1. Vorwort
In der Hebammenarbeit ist es wichtig, sich mit wissenschaftliches Themen zu befassen um professionelle und effektive Arbeit leisten zu können.
Schon in der Ausbildung kann es ein großer Lernschritt sein, sich ein Thema zu erarbeiten und dies Kolleginnen vorzustellen.
An der Hebammenschule Osnabrück wird dies in Form einer schriftlichen Arbeit im Fach
Gesundheitslehre gemacht. Es steht ein Zeitraum von ca. sieben Monaten zur Verfügung, in dem Literatur zu einem Thema recherchiert und in die Arbeit eingebracht wird. Die Arbeit dient der Vorbereitung zum mündlichen Examen, sowie der praktischen Prüfung. In dieser Arbeit wird die Bedeutung und Anwendung des salutogenetischen Konzeptes für die Arbeit der Hebamme behandelt.
2. Einleitung
Im Gesundheitswesen geht es in erster Linie um die Ausschaltung und Bekämpfung von Krankheiten. Die Pathogenetische Fragestellung steht im Vordergrund und zwar lautet sie: „Was macht uns krank?“ Diese Form ist die im medizinischen Bereich übliche und auch kaum wegzudenken. Dennoch hat ein Medizinsoziologe in der Vergangenheit ein neues Konzept aufgestellt und zwar das der Salutogenese. Es geht nun vielmehr um die Frage: „was erhält uns gesund ?“
Die Gesundheit des Menschen steht hierbei im Vordergrund und soll gefördert werden.
Dazu werden vorhandene Ressourcen genutzt und die eigene Initiative des Menschen bestärkt. Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen was Salutogenese bedeutet, wie sie auf Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu übertragen ist und zu überlegen wie sie in diesem Bereich der Hebammenarbeit angewendet werden kann.
Im folgenden werden zuerst die Grundbegriffe und Faktoren der Salutogenese aufgezeigt. Weiter geht es um die Salutogenese in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, was sie in diesem Bereich bewirken könnte und wie man als betreuende Person dieses Konzept anwenden könnte.
Im letzten Teil des Hauptteiles wird die Salutogenese noch einmal speziell für Hebammen behandelt. Es werden Vorschläge für die Hebammenarbeit gemacht und Ideen aufgezeigt, die im Bereich
Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett einen positiven Einfluss haben können. Abschießend wird ein Fazit zum Thema aufgeführt mit anschließendem Ausblick und persönlichem Fazit.
3. Salutogenetisches Konzept von Aaron Antonovsky
Im folgenden Text wird das Salutogenese Konzept, entwickelt von dem amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky in den 1970er Jahren behandelt.
Es wird auf die Grundbegriffe des salutogenetischen Konzeptes, welches sich als mehrfach von den bisher entstandenen Modellen und Konzepten der medizinpsychologischen und medizinsoziologischen Bereichen abweichend bezeichnen lässt, eingegangen. Als erstes geht es um die Bedeutung des salutogenetischen Konzeptes. Weiter werden die Begriffe Kohärenzgefühl und dessen drei Komponenten erläutert.
Zuletzt wird in den Themen Widerstandressourcen, Stressoren und Spannungszustand, sowie das Gesundheits- und Krankheitskontinuum ein Überblick geboten.
3.1 Die Bedeutung des Konzeptes der Salutogenese
Der Fokus richtet sich in der salutogenetischen Fragestellung auf die Gesundheitsförderung und somit gegen die Frage:“Was macht uns krank?“ ( Pathogenetische Fragestellung) Die Fragen aus salutogenetischer Sicht lauten demnach:
1)Was erhält uns gesund?
2)Was fördert unsere Gesundheit?
Nach Antonovksy´s Meinung stellt die Gesundheit nicht den Zustand der Abwesenheit von Krankheit dar, sondern Gesundheit und Krankheit bilden eine Einheit in Abhängigkeit voneinander. Sie befinden sich „aus Antonovksy´s Sicht an einander gegenüberliegenden Enden eines Kontinuums.“1 ( B.Borrmann, 2000 )
Wie schaffen es denn Menschen nach einer für sie traumatischen Erfahrung gesund zu werden oder zu bleiben und diese Situation sehr gut zu bewältigen? Nach Antonovsky´s Aussage befanden sich diese Menschen in seinen Befragungen in einem Grundgefühl des Verstehens der Situation, die Erfahrung und das Leben als sinnhaft zu empfinden und einem hohen Maß an Selbstvertrauen in Bezug auf die Handhabbarkeit der Lebenssituation. Diese drei Komponenten fasste Antonovsky als Koh ä renzgef ü hl zusammen, welches im folgenden weiter erläutert wird.
3.2 Das Kohärenzgefühl und seine Bedeutung
Nach Antonovsky bestimmt eine individuelle und psychologische Einflussgröße den Gesundheitsund Krankheitszustand eines Menschen. Dabei geht es um die Grundhaltung, die Lebenseinstellung oder auch Weltanschauung des Individuums.
Antonovsky machte die Erfahrung, dass einige Menschen trotz größter Notsituation, wie z.B. in Kriegsgebieten gesund bleiben, obwohl sie gesundheitlichen Gefahren ständig ausgesetzt sind, während andere Personen in gleichen Lebensumständen erkranken.
„Wenn also die äußeren Bedingungen vergleichbar sind, dann wird es seiner Ansicht nach von der Ausprägung dieser individuellen, sowohl kognitiven als auch affektiv-motivationalen Grundeinstellung abhängen, wie gut Menschen in der Lage sind, vorhandene Ressourcen zum Erhalt ihres Wohlbefindens zu nutzen.“ (BzgA,Band 6, Köln1998)
Diese Grundhaltung wird von Antonovksy als Kohärenzgefühl (SOC,Sense of coherence) bezeichnet. Definiert hat er es wie folgt:
„Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein durchdringendes, überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass erstens die Anforderungen aus der inneren oder äusseren Erfahrenswelt im Verlauf des Lebens strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind und dass zweitens die Ressourcen verfügbar sind, die nötig sind, um den Anforderungen gerecht zu werden. Und drittens, dass diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Investition und Engagement verdienen.“(Antonovsky,1993a, S.12; Übersetzung durch Franke& Broda nach BzgA Bd.6 1998)
Antonovsky entwickelte aus seinen Überlegungen heraus diese drei Komponenten der Grundhaltung des Menschen, die Welt als zusammenhängend und sinnvoll zu erleben:
1)Gefühl von Verstehbarkeit (Sense of comprehensibility)
Die Verstehbarkeit bezieht sich auf das Ausmaß und die Fähigkeit, dass äußere oder innere Reize (z.b. krisenhafte Ereignisse, wie Tod, Ärger, Erkrankung, Verlust) aufgenommen, verarbeitet und eingeordnet werden und vorherzusehen sind. Selbst eine überraschend eingetretene Situation kann realistisch beurteilt und eingeordnet werden.
2) Gefühl von Handhabbarkeit / Bewältigbarkeit ( sense of manageability)
Unter dem Gefühl von Handhabbarkeit ist die Gabe gemeint, sich mit einem Ereignis angemessen auseinandersetzen zu können und dieses mit seinen Aufgaben oder Reizen anzunehmen, zu bewältigen, so dass im nachhinein ein gutes persönliches Ergebnis daraus zu ziehen ist oder die Konsequenzen dafür getragen werden können.
3) Gefühl von Sinnhaftigkeit /Bedeutbarkeit ( sense of meaningfullness)
Mit dem Gefühl, dass alles was im Leben geschieht einen Sinn und eine eigene Bedeutung hat, ist die Komponente der Sinnhaftigkeit gemeint. „Anforderungen werden als Herausforderung gesehen, die Interventionen und Engagement lohnen.“ (B. Borrmann, 2000 ) Das Leben wird so als emotional sinnvoll empfunden und Anforderungen und Pflichten sind eher als willkommene Herausforderung , weniger eine Last, die man abwerfen möchte. „Ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl führt dazu, das ein Mensch flexibel auf Anforderungen reagieren kann. Er aktiviert die für diese spezifischen Situationen angemessenen Ressourcen.“(BzgA, 1998, Band 6)
Gegenüber dieser Ansicht Antonovskys, wie sich ein Mensch mit stark ausgeprägtem SOC verhält beschreibt er den Menschen mit niedrigem SOC als eher starr und rigide reagierend, da er weniger Ressourcen zur Bewältigung hat, bzw. wahrnimmt.
