Der Einfluss von "Fake-News" auf demokratische Wahlergebnisse
Ein Überblick
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Prolog
2 Forschungsstand
3 Theorie
3.1 Charakteristik von „Fake-News“
3.2 Soziale Kosten von „Fake-News“
3.3 Unterstützende Faktoren
4 Methodik: Hypothesen
4.1 Hypothese
4.2 Hypothese
4.3 Hypothese
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Prolog
„Krass: Weihnachtsmarkt heißt wegen dem Islam jetzt Wintermarkt“, „Macron ist schwul!“, „Berlin: 13-Jährige von Migranten entführt und 30 Stunden vergewaltigt.“. So oder so ähnlich liest man es tagtäglich in den sozialen Netzwerken und Printmedien. Irreführende Texte, Clickbait und auch faktisch völlig falsche Artikel, allgemein als „FakeNews“ bezeichnet, sind insbesondere seit der Wahl Donald Trumps im Jahr 2016 ein hoch diskutiertes Thema. „Wir waren dabei, diese Wahl zu gewinnen. Offen gesagt haben wir diese Wahl gewonnen.“1 Zitate wie diese sorgen für weltweite Diskussionen über den Zerfall der politischen Kultur, über die Spaltung der Gesellschaft und über die Veränderung des politischen Diskurses. Nahezu jede Talkshow hat sich schon mit dem Thema der „Fake-News“ beziehungsweise dem neuen politischen Diskurs beschäftigt. Doch was genau ist der politische Diskurs, die politische Kultur und wie hängen „Fake-News“ damit zusammen? Haben „Fake-News“ wirklich eine Auswirkung darauf und kann man sie vielleicht sogar in den Wahlergebnissen sehen? Wie es 2016 von vielen im Nachgang der Präsidentschaftswahlen gesagt wurde. Klar ist: „Fake-News“ betreffen vor allem politische Themen2 und sind dort so unumgänglich und viel diskutiert wie noch nie.
Forschungsstand
Ein großer Teil der Arbeiten zu den Themen „Fake-News“ und soziale Medien ist erst nach dem Jahr 2016 entstanden. Dies impliziert, dass die Forschung zu „Fake-News“ auch im Zusammenhang mit den Sozialen Medien ein sehr junges Forschungsfeld ist. Grundsteinlegende Experimente sind vor 2016 erschienen und trotzdem sind auch diese Studien jung. So zum Beispiel die 2012 herausgebrachte Studie. „A 61-million-person experiment in social influence and political mobilization“. In diesem Experiment wurden 61 Millionen Menschen verschiedene politische Mobilisierungs-Nachrichten gesendet.3 Diese Nachrichten, welche über die sozialen Medien verbreitet wurden, hatten einen direkten Einfluss auf die politische Meinung, die Informationssuche und auch das tatsächliche Wahlverhalten.4 Ein weiteres Grundlegendes Experiment ist „Experimental evidence of massive-scale emotional contagion through social networks.“ Aus dem Jahr 2014. Hierbei wurde der News Feed, von 689.003 Menschen, auf Facebook manipuliert inwieweit und welche Emotionen (Positive/Negative Nachrichten) dort gezeigt wurden. So konnte festgestellt werden, dass sich Emotionen auch über die sozialen Netzwerke verbreiten können.5 Diese beiden Experimente werden sehr häufig in späteren Arbeiten über „Fake-News“ und die sozialen Medien zitiert. Eine Datenanalyse von Twitter-Stories aus dem Jahr 2018 „The spread of true and false“ liefert Beweise dafür, dass "FakeNews" vor allem politische Themen betreffen. Des Weiteren verbreiten sich "Fake-News" mehr, schneller und tiefer in den sozialen Netzwerken. Dies liegt aber nicht an Bots, sondern an den Menschen selbst.6 Nach der US-Präsidentschaftswahl 2016 gab es die Vermutung, dass „Fake-News“ eine Schlüsselrolle im Wahlsieg von Donald Trump hatten. Hunt Allcott und Matthew Gentzkow untersuchten diese Vermutung in „Social Media and Fake News in the 2016 Election“ (2017). Sie fanden heraus, dass der durchschnittliche amerikanische Erwachsene während der Wahlperiode einen oder ein paar "FakeNews" Artikel liest und sich merkt. Sie konnten jedoch nicht bestätigen, dass "FakeNews" eine Schlüsselrolle in der Wahl gespielt haben.7 Keine dieser Arbeiten konnte eine genaue Auswirkung auf die Demokratie feststellen. Diese Lücke versuche ich ansatzweise zu schließen.
