Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwieweit die Blockchain-Technologie dazu beitragen kann, Wirtschaftsprüfung glaubhafter und effektiver zu machen und deren Funktion innerhalb der Wirtschaftsordnung zu stärken.
Als Blockchain bezeichnet man ein verteiltes, elektronisches Register, um Informationen
dauerhaft, transparent und vertrauenswürdig zu speichern und zugänglich zu machen, ohne dass auf eine zentrale Instanz zugegriffen werden muss. 2018 schlossen sich in Taiwan erstmals die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften –Deloitte, EY, KPMG und PwC („Big Four“) – einer Gruppe von 20 Banken an, um einen Blockchain-Service für die Prüfung von Zwischenfinanzberichten öffentlicher Unternehmen zu testen.
Traditionell werden externe Bestätigungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften manuell durchgeführt, um die Echtheit von Finanztransaktionen öffentlicher Unternehmen mit Dritten zu verifizieren.
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 PROBLEMSTELLUNG
1.2 ZIELSETZUNG
1.3 STRUKTUR DER ARBEIT
2 RECHTLICHE UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 CORPORATE GOVERNANCE
2.1.1 Corporate Governance - Grundsätze & Rolle der Unternehmensführung
2.1.2 Blockchai n-Ökosysteme
2.2 BLOCKCHAIN & DLT - MEHR ALS NUR BITCOIN
2.2.1 Begriffsdefinitionen
2.2.2 Technische Funktionen und Anwendungsbereiche
2.2.3 Mögliche Gefahren
3 QUALITATIVE FORSCHUNGSMETHODE: EXPERTEN-BEFRAGUNG
3.1 DATENERHEBUNG-/ AUFBEREITUNG
3.2 AUSWERTUNG UND INTERPRETATION DER FRAGEBÖGEN
3.3 INHALTLICHE AUSWERTUNG DER FRAGEBÖGEN
3.3.1 Nutzen
3.3.2 Verhinderung eines Bilanzskandals
3.3.3 Oligopol-Struktur
3.3.4 Interessenskonflikte
3.3.5 Substitut oder Verbesserung der Wirtschaftsprüfung
3.3.6 Whistleblowing
3.3.7 Manipulation
3.3.8 Vertrauen der Aktionäre
3.3.9 Effizienter Kapitalmarkt
3.3.10 Größte Hürden
4 FAZIT UND AUSBLICK
4.1 ZIELERREICHUNG
4.2 PERSPEKTIVEN
ANHÄNGE
ANHANG 1 - VORSTELLUNG DER INTERVIEWPARTNER
ANHANG 2 - FRAGEKATALOG
ANHANG 3 - RÜCKSENDUNGEN
LITERATURVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
CG Corporate Governance
CSR Corporate Social Responsability
DCGK Deutsche Corporate Governance Kodex
DLT Distributed-Ledger-Technologie
EY Ernst & Young
FTSE Financial Times Stock Exchange
KPMG Gründer: Klynveld; Peat; Marwick; Goerdeler
PoW Prof-of-Work
PwC PricewaterhouseCoopers
1 Einleitung
Als Corporate Governance (CG) bezeichnet man die Einhaltung der Grundsätze ordentlicher Unternehmensführung. CG ist im strategischen Management verortet. Dadurch sollen Interessenskonflikte und Management-Fehlverhalten verhindert werden. Fehler im Management - oder sogar - absichtliches, kriminell motiviertes Fehlverhalten, wie zuletzt im Wirecard-Skandal gesehen, schädigt die Stakeholder und kann Unternehmenskrisen auslösen, die in besonders schweren Fällen zur Insolvenz führen können. 2002 wurde daher der für börsennotierte Unternehmen verbindliche Deutsche Corporate Governance Kodex (vgl. Erstveröffentlichung des DCGK, 2002) eingeführt. Eine hohe Qualität der Unternehmensführung ist sowohl für Anleger als auch Aufsichtsbehörden ein wichtiges Kriterium. Sie wirkt sich unmittelbar auf die Unternehmensperformance aus. Wühle zufolge haben Bilanzskandale das Vertrauen in den Kapitalmarkt nachhaltig erschüttert, weshalb vor allem aus der Anlegerseite Forderungen nach Regulierung laut geworden sind (vgl. Wühle, 2012). Auch der Standort Deutschland mit seinen Finanzplätzen Frankfurt und München, die spätestens seit dem Brexit im internationalen Wettbewerb stehen, sollte ein starkes Interesse daran haben, die CG der hier börsennotierten Unternehmen zu verbessern.