Antonovsky entwickelte zusammen mit seinen Mitarbeitern einen Fragebogen, der den SOC eines Menschen messen kann. Er enthält insgesamt 29 Fragen zur Lebensorientierung. Aufgeteilt in die drei genannten Komponenten des Kohärenzsinnes stellt er 11 Fragen zur Verstehbarkeit, 8 Fragen zur Bedeutsamkeit/Sinnhaftigkeit und 10 Fragen beziehen sich auf die Komponente der Handhabbarkeit.
Eine geradezu vollständige Punktzahl bei der Auswertung des Fragebogens ist nach Einschätzung Antonovskys nicht zu erwarten und wenn dem so sei, als pathologisch einzustufen „da eine Person, die durchgängig alles für verstehbar und vorhersagbar hält, über zu wenig Realitätsanpassung verfügt.“ (Bzga, Köln 1998, S.41)
3.3 Gesundheits-Krankheitskontinuum
Nach Antonovsky sind in Gesundheit und Krankheit zwei Pole zu sehen die zusammen ein Kontinuum bilden. Sie stehen sich gegenüber in gegenseitiger Abhängigkeit. Keiner der beiden Pole sind von einem Menschen vollständig zu erreichen, d.h. jeder Mensch hat gesunde, sowie auch kranke Anteile.
„Wir sind alle terminale Fälle. Aber solange wir einen Atemzug Leben in uns haben, sind wir alle bis zu einem gewissen Grad gesund.“ (BzgA, Bd.6, Köln 1998 nach Antonovksy, 1989)
Die BzgA führt in Band 6 der Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung demnach weiter aus, dass dann die Frage nicht mehr ist, ob jemand gesund oder krank ist, sondern wie weit entfernt, bzw. nahe er den Endpunkten Gesundheit und Krankheit jeweils ist.
3.4 Stressoren und Widerstandsressourcen
Von Antonovsky werden Stressoren als „eine von innen oder außen kommende Anforderung an den Organismus, die sein Gleichgewicht stört und die zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes eine nicht-automatische und nicht unmittelbar verfügbare, energieverbrauchende Handlung erfordert.“ (BzgA,Band 6,1998 aus Antonovsky, 1979,S. 72)
Die zentrale Aufgabe des Organismus ist die Bewältigung der Spannungszustände meint Antonovsky und führt weiter aus, dass je nach Bewältigung eines Spannungszustandes das Ergebnis Stress sein kann, aber auch gesundheitsfördernd sein kann. Besteht also ein Spannungszustand, der in seiner Bewältigung misslingt, so entsteht eine subjektiv und / oder objektiv belastende Situation, bzw. ein Stresszustand.
Bei Gelingen der Spannungsbewältigung wirkt sie sich förderlich auf die Gesunderhaltung aus. Eine Stressreaktion hat nicht zwangsläufig negativ gesundheitliche Folgen. Sie können auch eine neutrale, sowie eine gesundheitsfördernde Wirkung haben.
Sind bei einem Menschen weitere Faktoren wie Krankheitserreger, Schadstoffe, körperliche Schwachstellen festzustellen, so führt die Stressreaktion zur Schwächung der körperlichen Gesundheit.
Antonovsky unterscheidet drei Arten der Stressoren. Die beiden ersten sind die physikalischen und die biochemischen Stressoren. Hierbei handelt es sich z.B. um Waffengewalt, Hungersnot, Gifte und Krankheitserreger, die sich in starkem Ausmaße direkt auf den Gesundheitszustand auswirken können . „Hier ist die pathogenetische Sichtweise, die Suche nach Möglichkeiten zur Beseitigung der Stressoren angemessen.“ ( BZgA, Köln, 1998, S. 33)
Für Antonovsky hat die dritte Form der Stressoren eine höhere Relevanz, die psychosozialen Stressoren, da „in den Industrieländern die Gefährdung durch physikalische und biochemische Stressoren abgenommen hat.“ (BzgA, Köln, 1998, S.33)
Psychosoziale Einflussfaktoren können von Menschen verschiedenartig bewertet werden. Hierbei ist der Kohärenzsinn von großer Bedeutung.
Wird eine Person ,mit einem niedrigen SOC einer Stresssituation auf psychosozialer Ebene ausgesetzt, bspw. Konflikt in der Beziehung, so erfährt er diese Reize als spannungserzeugend. Er reagiert vermutlich mit diffusen und schwer kontrollierbaren Gefühlen, weiß die Situation nicht zu meistern, ist handlungsunfähig.
Erfährt eine Person mit einem starken SOC diese Situation, so kann es vorkommen, dass er die
Reize als neutral wertet. Bewertet er sie dennoch als Stressor, so wird er unterscheiden können zwischen bedrohlich , günstig oder irrelevant.
Der Stressor kann bei günstiger oder irrelevanter Bewertung zum Nichtstressor umdefiniert werden. Selbst ein bedrohlicher Stressor wird von einer Person mit einem ausgeprägtem Kohärenzsinn als nicht ernsthaft bedrohlich angenommen, da ein grundlegendes Vertrauen besteht, die Situation angemessen und zielgerichtet zu bewältigen.
Im Zusammenhang mit den Stressoren, spricht Antonovsky von generalisierten Widerstandsressourcen, die einem Menschen helfen, mit Stressoren umzugehen.
„Das gemeinsame an allen generalisierten Widerstandsressourcen sei, so schlug ich vor, den unzähligen uns ständig treffenden Stressoren eine Bedeutung zu erteilen.“(BZgA, Köln, 1998, S.34 nach Antonovsky, 1989, S.52 )
Laut Antonovsky bestehen generalisierte Widerstandressourcen aus drei Faktorengruppen. Den individuellen Faktoren, wie z.B. Intelligenz , den sozialen (finanzielle Möglichkeiten) und den kulturellen Faktoren, wie kulturelle Stabilität.