Theorie
Charakteristik von „Fake News“
„ Fake-News" treten in vielen verschiedenen Formen auf. Sie lassen sich, auf Grundlage von Wardels Kategorien für "Fake News" (2017), in zwei grobe Oberkategorien einteilen:
1. „ Fake-News" sind zu 100% falsch und auch so gedacht.
2. „ Fake-News" beinhalten missverständliche Elemente.8
Besonders ist dabei, dass diese Nachrichten personalisiert und emotionalisiert sind.9 "Emotional states can be transferred to others via emotional contagion, leading people to experience the same emotions without their awareness."10 Diese von „Fake-News” getragenen Emotionen, übertragen sich auch über soziale Medien.11 Auch wird diese Art von Nachrichten häufiger und schneller verbreitet und gehen häufiger viral, als nicht irreführende oder neutrale, faktenbasierte Nachrichten.12 Dies geschieht aber nicht durch Bots, wie man es vermuten könnte, sondern durch Menschen. Weshalb „Fake-News“ auch besonders „tief“ in den sozialen Netzwerken verbreitet sind.13
Soziale Kosten von „Fake-News“
Um zu verstehen welche Auswirkungen „Fake-News“ auf eine Gesellschaft haben ist es wichtig, das Konzept des sozialen Kapitals und der sozialen Kosten zu kennen. Soziales Kapital wird „[...] maßgeblich verstanden als das Potential von wechselseitigem Vertrauen, das in einer Gesellschaft vorhanden ist. Verschiedene Forschungen haben gezeigt, dass dieser Vertrauensbestand positive Auswirkungen sowohl auf die demokratische als auch auf die ökonomische Entwicklung hat."14 „Fake-News“ beeinflussen dieses soziale Kapital auf mehrere Weisen „[...] it [...] imposes private and social costs by making it more difficult for consumers to infer the true state of the world—for example, by making it more difficult for voters to infer which electoral candidate they prefer.”15 Diese sozialen Kosten sind geringeres richtiges Wissen16, geringeres Vertrauen in legitimierte Nachrich- tenproduzenten17 und durch die sich letztendlich verändernde Nachfrage, kann sich das Angebot von genauen und unmissverständlichen Nachrichten verringern, sodass legitimierte Nachrichtenproduzenten ebenfalls anfangen Emotionale und missverständliche Nachrichten zu produzieren.18
Unterstützende Faktoren
"filter bubble"19 /Echo-Chamber
"filter bubble"20 und Echo-Chambers sind, wie der Name schon erahnen lässt, Nachrichten-Blasen. Diese entstehen dadurch, dass Menschen eher Artikel, passend zu ihrem politischen Standpunkt, lesen. Zusätzlich personalisieren Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Nachrichtenproduzenten ihre Inhalte, sodass die suchende Person eher Dinge sieht, die ihr gefallen.21
Backfire-effect
Der Backfire-effect ist unterschiedlich stark ausgeprägt bei verschiedenen ideologischen Gruppierungen, jene die besonders überzeugt von ihrem Wissen sind, glauben Korrekturen nicht, manchmal bestärkt es sie noch in ihrer Fehlwahrneh- mung.22 Das Bestärken der Fehlwahrnehmung durch eine Korrektur wird dann als Backfire-effect bezeichnet.