1.1 Problemstellung
Als Blockchain bezeichnet man ein verteiltes, elektronisches Register, um Informationen dauerhaft, transparent und vertrauenswürdig zu speichern und zugänglich zu machen, ohne dass auf eine zentrale Instanz zugegriffen werden muss (vgl. Fill & Meier, 2020). 2018 schlossen sich in Taiwan erstmals die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften - Deloitte, EY, KPMG und PwC („Big Four“) - einer Gruppe von 20 Banken an, um einen Blockchain-Service für die Prüfung von Zwischenfinanzberichten öffentlicher Unternehmen zu testen. Traditionell werden externe Bestätigungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften manuell durchgeführt, um die Echtheit von Finanztransaktionen öffentlicher Unternehmen mit Dritten zu verifizieren (vgl. Zhao, 2018). Genau diese Aufgabe hatte die Prüfungsgesellschaft EY dem Sonderermittler Martin Wambach zufolge jedoch nicht erfüllt. Über einen Zeitraum von über zehn Jahren hatte EY Wirecard uneingeschränkte Testate ausgestellt, die die kriminellen Machenschaften übersahen. Wambachs Untersuchungsbericht legt den Schluss nahe, dass EY an bei der Wirecard-Prüfung nachlässig bis schlampig agierte oder sich allzu leicht aufs Glatteis hat führen lassen (vgl. Bender, Fröndhoff, Greive, & Holtermann, 2021). Das Ziel sollte also sein, den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Möglichkeit zu geben, alle Transaktionen über eine nachvollziehbare und manipulationssichere Datenkette in dezentraler Weise einzusehen, wodurch der Bestätigungsprozess rationalisiert und automatisiert wird. Dabei stellt sich einerseits die Frage, ob die Wirtschaftsprüfer den erlittenen Reputationsschaden durch Einsatz der Blockchain-Technologie langfristig wiedergutmachen können und andererseits, ob die Blockchain-Technologie nicht sogar die Wirtschaftsprüfung in der Form, wie sie gerade besteht, überflüssig machen könnte. Die „Big Four“ geraten mit jedem neuen Bilanzskandal weiter unter Druck. Kritisiert wird sowohl ihre Oligopolstruktur, d.h. die Aufteilung des Beratungsmarktes unter die vier großen Gesellschaften, als auch der Interessenskonflikt, der sich aus dem Zusammenspiel von Beratungsgeschäft und Prüfungsmandat ergibt. Schon 2019 forderte die britische Finanzaufsicht eine Trennung dieser Bereiche. Zudem soll jedes FTSE350-Unternehmen künftig ein zweites Testat eines Nicht-Big-Four-Prüfers erhalten. Die „Big Four“ kündigten prompt Widerstand dagegen an (vgl. Volkery, 2019). Vor diesem Hintergrund ist es interessant herauszufinden, inwieweit die Blockchain-Technologie hier eine disruptive Funktion einnimmt, d.h. die Oligopolstruktur der „Big Four“ aufzubrechen, oder ob sie - im Gegenteil - dazu geeignet ist, die Marktmacht der Wirtschaftsprüfer weiter zu zementieren.