Folgendes Modell der Salutogenese gibt einen Überblick u.a. welche Einflussfaktoren auf den Kohärenzsinn wirken und wie es zu einem Stresszustand kommt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Erläutert wurde dieses Modell folgendermaßen:
„Lebenserfahrungen formen das Kohärenzgefühl (Pfeil A). Ein ausgeprägtes Kohärenzgefühl setzt Lebenserfahrungen voraus, die möglichst konsistent sind, eine wirksame Einflussnahme der Person erlauben und weder über- noch unterfordern. Solche Lebenserfahrung werden durch das Vorhandensein von sogenannten generalisierten Widerstandsressourcen ermöglicht (Pfeil B). Die Entstehung bzw. das Vorhandensein von Widerstandsressourcen hängt vom jeweiligen soziokulturellen und historischen Kontext und den darin vorherrschenden Erziehungsmustern und sozialen Rollen ab. Einen Einfluss haben aber auch persönliche Einstellungen und schließlich auch zufällige Ereignisse.(Pfeil C )
Inwieweit diese einmal entstandenen generalisierten Widerstandsressourcen mobilisiert werden können, hängt von der Stärke des SOC ab ( Pfeil D). Hier besteht also eine Rückbezüglichkeit, die schnell zu einem Teufelskreis werden kann: Sind zu wenig Widerstandsressourcen vorhanden, dann beeinflusst dies die Entstehung des Kohärenzgefühls negativ; ein niedriges Kohärenzgefühl wiederum verhindert die optimale Nutzung der vorhandenen Widerstandsressourcen. Stressoren konfrontieren den Organismus mit nicht automatisch beantwortbaren Reizen und lösen daher Spannungszustände aus ( Pfeil E).Die mobilisierten Widerstandsressourcen beeinflussen den Umgang mit den Stressoren (Pfeil F) und den Spannungszustand ( Pfeil G ).Auch hier besteht wieder ein Rückbezug: das Gelingen der Spannungsreduktion hat eine stärkende Wirkung auf den SOC (Pfeil H).Aufgrund der erfolgreichen Spannungsreduktion bleibt der Gesundheitszustand bzw. die Lokalisation auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum erhalten ( Pfeil I ). Eine günstige Position auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum erleichtert dann wiederum den Erwerb neuer Widerstandsressourcen ( Pfeil K). Erfolgloses Spannungsmanagement führt hingegen zu einem Stresszustand ( Pfeil J) Dieser Stresszustand steht in Wechselwirkung mit vorhandenen pathogenen Einflüssen und Vulnerabilität und wirkt sich damit negativ auf die Position auf dem Gesundheits- Krankheits-Kontinuum aus.“( BzgA, Köln, 2000)
3.5 Zusammenfassung
Zusammenfassend kann man berichten, dass die Salutogenese von Aaron Antonovsky entwickelt, ein Konzept beschreibt, welches sich mit der Enstehung von Gesundheit befasst. Hier wird nicht die Krankheit als Hauptaufgabe gesehen, wie es die pathogenetische Orientierung vorgibt, sondern der Mensch als ganzes mit seinen kranken und gesunden Anteilen (Gesundheits-Krankheits- Kontinuum). Stressoren sind in der Salutogenese nicht nur als negativ bewertet, sondern haben durchaus auch positive Anteile, jenachdem wie der Mensch mit dem Stressor umgeht, welche Widerstandsressouren ihm zur Verfügung stehen. Das Kohärenzgefühl, welches sich im Laufe seines Lebens bildet und festigt gibt ihm in allem die Voraussetzung zur Bewältigung, Handhabung und zum Verstehen der jeweiligen Situation. Je nach Ausprägung wird es für ihn ein positives Ergebnis haben und er wird bestärkt in seinem individuellen Handeln.“Stressoren und Widerstandsressourcen sind über das Kohärenzgefühl mit dem gesundheitlichen Zustand verknüpft.“(Borrmann, B.; 2001)
4. Salutogenese in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
Im Folgenden wird der Fokus auf den sich diese Arbeit richtet aufgezeigt, nämlich die Salutogenese als Anwendungsgebiet der Hebamme während der Schwangerschaft, der Geburt und bei der Begleitung im Wochenbett einer Frau. Einflussfaktoren positiver und negativer Art, sowie förderliche Umstände und Maßnahmen werden aufgezeigt und besprochen.
4.1 Das Kohärenzgefühl und seine Bedeutung in der Schwangerschaft, während der Geburt und im Wochenbett
Die Zeit der Schwangerschaft stellt für eine Frau eine besondere und intensive gesundheitliche Lebenssituation dar.
Der Körper stellt sich auf neue Funktionen ein, die den Stoffwechsel und die Kreislauflage zur Versorgung des ungeborenen, heranwachsenden Kindes betreffen ein. Diese Aufgaben hat der Frauenkörper über 38 bis 42 Wochen zu erfüllen um sich dann in relativ kurzer Zeit auf wieder neue Abläufe, wie die bei der Geburt und später auf die Rückbildung und Stillperiode im Wochenbett umzustellen.
In dieser Zeit spielt die Ausprägung des Kohärenzsinnes, wie auch in anderen Situationen im Leben eine Rolle beim weiteren Verlauf der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett. Je nach Ausprägung kann der SOC von großer Bedeutung sein.
Ein hoher SOC fördert vermutlich die Selbstbestimmung der Frau in Bezug auf den Umgang mit der Situation während der gesamten Zeit. Hingegen kann ein niedriger SOC eventuell zu Unsicherheit und zu einem Gefühl des „Ausgeliefertsein“ führen.
Wie bereits erwähnt geht es beim Kohärenzsinn um die drei Komponenten von Sinnhaftigkeit, Bewältigbarkeit, Handhabbarkeit. Antonovsky formulierte diese Komponenten als abhängig von- einander, jedoch können sie in unterschiedlicher Ausprägung erscheinen.Der SOC ist, so Antonovsky bis ins Erwachsenenalter relativ gefestigt. Bis dahin wird er durch Stressoren und andere Stimuli in die eine und in die andere Richtung bewegt.„Ich nehme somit an, dass etwa gegen Ende der ersten Dekade des Erwachsenenalters, nachdem man die Inkonsistenzen in den verschiedenen Bereichen des Lebens in Ordnung gebracht oder akzeptiert hat, eine bestimmte Position auf dem SOC-Kontinuum erreicht hat.“(Antonovsky, 1997, S 114) Dennoch meint
Antonovsky, dass sich ein schwacher SOC in einem Menschenleben dennoch weiterentwickeln kann. „ Selbst im reibungslosesten aller Leben ist das Erwachsenenalter ständig komplex und dynamisch.“ ( Antonovsky, 1997, S.115)
Dies lässt bezüglich einer solchen Veränderung wie die Schwangerschaft und die damit verbundenen Erlebnisse den Gedanken aufkommen, wie sich der SOC im Laufe dieser Zeit entwickelt. Ob eine Veränderung nach der Geburt sichtbar wird. Auf diese Fragen wird in Kapitel
4.4.2 näher eingegangen.
4.2 Schwangerschaft
Wie schon erwähnt befindet sich die schwangere Frau in einer besonderen Lebenssituation, in der Anpassungsvorgänge und Umstellungen des Körpers und der Psyche Einfluss auf das Wohlergehen der Frau haben können. Das Wohlbefinden der Frau hat wiederum einen Einfluss auf den Verlauf der Schwangerschaft und das Erleben und Empfinden in dieser Zeit.
Im folgenden wird die Salutogenese im Anwendungsbereich der Schwagerschaft diskutiert.
4.2.1 Salutogenese in der Schwangerenvorsorge
Die Schwangerenvorsorge ist in Deutschland ein Programm, welches von Ärzten/Ärztinnen und Krankenkassen entwickelt wurde, mit dem Bestreben allen Schwangeren in regelmäßigen Abständen körperliche Untersuchungen und Beratung zu gewährleisten. Die Befunde und Tätigkeiten werden im Mutterpass dokumentiert, der im Besitz der schwangeren Frau seit Feststellung der Schwangerschaft ist.
Laut den Mutterschutz-Richtlinien des Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen von 1998 sollen durch ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind abgewendet sowie Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und der Behandlung zugeführt werden.
Weiter wird als vorrangiges Ziel der ärztlichen Schwangerenvorsorge die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten genannt.
Die ärztliche Schwangerenvorsorge wird also hauptsächlich über Risikobekämpfung und - vermeidung definiert. Der Mutterpass verfügt über einen Risikokatalog, indem die betreuende Person die Schwangere bei Anlass einstufen kann und sie somit zu einer Risikoschwangeren wird, eine von den 60 % Risikoschwangeren in Deutschland.
Dass sich eine Frau nach einer Vorsorgeuntersuchung verunsichert fühlt, was für Gedanken und Sorgen sie beschäftigen, wenn sie den Risikokatalog sieht und als Risikoschwangere angekreuzt wurde ist vermutlich einfach nachzuvollziehen sofern ihr keine Information erteilt wurde im Rahmen eines ausführlichen Beratungsgespräches.
Laut einem Artikel im Hebammenforum im März 2001 von Petra Schönberner ist die Zeit bei einer Vorsorgeuntersuchung in der Schwangerschaft beim Gynäkologen meist sehr begrenzt. Im Mittelpunkt dieser kurzen Zeit stehe die Pathologie. Die Frau werde nicht als Ganzheit mit ihrem Umfeld wahrgenommen, der Focus auf den einzelnen Befund gerichtet.
