Was ist eigentlich eine Volkspartei? Gibt es diese überhaupt und wenn ja, ist die AfD eine?
Zunächst soll einmal geklärt werden, was Parteien eigentlich sind und wie diese in der Bundesrepublik entstanden sind. Es soll kurz beleuchtet werden unter welchen Umständen die AfD entstanden ist und wie sie sich entwickelt hat. Das zweite Kapitel setzt sich dann intensiver mit dem Begriff Volksparteien auseinander. Was sind Volksparteien? Welche Merkmale zeichnen eine Volkspartei aus und gibt es unterschiedliche Ansichten dazu? Haben wir das geklärt, so können wir die Merkmale nehmen und schauen, wie diese sich auf die AfD münzen lassen.
Das Fazit und der Ausblick zum Schluss sollen die festgehaltenen Ergebnisse noch einmal zusammenfassend reflektieren und einen Überblick darüber geben, ob die AfD eine Volkspartei ist oder sich auf dem Weg zu einer befindet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Parteien
2.1 Parteiendefinition
2.2 Deutsche Parteiengeschichte von 1945-2013
2.3 Grundung und Entwicklung der AfD als Zasur
3. Volkspartei
3.1 Kirchheimer
3.2 Weitere Vertreter
4. Ist die AfD eine Volkspartei?
4.1 Organisatorische Dimension
4.2 Elektorale Dimension
5. Fazit und Ausblick
6. Quellen
1. Einleitung
Im Mai 2014 zieht die AfD erstmalig in das Europaische Parlament ein, damals noch mit 7% und Bernd Lucke betonte am Wahlabend schon, obwohl die Partei erst ein Jahr alt war, dass die AfD als neue Volkspartei angetreten sei.1 Zwei Jahre spater fragt sich Frauke Petry nach den drei Landtagswahlen in Baden- Wurttemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, welche Partei denn nun die groftere Volkspartei ware.2 Ahnliches geschiehtesauf der Bundespressekonferenz der AfD nach den Landtagswahlen 2019 in Brandenburg und Sachsen, wo Jorg Meuthen selber die Situation so analysiert: „Wir etablieren uns damit als Volkspartei.“.3 So definieren und definierten der aktuelle Vorsitzende und zwei ehemalige Vorsitzende die AfD als Volkspartei. Doch was ist eigentlich eine Volkspartei? Gibt es diese uberhaupt und wenn ja, ist die AfD eine? Die Beantwortung dieser Frage, auch wenn eine Hausarbeit nicht alles abdecken kann, soll im Fokus stehen. Eheman dieser spezifischen Frage auf den Zahn fuhlen kann, gilt es, um im metaphorischen Bilde zu bleiben, das Gebiss im Gesamten zu untersuchen. Deswegen soll zunachst einmal geklart werden, was Parteien eigentlich sind und wie diese in der Bundesrepublik entstanden sind. Es soll kurz beleuchtet werden unter welchen Umstanden die AfD entstanden ist und wie sie sich entwickelt hat. Das zweite Kapitel setzt sich dann intensiver mit dem Begriff Volksparteien auseinander. Was sind Volksparteien? Welche Merkmale zeichnen eine Volkspartei aus und gibt es unterschiedliche Ansichten dazu? Haben wir das geklart, so konnen wir die Merkmale nehmen und schauen, wie diese sich auf die AfD munzen lassen.
Das Fazit und der Ausblick zum Schluss sollen die festgehaltenen Ergebnisse noch einmal zusammenfassend reflektieren und einen Uberblick daruber geben, ob die AfD eine Volkspartei ist oder sich auf dem Weg zu einer befindet.