Methodik: Hypothesen
Für die Beantwortung der Forschungsfrage stelle ich drei einfache Hypothesen auf: Hypothese 1: „Fake-News“ beeinflussen Wahlergebnisse direkt, Hypothese 2: „FakeNews“ haben keinen direkten Einfluss auf eine Wahl und Hypothese 3: „Fake-News“ beeinflussen die Wahlergebnisse indirekt.
Hypothese 1: Es mag logisch erscheinen, dass Menschen die „Fake-News“ ausgesetzt sind, nicht so abstimmen, wie sie es ohne diese Nachrichten machen würden. Was spricht also dagegen, dass „Fake-News“ eine Wahl direkt beeinflussen? Der Kontakt zu "FakeNews" in einer Zeit von 3 Monaten vor der Wahl, liegt bei einem oder ein paar gelesenen Artikeln pro Erwachsenen.23 Hierbei ist nicht berücksichtigt, ob der Erwachsene dem Artikel Glauben schenkt oder nicht. Auch ist ein durchschnittlicher Kontakt mit „FakeNews“ nicht aussagekräftig, denn Nachrichten werden in sozialen Medien eher denen gezeigt, die auch Interesse an ähnlichen Artikeln hatten. Dies kann zum Schluss führen, dass manche Personen eher einer höheren Zahl an „Fake-News“ ausgesetzt sind als die, die sich häufiger nur über die Seiten der Mainstreammedien auf den sozialen Netzwerken informieren. Der Einfluss den „Fake-News“ auf die private Person haben, ist hier nicht erfasst. Es wurde jedoch belegt, dass sich Emotionen über die sozialen Netzwerke übertragen können24 und somit auch besonders „Fake-News“, welche eben jene Emotionen hervorrufen. Diese Emotionen können daraufhin offline weitergegeben werden, besonders der enge Kreis der Familie, Freunde usw. schenkt diesen Emotionen/Nachrichten dann glauben und hinterfragt sie seltener.25 Wenn „Fake-News“ eine breite Masse von Menschen erreicht und diese die Nachrichten dann als wahr betrachten, wird das die politische Meinung verändern. Denn die Emotionen, z.B. Flüchtlingsablehnung, beeinflussen dann die Meinungsbildung und somit die Stimmenabgabe.26
Hypothese 2: Wie schon in Hypothese 1 festgestellt, ist die Quantität der „Fake-News“ nicht besonders hoch (pro Kopf). Dies kann man jedoch nicht als Argument dafür verwenden, dass „Fake-News“ keinen direkten Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Dafür hat die Berechnung der durchschnittlichen Aussetzung gegenüber von „Fake-News“ einige wichtige Dinge nicht berücksichtigt. Gegen einen direkten Einfluss von „FakeNews“ sprechen die automatischen demokratischen Abwehrmechanismen. Selbst, wenn einige Menschen ihre Meinung auf der faktisch falschen Grundlage aufbauen, so werden diese Fehlwahrnehmungen durch die öffentliche Meinung verdrängt.27 Ein weiterer Abwehrmechanismus ist, dass Menschen, die ein lückenhaftes Wissen haben, welches ihnen bewusst ist, durch Heuristik dennoch ein Urteil ohne große Fehlinformationen bilden können und so zu dem Schluss kommen, zu dem sie auch ohne „Fake-News“ gekommen wären.28 Ebenso sind die sozialen Netzwerke der einzige effiziente Weg „Fake-News“ zu veröffentlichen und zu verbreiten29, jedoch sind die sozialen Medien nicht die dominante Quelle für Informationen zu einer Wahl für die Wahlberechtigten.30 So gaben lediglich knapp 14% an, dass die sozialen Medien eine wichtige Quelle für ihre Stimmabgabe waren. Dies und die Annahme, dass durchschnittlich nur ein oder ein paar „Fake-News“- Artikel pro Person gelesen werden, spricht gegen einen direkten Einfluss von „FakeNews“ auf Wahlergebnisse.