Damit werde eine gesunde Frau zur Patientin.
Wie soll in einer solchen Situation noch Rücksicht auf die vielen Fragen der Frauen genommen werden? Probleme und schwierige Lebensumstände sind für den Arzt oder die Ärztin nicht wahrzunehmen, da ein längeres Gespräch keinen Raum bekommt.
Die Frauen werden vermutlich in der Stresssituation einer viel besuchten Praxis keinen Mut und keine Ruhe haben weiter nachzufragen und ein Gespräch über ihre Sorgen und Ängste beginnen. Aus salutogenetischer Sicht würde die Schwangerenvorsorge an anderer Stelle ansetzen. Das soziale Modell würde vor dem medizinischen Modell stehen um die Frau zu begleiten, nicht zu kontrollieren. Ihre individuelle Lebenssituation auf sozialer-,psychischer-, physischer-, familiärer- und emotionaler Ebene kann im Gespräch erfahren werden und so u.a. zur Ressourcenmobilisierung genutzt werden. Diese Informationserhebung würde nicht als Anamnese verstanden werden, sondern als ein Kennenlernen und Einschätzung der zu betreuenden Schwangeren. Dieses Erstgespräch in der Begleitung einer Schwangeren kann meist in einer Arztpraxis nicht in diesem Ausmaß stattfinden wegen der schon erwähnten zeitlichen Faktoren und dem Ansatz an den vermuteten Schwachstellen der Graviden. Wahrscheinlich würde der Fokus viel mehr auf die Pathologie gelenkt werden, anstatt die Physiologie und im Allgemeinen die Gesundheitsfaktoren der Frau wahrzunehmen.
Wie die Betreuung der Schwangeren konkret im salutogenetischen Sinne ablaufen könnte, ist nicht klar vorzugeben, da einerseits die Erfahrung in diesem Konzept noch nicht berichtet wurde und keine Studie zu diesem Thema bekannt ist. Und andererseits wird wahrscheinlich in den meisten Hebammenpraxen das salutogenetische Prinzip schon lange angewandt, welches nur nicht beim Namen genannt wird. Ansätze des Konzeptes fließen in die Beratung, in der die Schwangere als Ganzheit Mensch ernstgenommen und selbstbestimmt mitwirken kann bereits ein. Weiter in der freien Wahl der Dinge, die ihr gut tun, in der Bestärkung in allem was sie für sich aussucht und am förderlichsten hält, wie z.B. die Entscheidung des Ortes an dem sie gebären möchte. „Nach wissenschaftlicher Überprüfung (Cochrane Database/Enkin)2 erweisen sich viele bei uns in der Vorsorge üblichen Maßnahmen als nicht effektiv; es hat keinen positiven Einfluss auf das fetale und materne Outcome. Die ausschließliche Vorsorge durch eine Hebamme oder ein kleines Hebammenteam dagegen führen erwiesenermaßen zu einer Verbesserung des maternen und fetalen Outcome:
WReduzierung Wehen fördernder Maßnahmen, regionaler Analgesie und Anästhesie sowie
vaginal-operativer Geburten und Episiotomien;
WEs werden weniger Kinder unter 2500 g geboren;
Wweniger Kinder benötigen postnatale Intensivbehandlung oder Verlegung in eine Klinik; WVerringerung ungünstiger psychosozialer Outcomes während der Schwangerschaft.“ ( Mülstegen, Inka; Hebammenforum; März 2001,S.162)
Von Schwangeren, die als Vorsorgemöglichkeit die Hebammenbetreuung gewählt haben, werden am häufigsten folgende Stressfaktoren in der Schwangerschaft genannt :
WUmzug
WHausbau
WKonflikte am Arbeitsplatz
Wzu wenig Freizeit im Alltag mit Haushalt und Kindern WKonfikte mit Familienmitgliedern
Wbelastende soziale Situaionen, z.B. Asylbewerberstatus -> beengte Wohnverhältnisse, drohende Abschiebung, finanzielle Beengtheit
Wschlechtes Gewissen wegen Nikotinsucht
(Mülstegen, Inka; Hebammenforum; März 2001)
Um diese Stressfaktoren zu mildern, bzw. die Frau so zu begleiten, dass es ihr gelingen kann ihre Ressourcen zur Stressbewältigung zu mobilisieren, bedarf vermutlich einer intensiven und gesundheitsorientierten Begleitung. Schon im Vorfeld kann der Stress vermindert werden, z.B. durch Information über Haushaltshilfe in der Schwangerschaft oder offene Gespräche mit ihrem Partner.
So hat sie die Möglichkeit sich Wege zu schaffen, eine ruhige, gesunde Schwangerschaft zu erleben. Die förderlichen Faktoren für eine gesunde Schwangerschaft werden im folgenden Kapitel näher behandelt.
4.2.2 Förderliche Faktoren für eine gesunde Schwangerschaft
Ist eine Frau schwanger, ist sie wie schon beschrieben in einer besonderen Situation, die eine Zeit der Anpassung und Gewöhnung bedarf in vielerlei Hinsicht. Ihre körperliche, soziale, familiäre, emotionale und psychische Lage macht eine Veränderung, einen Umbruch mit, der zu meistern ist und dazu wird Kraft benötigt.
In jeder Frau befinden sich Ressourcen zur Nutzung der aufzubringenden inneren Stärke.
Es gibt aber sicher unterschiedliche Stärke und Weisen diese Ressourcen auszuschöpfen oder sie überhaupt freizusetzen.
Tritt im Laufe der Schwangerschaft eine Beschwerde oder gar Erkrankung auf, so wird eine Frau mit einem hohem Kohärenzsinn wahrscheinlich Ressourcen nutzen und freisetzten können, die eine andere Schwangere nicht mobilisieren kann .
Förderliche Faktoren können dazu beitragen, dass die Frau sich auf den Gesundheitspol hinbewegt oder dort stehen bleibt, wo sie sich befindet (Gesundheit - Krankheit - Kontinuum).
Hat sie einen liebevollen, helfenden Partner in einer gut funktionierenden und offenen Beziehung kann die Frau dies als Ressource mobilisieren, denn sie hat die Gewissheit, Rückhalt, Nähe und Vertrautheit zu erleben.
Hat Sie eine finanziell gute Lage, ist dies vermutlich als weiterer positiver Einflussfaktor zu betrachten, denn sie muss sich um die Belastung der finanziellen Notlage nicht sorgen.
Es können noch viele weitere förderliche Faktoren genannt werden, wie z.B. die Information über verschiedene Betreuungsformen während der Schwangerschaft durch selbständige Hebammen, Hebammen in Kooperation mit dem Gynäkologen / der Gynäkologin und die alleinige Vorsorge durch die gynäkologische Praxis. Die Frau hat die freie Auswahl, befindet sich mit der Entscheidung darüber in ihrer Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Meist ist es noch üblich, dass die Frau, wenn sie von einer Schwangerschaft erfährt zum Gynäkologen geht, da sie über ihre Möglichkeiten nicht im Vorfeld genau informiert wurde. Dabei darf jedoch nicht die Annahme entstehen, dass bei mehr Information die gynäkologische Betreuung während der normalverlaufenden Schwangerschaft gar nicht mehr genutzt werden würde. Leider sind diese Gebiete bezüglich der Salutogenese noch nicht erforscht, so dass darüber keine näheren Angaben zu machen sind.
Die Ernährungsgewohnheiten stellen für die Frau ebenfalls einen großen Einflussfaktor dar, der in der Schwangerschaft besonders berücksichtigt werden sollte.
