten treten Kaiser, Bundesstaaten, provinzielle Herrscher oder die Städte selbst auf.
In diesem Zusammenhang und im Fokus dieser Ausarbeitung stehen die in Alexandria geprägten Münzen der römischen Kaiserzeit, auch Alexandriner genannt. Da Alexandria die einzige ägyptische Prägestätte war, kann ich diesem Fall auch verallgemeinernd von ägyptischen Münzen gesprochen werden. Wir müssen jedoch der Althistorikerin Ingemar König zufolge annehmen, dass innerhalb der Stadt mehrere Münzstätten tätig waren, doch lassen sie sich nur schwer identifizieren; lediglich die Beigabe von Symbolen oder Varianten der Umschrift lassen dies erkennen1. Die Prägungen in Bronze beginnen mit Augustus im Anschluss an die letzten Bronzemünzen der Ptolemäer und erfolgt reichlich bis Commodus; die in Billon reichen von Tiberius bis Diokletian2.
Zunächst wird kurz die Geschichte Alexandrias umrissen. Dieser Überblick erhebt keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit, er soll lediglich ein besseres Verständnis der damaligen Lebensumstände liefern, sowie die Herrschaftsverhältnisse der römischen Oberschicht skizzieren. Darauf aufbauend wird auf die Prägungen vor der römischen Übernahme und auf die Datierungsweise alexandrinischer Münzen eingegangen, bevor im Hauptteil die Motiventwicklung unter ausgewählten römischen Kaisern im Fokus steht. Graphisch wird die Ausarbeitung durch Fotographien von Beständen der Münzsammlung des Archäologischen Museums der Universität Münster untermauert, die über das Digitale Münzkabinett der Universität abgerufen wurden.
Im Rahmen dieser Arbeit haben sich insbes. die Publikationen von Ursula Kampmann, Gisela Förschner, Maria Alföldi und Ernst Gölitzer als hilfreich erwiesen. Die Auseinandersetzung mit römischen Provinzialprägungen allgemein erfolgte insbes. anhand der Vorträge von Johannes Nollé und Peter Weiss im Rahmen des Internationalen Kolloquiums zur kaiserzeitlichen Münzprägung Kleinasiens 1994 in München.
1. Forschungsstand
Kaiserzeitliche Stadtprägungen wurden von den Forschern der verschiedenen altertumswissenschaftlichen Disziplinen, den Sammlern und somit auch den Händlern zunächst lange Zeit gemieden. Diese Münzen wurden in der Regel in häufig verwendeten Handbüchern und führenden numismatischen Werken nur der Vollständigkeit halber und ohne großes Interesse abgehandelt3.
In den letzten Jahrzehnten hat das Interesse jedoch kontinuierlich zugenommen. Davon zeugt die große Nachfrage nach diesem Material in Sammlerkreisen sowie die steigende Zahl von Publikationen aller Art4. Auch der Bestand alexandrinischer Münzen ist durch bedeutende Materialzuwächse im Zuge von Veröffentlichungen sowohl öffentlicher als auch privater Sammlungen mittlerweile sehr umfangreich5. Die Forschung hat zudem vielfältige wirtschaftliche, politisch-historische sowie den Aussagegehalt der Münzbilder betreffende Einzelfragen behandelt6. Eine möglichst vollständige Materialdarbietung ist weiterhin eines der primären Ziele. Dabei sei es wichtig, „die gesamten Altertumswissenschaften in die Erschließung und Auswertung dieses Materials einzubeziehen“7, so der Althistoriker, Epigraphiker und Numismatiker Johannes Nollé. Ergebnisse und Fortschritte der Klassischen Philologie, der Geschichte, der Archäologie, der Theologie, aber auch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte müssen für die Aufarbeitung der Münzen genutzt werden8.