1.2 Zielsetzung
Zur Untersuchung der Frage wählte ich die Form von Experteninterviews, da es sich bei der Frage des Einflusses von Blockchain in der Wirtschaftsprüfung um eine Problematik handelt, die kaum in der Praxis verankert ist, weshalb es kaum belastbares Datenmaterial dazu gibt. Das Ziel der Untersuchung soll die Beantwortung der Frage sein, ob und inwieweit die Blockchain-Technologie dazu beitragen kann, Wirtschaftsprüfung glaubhafter und effektiver zu machen und deren Funktion innerhalb der Wirtschaftsordnung zu stärken.
1.3 Struktur der Arbeit
Zu Beginn der Arbeit werde ich die theoretischen Grundlagen der Fragestellung untersuchen, d.h. welche Aufgabe erfüllt Corporate Governance, welche Funktionen erfüllt zum jetzigen Stand die Blockchain-Technologie und welche Risiken sind damit verbunden. Im Zentrum des zweiten, praxisorientierten Teils dieser Untersuchung steht die Auswertung der Expertenbefragung. Dabei entwickelte ich einen Fragebogen (siehe Anhang 2), den ich an vier Experten aus den Bereichen Recht, Wirtschaftsprüfung, Blockchain und Finanzwesen geschickt habe und die zum Teil recht unterschiedliche, zum Teil sogar konträre Antworten (siehe Anhang 3) generiert habe, die am Ende der Arbeit verglichen und ausgewertet werden.
2 Rechtliche und theoretische Grundlagen
Die Wirtschaftsprüfung dient dem Schutz der Aktionäre. Durch unabhängige Gutachter soll die Wirtschaftsprüfung feststellen, ob der Jahresabschluss nach kaufmännischen und juristischen Grundsätzen erfolgt ist. Allgemeingültige Richtlinien, nach denen sich Unternehmen richten, um „Compliant“ zu sein, also der Frage nachgehen, inwieweit Unternehmen diese allgemeinen Grundsätze befolgen, bilden eine eigenständige Disziplin, die sich in den letzten Jahrzehnten unter der Bezeichnung „Corporate Governance“ durchgesetzt hat. Aufgrund mehrerer Bilanzskandale sind Firmen, die an Kapitalmärkten notiert sind, verpflichtet, eine Corporate - Governance -Erklärung anzugeben.
2.1 Corporate Governance
Wühle zufolge entspringt Corporate Governance zwei Grundgedanken, einem normativen, dem zufolge sich ein Unternehmen einer sich stets wandelnden Regulatorik unterwerfen soll, was sich auch in dem Begriff, sich „compliant“ verhalten widerspiegelt, und einem eher ökonomisch motivierten Profitabilitätsgedanken, wonach Corporate Governance eine Methode ist, den Kapitaleinsatz der Aktionäre möglichst effektiv und ohne Verluste zu vermehren (vgl. Wühle, 2012). Während der erste Gedanke makroökonomisch und gesellschaftlich verankert ist, trägt der zweite Ansatz eher dem Shareholdernutzten Rechnung. Während früher der Shareholder-Ansatz mit dem Fokus auf der Maximierung des Unternehmensgewinns dominierte, rückt heutzutage der Stakeholder-Ansatz zunehmend in den Fokus der Diskussionen (vgl. Poeschl, 2013). Dazu zählen nicht nur soziale, sondern auch ökologische Kriterien. Die Auswirkungen des Geschäftsmodells des Unternehmens auf die Umwelt spielen gerade in Zeiten des Klimawandels und der Bewegung „Fridays for Future“ eine immer größere Rolle. Der Shareholder-Value-Ansatz stellt ein Instrument für eine weitestgehend transparente Unternehmensbewertung und zur Bewertung geplanter Maßnahmen und Strategien zur Verfügung, auch wenn er selbst keine Strategie per se darstellt. Als Shareholder werden die Inhaber und Anteilseigner eines Unternehmens bezeichnet. In der Regel wird der Begriff bei börsennotierten Unternehmen verwendet. In diesem Falle können die Aktionäre als Shareholder bezeichnet werden, weil sie mit den Aktien Anteile des Unternehmens besitzen. Shareholder erwarten finanzielle Erträge von ihrem Engagement im Unternehmen. Der Stakeholder Value beschreibt den Wert, den die Tätigkeit eines Unternehmens für Personen oder Personengruppen hat, die ein berechtigtes Interesse an Prozessverläufen und Projektergebnissen haben („Stakeholder"). Der Stakeholder Value berücksichtigt dabei - über die Anteilseigner hinaus - alle im sozioökonomischen Unternehmensumfeld befindlichen Interessengruppen und erweitert damit den Shareholder-Value-Ansatz. Interne Stakeholder sind Eigentümer, Mitarbeiter und Manager, während Kunden, Lieferanten, Gläubiger, Staat und Gesellschaft zu den externen Stakeholdern zählen.