Werden in der Schwangerenvorsorge die Ernährungsgewohnheiten der Gravida im Gespräch erfahren, wird der Hebamme oder dem Gynäkologen/der Gynäkologin ein klares Bild vermittelt, auf die man die zukünftige Ernährungsberatung aufbauen kann. Die Schwangere bedarf der Aufklärung über einen bestimmten Mehrzufuhr an Energie und Nährstoffen oder auch über eine Diät, jedoch darf nicht der Eindruck der Kontrolle der Schwangeren entstehen. Ernährungsweisen sollten geklärt und bei Bedarf eine individuelle Lösung gemeinsam gefunden werden. Weitere förderliche Faktoren für eine gesunde Schwangerschaft könnten sein :
WAllgemeines Wohlbefinden der Frau mit ihrem Körper Wbewusste Entscheidung zur Schwangerschaft/ Kinderwunsch Wpositive Körperwahrnehmung WInformation über körperliche Veränderungen in der Schwangerschaft und danach und die Fähigkeit dies positiv anzunehmen
WVertrauen in den eigenen Körper, in das was er leisten kann Wsoziale und finanzielle Sicherheit Woffene Gespräche mit beteiligten vertrauten Personen über Wünsche, Pläne, Ängste, Konflikte, u.a. Wselbstbestimmter Umgang mit der Schwangerschaft Wfamiliärer Rückhalt und Respekt WUmgang mit dem Körper schon als Kind selbstverständlich erfahren Wmitfühlender und teilhabender Partner Wberuflicher Freiraum des Partners WVerständnis und Flexibilität des Arbeitgebers der Schwangeren Wbetreuende Personen respektieren und bestärken Entscheidungen und Wünsche WRuhe im Alltag, Pausen während der Arbeit mit gutem Gewissen, etwas für sich und ihr Kind zu tun Wfröhliche Unterhaltungen/ glückliche Momente Werfülltes Sexualleben Winnere Ruhe, Ausgeglichenheit
Hierbei handelt es sich um wahrscheinliche, naheliegende Einflussfaktoren, die jedoch nicht belegt werden können, da keine wissenschaftliche Studie dazu vorliegt.
Wie die Schwangerschaft verläuft entscheidet auch die Grundhaltung mit der die Frau der Geburt entgegen sieht. Und im umgekehrten Sinne, kann eine vorausgegangene negativ erlebte Geburtserfahrung Einfluss auf die weitere Schwangerschaft nehmen.
Deshalb wäre auch bei der Geburt die Salutogenese ein Ansatzpunkt für die geburtshilfliche Betreuung. Im folgenden Kapitel wird hierauf näher eingegangen.
4.3 Geburt
Die Geburt des Kindes stellt für die Frau eine große Anforderung und Erfahrung dar. Dabei hat jede Frau ihre persönlichen Vorstellungen und Bedürfnisse ihr Kind zu gebären. So kann
sie den Wunsch haben die Geburt in einer Geburtsklinik, in einem Geburtshaus oder auch in ihrer eigenen häuslichen Umgebung, ihrem Zuhause stattfinden zu lassen. Wofür sie sich auch entscheidet, sie wird das Bedürfnis haben während der Geburt in liebevollen und stützenden Händen zu sein und sich auf die Hebamme verlassen.
Im nächsten Kapitel werden die förderlichen Faktoren für eine positiv erlebte und gutverlaufende Geburt angesprochen. Studien zu diesem Thema werden genannt und Überlegungen somit wissenschaftlich belegt.
4.3.1 Einflussfaktoren auf das Geburtserleben der Frau
Einflussfaktoren, die einen positiven Effekt auf die mütterliche Zufriedenheit haben, sind in einigen Untersuchungen bewiesen worden.
- „ Partizipation / Kontrollm ö glichkeiten “ ( Borrmann, 2001 nach Doering et al.,1980; Seguin et al., 1989; Drew et al.,1989; Green et al., 1990; Slade et al.,1993; DiMatteo et al.,1993; Brown et al.,1994; Möller und Schwab,1995; Walker et al.,1995; Waldenström et al.,1996; Knapp,1996; Halldorsdottir et al.,1996; Hart et al.1997)
- „ Kontinuierliche Anwesenheit / emotionale Unterst ü tzung einer Betreuungsperson “
(Borrmann, 2001 nach : Kirke,1980; Doering et al.,1980; Mercer et al.,1983; Drew et al.,1989; DiMatteo et al., 1993; Brown et al.,1994; Mackey,1995; Walker et al,1995; Berg et al, 1996; Waldenström et al.1996; Tarkka und Paunonen, 1996; Waldenström, 1999; Hodnett, 1999)
- „ Durchf ü hrung einer alternativen Geburt “ 3 (Borrmann 2001 nach Riegl, 1996)
- „ Teilnahme an einem Geburtsvorbereitungskurs “ (Borrmann 2001 nach Ringler, 1986) W „ Geburt ohne Analgetika “ (Borrmann, 2001 nach Green, 1990)
- „ Zweite oder weitere Geburt “ (Borrmann, 2001 nach Waldenström, 1999)
- „ Optimistische Erwartungen “ (Borrmann, 2001 nach Waldenström, 1996)
- „ hohes Selbstwertgef ü hl der Mutter “ (Borrmann, 2001 nach Mercer et al., 1983)
Nach Borrmann waren Partizipation in Entscheidungsprozessen (Kontrolle, Selbstbestimmung) und emotionale Unterstützung (kontinuierliche Begleitung) die am häufigsten genannten Einflussfaktoren, die in Beziehung zur mütterlichen Zufriedenheit standen.
Weiter wäre zu überlegen, ob die folgenden Faktoren auch einen positiven Einfluss auf das Geburtserleben und die Zufriedenheit der jungen Mutter haben:
- Eine vertraute und/oder sichere Umgebung
- Ruhige, entspannte Atmosphäre WDie Anwesenheit des Partner
In einer Pilotstudie von Borrmann, B.; im Jahre 2001 wurden positive Einflussfaktoren auf den
Geburtsverlauf aus der Sicht der Gebärenden untersucht zur Erfassung subjektiv-salutogenetischer Modelle im Bereich der Geburtshilfe.
Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen die zuvor aufgeführten Gedanken teilweise. Sie ergab, dass die Anwesenheit des Partners bei der Geburt für 7 von den 10 Erstgebärenden Frauen, die in einer Klinik gebaren der wichtigste positive Einflussfaktor war. Auch die Ungestörtheit und die sichere Umgebung wurden als sehr wichtig genannt. Alle genannten positiven Einflussfaktoren gemäß der Studie lauteten :
- kompetente Hebammenbetreuung
- sichere Umgebung
- Anwesenheit des Partners Wfunktionierende Teamarbeit Wsichere Umgebung
- Ruhe (Stille und Ungestörtheit) Wgute Vorbereitung
- empathische Hebammenbetreuung WGebärende steht im Mittelpunkt Wrealistische Vorinformationen Wgute Atemtechnik
- Übereinstimmung von Empfindungen und Messwerten, Empfindungen und Aussagen des geburtshilflichen Personals
- zurückhaltende Hebammenbetreuung WBewegungsfreiheit
- Schutz der Privatsphäre
- Wahlmöglichkeiten in Bezug auf anwesende Personen, Gebärposition, medizinische
Interventionen, Entbindungsort (auch kurzfristig), Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
Aus salutogenetischer Sicht sind diese Einflussfaktoren als Faktoren zu sehen, die man als Gebärende oder begleitende Person nutzen kann, zur Förderung einer für die Gebärende zufriedenstellende und gutverlaufenden Geburt.
Das Kohärenzgefühl wird laut Borrmann durch die Geburtssituation, die durch emotionale Sicherheit, Selbstbestimmung und weitgehende Widerspruchsfreiheit (Kongruenz) gekennzeichnet ist, gestärkt oder gefestigt oder auch umgekehrt kann ein ausgeprägter SOC dazu führen, dass sich die Gebärende in dieser Hinsicht optimale Bedingungen verschafft.
Ist die Gebärende mit der erlebten Geburt zufrieden, entsprach sie ihren Erwartungen, so wirkt sie sich auf das allgemeine Wohlbefinden der Frau aus und somit beeinflusst sie vermutlich auch das Kohärenzgefühl positiv.“Wenn Antonovskys Theorie stimmt ergibt sich daraus wiederum ein positiver Effekt auf die Gesundheit oder zumindest auf Teilaspekte der Gesundheit.“ (Borrmann, 2001)
Die Frau bewegt sich demnach in die Richtung des Gesundheitpols oder bleibt an ihrer Stelle des Gesundheits - Krankheits - Kontinuum stehen.