2. Überblick zur Geschichte Alexandrias
Alexandria ist als antike Stadt gut aus literarischen Quellen bekannt, doch ist heute nur wenig davon erhalten. Sie wurde von Alexander dem Großen 332/1 v. Chr. gegründet und dementsprechend auch nach ihm benannt. Insbes. durch die direkte Hafenanbindung strömten schon früh Menschen verschiedener Ethnien aus dem gesamten Mittelmeerraum hierher. Nach dem Tod Alexanders regierte der Diadoche Ptolemaios als makedonischer Statthalter in Ägypten und wurde 306 v. Chr. zum König gekrönt. Als Hauptstadt des Ptolemäerreiches entwickelte sich Alexandria zur Wirtschafts- und Wissenschaftsmetropole. Die Stadt war zudem das Ziel von Handelsstraßen, die Afrika und Indien mit der Mittelmeerwelt verbanden.
Unter römischer Herrschaft wuchs Alexandria zur zweitgrößten Stadt des Reiches heran und konnte weiterhin ihre Stellung als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum mit einer regen Bautätigkeit im griechisch-ägyptischen Mischstil behaupten. Ab dem 1. Jh. v. Chr. wurde Ägypten jedoch vermehrt in innenpolitische Konflikte des römischen Reiches verwickelt und verlor in diesem Rahmen immer mehr seine Unabhängigkeit. 48 v. Chr. floh der römische Feldherr Gnaeus Pompeius Magnus nach seiner Niederlage im Bürgerkrieg gegen Gaius Iulius Caesar nach Ägypten und wurde dort von Anhängern des Ptolemaios XIII. ermordet. Kurz darauf begann Caesar eine Affäre mit Kleopatra VII., die er im Thronstreit mit ihrem Bruder Ptolemaios erfolgreich unterstützte. Nach dem Tod Caesars, der Seeschlacht von Actium 31 v. Chr. und dem Ende der ptolemäischen Dynastie durch den Selbstmord Kleopatras und die Ermordung Caesarions wurde Alexandria dann von Octavian, dem späteren Augustus, unterworfen. Er plünderte die Stadt jedoch nicht, da Rom sie weiterhin als provinziales Verwaltungszentrum benötigte. Auch der stabile Verwaltungsapparat der Ptolemäer wurde unter Auflösung der städtischen Selbstverwaltung und des Stadtrats beibehalten9. Es wurden Statthalter aus dem Ritterstand eingesetzt, die man als praefectus Aegypti bezeichnete. Dies hatte vor allem den Grund, dass man hoffte, ein Verwalter aus niederem Rang würde nicht die Autorität bzw. Kühnheit besitzen, Ägypten für eigene politische Pläne zu nutzen. Senatoren hingegen war es untersagt, die Stadt ohne kaiserliche Erlaubnis zu betreten. Die ungeheure Wirtschaftskraft des Landes sollte princeps -feindlichen Kreisen unzugänglich bleiben. Ägypten und Alexandria galten somit als Privatbesitz des Kaisers10.
3. Prägungen vor der römischen Übernahme
Ägypten kommt bis in die Zeit der letzten Dynastie ohne eigene Münzprägung aus. Im 4. Jh. v. Chr. tauchten dann Prägungen auf, die meist eine Imitation der athenischen Eulentetradrachmen mit einer Legende in der damals in Ägypten üblichen demotischen Schrift darstellten11. Ernst Gölitzer vermutet, dass sie wohl der Bezahlung ausländischer, vorwiegend griechischer, Söldner, dienten. Sie seien jedoch kein Beweis für „die Existenz eines eigenständigen Münzwesens in und für Ägypten“12. Auch Artaxerxes III. Ochos wird Silber mit demotischer Schrift zugeschrieben, nach 343 v. Chr., als Ägypten wieder in persischer Hand ist. Das wichtigste Metall für das Binnenland blieb jedoch das Kupfer13. Es waren zudem auch griechische Münzen im Umlauf, die nur wegen ihres Metallwertes eingesetzt wurden, wie gehackte Münzen in Schatzfunden belegen. Obwohl auch Alexander schon Münzen hatte schlagen lassen, die auf dem attischen Gewicht fußten, setzt letztendlich eine eigenständige ägyptische Prägung erst mit der Ernennung Ptolemaios’ zum Statthalter bzw. seiner Königskrönung ein14. Er behält zunächst den Silbertyp Herakleskopf/Zeus von Alexander bei, das attische Gewicht ebenfalls. Um 318 v. Chr. erscheint dann ein Bildnis Alexanders selbst im Elefantenskalp des Indien-Besiegers (Abb. 1), der thronende Zeus wird wenige Jahre später von der Darstellung der Athena Promachos abgelöst (Abb. 2)15. Diese Motive wurden nach Alexanders Tod im Jahr 323 v. Chr. durch Ptolemaios’ Porträt und einen auf einem Blitzbündel stehenden Adler mit der Umschrift ΠΤΟΛΕΜΑΙΟΥ ΒΑΣΙΛΕΩΣ ersetzt16 (Abb. 3+4), welche die wichtigste Münze der Ptolemäer darstellte und fast drei Jahrhunderte lang geprägt wurde. Das schloss dennoch nicht aus, dass der regierende Monarch ein Interesse an Münzen haben konnte, die ihn persönlich darstellten17.