2.1.1 Corporate Governance - Grundsätze & Rolle der Unternehmensführung
Bei Corporate Governance handelt es sich ebenso wie bei dem verwandten Corporate Social Responsibility (CSR) um einen Managementansatz, wobei bei beiden Konzepten die Glaubhaftigkeit, Transparenz und Nachhaltigkeit kritisch hinterfragt werden, (vgl. Welge & Eulerich, 2014). Welge und Eulerich zufolge konnte ein positiver Zusammenhang von Corporate Governance und Unternehmenserfolg nachgewiesen werden (vgl. Welge & Eulerich, 2014). Dabei dient bei Aktiengesellschaften die Trennung in die Organe Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat der Unterscheidung von Unternehmensführung und Unternehmensüberwachung (vgl. Welge & Eulerich, 2014). Corporate Governance ist ein zentraler Begriff der Unternehmensführung. Darunter wird eine Vielzahl von Regelungen und rechtlichen Vorgaben zusammengefasst, denen sich ein Unternehmen verpflichtet, um rechtskonform und erfolgreich am Markt zu agieren. In Deutschland existiert seit 2002 der Deutsche Corporate Governance Kodex, den eine Kommission des Bundesjustizministeriums (vgl. Erstveröffentlichung des DCGK, 2002) verabschiedet hat. Die gesetzliche Grundlage des Kodex bildet das Aktiengesetz. Sein Ziel ist es, Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu schaffen und so das Vertrauen von Investoren, Mitarbeitern, Kunden und der Öffentlichkeit in deutsche börsennotierte Unternehmen zu stärken. Der Corporate Governance Kodex wird in regelmäßigen Abständen geprüft und aktualisiert.
2.1.2 Blockchain-Ökosysteme
Eine Grundlage der Corporate Governance liegt in der Transaktionskostentheorie, wonach die Umsetzung regulatorischer Vorhaben nur dann ökonomisch effizient sind, wenn die damit verbundenen Transaktionskosten niedriger sind als die Koordination über den Markt (vgl. Welge & Eulerich, 2014). Dieser Kostengrundsatz steht im Zentrum der Fragestellung nach dem Einsatz von Blockchain-Technologie in der Wirtschaftsprüfung, zumal es gerade die hohen Kosten sind, die in der Regel Gegenstand der Kritik sind (vgl. Fill & Meier, 2020). Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass selbst hochentwickelte Wertschöpfungsketten anfällig sind. Um die Flexibilität und Resilienz zu erhöhen, haben sich in den letzten Jahren unterschiedliche Strategien herausgebildet. Technologiebasierte, branchenspezifische und sogar branchenübergreifende Plattformen helfen dabei, Standards zu definieren, Prozesse abzustimmen und Abläufe und Risiken auf eine Reihe gleichgesinnter Akteure zu verteilen. Dennoch bleibt die Frage, wie eine effektive Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Interaktionen in einem gemeinsamen digitalen Ökosystem erreicht werden kann. Ein auf Blockchain-Technologie basierendes Konsortium ermöglicht es allen Beteiligten, in einem vertrauensvollen Umfeld zusammenzuarbeiten. Dafür ist es notwendig, ein robustes Governance-Modell (vgl. Hilb, 2019) aufzubauen, dass es den Teilnehmern ermöglicht, nach den gleichen Prinzipien zu handeln. Macht und Vertrauen müssen unter den Stakeholdern des Ökosystems ver- oder geteilt werden, statt in einer einzelnen Person oder einem einzelnen Unternehmen konzentriert zu sein.