Sie kann weitere Anforderungen im Leben mit einer besseren Voraussetzung begegnen und verfügt über mehr Stärke in ihren Fähigkeiten, die Situation zu bewältigen.
„Eine Geburt verläuft aus der subjektiven Sicht der befragten Mütter dann optimal, wenn sie in einer Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit stattfindet, die aktuellen Gegebenheiten weitestgehend ihren Erwartungen und Vorinformationen entsprechen und sie die Möglichkeit hat, gemäß ihrer Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten selbständig Einfluss zu nehmen.“ (Borrmann, 2001)
4.4 Wochenbett
Nach der Geburt des Kindes ist die junge Mutter wieder in einer veränderten und für sie besonderen Situation.
Das Wochenbett dient der Rückbildung und der Heilung von schwangerschafts- und geburtsbedingten Veränderungen und Verletzungen.
Die Mutter- Kind- Beziehung oder auch Eltern-Kind-Beziehung wird aufgebaut, die Laktation kommt in Gang. Wird das Kind gestillt, so wird die Milchproduktion aufrechterhalten und gefördert.
Auch die Wiederaufnahme der Ovarialtätigkeit ist eine Funktion des Wochenbetts.
Diese Vorgänge beginnen für die Frau mit dem Ende der Placentarperiode bei der Geburt und enden nach 6-8 Wochen post Partum.
Wie die junge Mutter diese sensible Zeit gesund und zufrieden erleben kann, ist abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren, welche sie selbst als förderlich in sich trägt, d.h Ressourcen, die sie nutzen kann. Aber auch von Stressfaktoren, die die Gesundheit und ihr Wohlbefinden eher negativ beeinflussen können.
Im folgenden werden Faktoren überlegt und diskutiert, die einen Einfluss auf das Wochenbett und dessen Verlauf haben können.
4.4.1 Förderliche Faktoren für ein physiologisches Wochenbett
Wie schon des öfteren erwähnt, ist die Handhabung, das Verstehen und Bewältigen von Aufgaben und Anforderungen des Lebens von Mensch zu Mensch verschieden. Je nachdem was für Möglichkeiten und Ressourcen eine Person hat (hier wäre es die Wöchnerin ), desto bewältigbarer oder im Gegenteil „stresshaft“ ist eine Anforderung.. Ein hoher Kohärenzsinn kann, wie auch in anderen Lebenssituationen eine Ressource für die Frau sein, mit dessen Hilfe sie andere Faktoren und Ressourcen, die sich förderlich auf den Verlauf des Wochenbetts auswirken können mobilisieren kann.
Als pflegende und begleitende Person liegt die Aufgabe darin, die vorhandenen positiven Faktoren wie z.B. selbstständiger Umgang mit dem Neugeborenen zu unterstützen und zu fördern. Der Erfolg dieser eigenständigen Handlung festigt vermutlich wiederum das Kohärenzgefühl und fördert Widerstandsressourcen und das Wohlbefinden der jungen Mutter.
Die folgenden Überlegungen zu den positiven Einflussfaktoren sind unter dem salutogenetischen Aspekt leider noch nicht erforscht, jedoch sind sie im Bereich der Hebammenarbeit und anderen Berufsgruppen, die sich mit der Begleitung und Pflege der Wöchnerin befassen von Bedeutung und werden vermutlich teilweise bereits gefördert und angewandt.
Die fr ü he Mobilisation wird in den Lehrbüchern nach ein bis zwei Stunden nach einer komplikations-losen Geburt zur Förderung des Psychischen und physischen Wohlbefindens empfohlen. Weitere medizinische Gründe sind die Thromboseprophylaxe durch bessere Blutzirkulation, Förderung der stabilen Kreislauflage und Unterstützung der physiologischen Darmtätigkeit.
Unter dem salutogenetischen Aspekt kann durch die Unterstützung der Wöchnerin bezüglich der selbständigen und freien Bewegung ihren Kräften angepasst, die Versorgung ihres Kindes und ihrer eigenen Bedürfnisse gefördert werden. In erster Linie wäre es aber vermutlich zu empfehlen, ihr die Entscheidung was sie sich schon zutraut selbst zu überlassen. Eine müde und erschöpfte Wöchnerin hat sicher erst einmal das Bedürfnis auszuschlafen, neue Kraft zu schöpfen. Eine kontinuierliche Begleitung im Wochenbett durch bspw. eine Hebamme, die ihr bei Fragen und Problemen zur Seite steht, ihr bei der Pflege und Ernährung des Kindes und bei ihren eigenen körperlichen und seelischen Veränderung Unterstützung zukommen lässt, ist ein weiterer positiver Einflussfaktor der zu überlegen wäre.
Durch die vertraute Person, die sie bestenfalls schon in der Schwangerschaft begleitet hat entsteht das Gef ü hl von Sicherheit und Verst ä ndnis. Durch die Beratung, die sich auf eine betreuende Person beschränkt, entsteht vermutlich weniger Unsicherheit in den Ratschlägen, da diese nur von einer Person erteilt werden.
Wird die Frau auf eine beratende und nicht kontrollierende Weise begleitet, so entsteht für sie ein höheres Selbstbestimmungsgef ü hl. Sie kann ihre Entscheidungen selbstsicherer und vermutlich auch stressfreier treffen, mit der Sicherheit eine best ä rkende Person im Hintergrund zu haben. Einer Frau mit grundsätzlich sehr unsicheren Gefühlen und Handlungen ist diese Begleitung sicher von sehr großem Bedeutung, da so die Möglichkeit besteht ihren Kohärenzsinn zu stärken und sie mehr Widerstandressourcen entwickelt.
Im Wochenbett sind die förderlichen Faktoren ähnlich wie in der Schwangerschaft und während der Geburt zu nennen. Der Verlauf der Schwangerschaft und der Geburt haben vermutlich auch einen großen Einfluss auf den Verlauf des Wochenbetts.
War in der Schwangerschaft etwas Auffälliges oder sogar ein Risiko und die Geburt vielleicht auch keine positive Erfahrung für die Mutter, so hat sie im Wochenbett ein vermutlich negativeres Grundgefühl, vielleicht ist der SOC auch gesunken und die Frau hat mehr das Gefühl, dass sie die Anforderungen, die an sie gestellt werden nicht erfüllen kann. Ihr fehlt das Vertrauen in sich und die Bewältigbarkeit der Dinge.
Dies gilt es in Form von Best ä rkung ihrer Handlungen und dem sensiblen und respektvollen Umgang mit ihr abzuwenden. Förderlich könnte hier ein zwangloses Gespr ä ch ü ber die erlebte Schwangerschaft und die Geburt sein. Durch die Aufarbeitung der Erlebnisse, kann sie neues Vertrauen und Sicherheit erlangen und auch die Beziehung zum Gesprächspartner kann ihr dabei helfen.
Hat die Wöchnerin einen f ü rsorglichen, verst ä ndnisvollen und haltgebenden Partner ist dies ein weiterer positiver Aspekt im Wochenbett. Die Beziehung, die jetzt eine große Veränderung mitmacht ist sicherlich in einer sensiblen Phase. Aus einer Diode wird eine Triode, d.h es entsteht aus einer Paarbeziehung eine Familie. Dies ist auch für den Partner eine Situation die Anpassungs- und Gewöhnungszeit bedarf. Es ist für die Wöchnerin und somit für die Beziehung förderlich ihre Ängste, Sorgen, Freuden, alles was sie beschäftigt anzusprechen, da gerade im Wochenbett ein Wechselspiel der Gefühle stattfindet und oftmals der Partner damit nicht weiß umzugehen. Auch im umgekehrten Sinne ist es für das Wohlbefinden der Frau wichtig, die Gedanken des Partners zu hören und mit ihm zusammen Entscheidungen und Gedanken zu kl ä ren. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Ruhe im Wochenbett. Eine aufgeregte und laute Atmosphäre beeinflusst die Wöchnerin und das Kind in hohem Maße z.B. kann die Stillbeziehung gestört werden.