Mit Ptolemaios I. Soter zeigt sich außerdem die ganze Eigenart Ägyptens, nämlich das wesentlich stärker als andernorts im Mediterraneum durchorganisierte Wirtschaftsleben zusammen mit der Tendenz zur Autarkie und Abkapselung18. In Ägypten ließ sich nämlich die Aus- und Einreise fremder Händler bequem überwachen, da es im Nildelta nur wenige für ein Handelsschiff geeignete Häfen und im Westen und Osten des Landes ausschließlich Wüste gab. So musste also, wer nach Ägypten kommen wollte, um hier bspw. Getreide einzukaufen, das Land an einer offiziellen Grenze betreten – in der Antike ein ziemlich einzigartiger Zustand. Dadurch hatte der Herrscher die Möglichkeit, neben der Einreise auch den Geldumlauf zu kontrollieren. Ptolemaios I. hatte als erster die Chance genutzt, die sich ihm im Sonderfall Ägypten für eine Steuer bot und ließ Tetradrachmen prägen, deren Gewicht weit unter dem der anderen Tetradrachmen lag. Wer nun in sein Reich kam, musste die eigenen Münzen in ägyptische umtauschen. Dies machte das Land Jahrhunderte lang reich, schon allein, weil Ägypten das wichtigste Exportland der antiken Welt war19. Nach der Eroberung Ägyptens behielten die Römer dieses sehr lukrative System bei. Funde bzw. das Fehlen bestimmter Münztypen beweisen, dass bis Diokletian weder reichsrömische Münzen in Ägypten, noch ägyptische Prägungen im Rest des Reiches zirkulierten20.
Der Umtausch guter Silbermünzen nicht-ägyptischen Schlages führte des Weiteren zu einem enormen Silberzufluss innerhalb Ägyptens und bediente damit einen der Grundsätze der ptolemäischen Währungspolitik. Dieser sah vor, dass Silber, das unter den Naturschätzen Ägyptens fehlt, nicht abfließen darf, die politisch bedingten Auslandszahlungen wie Kriegsfinanzierung usw. ausgenommen. Typisch ist dafür, dass jene Münzen, die zur Finanzierung des Krieges unter Ptolemaios III. Euergetes in Kleinasien dienten, ausnahmeweise wieder im attischen Gewicht geschlagen wurden. Die Feinheit des Silbers ist dennoch seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre des 3. Jhs. v. Chr. stark rückläufig. Die hochwertige Silbermünze verschwindet bald aus dem Umlauf, ab jetzt überwiegen die Bronzemünzen, die die Ptolemäerkönige bis zuletzt begleitet21. Diese sind vielen Schwankungen in Größe und Gewicht unterworfen, was die Zuordnung einer Münze zu einem Nominal oft schwierig macht. Deshalb sind sie in numismatischen Katalogen oft nach dem Durchmesser gegliedert.
