Die vorliegende Arbeit behandelt folgende Thesen:
Zur Erklärung des Underpricingeffektes werden theoretische Modelle genutzt, die insbesondere Informationsasymmetrien zwischen dem an die Börse gehenden Unternehmen, der Bank und den Investoren als Grundlage heranziehen.
Das durchschnittliche Underpricing über die Länder hinweg beträgt 20,28%, wobei sich Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und Jahren feststellen lassen.
Hauptsächlich wird das Underpricing durch unternehmens- und IPO-spezifische Faktoren getrieben, wie das Jahr, die Branche, das Unternehmensalter und die Art der Bookbuilding Methode. Die institutionellen Faktoren machen rund 10% vom Underpricingeffekt aus.
Die Validität der Forschungsarbeit von Engelen und van Essen ist kritisch zu betrachten, da sie sich teilweise mit vergleichbaren Arbeiten widerspricht und versucht komplexe Sachverhalte, wie den Investorenschutz eines Landes, in einer Kennzahl abzubilden.
Inhaltsverzeichnis
Thesen
1. Einleitung
2. Theoretische Ansätze des Underpricing
2.1 Underpricing als Qualitätssignal
2.2 Der optimale Delegationsvertrag
2.3 Der Fluch des Gewinners
2.4 Weitere theoretische Modelle
2.5 Zwischenfazit der theoretischen Ansätze
3. Underpricing of IPO’s: Firm-, issue- and country specific characteristics
3.1 Forschungsfrage und Hypothesenherleitung
3.2 Datensatz und Methodik
3.3 Ergebnisse und Limitationen
3.4 Interne Validität
3.5 Externe Validität (Ergebnisse und Limitationen/Widersprüche)
3.5.1 Beispiel 1: Do differences in institutional and legal environments explain cross-country variations in IPO underpricing? (C. Hopp, A Dreher)
3.5.2 Beispiel 2: IPO underpricing and international corporate governance (Thomas J. Boulton, Scott B. Smart, Chad J. Zutter)
3.6 Wirtschaftspolitische und praktische Bedeutung der Ergebnisse
4. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Thesen
- Zur Erklärung des Underpricingeffektes werden theoretische Modelle genutzt, die insbesondere Informationsasymmetrien zwischen dem an die Börse gehenden Unternehmen, der Bank und den Investoren als Grundlage heranziehen.
- Das durchschnittliche Underpricing über die Länder hinweg beträgt 20,28%, wobei sich Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und Jahren feststellen lassen.
- Hauptsächlich wird das Underpricing durch unternehmens- und IPO-spezifische Faktoren getrieben, wie das Jahr, die Branche, das Unternehmensalter und die Art der Bookbuilding Methode. Die institutionellen Faktoren machen rund 10% vom Underpricingeffekt aus.
- Die Validität der Forschungsarbeit von Engelen und van Essen ist kritisch zu betrachten, da sie sich teilweise mit vergleichbaren Arbeiten widerspricht und versucht komplexe Sachverhalte, wie den Investorenschutz eines Landes, in einer Kennzahl abzubilden.