Lassen Sie mich zu Beginn noch sagen, warum ich mich fur dieses Thema entschieden habe. Hierbei gibtes zwei Seiten, welche genauer beleuchtet werden sollen. Auf der einen Seite die Frage nach der Aktualitat. Die Alternative fur Deutschland ist noch eine relativ junge Partei und wurde erst vor neun Jahren gegrundet, doch in dieser Zeit schaffte sie es, und das mit teilweise groften Wahlerfolgen, in alle Landerparlamente, in viele Stadtrate und Kreistage, ins Europaische Parlament und ist mittlerweile die drittstarkste Kraft im Bundestag. Kaum eine andere Partei hatte einen so schnellen Mitgliederzuwachs in den letzten Jahren und es vergeht kein Tag, an welchem nicht von der AfD die Rede ist. Auf der anderen Seite ist der Punkt der Relevanz. Parteien begegnen uns uberall. Sie formen politische Institutionen (wie etwa die Bundesregierung), sie sind im engen Austausch mit der Wirtschaft, sie begegnen uns bei Wahlen, in Parlamenten, auf Bundes- und auf kommunaler Ebene. Maftgeblich treffen sie Entscheidungen uber politische Inhalte und ein Pluralismus in der Parteienlandschaft ist stets ein Anzeichen fur Demokratie und einen demokratischen Wettbewerb. Zu diesen beiden Aspekten hinzu kommt auch noch der Punkt des personlichen Interesses, moglicherweise einen kleinen Beitrag in der aktuellen Forschung bei diesem noch recht jungen Thema zu leisten.
Der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber, habe ich mich dazu entschieden, diese Hausarbeit nicht zu gendern und die im Deutschen gebrauchliche maskuline Form fur personenbezogene Benennungen zu benutzen. Ausdrucklich sei gesagt, dass dies keine Benachteiligung eines Geschlechts sein soll, noch eine Diskriminierung in irgendeiner Art und Weise sein.
2. Parteien
Spricht man uber die AfD, das gilt aber auch fur alle anderen Parteien, dann ist es zunachst hilfreich, den Begriff Parteien naher zu betrachten. Das folgende Kapitel soll dies tun. Es wird zunachst versucht eine Parteiendefinition zu finden und wichtige rechtliche Grundlagen genauer zu erlautern. Dazu wird es einen Blick in das Grundgesetz und in das Gesetz uber politische Parteien geben. Im zweiten Schritt soll ein kurzer Uberblick uber die Parteienentwicklung in Deutschland gegeben werden, wo primar auf den Zeitraum von 1945-2013 geschaut werden soll. Der letzte Abschnitt des Kapitels geht dann genauer auf die AfD ein. Wie hat sich diese Partei entwickelt? In welchem Kontext ist sie entstanden? Wo steht sie heute? Auf diese Fragen soll in diesem Kapitel genauer eingegangen werden.
2. 1 Parteiendefinition
Im Gegensatz zu 1848, wo sich in der Frankfurter Paulskirche die ersten Parteien versammelten und noch nicht so recht klar war, welche Rolle sie nun spielen, haben wir in der Bundesrepublik, beziehungsweise generell in modernen Staaten, Parteien, welche eine zentrale Rolle spielen. Um dies zu erkennen braucht man einfach nur ins Grundgesetz schauen. Derweil die Weimarer Reichsverfassung noch nicht einmal das Wort „Partei“ kannte, wird es in Artikel 21 des Grundgesetzes direkt erwahnt:
„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Grundung ist
frei. Ihre innere Ordnung mufi demokratischen Grundsatzen entsprechen. Sie mussen uber
die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie uber ihr Vermogen offentlich Rechenschaft
geben.“4
Wir erfahren also, dass Parteien politisch agieren und gestalten und es jedem frei ist eine Partei zu grunden. Man wollte aber auch aus der Vergangenheit lernen, denn das Erstarken der verfassungsfeindlichen Parteien und das Nicht-Wissen, wie man damit umgehen sollte, fuhrte unter anderem zum Nationalsozialismus. Deswegen steht unter Absatz 2 im selbigen Artikel:
„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhanger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeintrachtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefahrden, sind verfassungswidrig.“5 Also konnen Parteien auch verboten werden, sofern sie gegen die Verfassung verstoften. Das hat nicht eine Person (zum Beispiel der Bundesinnenminister) zu entscheiden, sondern das Bundesverfassungsgericht (bei regionalen Parteien die Landesverfassungsgerichte).6 Doch das erklart noch nicht was Parteien nun eigentlich sind? Der Blick in das Grundgesetz ist aber insofern wichtig, als dass jenes Meta- Normen enthalt und alle anderen Normen und Gesetze sich nach diesen zu richten haben. Um einen besseren Uberblick daruber zu bekommen, was Parteien sind, lohnt sich ein Blick in das Gesetz uber die politischen Parteien (kurz: PartG). Also schafft Artikel 21 des Grundgesetzes die Grundlagen fur das Parteiengesetz. In jenem Parteiengesetz werden diese konkreter unter Paragraph 2 bestimmt:
„Parteien sind Vereinigungen von Burgern, die dauernd oder fur langere Zeit fur den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung EinfluB nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsachlichen Verhaltnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Offentlichkeit eine ausreichende Gewahr fur die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei konnen nur naturliche Personen sein.“7
Um es nochmal mit eigenen Worten zu erklaren, verstehe ich eine Partei als einen Zusammenschluss von mehreren Burgern, welche die Absicht haben, politische Verantwortung zu ubernehmen. Sie braucht, um arbeiten zu konnen, eine Satzung, einen Grundungsvertrag, ein Parteiprogramm und einen Namen, welcher keine Ahnlichkeit zu anderen Parteien aufweist.