4. Datierungsweise
Die Datierung der alexandrinischen Münzen erfolgt nach Regierungsjahren. Daher bieten sie eine verlässliche Chronologie. Die Zeit vom Regierungsantritt bis zum 1. Thot (29. August) gilt in diesem Zusammenhang als erstes Jahr. Die Jahresangaben werden von dem demotischen Zeichen „L“ eingeleitet, kann in seltenen Fällen aber auch durch das griechische Wort ETOYΣ („Jahr“) ersetzt werden. Die Deutung der Jahresangaben erfolgt folgendermaßen: Nach dem griechischen System werden die Buchstaben als Zahlzeichen benutzt. Je nach Stellung im Alphabet entsprechen sie dem damit verbundenen Zahlwert. Ab der Nr. 11 werden diese Zahlzeichen durch Zusammensetzungen ausgedrückt. Eine Ausnahme bildet hier die 9. Nach dem griechischen System müsste diese dem Buchstaben Θ entsprechen. Jedoch beginnt mit diesem Buchstaben das griechische Wort ΘANATOΣ („Tod“), was als böses Omen gedeutet wurde. Daher stellt man die 9 mit HA (8+1) dar. Diese Form der Dat. wird, mit Ausnahme von Augustus, von den römischen Kaisern beibehalten. Seit Aurelian wird die Dat. zudem vermehrt durch ETOYΣ angezeigt, unter Diokletian nicht selten beides kombiniert22.
5. Veränderung der Motive zu Beginn der römischen Kaiserzeit
Auf den ptolemäischen Münzen finden sich auf dem Rv. nur wenige Motive. Unter den Römern vermehren sich die Bilder enorm und reichen von Bauwerken wie Pylone über römische, ägyptische und griechische Gottheiten bis hin zu typisch ägyptischen Tieren und Kultattributen in Form von Kanopen. Der Numismatiker Kurt Regling betont in diesem Zusammenhang, dass gerade in Ägypten die Revers-Motive ungemein mannigfaltig seien23. Die Gründe für die Wahl eines Münzbildes waren dabei ebenso vielfältig. Sie sind Zeichen der Fruchtbarkeit, Fauna und Flora und geben ortstypische Waren, Produkte und ähnliches wieder. Auch rein griechische Motive werden wieder geprägt, wie z. B. das Parisurteil. Ereignisprägungen wie z. B. die Griechenlandreise Neros, binden Ägypten in gesamtrömische Ereignisse ein. Die besondere Bedeutung Ägyptens zur Sicherstellung der Getreideversorgung ergibt sich aus Motiven wie gebündelte Ackerfrüchte, Getreideähren, Füllhörner oder einem Schnitter bei der Getreideernte. Der Av. ist wie gewohnt für das Porträt des Kaisers inkl. Titulatur reserviert. Daneben wird noch ausgedehnter als in der reichsrömischen Prägung den Angehörigen des Kaiserhauses das Bildnisrecht in Form einer Ehrenmünze zuteil. Alexandrinische Prägungen waren jedoch selten Meisterwerke der Münzglyptik, sondern oft stereotyp24. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass die Stempelschneider von Alexandria die Mitglieder des Kaiserhauses und den Kaiser selbst nur selten zu Gesicht bekamen und somit auf Porträtbüsten als Vorlage angewiesen waren.
6. Die kaiserzeitlichen Prägungen
6.1 Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.)
Die erste alexandrinische Münzserie des Augustus zeigt deutlich, dass an ptolemäische Prägungen angeknüpft wird. Auf dem Av. erscheint ein Kopf, kaum mit Porträtzügen versehen, auf dem Rv. der auf einem Blitzbündel stehender Adler. Ein griechischer Buchstabe hinter dem Adler lässt erkennen, dass sogar dem angestammten Münzsystem gefolgt worden ist. Die Umschriften machen deutlich, dass die göttliche Verehrung der hellenistischen Könige jetzt auf den römischen Kaiser übergegangen ist. Diese kultische Sitte sollte die Loyalität der einheimischen Bevölkerung gegenüber der römischen Regierung bekunden25. Nach 30 v. Chr. zirkulierten im Währungsgebiet zudem nur noch vorhandene Silbermünzen, da Augustus kein Silber prägen ließ. Bis zum Ende seiner Regierung brachte er insgesamt sechs Kupferemissionen mit mehrfacher Reduzierung des Standardgewichts unter Beibehaltung der Nominaldurchmesser aus. Der zuletzt erreiche Standard sowie die Durchmesserbereiche wurden sowohl von Tiberius, Claudius als auch von Nero übernommen.