1. Einleitung
Bei einem „Initial Public Offering“ oder auch erstmaligen Börsengang, lassen sich Unternehmen weltweit das erste Mal an einer Börse listen und ermöglichen so den freien Handel mit ihren Anteilen1. Involviert in einen Börsengang sind neben dem Unternehmen selbst und den potenziellen Käufern der Anteile, meist noch eine Bank, die die Aufgabe des Vertriebes, der Vermarktung und der Beratung besitzt.2 Der Hauptgrund für einen Börsengang ist insbesondere das Erhalten von neuem Kapital durch den Verkauf von Unternehmensanteilen. Des Weiteren kann die Listung zu erhöhter Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit führen und bestehenden Eigentümern eine Diversifikation oder einen Unternehmensausstieg durch den Verkauf eigener Anteile ermöglichen.3
Widersprüchlich zu dem Ziel Kapital zu generieren ist, dass der Ausgabepreis von Unternehmensanteilen häufig unter dem eigentlichen Marktpreis liegt, auch Underpricing genannt, was zu Opportunitätskosten führt, da die Anteile auch zu einem höheren Preis hätten verkauft werden können. So wurde beispielweise in West-Deutschland zwischen 1961 und 1987 unter 92 Unternehmen eine durchschnittliche Kurssteigerung von mehr als 15% innerhalb des ersten Handelstages nachgewiesen4. 2003 veröffentlichte Adrian Hunger eine Studie, die unter 435 deutschen Unternehmen zwischen 1997 und 2002 sogar eine durchschnittliche Kurssteigerung von 42,34% zeigte.5
Im Laufe dieser Arbeit soll das Phänomen „Underpricing“ mithilfe theoretischer Ansätze und einer empirischen Studie genauer erklärt werden. In der ersten Hälfte der Arbeit werden im Zusammenhang mit dem theoretischen Ansatz der asymmetrischen Informationsverteilung, die wissenschaftlichen Arbeiten von Allen und Faulhaber, Rock und Baron näher erläutert. Alternative Ansätze werden im Nachhinein kurz beschrieben. Anschließend wird eine empirische Studie von Engelen und van Essen, die die unternehmens-, institutionellen und länderspezifischen Faktoren untersucht, in Hinblick auf die Forschungsfrage, Hypothesen, Datensatz, Methodik, Ergebnisse und Limitationen vorgestellt. Bevor schlussendlich ein Fazit gezogen wird, soll noch auf die wirtschaftspolitische und praktische Bedeutung der Ergebnisse eingegangen werden.
2. Theoretische Ansätze des Underpricing
Die theoretischen Ansätze des Underpricing sind in die vier nachfolgenden Kategorien einzuteilen: asymmetrische Informationsverteilung, institutionelle Erklärungen, Prinzipal-Agenten-Theorien und verhaltensorientierte Erklärungen.6
In diesem Abschnitt sollen dabei hauptsächlich informationsasymmetrische Modelle erläutert werden, da diese unter anderem mit am meisten untersucht wurden. Die untersuchten Informationsasymmetrien bestehen dabei immer zwischen den drei oben genannten Beteiligten eines Börsenganges. Behandelt werden auf den folgenden Seiten drei Asymmetrien, bei denen jeweils eine der drei Parteien einen Informationsvorteil besitzt.
2.1 Underpricing als Qualitätssignal
In der Arbeit „Signaling by underpricing in the ipo market“ von Franklin Allen und Gerald R. Faulhaber aus 1989 wird angenommen, dass ein Unternehmen selbst am besten über seinen Wert Bescheid weiß und somit einen Informationsvorteil gegenüber den Investoren und der Bank besitzt.7 Der Wert eines Unternehmens kann hierbei entweder gut oder schlecht sein, abhängig unter anderem davon, ob die Einführung eines neuen Produktes (hier Innovation) gelingt.8