2.2 Blockchain & DLT - Mehr als nur Bitcoin
Die Idee der Blockchain-Technologie wurde bereits 1991 beschrieben, als die Forscher eine rechnerisch praktikable Lösung zur Zeitstempelung digitaler Dokumente einführten, damit sie nicht rückwirkend oder manipulierbar sind. Das System verwendete eine kryptographisch gesicherte Blockchain zur Speicherung der mit Zeitstempel versehenen Dokumente und 1992 wurden Merkle-Bäume in das Design integriert, was es effizienter machte, da nun mehrere Dokumente in einem Block gesammelt werden konnten. Diese Technologie wurde jedoch nicht genutzt und das Patent erlosch 2004, vier Jahre vor der Gründung von Bitcoin. Im Jahr 2008 wurde ein Whitepaper zur Einführung eines dezentralen Peer-to-Peer-Electronic-CashSystems (vgl. Nakamoto, 2008), so genannt „Bitcoin“ (Kryptowährung) von einer Person oder Gruppe unter dem Pseudonym „Satoshi Nakamoto am 31.10.2008 veröffentlicht. Ein Jahr später wurde die erste öffentlich verteilte Blockchain (Block-Kette) ins Leben gerufen. Durch Distibuted-Ledger-Technologie (DLT - verteiltes Kontenbuch) werden alle Transaktion dezentral dokumentiert und eine Überstimmung erfolgt durch Protokolle wie das Proof of Work bei Bitcoin (vgl. Hosp , 2018). Im Jahr 2013 erklärten Programmierer, dass Bitcoin eine Skriptsprache für die Entwicklung dezentraler Anwendungen benötige. Für das Problem wurde eine neue Blockchain-basiert verteilten Computerplattform, Ethereum, entwickelt, was über eine Skripting-Funktionalität verfügt, auch Smart Contracts genannt. Heute gewinnt die Blockchain-Technologie immer mehr an Bedeutung und wird bereits in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, nicht nur in Kryptowährungen.
2.2.1 Begriffsdefinitionen
Unter Blockchain versteht man die Möglichkeit, Informationen mithilfe einer dezentralen, von vielen Teilnehmern gemeinsam genutzten Datenbank manipulationssicher zu übermittelten. Die Datenbank wird auch als verteiltes Register oder Hauptbuch (Distributed Ledger) bezeichnet. Ein dezentraler Ledger ist eine digitale Datenbank, welche von einer Gruppe von Leuten abgespeichert und in regelmäßigen Zeitblöcke auf dem gleichen Stand gehalten wird. Diese befindet sich in einem Peer-to-Peer-Netzwerk (vgl. Nakamoto, 2008) und hat die Aufgabe, Transaktionen zu überprüfen und zu dokumentieren. Jeder Block wird kryptografisch verschlüsselt (Private Key + Public Key) an eine Kette von Datensätzen (Blockchain). Die Transparenz der Blockchain entsteht dadurch, dass das Journal ständig durch ein Netzwerk, sogenannter Miner kontrolliert wird. Diese verifizieren Block für Block die hinterlegten Informationen und verteilt es im Netz, auch Buchhalter genannt. Blockchain ist nicht nur auf finanzielle Transaktionen beschränkt und kann für jede Art von Information genutzt werden.