Die Wöchnerin könnte bspw. einen Milchstau bekommen oder die Milchproduktion kommt nur sehr langsam in Gang. Dies verunsichert die Frau wiederum. Eine ruhige Umgebung und beratende, helfende Person ist von großer Bedeutung um eine gute Stillbeziehung zu unterstützen oder herzustellen.
Es gibt sicher noch viele weitere Einflussfaktoren, die im Wochenbett von Bedeutung sind, die hier nicht genannt wurden.
Wichtig in der Wochenbettszeit ist es, die Frau mit ihrer Persönlichkeit, ihren Erfahrungen und ihrer Individualität anzunehmen und zu begleiten. Es gilt ihre Selbstbesimmung, ihre Selbstachtung und das Vertrauen in sich zu stärken.
Dies kann abschließend gesagt, durch eine ganzheitliche Betreuung durch eine einzige
Begleitperson am effektivsten geschehen. Faktoren im sozialen, psychischen, emotionalen, physischen und familiären Bereich sind bedeutend für eine ideale Begleitung.
4.4.2 Das Kohärenzgefühl im Wochenbett
Wie in Kapitel 4.1 schon erwähnt ist laut Antonovsky das Kohärenzgefühl einerseits bis zum Erwachsenenalter relativ gefestigt, andererseits äußert er auch, dass er annimmt, dass der SOC sich in besonderen Lebenssituationen noch verändern kann.
„ Inwieweit der Übergang zur Elternschaft als Persönlichkeitsentwickungs- und Reifungprozess angesehen werden kann, durch den die Gesundheitsrssource Kohärenzgefühl verändert wird oder in den sie selbst prägend eingreift, ist anhand des heutigen Forschungsstandes nicht eindeutig zu klären.“ ( Borrmann,B.2001)
Es ist also zu überlegen, ob sich der SOC durch diese Erfahrungen der Schwangerschaft und der Geburt des Kindes, welches eine Familie entstehen lässt verstärken lässt oder bei einem negativen Erlebnis sogar abschwächt und die Frau labiler in ihrem weiteren Leben wird bis zu einer nächsten SOC-stärkenden Situation, wie z.B eine weitere Schwangerschaft.
Daraus ergibt sich der weitere Gedanke, ob der eventuell abgeschwächte SOC nach einer für die Frau traumatischen Geburtserfahrung beim ersten Kind durch eine zweite Schwangerschaft wieder anzuheben ist. Dies würde wahrscheinlich eine sehr intensive und eingehende Betreuung verlangen. Die Gesundheit der Frau würde sich durch eine salutogenetische Betreuungsform eher auf den Gesundheitspol hinbewegen, da ihre Ressourcen und gesunden Anteile im Vordergrund stehen. Sie würde in die Kraft gebracht werden sich selbst zu vertrauen und selbstbestimmt zu handeln. Wird diese Geburt durch die Stärkung für sie bereichernd so wird vermutlich auch ihr SOC gestärkt. Doch um diese Gedanken zu beweisen, bedarf es einigen Untersuchungen und Studien in diesem Gebiet, welche leider noch nicht stattfanden.
4.5 Zusammenfassung
Die Salutogenese kann in der Schwangerschaft, während der Geburt und in der Zeit des Wochenbetts für die Frau eine Betreuungsform sein, die ihr ein Gefühl des Vertrauens in sich und ihren Körper gibt. Werden förderliche Faktoren zielgerichtet durch eine kompetente Betreuungs- person erkannt und unterstützt, so hat die Frau eine größere Chance sich in Richtung des Gesundheitspols zu bewegen. Sie wird in ihren selbstbestimmten Handlungen bestärkt und kann so eigenverantwortlich handeln. Hat dies Erfolg, so kann ihr Kohärenzsinn gefestigt oder sogar erhöht werden. Dies wiederum läßt sie die nächste Anforderung in ihrer Aufgabe verstehen, sie als bewältigbar und sinnvoll ansehen. Ihre Widerstandsfähigkeit wird gestärkt und trägt zur Mobilisierung ihrer Ressourcen bei.
Die förderlichen Faktoren die sich allgemein zu Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett nennen lassen, sind in erster Linie ein hoher SOC, eine effektive, stärkende und ganzheitliche Betreuung mit Förderung der Ressourcenmobilisierung, eine haltgebende familiäre und partnerschaftliche Situation, soziale und emotionale Sicherheit, evtl.vorausgegangene Schwangerschaft und Geburt. Als Hebamme hat man in diesem Bereich einen großen Spielraum die Ressourcen der Frau zu mobilisieren. Durch den großen Beratungsaspekt entsteht eine Möglichkeit die Frau in einer selbstbestimmten Weise zu begleiten, ihr den Raum für eigene Ideen zu schaffen.
5. Anwendung der Salutogenese in der Hebammenarbeit
Was bedeuten die ausgeführten Faktoren nun für die Hebammenarbeit? Was wäre das Ziel der Hebammenarbeit aus salutogenetischer Sicht?
Die Salutogenese befasst sich, wie beschrieben mit der Gesunderhaltung und Förderung mit Hilfe von Widerstandressourcen und dem grundlegendes Vertrauen in sich selbst, der Handhabung und Bewältigung der gestellten Anforderungen, dem Kohärenzsinn.
Die Hebamme könnte sich als Leitfaden betrachten , der für die Frau einen Halt bietet. Die Frau geht mit ihrem Kind und ihrem Partner eigenverantwortlich und selbstbestimmt durch diese Zeit. Die Hebamme bestärkt ihr Handeln und Tun, erteilt Rat bei Bedarf und gibt Halt und Transparenz in schweren Lagen.
„Wir können als Hebammen wesentlich zu einer guten Versorgung der schwangeren Frauen beitragen, und das über die rein medizinischen Aspekte hinaus. Eine umfassende Begleitung in der Zeit des Wandels, des Neubeginns sollte das Wohlbefinden in den Vordergrund stellen, wenn wir das Wachsen und Werden des Kindes fördern wollen, müssen wir die Frauen stärken. So arbeiten wir vorsorglich. Denn es sind die Mütter, die für ihre Kinder sorgen.“ (Inka Mülstegen,Hebammenforum, März 2001, S.162)
In der Schwangerschaft gilt es alle für die Schwangere geltenen förderlichen Faktoren zu bestärken. Eine Checkliste der Schwangeren über Dinge die sie gerne tut, wäre eine Möglichkeit ihr einen Weg zur Entspannung und zum Wohlbefinden zu zeigen. Dies kann schon im Vorfeld angesprochen werden, so kann sie in der Situation eigenständig reagieren und sich im Beispiel der Überbelastung etwas gönnen. Dies hat den Effekt, dass sie selbst einen Weg gefunden hat, die Beschwerde zu lindern, bzw. den Wohlfühlaspekt voranzustellen und somit eine Ressource, die der effektiven Hand-lungsfähigkeit zu mobilisieren. Dies kann sich positiv auf ihr Kohärenzgefühl auswirken, welches sie wiederum Widerstandsfähiger macht.
Hebammen haben viele Möglichkeiten offen, die Frauen auf die salutogenetische Weise ihren eigenen Weg finden zu lassen, sie darin zu bestärken und das Wohl von Mutter und Kind zu fördern. In einer Hebammenpraxis ohne feste, pathogenetisch orientierte Maßstäbe, kann dies vermutlich am idealsten umgesetzt werden. Doch auch in Situationen in einer Klinik, wie z.B. eine Frau mit vorzeitigen Wehen auf der Risikoschwangerenstation kann durch Gespräche mit einer Hebamme ein Stück Wohlbefinden erlangen. Es können Möglichkeiten gefunden werden, wie sie mit der Situation gut zurecht kommt, was sie sich wünscht, kann vielleicht umgesetzt werden. Eine Schwangere, die sich zu einer bestimmten Zeit dem Krankheitspol nähert kann durch mehr Wohlbefinden durch das Einbringen gesundheitserzeugender Faktoren wieder den Weg auf den Gesundheitspol hin finden.