In den sechs Emissionen des Augustus wird das Bildprogramm jedoch nur langsam erweitert. Die Bildaussagen sind allgemein positiv, sie künden von Kontinuität und unterstreichen den Anspruch des Herrscherhauses26. Die lange Dauer der Regierung Augustus’ hat den Entwicklungsgang zum Kaisertum vor Störungen bewahrt. Auf Münzen gegen Ende seiner Regierungszeit mit der Darstellung einer Nike mit Kranz und Palmzweig wird er als Friedensfürst verehrt27.
6.2 Tiberius (14-37 n. Chr.)
Im 7. Jahr des Tiberius entstanden erstmals alexandrinische Silbermünzen in Form von Billontetra-drachmen, 50 Jahre nachdem zuletzt unter Kleopatra VII. silberne Tetradrachmen geprägt worden waren28. Dieses Nominal entwickelte sich zum Hauptnominal und zur Grundlage des Währungssystems, jedoch unter dem ständigen Rückgang von Gewicht und Silbergehalt29. Da Ägypten auf keine Silberfunde im Land zurückgreifen konnte, war er stattdessen auf die Einfuhr dieses Metalls angewiesen. Unter diesen Umständen war die Reduzierung des Silbergehalts eine kluge Lösung, die noch dadurch erleichtert wurde, dass eine Binnenwährung vorlag30.
Auf den Reversen der unter Tiberius geprägten Silbermünzen wird Augustus mit Strahlenkrone als ΘEOΣ ΣEBAΣTOΣ verehrt. Dieses Programm wird bis zum Ende seiner Regierung im 23. Jahr beibehalten. Seiner eigenen sakralen Verehrung stand er zurückhaltend gegenüber. Die kleineren Nominale zeigen den Kopf seiner Gattin Livia und typisch ägyptische Motive wie das Nilpferd oder gebündelte Ackerfrüchte31. Zudem wird unter Tiberius erstmals Serapis dargestellt. Dieser ist damit die erste ägyptische Gottheit, die Aufnahme in das Bildprogramm der Münzen findet. Zweifelsohne transportiert Serapis die Botschaft der Fruchtbarkeit, darüber hinaus können wir aber auch erste Anzeichen von Interesse und Akzeptanz seitens des Imperiums für die traditionellen Kulte des Landes feststellen32.
6.3 Claudius (41-54 n. Chr.)
Claudius’ alexandrinische Münzen zeigen hauptsächlich Porträts seiner Mutter Antonia, seiner dritten Gemahlin Valeria Messalina und seiner letzten Gemahlin Agrippina. Messalina wird stehend mit Ähren und den beiden gemeinsamen Kindern Octavia und Britannicus auf der ausgestreckten Rechten dargestellt33 (Abb. 5). Durch das Attribut der Ähren wird Messalina nach Art der fruchtbaren Demeter gezeigt. Die Münze enthält also eine leicht zu verstehende dynastische Anspielung34.
Bei Claudius stehen neben dem Adler des Zeus von den ptolemäischen Münztypen insbes. einheimische Tierdarstellungen im Vordergrund, wie etwa das Nilpferd oder der Apsisstier. Die Darstellungen des Krokodils und des Ährenbündels sind offensichtlich Münzbilder, die zur Unterscheidung zwischen Obol und Dichalkum dienen sollten. Zu seinen spätesten Münzen gehören Diobole, die das Brustbild der Agrippina auf dem Av. und das der Euthenia, der hellenistischen Göttin des Wohlstands, auf dem Rv. zeigen35 (Abb. 6+7). Das Typenprogramm des Claudius weist somit insgesamt eine größere Mannigfaltigkeit als das des Tiberius auf, einige neue Typen tauchen auf, einige vorhandene Motive werden umgestaltet36.