Handelt es sich nun um ein gutes Unternehmen, gilt es diese Information möglichst effizient an potenzielle Investoren zu übermitteln, damit diese zu neuen Aktionären werden. Die dahinterstehende ökonomische Idee wird auch als „Signaling“ bezeichnet. Das hierfür genutzte Signal ist in diesem Modell das Underpricing von auszugebenden Anteilen, also dem Verkauf unter Marktpreis. Wie bereits erwähnt, entstehen durch Underpricing immer Opportunitätskosten und theoretisch sind nur gute Unternehmen in der Lage diese zu kompensieren, schlechten Unternehmen hingegen ist dies nicht problemlos möglich. Hinzu kommt, dass Investoren aufgrund des niedrigeren Preises nur geringe Erwartungen gegenüber zukünftigen Dividenden haben und dann positiv überrascht werden. Vor allem, wenn Unternehmen planen, in naher Zukunft erneut Anteile an der Börse zu verkaufen, kann ein Underpricing beim ersten Börsengang dazu führen, dass beim zweiten Mal ein höherer Preis verlangt werden kann, da die Investoren aufgrund des ersten positiven Kaufs erneut kaufen werden.9
Das hier zur Anwendung kommende Modell geht von risikoneutralen Unternehmen aus, die eine Innovation besitzen, wobei nur sie selbst wissen, ob diese gut oder schlecht ist. Jedoch wird diese Innovation nur mit einer Wahrscheinlichkeit von λ erfolgreich in das Unternehmern integriert. Für dessen Umsetzung wird C Kapital benötigt, wofür in t = 0 der Anteil α des Eigenkapitals am Kapitalmarkt angeboten wird, um dies zu erhalten. In t = 1 wird dann das restliche Eigenkapital in Höhe von (1 – α) verkauft. Am Ende der Perioden 1 und 2 werden entweder hohe oder niedrige Dividenden an die Aktionäre ausgezahlt. Die Höhe der Dividende hängt insbesondere davon ab, ob ein Unternehmen gut oder schlecht ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein gutes Unternehmen eine Hohe Dividende H ausschüttet, ist πG und für eine niedrigere Dividende L (1 - πG). Ein schlechtes Unternehmen hat für eine hohe Dividende H eine Wahrscheinlichkeit von πB (1 - πG), wobei πG > πB gilt. Der Anteil der guten Firmen beträgt (θ) und der der schlechten (1 – θ). Sofern ein gutes Unternehmen die Einführung einer Innovation schlecht umsetzt, kann es ebenfalls zu einem Schlechten werden. Daraus resultiert nach Innovationseinführung ein Anteil von guten Firmen in Höhe von λθ und von Schlechten (1 – λθ).10
Die ebenfalls risikoneutralen Investoren können am Markt lediglich folgende Dinge beobachten: die Höhe der Dividende sowie die dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten πG und πB, den Preis der Aktie und dessen verkauften Anteil α. Zudem wissen sie, dass gute und schlechte Unternehmen existieren. Die Entscheidung, ob ein Unternehmen in t0 als gut eingestuft wird, hängt dabei vom Preis und der Anzahl der ausgegebenen Anteile ab. Die Zahlungsbereitschaft für die Anteile der Investoren wird aus der daraus resultierenden Wahrscheinlichkeit r0 abgeleitet, die angibt, ob ein Unternehmen nach Einführung der Innovation gut bleibt. r0 wird sodann in t1 nach Auszahlung der Dividende von H oder L nach oben oder unten angepasst.11
Mithilfe von r0 und einem Discount-Faktor lassen sich die Marktwerte in t = 0 und 1 herleiten sowie der dazugehörige Erwartungswert für t0 der zukünftigen Erträge der Investoren. Analog lässt sich so auch der Erwartungswert der ursprünglichen Eigentümer der Unternehmen, die zusätzlich Zugang zu privaten Informationen haben, berechnen. Mit den berechneten Markt- und Erwartungswerten lässt sich sodann zeigen, dass Unternehmen, die aus Investorensicht gut sind, höhere erwartete Gewinne haben und dass der Verkaufserlös mit der Zuversicht der Investoren gegenüber dem Unternehmen steigt.12
Des Weiteren ergeben sich zwei grundlegende Bedingungen. Zum einen gilt αp0 ≥ C, um die Investition überhaupt implementieren zu können und zum anderen p0 ≤ V0(r0), da Investoren nicht bereit sein werden, über Unternehmenswert zu kaufen. Grundsätzlich würde dies heißen, dass ein Unternehmen seine Anteile immer zu p0 verkaufen will, um maximales Kapital zu generieren.13