2. 2 Deutsche Parteiengeschichte 1945-2013
Um einen Uberblick uber die heutige Parteienstruktur zu bekommen, kann es hilfreich sein, sich die historische Entwicklung von Parteien in Deutschland anzuschauen. Es wurde den Rahmen sprengen, wenn wir bei den Ursprungen ansetzen wurden, weswegen der Zeitraum von 1945 bis 2013 im Fokus stehen soll. Wenn man diesen Zeitraum im Ganzen betrachtet, kann dies schnell zu Irritationen fuhren, so dass eine zeitliche Einteilung helfen soll. Ich werde mich bei den kommenden Ausfuhrungen vor allem auf Alemann, und seine Gedanken dazu, beziehen. Er unterscheidet funf Phasen der Entwicklung im deutschen Parteiensystem.8 Nach dem Ende der Diktatur durch den Nationalsozialismus und dem Einparteienstaat der NSDAP und unter dem Auge der Besatzungsmachte war es gar nicht so einfach neue Parteien zu grunden. Vier Jahre dauerte es dann bis das Grundgesetz stand und der erste Bundestag gewahlt wurde. Diesem gehorten noch 10 Fraktionen und 3 Unabhangige Abgeordnete an, was mit einer fehlenden Sperrklausel zu erklaren ist. Diese Zersplitterung und Kleinteiligkeit endete jedoch schnell und viele regionale Parteien schlossen sich den grofteren Parteien an. Also stand zunachst die Formierung an, weswegen Alemann diese Phase auch als Formierungsphase bezeichnet, welche er bis 1953 datiert.
Bis 1976 schlieftt sich die Konzentrierungsphase an. Nach der Entsplitterung und dem Fusionieren kleinerer Parteien mit den groRen, kam es zu einer „Dominanz“9 von CDU, CSU, FDP und SPD, welche uber zwei Jahrzehnte lang, teilweise im Wechsel, an der Regierung beteiligt waren. Bei den Bundestagswahlen 1972 und 1976 kamen diese vier Parteien, was heute gar nicht mehr denkbar ist, auf insgesamt 99,1% aller Wahlerstimmen.
Dies anderte sich jedoch allmahlich, man kann also von einer „Transformation“'10 sprechen. Aufgrund der Guillaume- Affare trat 1974 Willy Brandt zuruck und Helmut Schmidt wurde neuer Bundeskanzler einer sozialliberalen Koalition, welche gebeutelt ist von internationalen Krisen. Wirtschafts- und Olkrisen, NATO- Doppelbeschluss und Kalter Krieg, aber auch nationale Ereignisse, welche nur bedingt das Vertrauen in die Parteien wachsen lieft. RAF- Terror und die Nutzung der Kernkraft fuhren zu einem Erstarken von Demonstrationsbewegungen fur Frieden und Umweltschutz. Hervorgehend aus diesen Demonstrationen grunden sich 1980 die Grunen. Diese ziehen 1983 auch erstmalig in den Bundestag ein. Durch die Wiedervereinigung kommt, vor allem durch gute Wahlergebnisse im Osten, noch die PDS (heute: Die Linke) hinzu. Was am Anfang aus CDU/CSU, SPD und FDP bestand, ist nun zu einem Funf- Parteiensystem (bzw. Sechs- Parteiensystem, wenn man CDU und CSU trennt) geworden. Diese Entwicklung fuhrte auch zu neuen Koalitionsmoglichkeiten. War es bislang so (bis auf drei Jahre unter Kiesinger), dass die FDP quasi als Ball zwischen CDU und SPD hin und her gespielt wurde, so gab es nach der Bundestagswahl 1998 erstmals eine neue Moglichkeit. Die SPD nutzte diese Gelegenheit auch und ging eine Koalition mit den Grunen ein. Dies kann als erster Aufbruch verstanden werden, in einer bislang sehr starren Entwicklung, weswegen diese Phase bis 2005 auch als Aufbruchphase11 bezeichnet werden kann.