[...]
1 https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/eilmeldungen/article219304108/Trump-erklaert- sich-zum-Wahlsieger.html zuletzt abgerufen 10.01.2021
2 Vgl. Soroush Vosoughi, Deb Roy und Sinan Aral, „The spread of true and false news online.“Science (New York, N.Y.) 359, Nr. 6380 (2018): 1146-1151, (1147) 2.
3 Vgl. Robert M. Bond et al., „A 61-million-person experiment in social influence and political mobilization.“Nature 489, Nr. 7415 (2012): 295-298, (295) 1.
4 Vgl. ebd.
5 Vgl. Adam D. I. Kramer, Jamie E. Guillory und Jeffrey T. Hancock, „Experimental evidence of massive-scale emotional contagion through social networks.“Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 111, Nr. 24 (2014): 8788-8790, (8788) 3.
6 Vgl. Vosoughi, Roy und Aral, „The spread of true and false news online“, (1147) 2ff.
7 Vgl. Allcott und Gentzkow, „Social Media and Fake News in the 2016 Election“, (232) 22.
8 Vgl. Vian Bakir und Andrew McStay, „Fake News and The Economy of Emotions.“Digital Journalism 6, Nr. 2 (2018): 154-175, (154) 1.
9 Vgl. ebd., (154) 1.
10 Kramer, Guillory und Hancock, „Experimental evidence of massive-scale emotional contagion through social networks“, (8788) 3.
11 Vgl. Kramer, Guillory und Hancock, „Experimental evidence of massive-scale emotional contagion through social networks“, (8788) 3.
12 Vgl. Vosoughi, Roy und Aral, „The spread of true and false news online“, (1148) 3.
13 Vgl. ebd., (1150) 5.
14 Hans-Joachim Lauth und Christian Wagner, Hrsg., Politikwissenschaft: Eine Einführung, 10. aktual. Auflage, revidierte Ausgabe (Paderborn: UTB; Verlag Ferdinand Schöningh, 2020), 130.
15 Allcott und Gentzkow, „Social Media and Fake News in the 2016 Election“, (212) 2.
16 Vgl. ebd., (219) 9.
17 Vgl. ebd.
18 Vgl. ebd.
19 Eli Pariser, The filter bubble: What the Internet is hiding from you (London: Viking, op. 2011).
20 Ebd.
21 Vgl. Seth Flaxman, Sharad Goel und Justin M. Rao, „Filter Bubbles, Echo Chambers, and Online News Consumption.“Public Opinion Quarterly 80, S1 (2016): 298-320, (299) 2.
22 Vgl. Brendan Nyhan und Jason Reifler, „When Corrections Fail: The Persistence of Political Misperceptions.“Political Behavior 32, Nr. 2 (2010): 303-330, (323) 22.
23 Vgl. Allcott und Gentzkow, „Social Media and Fake News in the 2016 Election“, (227) 17.
24 Vgl. Kramer, Guillory und Hancock, „Experimental evidence of massive-scale emotional contagion through social networks“, (8788) 3.
25 Vgl. Bond et al., „A 61-million-person experiment in social influence and political mobilization“, (298)
26 Vgl. Bond et al., „A 61-million-person experiment in social influence and political mobilization“, (295) 1.
27 Vgl. D. J. Flynn, Brendan Nyhan und Jason Reifler, „The Nature and Origins of Misperceptions: Understanding False and Unsupported Beliefs About Politics.“Political Psychology 38 (2017): 127-150, (143) 17.
28 Vgl. ebd., (142) 16 f.
29 Vgl. Allcott und Gentzkow, „Social Media and Fake News in the 2016 Election“, (222) 12 f.
30 Vgl. ebd., (224) 14.