6.4 Nero (54-68 n. Chr.)
Zu Beginn seiner Regierung stand Nero noch im jugendlichen Alter von 17 Jahren. So bilden die ersten Münzen des Nero den Kaiser mit jugendlichem Kopf ab. Er wurde mit großen Hoffnungen begrüßt, in Alexandria feierte man ihn sogar als neuen Augustus und stellte ihn thronend mit Strahlenkrone des sol invictus dar. Auch Porträts von seiner Mutter Agrippina (Abb. 8) und Octavia, der Tochter des Claudius und seiner Gemahlin, kommen vermehrt vor. Nach den Morden an seinem Stiefbruder Britannicus, Octavia, seiner Mutter und dem Selbstmord seines Lehrers Seneca etablierte sich Nero als absoluter Alleinherrscher. Seine Prägungen zeigen nun die göttliche Überhöhung seiner Person in Form von Porträtdarstellungen mit Strahlenkrone und Ägis des Zeus (Abb. 9). Er trachtete zudem das Prinzipat des Augustus in eine hellenistische Monarchie umzuwandeln. Mit seinem politischen Ziel verband sich eine tiefe Bewunderung des griechischen Wesens. In Neros 13. Regierungsjahr werden die Reverse mit Schiffen versehen. Die dazugehörige Umschrift ΣEBAΣTOΦOPOΣ deutet eindeutig auf seine Griechenlandreise hin. Die einzelnen Stationen seiner Reise lassen sich ebenfalls an Prägungen nachvollziehen37. Spätestens unter Neros Regierung ist das alexandrinische Münzwesen als Währungssystem mit Bronze- und Silberprägungen voll ausgebildet38, auch die Nebenfunktion der Münzen als Massenkommunikationsmittel hat sich voll entfaltet. Die Fülle neuer und aussagekräftiger Münzbilder steigt stark an und dynastische und kultische Aussagen häufen sich39.
6.5 Vespasian (69-79 n. Chr.)
In den fast zwei Jahrzehnten der Regierung des flavischen Herrscherhauses kam die Finanzwirtschaft nach den Ausschweifungen Neros wieder in Ordnung und die Außenpolitik war erfolgreich. Vier Monate nach seiner Krönung kam Vespasian nach Ägypten. Dazu legte er den Zeitpunkt seiner Ankunft auf den Beginn der jährlichen Nilflut. So konnte er sich als Fruchtbarkeitsbringer und göttlich begünstigten Herrscher feiern lassen40.
Vespasian wird auf seinen Münzen mit einem kantigen Schädel auf einem breiten Hals dargestellt, was seine bäuerliche Herkunft aus Mittelitalien untermauern soll. Außerdem war er bei seiner Thronbesteigung bereits 60 Jahre alt, weshalb seine Gesichtszüge dementsprechend durch das Alter gekennzeichnet sind (Abb. 10). Er gehörte nicht zur aristokratischen Elite, er wurde erst durch seine erfolgreiche Militärkarriere nobiliert. So überwiegt auch bei der Reversgestaltung seiner alexandrinischen Münzen die Darstellung der Nike und der Eirene41 (Abb. 11+12). Zudem wird sein Sohn Titus mit der Umschrift AVTOKPATOPOΣ TITOY KAIΣAROΣ als Nachfolger empfohlen.
6.6 Trajan (98-117 n. Chr.)
Die Heimat des Trajan war die römische Kolonie Italica in Spanien. Er gehörte wie Vespasian nicht dem senatorischen Adel an, hatte aber durch seinen Vater Einblick in den Staatsdienst gewonnen. Seine Regierungszeit war von vielen erfolgreichen kriegerischen Unternehmungen geprägt. Da er infolge dessen eine große Eroberungsgestalt der Antike war, schlägt sich das auch in seinen alexandrinischen Münzprägungen wieder, auf jeden er zu besonderen Anlässen als Triumphator dargestellt wird42.
Von großem Interesse ist die Drachmen-Prägung unter Trajan. Wegen des Durchmessers der Stücke – über 30 mm – bieten sie dem Stempelschneider die Möglichkeit, Kompositionen mit mehreren Figuren darzustellen. Eirene reicht Euthenia oder Homonoia die Hand, Asklepios wird jetzt mit Hygieia vereint. Als völlig neuer Typ, der bisher nur unter Trajan nachgewiesen werden konnte, tritt zudem die Vereinigung von Tyche und Nemesis auf. Des Weiteren sind speziell aus den alexandrinischen Kaisermünzen des Trajan neue Erkenntnisse hinsichtlich der Aufstellung von Kultbildern zu gewinnen. Bspw. wird das Bild des thronenden Serapis verändert, indem man ihm Hermes, erkennbar am Kerykeion, und Isis-Demeter, erkennbar am modiusartigen Kopfschmuck, an die Seite stellt. Dieses Exemplar ist bes. selten und lässt sich im Münzkabinett in Frankfurt am Main bestaunen43.