Allgemein ist davon auszugehen, dass jedes Unternehmen lieber als gut und nicht als schlecht betrachtet werden will, weswegen noch erläutert werden muss, unter welchen Bedingungen Investoren zum Zeitpunkt des Börsenganges zwischen guten und schlechten Unternehmen differenzieren können beziehungsweise, was schlechte Unternehmen vom Underpricing abhält. Insbesondere muss gelten, dass Investoren eine bestimmte Strategie über p0 und α schlechten oder guten Unternehmen zuordnen können. Damit zudem auch nicht die Möglichkeit besteht eine bestimmte Strategie einfach zu kopieren, darf Signaling bei schlechten Unternehmen zu keiner Verbesserung und bei guten zu keiner Verschlechterung führen. Hierfür müssen die Kosten des Underpricings hoch genug sein, damit es sich für schlechte Unternehmen nicht lohnt. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, findet kein Underpricing statt und Anteile werden zum Markträumungspreis verkauft, das heißt es findet keine Rationierung statt, da keine Unterscheidungsmöglichkeit besteht.14
Ergänzend wird vermutet, dass Underpricing immer nur kurzweilig in aktuell sehr begehrten branchenspezifischen Märkten stattfindet, in denen es aufgrund zum Beispiel politischer Gegebenheiten viele neue Börsengänge gibt. Mit diesen Börsengängen wird sodann eine erhöhte Rentabilität erwartet, weswegen diese unterbewertet sind. Dieser Markt existiert aber nur so lange, bis wieder ein bestimmtes Gleichgewicht mit der Anzahl der Unternehmen erreicht wird.15
Fragwürdig ist jedoch, warum ein Unternehmen aus vielen verschiedenen möglichen Signalen gerade das des Underpricings wählen sollte, da eventuell auch deutlich aussagekräftigere und kostengünstigere Signale existieren.16 Zudem stellt sich auch die Frage, warum die Unternehmen nur in heißen Marktphasen Signalisierung betreiben und nicht immer. Grundsätzlich sollte ein gutes Unternehmen immer interessiert daran sein, sich von schlechten abzugrenzen.
2.2 Der optimale Delegationsvertrag
Avid P. Baron trifft in seiner Arbeit „A Model of the Demand for Investment Banking Advising and Distribution Services for New Issues“ aus 1982 die grundsätzliche Annahme, dass die beteiligte Bank eine überlegene Position einnimmt. Diese ergibt sich aus den beiden grundlegenden Aufgaben der Bank, der Beratung und des Vertriebes. Zum einen besitzt die Bank aufgrund umfangreicheren Wissens über den Kapitalmarkt einen Informationsvorteil und hat im Zusammenhang mit der beratenden Tätigkeit einen erheblichen Einfluss auf den Ausgabepreis. Zum anderen ist die Bank maßgeblich daran beteiligt, eine hohe Nachfrage an den Unternehmensanteilen zu erzeugen, indem sie zum Beispiel mit ihrem Namen für die Qualität des Unternehmens steht. Schlussfolgernd hat ein Unternehmen verschiedene Möglichkeiten im Zuge eines Börsenganges mit einer Bank eine Kooperation einzugehen. Mit dem im nachfolgenden eingeführten Model erläutert Baron sodann, welche möglichen Kooperation bestehen und wie ein dazugehöriger optimaler Vertrag für ein Unternehmen aussehen würde.17
Baron geht in seinem Model ebenfalls davon aus, dass das Unternehmen Kapital benötigt, um eine Investition zu tätigen, wobei der dabei entstehende Wert linear von der Höhe der Investition abhängt. Für einen Börsengang muss nun der Ausgabepreis und ein Vertrag mit einer Bank sowie dessen Vertragsinhalte, die insbesondere aus der Bezahlung und dem Aufgabenfeld bestehen, bestimmt werden. Die Anzahl der auszugebenden Anteile hingegen steht bereits im Vorhinein fest.18