2.2.2 Technische Funktionen und Anwendungsbereiche
Zur Erklärung der grundsätzlichen Funktionsweise von Blockchain-Systemen wird die BitcoinBlockchain herangezogen. Bitcoin ist als Peer-to-Peer-basiertes digitales Währungssystem zu verstehen, in dem Transaktionen ohne einen Intermediär vollzogen werden (vgl. Nakamoto, 2008). Sichere Transaktionen und eine dezentrale Verwaltung der Blockchain werden über kryptographische Algorithmen (vgl. Schwenk, 2020) ermöglicht. Das Fundament der Kryptographie baut auf zwei Konzepte: Public-Key-Kryptographie (digitale Signatur) und kryptographische Hash-Funktionen (beliebig große Zeichenkette mit fixer Länge). Das Konzept wird durch einen Algorithmus als mathematisch miteinander verbundenes Schlüsselpaar generiert (vgl. Wätjen, 2018). Das hypothetische Gedankenspiel vergleicht die Netzwerkknoten in einer Metapher mit byzantinischen Generälen, die sich ähnlich zu den Knoten auf einer Blockchain verhalten. Das Bitcoin-Netzwerk löst das Problem der byzantinischen Generäle und erreicht den Konsens über ein sogenanntes Prof-of-Work (PoW) Schema (vgl. Adam, 2020). Konsens-Kreierung in einem dezentralen System muss per Definition etwas kosten, um alle Teilnehmer dazu zu bringen, durch einem optimalen Konsens-Algorithmus die bestmögliche Realität abzuspeichern. Zusammengefasst lässt sich die Blockchain allgemein in jedem Bereich einsetzen, der die Erfassung, den Nachweis, oder Transfer jeglicher Art von Kontakt oder Objekt zum Gegenstand hat. Kryptowährungen sind die derzeit populärste Blockchain-Anwendungen.
2.2.3 Mögliche Gefahren
Auch wenn Blockchain die Vorteile einer dezentralen, unveränderlichen und vertrauenswürdigen Speicherung von Daten bietet, sind noch nicht alle damit verbundenen Fragen geklärt (vgl. Fill, 2020). Gerade die vielfältigen Anwendungsbereiche wie Finanzen, Medizin, Treuhänderschaft, Buchhaltung, Unternehmensführung uvm., bringen einige rechtliche Herausforderungen (vgl. Hein, Wellbrock, & Hein, 2019) mit sich. Eine Gefahr stellt möglicher Missbrauch, auch krimineller Art, dar, eine weitere das Potenzial der Quantencomputer (vgl. Homeister, 2018), die eine Blockchain hacken kann. Auch der Umstand, dass die Daten in öffentlichen Blockchain nicht gelöscht werden können, bzw. „falsche“ Daten gespeichert werden, könnte problematisch sein. Durch den Erfolg von Bitcoin hat es die Blockchain-Technologie aus technischer Sicht bereits geschafft, zu faszinieren und konnte sich so in den letzten Jahren behaupten. Dennoch gilt das alte Dilemma: Welche Erfindung sich wirklich durchsetzen kann und welche nicht, offenbart erst die Retrospektive. Bislang ist das nicht mehr als eine Vision. Aber das war das World Wide Web 1990 ja auch.
3 Qualitative Forschungsmethode: Experten-Befragung
Um die Forschungsfrage „Kann die Blockchain-Technologie die Wirtschaftsprüfung ersetzen, oder - im Gegenteil - eher verbessern?“ beantworten zu können, wird als Auswertungsmethodik die Interpretationsmethode nach Mayring (vgl. Mayring, 2010) herangezogen. Dadurch soll die subjektive Kommunikation der Befragten strukturiert aufgezeichnet werden, mit dem Ziel, aus bestimmten Aspekten der Kommunikation Rückschlüsse ziehen zu können. Die Aussagen wurden in Kategorien unterteilt und gegenübergestellt, basierend auf die qualitative Technik des Datenmaterials. Fragestellungen dienen als Grundlage für die Inhaltsanalyse, welche zeigen soll, ob und inwieweit die Blockchain-Technologie in der Unternehmensführung- und Bewertung angewendet werden kann. Es liegt ein exploratives Forschungsdesign vor.