Gerade fur die SPD ist dieser Aufbruch aber kein Erfolg gewesen. Mitgliederschwund und stagnierende Wahlergebnisse, sowie die Auseinandersetzung mit der Linkspartei lieften die SPD in eine Krise fallen. Auch die andere grofte Partei, CDU, hat diese Probleme zu verzeichnen. Innerparteilicher Streit bei Fragen zu Atomausstieg, Aussetzung der Wehrpflicht und Euro- Rettungspolitik halfen der Partei auch nicht sonderlich. Diese Vorgange meint Alemann, wenn er von der Fragmentierungsphase (auch fluide Phase genannt)12 spricht.
2.3 Grundung und Entwicklung der AfD als Zasur
Auch die Grundung der AfD ist fur Alemann ein Teil der Fragmentierungsphase. Doch ist das nicht etwas zu kurz gegriffen? Er sieht die Grundung und den anfanglichen „Erfolg“ der Piratenpartei einer gleichen Phase zugeordnet, wie den Aufstieg der AfD. Keine andere Partei hat es geschafft, wie es schon in der Einleitung erwahnt wurde, binnen sechs Jahren in alle Landerparlamente gewahlt zu werden und diese Ergebnisse zu bestatigen. Im deutschen Bundestag sitzt sie als starkste Oppositionskraft und gleichzeitig als drittgroftte Fraktion. Trotz dieser Wahlerfolge mag keiner der anderen Parteien mit ihr zusammenarbeiten. Erstmalig hat es mit der AfD aber auch eine Partei geschafft sich zu etablieren, welche Wahler vom Konservativen bis zum Rechtsextremen vereint. Das hat bislang noch keine geschafft, trotz der Versuche durch die NPD oder durch die Republikaner.13 Den eben genannten Ausfuhrungen soll also eine sechste Phase zugrunde liegen, in Deutschland beginnend, mit der Grundung der AfD, in der Entwicklung des deutschen Parteiensystems. Diese mag ich als Populismusphase bezeichnen und hat ahnliche Zuge in an anderen Staaten (z.B. FPO in Osterreich; Front National in Frankreich; Lega Nord in Italien etc.). In dieser Phase entsteht die AfD, verzeichnet, zumindest bei den Wahlen, vor allem in den ostdeutschen Landern, grofte Erfolge. Gerade weil die Grundung der AfD eine Veranderung in der deutschen Parteienlandschaft darstellt, war es wichtig, diese auch extra zu benennen und gerade deswegen stellt sie auch in gewissem Mafte eine Zasur dar. Sebastian Friedrich, seinerseits Soziologe, gliedert in seinem Buch zur Analyse der AfD, die Parteiengeschichte der Alternative fur Deutschland, in sieben Phasen ein. Dies streckt sich von einem zunachst gemaftigten Programm und gewohnlichem Auftreten. Dies wird schon in der Anfangsphase begleitet von Rechtsverschiebungen und einer spateren Polarisierung. 2015 drohte es zu einer Zersplitterung der Partei zu kommen, was letztlich nicht geschah und nur Bernd Lucke „zum Opfer fiel“. 2017, beim Bundesparteitag in Koln, konnte sich die volkischen Krafte der Partei durchsetzen und ab diesem Zeitpunkt kann man, teilweise auch nach auften hin, eine Auseinandersetzung zwischen einzelnen Parteiflugeln sehen.14
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1 Lucke in Siegerlaune: dpa, in: Handelsblatt 26.04.2014
2 Petry sieht AfD auf dem Weg zur Volkspartei: afp, in: T- Online 14.03.2016
3 Wehner, Markus, Die selbsternannten Burgerlichen von der AfD, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 02.09.2019
4 Artikel 21, Abschnitt 1. Grundgesetz
5 Ebenda Abschnitt 2
6 Ebenda Abschnitt 4
7 §2 Abschnitt 1 Parteiengesetz
8 Von Alemann, Ulrich: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. S. 52- 56
9 Ebenda S. 52
10 Ebenda S. 52
11 Ebenda S. 56
12 Ebenda S. 56
13 Friedrich, Sebastian: Die AfD. Analysen- Hintergrunde- Kontroversen S. 7
14 Ebenda S. 47-48