Denn nach Antonovsky gibt es den Zustand völliger Krankheit nicht, es gibt immer gesunde Anteile in einem Menschen, die es zu fördern gilt und gerade einer schwangeren, meist jungen Frau steht vermutlich ein großer Teil zur Verfügung.
„Strenge Bettruhe, vielleicht noch mit Tieferstellen des Kopfteiles, i.v.-Tokolyse, der Schieber und das bangen um jeden Tag bestimmen das Leben dieser jungen Frauen, die ja eigentlich körperlich völlig gesund sind.“(Martina Rauchfuß, Berlin, 1996)
Hat die Frau zum Beispiel die Möglichkeit sich etwas häuslicher einzurichten in ihrem Krankenzimmer und so ihre Privatsphäre wieder ein Stück mehr zu erlangen, könnte dies zu größerem Wohlbefinden beitragen. Oder den Frauen kann durch Gruppen- oder Einzelgespräche in der Klinik die Möglichkeit gegeben werden sich auszutauschen und Unterstützung zu bekommen. Auch autogenes Training als ergänzendes Entspannungstraining gibt den Frauen die Chance etwas für sich selbst zu tun, ihr Wohlbefinden zu erlangen.
„Im Gespräch sollte es nicht nur um Kontraktionen und Kindsbwegungen gehen, vielmehr müssen wir die Schwangere aussprechen lassen, Missverständnisse korrigieren, ihre Ängste erfahren und ihre Stimmungen verstehen. Bettruhe ist zur Entlastung und Regression wichtig (sozialer Uterus), sollte aber nicht zur zusätzlichen Belastung werden.“(Martina Rauchfuß, Berlin, 1996) Eine bessere Methode wäre es aber schon im Vorfeld andere Möglichkeiten auf präventiver Ebene zu schaffen, so dass es nicht zu vorzeitigen Wehen kommt. Es wäre also von Anfang an die Aufgabe der Hebamme in der Schwangerenbetreuung die Frau fürsorglich zu begleiten. Denn Hebammen können „die Frau unterstützen bei der Wahrnehmung ihrer Belastungsgrenzen und körperlichen Bedürfnisse.“ (Schönberger, Petra; 2001)
5.1 Zusammenfassung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Hebammen einen großen Einfluss in das Erleben der Frau in der Zeit von Schwangerschaft,Geburt und Wochenbett haben.
Die Fähigkeit in ihren Körper vertrauen zu können, für Veränderungen sensibel zu werden, die Gewissheit eine begleitende Person - ihre Hebamme - im Hintergrund zu haben als stützende, helfende Hand und als Beraterin lässt die Schwangere gestärkt und selbstbewusst in die Geburt zu gehen.“Sie hat das Wissen im Hintergrund, dass sie ihrem Grundgefühl trauen und selbst agieren kann.“ (Schönberger, Petra; 2001)
Drei Worte formulieren die Aufgabe der Hebammen in salutogenetischer Denkweise:
Selbstbestimmung
Best ä rkung
Selbstvertrauen
Mit Hilfe dieser Fähigkeiten und Handlungen geben Hebammen Frauen die Kraft zu einer gesunden Schwangerschaft, einem positiven Geburtserlebnis und einem Wochenbett in Wohlbefinden und
Glück.
6.Schluss
Abschließend wird das behandelte Thema noch einmal zusammengefasst, ein Fazit gebildet und der Ausblick geboten. Weiter wird das persönliche Fazit gegeben, was die Erarbeitung des Themas der Salutogenese in der Arbeit der Hebamme persönlich bewirkt hat.
6.1 Zusammenfassung und Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Neuorientierung in salutogenetischer Sichtweise das Handlungsspektrum der Hebammen und auch der anderen Begleitpersonen erweitert. Durch das Einbringen der salutogenetischen Fragestellung, die lautet: „Was erhält uns gesund?“ wird ein neuer positiver Ansatzpunkt in der Betreuung von Frauen geboten. Mit Hilfe von Ressourcenmobilisierung in der Schwangerenbetreuung kann der Frau zu mehr Wohlbefinden und Widerstandsfähigkeit verholfen werden, welches wiederum das Kohärenzgefühl positiv beeinflussen kann. Das Kohärenzgefühl als ein Gundgefühl, welches das Ausmaß des Vertrauens, Verstehens und der Handhabung einer Anforderung ausdrückt, ist hierbei von großer Bedeutung. Stressoren, die einer Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerin begegnen, können bei großer Ausprägung des SOC verstanden und eingeordnet werden. Der aus dem Stressor entstandene Spannungszustand kann erfolgreich bewältigt werden.
Die Frau wird sich so mehr in die Richtung des Gesundheitspols im Gesundheits-Krankheits- Kontinuum bewegen. Ist der SOC weniger stark ausgeprägt und eine erfolglose Spannungbewältigung resultiert daraus, so wird sie sich näher am Krankheitspol befinden. Daraufhin kann eine Abschwächung des SOC erfolgen, welche die Frau an die nächste Anforderungen mit einem labileren Grundgefühl rangehen läßt. Im umgekehrten Falle wird der SOC gestärkt und die Anforderung wird eher als lohnenswerte und bewältigbare Investition gesehen.
Es gilt, die Ressourcen und positiven Einflüsse zu fördern, die den SOC stärken können und die Stresszustände mildern, bzw. bewältigbar machen.
Für die Beratung, Begleitung und Unterstützung von Frauen in der Zeit der Familiengründung ist die Salutogenese eine besondere, nicht-invasive und gesundheitsfördernde Form der Betreuung. Hebammen haben ein weites Feld um hier wirken zu können, damit die Frau mit ihrer Hilfe durch Selbstbestimmung, Selbstvertrauen und Bestärkung ihren eigenen Weg zu ihrem Wohlbefinden findet.
6.3 Persönliches Fazit und Ausblick
Die Salutogenese stellt meiner Meinung nach einen positiven und notwenigen Ansatzpunkt in der Hebammenarbeit dar.
Wie schon des öfteren erwähnt wurde, ist die Betreuung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen durch die Hebamme eine Chance salutogenetische Sichtweisen einzubringen und zu befolgen. Ich befürworte diese Form der Gesundheitsförderung in großem Maße und kann mir kaum etwas anderes vorstellen, als sie in meiner späteren Berufstätigkeit als Grundsatz in meine Praxis einzubeziehen. Aber auch jetzt schon, versuche ich das Konzept der Salutogenese bei der Betreuung von Frauen zu nutzen.
Die Salutogenese wird meiner Meinung nach einen immer größeren Einfluss in die Hebammenarbeit haben, denn schließlich sind es gesunde Frauen, die Leben spenden. Es wäre schön, wenn das Modell von Antonovsky auch in die Kliniken eine größere Gewichtung bekäme. Als Hebammen und Hebammenschülerinnen können wir dazu beitragen, indem wir Information an andere Menschen zu diesem Thema geben. Und indem wir selbst unter dem salutogenetischen Gesichtspunkten arbeiten um die Frauen in der Fähigkeit zu gebären und im Vertrauen auf ihren Körper zu bestärken.
[...]
1 Das Gesundheits-Krankheits-Kontinuum wird in Kapitel 3.4 näher erläutert.
2 Cochrane Database = Datenbank in der themenbezogene Übersichtsarbeiten zu randomisierten Fall-Kontrollstudien zusammengefasst sind.
3„Riegl erklärt in dem Untersuchungsbericht nicht, was unter einer „Alternativen Geburt“ zu verstehen ist“ ( Borrmann B., 2001, Fußnote 16)