3.1 Datenerhebung-/ Aufbereitung
Die Expertenbefragung wurde mit Hilfe eines interaktiven Fragebogens (siehe Anhang 2) durchgeführt, um durch überwiegend offene Fragestellungen eine möglichst umfangreiche und freie Antwort der Befragten zu eruieren (vgl. Berger-Grabner, 2016). Die Befragten sollen sich dadurch eingeladen fühlen, an der Diskussion teilzunehmen und frei über Ihre Erfahrungen und Meinung zu kommunizieren. Hierdurch wird, wie auch von Mayring definiert, die subjektive Perspektive sprachlich zum Ausdruck gebracht (vgl. Mayring, 2019). Der Fragebogen beinhaltet drei Fragearten: Ranking, offene Frage und Multiple Choice. Ebenso wurde auf die Anonymisierung der personenbezogenen Daten hinsichtlich der Akkreditierungsstatus der jeweiligen Befragten hingewiesen. Die Fragebögen wurden nach Kontaktaufnahme und Einwilligung in die Befragung als interaktive Word-Datei (siehe Anhang 2)per E-Mail an ausgesuchte Adressaten (siehe Anhang 1) versendet.
3.2 Auswertung und Interpretation der Fragebögen
Bei der Strukturierung werden die Rückmeldungen auf das Wesentliche in Kategorien aufgeteilt und inhaltlich ausgewertet. Zwei Teilnehmer haben der namentlichen Nennung zugestimmt, während zwei weitere Teilnehmerinnen um Anonymität gebeten haben. Die Experten können folgenden vier Bereichskategorien zugeordnet werden:
Kategorie 1 - Aufsichtsprüfung: Einblicke hinsichtlich der Einhaltung von Compliance-Regeln und mögliche Risiken aus dem unternehmerischen Handeln. Anonyme Teilnehmerin 1: Die promovierte Philosophin wurde an der Deutschen Börse Frankfurt zur zertifizierten Aufsichtsrätin ausgebildet und ist unter anderem als Dozentin für Risk & Compliance Management tätig.
Kategorie 2 - Investment: Wesentliche Ansprüche des Anteilseigners hinsichtlich Einhaltungserwartungen aus dem Corporate Governance. Dr. Lothar Weniger: Der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler hat 1989 das Wirtschaftsministerium bei der Durchführung der Währungsunion beraten, war als Investmentbanker tätig, Berater der Zentralbank Surinam und Dozent an der University of Maryland.
Kategorie 3 - Blockchain Expertise: Rechtliche und Technische Anwendungsmöglichkeiten zum Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie. Dr. Jochen Biedermann: Der Mathematiker ist Geschäftsführer der World Alliance of International Financial Centers (WAIFC) und CEO von Blockchain Asia, einem Anfang 2016 in Hong Kong gegründeten Blockchain-Unternehmen.
Kategorie 4 - Wirtschaftsrecht: Weitere Aspekte zur Klärung der Rechtsfragen hinsichtlich Vertragsgestaltung und Eigentum von Daten. Anonyme Teilnehmerin 2: Die promovierte Juristin ist Rechtsanwältin mit Spezialisierung auf Strafrecht; insbesondere Wirtschafts- und Steuerstrafrecht.
Die Ergebnisse von vier Rückmeldungen aus verschiedenen Perspektiven zeigen eine deutliche Übereinstimmung in der Komplexität und Unreife der Blockchain-Technologie auf. Ebenso besteht eine übereinstimmende Meinung, dass die Technologie Manipulationen in der Prüfung und Bewertung im Bilanzwesen nicht verhindern werden kann. Vielmehr legen die Befragten mehr Wert auf den zeitlichen Aufwand in der Durchführung, um Ressourcen für komplexere Aufgaben freizusetzen. Hinsichtlich der Effizienz auf dem Kapitalmarkt sind sich die Befragten ebenfalls einig und sehen die Stärken eher in der Ko-Evolution (vgl. Giones & Brem, 2017) von Blockchain-Technologie und werten es nicht als Disruption auf dem Wirtschaftsmarkt.
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