6.7 Hadrian (117-138 n. Chr.)
Auch Hadrian stammte aus Spanien und hatte seinen Vorgänger bereits auf den dakischen und parthischen Kriegsschauplatz begleitet. Der Einfluss des Ostens machte sich in der Auswahl der Reversmotive bei seiner alexandrinischen Drachmenprägung bemerkbar, insbes. Darstellungen von Sphinxen bereichern diese Motivreihe (Abb. 13). Weiterhin ist zu beobachten, dass den Stempelschneidern eine hervorragende Porträtgestaltung des Kaisers gelungen ist. Dies kann möglicherweise auf Hadrians Besuch in den Jahren 130/1 n. Chr. und seine Nilfahrt zurückgeführt werden. Er wird oft als bärtig abgebildet, was als Zeichen der Zuwendung zum Griechentum und deren geistiger Aufklärung gedeutet wird (Abb. 14). Des Weiteren ging bes. Hadrian auf die regionalen Eigenheiten seiner Provinzen ein, woraus sich eine sehr große Programmvielfalt ergab. Neben den bisher bekannten Motiven Nil44, Kanopen und Serapis (Abb. 15–17) erscheint Isis mit Harpokrates auf dem Schoß, dem sie die Brust gibt45 (Abb. 18). Die Göttin hatte ihren Tempel auf der Alexandria vorgelagerten Insel Pharos. Dort wurde unter Ptolemaios II. der erste Leuchtturm erbaut, eines der sieben Weltwunder der Antike. Die alexandrinischen Münzen bieten seine einzige überlieferte bildliche Darstellung. Der Turm war demnach unten quadratisch und bestand aus mehreren schmaler werdenden Abschnitten. Oben war er rund und auf der Spitze stand eine Figur des Poseidon (Abb. 19).
[...]
1 König 1988, 5.
2 Regling 1930, 20f.
3 Nollé 1997, 11.
4 Weiss 1997, 27.
5 Nollé 1997, 17.
6 Gölitzer 2004, 1.
7 Nollé 1997, 26.
8 Ebd.
9 Förschner 1987, 23.
10 König 1988, 2.
11 Alföldi 1978, 116.
12 Gölitzer 2004, 7.
13 Alföldi 1978, 116.
14 Gölitzer 2004, 8.
15 Alföldi 1978, 117.
16 Gölitzer 2004, 8f.
17 Ebd., 73f.
18 Alföldi 1978, 117.
19 Kampmann 2013/1.
20 König 1988, 3.
21 Alföldi 1978, 118f.
22 König 1988, 7f.
23 Regling 1930, 20f.
24 Gölitzer 2004, 121f.
25 Förschner 1987, 23.
26 Gölitzer 2004, 113.
27 Förschner 1987, 24.
28 Gölitzer 2004, 11.
29 König 1988, 4f.
30 Gölitzer 2004, 52.
31 Förschner 1987, 30.
32 Gölitzer 2004, 115.
33 Förschner 1987, 35.
34 Gölitzer 2004, 114.
35 Förschner 1987, 35.
36 Gölitzer 2004, 116.
37 Förschner 1987, 44.
38 Gölitzer 2004, 69.
39 Ebd., 121f.
40 Kampmann 2013/2.
41 Förschner 1987, 76.
42 Ebd., 96.
43 Ebd., 96f.
44 Zu den beliebtesten und bei allen Kaisern immer widerkehrenden Reversmotiven gehört die Darstellung des auf einem Krokodil gelagerten Nil. Die Ägyptern stellten sich die Hauptverkehrsader des Landes als einen ausgestreckt liegenden Mann vor. Ihm ist oft als Zeichen der Fruchtbarkeit ein Füllhorn beigegeben.
45 Ebd., 123.