Aus dem Verkaufserlös der Anteile und der Bezahlung des Bänkers lässt sich der Erlös x herleiten, der unter anderem von p, e und θ abhängt. e gibt dabei an, wie viel Aufwand, durch beispielweise Investorengespräche, die Bank für den Verkauf der Anteile aufbringt, wobei dies für das Unternehmen nicht beobachtbar ist. θ steht hingegen für die Nachfrage der Anteile am Kapitalmarkt, über die weder die Bank noch das Unternehmen zum Zeitpunkt der Emission Bescheid wissen. Allerdings ist θ abhängig von δ und die Dichtefunktion h(θ | δ) gibt die verschiedenen möglichen Zustände von θ an. Nun wird angenommen, dass die Bank aufgrund von zum Beispiel Kundengesprächen, bereits bevor der Vertrag geschlossen wird, mehr über δ weiß als das Unternehmen, weswegen hier eine Informationsasymmetrie besteht. Zudem gilt: Je größer δ, desto schlechter sind die Annahmen über die Nachfrage und somit auch für den Erlös.19
Mit den gegebenen Informationen bestehen drei Möglichkeiten für das Unternehmen, eine Bank in den Börsengang mit einzubinden. Die erste Möglichkeit ist mit der Bank einen reinen Delegationsvertrag einzugehen, das heißt sie ist für den Vertrieb sowie für die Preisbestimmung verantwortlich. Die zweite Möglichkeit besteht darin, nur die Vertriebsfunktion der Bank in Anspruch zu nehmen und den Ausgabepreis basierend auf f(δ) selbst festzulegen, wodurch für die Beratung der Bank beziehungsweise dessen Informationen über δ nicht bezahlt wird. Die dritte Möglichkeit wäre, dass das Unternehmen den Preis selbst festlegt und auch die Anteile allein verkauft. Ziel des Unternehmens ist es, nun einen optimalen Delegations-Vertrag einzugehen, der der Bank zahlt, sodass e maximiert und δ bei der Wahl des Ausgabepreises bestmöglich genutzt wird.20
Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Unternehmen einen Delegationsvertrag immer leicht bevorzugt. Hintergrund ist, dass ein Unternehmen einer Bank üblicherweise die Wahl zwischen mehreren Verträgen überlässt. Hieraus wählt diese sodann den für sich selbst besten Vertrag, wobei dieser aufgrund der Informationsasymmetrie gleichzeitig nicht der Beste für das Unternehmen ist. Weiß die Bank zum Beispiel, dass die Nachfrage eher klein ist, wählt sie einen unterbewerteten Preis aus, um nicht zu viel Aufwand zu investieren.21 Baron beschreibt nun, dass das Unternehmen der Bank neben der Vermarktung auch die Preisbestimmung überlassen müsste, um ein besseres Ergebnis zu erhalten. Schlussfolgernd wird bei einem hohen δ auch mehr bezahlt, da der Anreiz dann, seitens der Bank, höher ist, einen zu kleinen Preis festzulegen, um Aufwand zu sparen.22
Kritisch zu sehen an diesem Model ist aber, dass die Reputation der Bank in der Realität eine große Rolle spielt. Würde eine Bank regelmäßig mit einem hohen Underpricingeffekt bei Börsengängen in Verbindung gebracht werden, ist davon auszugehen, dass sie bei zukünftigen Börsengängen eher nicht von Unternehmen in Anspruch genommen werden. Ergänzend fanden Muscarella und Vetsuypens heraus, dass sogar Banken, die ihren eigenen Börsengang betreuten, unterbewertet waren. Dies spricht gegen ein gezieltes Underpricing, da hier kein Interesse besteht weniger Aufwand für den Verkauf zu betreiben.23
2.3 Der Fluch des Gewinners
Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Arbeiten geht Kevin Rock in „Why new issues are underpriced“ aus 1984 davon aus, dass es eine bestimmte Investorengruppe gibt, die „Informierten“, der als Ganzes mehr Informationen zur Verfügung steht als den restlichen Investoren, der Bank und dem Unternehmen selbst, den sogenannten „Uninformierten“. Begründet wird dies insbesondere damit, dass alle Informationen, die ein Unternehmen besitzt, durch beispielweise den Wertpapierprospekt24 und durch die Bestimmungen des Ausgabepreises, vor einem Börsengang öffentlich zugänglich gemacht werden. Umgekehrt veröffentlichen Investoren aber nicht ihre Informationen, die sie beispielweise durch Insiderwissen aus anderen Unternehmen oder besonders guten Marktkenntnissen erhalten haben, wodurch eine Informationsasymmetrie entsteht.25
Dieses Wissen machen sich die informierten Investoren zu Nutzen und investieren nur in gute Unternehmen. Die uninformierten Investoren hingegen investieren vermeintlich wahllos in alle Unternehmen, da sie nicht genau wissen, welche gut sind. Am Tag des Börsengangs zeigt sich sodann, ob ein Unternehmen gut oder schlecht ist. Bei einem guten Unternehmen existiert aufgrund des Underpricings ein Nachfrageüberschuss, andersherum ein Angebotsüberschuss. Besteht nun ein Nachfrageüberschuss müssen die Anteile rationiert, also aufgeteilt werden und nicht jeder Investor erhält die gewünschte Anzahl. Problematisch ist, dass die Wahrscheinlichkeit Anteile von guten Unternehmen zu erhalten geringer ist als von schlechten Unternehmen, da bei den Guten ein Nachfrageüberschuss besteht. Schlussfolgernd erhalten lediglich die uninformierten Investoren die schlechten Anteile, wodurch die Durchschnittsrendite bei diesen geringer ist als bei den Informierten. Hieraus lässt sich auch der sogenannte Fluch des Gewinners ableiten, da die uninformierten Investoren zwar bei den schlechten Unternehmen alle Anteile erhalten, daraus aber keinen Gewinn erwirtschaften können. Dies kann wiederum dazu führen, dass die uninformierten weniger investieren und selbst die guten Unternehmen ihre Anteile nicht komplett verkaufen können. In diesem Fall wird durch das Underpricing eine Art Rabatt gewährt, um die uninformierten Investoren zum Kauf anzuregen und den Informationsvorteil der informierten Investoren auszugleichen. Ziel ist es, dass so mindestens eine Rendite von null entsteht.26
Zur theoretischen Erklärung wird ein Model eingeführt, welches einen Kapitalmarkt darstellt, in dem lediglich zwei Wertpapiere zum Verkauf stehen und von denen eines eine sichere Rendite von 1 gibt. Bei dem anderen Wertpapier handelt es sich um eines, dass erst neu auf den Markt kommt und einen unsicheren Wert von hat. Ausgegeben von diesem Papier werden Z Anteile zu einem Preis von p. Ob das Papier unter- oder überbewertet ist, zeigt sich allerdings erst am Tag des Börsenganges. Mit diesem Modell wurde dann untersucht, wie sich die Nachfrage der uninformierten Investoren im Verhältnis zum Ausgabepreis und mit der Wahrscheinlichkeit Anteile zu erhalten, entwickelt.27
[...]
1 Vgl. Deutsche Börse Group 2021.
2 Vgl. Baron 1982, S. 955–956.
3 Vgl. Ljungqvist 2007, S. 378.
4 Vgl. Wasserfallen und Wittleder 1994, S. 1505.
5 Vgl. Hunger 2003, S. 1 und 21.
6 Vgl. Jamaani und Alidarous 2019, S. 2.
7 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 303.
8 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 307–308.
9 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 304.
10 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 306–308.
11 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 308–309.
12 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 309–310.
13 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 310–311.
14 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 311–313.
15 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 316–318.
16 Vgl. Allen und Faulhaber 1989, S. 306.
17 Vgl. Baron 1982, S. 955–956.
18 Vgl. Baron 1982, S. 957–958.
19 Vgl. Baron 1982, S. 958–959.
20 Vgl. Baron 1982, S. 959–960.
21 Vgl. Baron 1982, S. 967–969.
22 Vgl. Baron 1982, S. 975.
23 Vgl. Muscarella und Vetsuypens 1989, S. 125.
24 Vgl. Hunger 2003, S. 7–8.
25 Vgl. Rock 1986, S. 187.
26 Vgl. Rock 1986, S. 188–189.
27 Vgl. Rock 1986, S. 189-190 und 194-195.