Stellt der Mitgliederschwund bei den großen Volksparteien CDU sowie SPD einen destabilisierenden Faktor für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland dar? In der Arbeit wird in Form einer Literaturrecherche zunächst die Bedeutung von Parteien für die Demokratie beleuchtet werden. Insbesondere wird hierbei auf Parteien als legitime politische Organisationen sowie die Parteiendemokratie eingegangen. Anschließend wird die politische Partizipation der Zivilgesellschaft in verschiedenen Formen dargestellt und die Mitgliederentwicklung der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in verschiedenen Perioden der Vergangenheit und der Gegenwart betrachtet. Es wird versucht, Ursachen für den bestehenden Mitgliederschwund in den großen Volksparteien zu erörtern und die Folgen für die Demokratie zu analysieren.
Können die großen Volksparteien ihrem verfassungsmäßigen Auftrag der Mitwirkung an der politischen Willensbildung noch gerecht werden? Es findet eine Abkehr von den großen Volksparteien statt, die Mitgliederzahlen sinken, das Durchschnittsalter der Parteimitglieder steigt, die Parteien überaltern, das Sozialprofil bildet keinen Querschnitt durch dies Gesellschaft mehr, das breite politische Engagement der Bürger lässt nach. Aufgrund dieser Entwicklung stellt sich die Frage, inwiefern die von den Parteien erarbeiteten politischen Ziele auch die politischen Ziele des breiten Volkes widerspiegeln. Vieles spricht dafür, dass aufgrund des Mitgliederschwundes die Parteien ihren Anspruch verlieren, noch für die Bevölkerung sprechen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Parteien und politische Partizipation
3 Mitgliederschwund bei den großen Volksparteien als destabilisierender Faktor für die Demokratie
4 Schlussbetrachtung
5 Literatur - und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist (GG) wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Gemäß § 1 des Parteiengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2730) geändert worden ist (Parteiengesetz - PartG) wirken die "Parteien als verfassungsmäßig notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens an der politischen Willensbildung des Volkes mit, unter anderem durch Einflussnahme auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung, durch Förderung der aktiven Teilnahme der Bürger am politischen Leben, durch Heranbildung zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigter Bürger, durch Beteiligung an Wahlen durch Aufstellung von Bewerbern, durch Einführung der von ihnen erarbeiteten politischen Zielen in den Prozess der staatlichen Willensbildung sowie durch eine ständige lebendige Verbindung zwischen Volk und Staatsorganen". Sie sollen als intermediäre Organisation zwischen dem Volk und den staatlichen Organen die für ein demokratisches System notwendige Integration von Staat und Gesellschaft leisten (Beck 1986), wobei sie Staat und Gesellschaft verknüpfen (Bukow und Jun 2016).
Doch können die großen Volksparteien ihrem verfassungsmäßigen Auftrag der Mitwirkung an der politischen Willensbildung noch gerecht werden? Es findet eine Abkehr von den großen Volksparteien statt, die Mitgliederzahlen sinken, das Durchschnittsalter der Parteimitglieder steigt, die Parteien überaltern, das Sozialprofil bildet keinen Querschnitt durch dies Gesellschaft mehr, das breite politische Engagement der Bürger lässt nach (Wiesendahl 2013). Aufgrund dieser Entwicklung stellt sich die Frage, inwiefern die von den Parteien erarbeiteten politischen Ziele auch die politischen Ziele des breiten Volkes widerspiegeln. Vieles spricht dafür, dass aufgrund des Mitgliederschwundes die Parteien ihren Anspruch verlieren, noch für die Bevölkerung sprechen zu können (Wiesendahl 2013).
In der vorliegenden Arbeit wird in Form einer Literaturrecherche zunächst die Bedeutung von Parteien für die Demokratie beleuchtet werden. Insbesondere wird hierbei auf Parteien als legitime politische Organisationen sowie die Parteiendemokratie eingegangen. Anschließend wird die politische Partizipation der Zivilgesellschaft in verschiedenen Formen dargestellt und die Mitgliederentwicklung der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in verschiedenen Perioden der Vergangenheit und der Gegenwart betrachtet. Es wird versucht, Ursachen für den bestehenden Mitgliederschwund in den großen Volksparteien zu erörtern und die Folgen für die Demokratie zu analysieren.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Beantwortung der Frage: Stellt der Mitgliederschwund bei den großen Volksparteien, CDU sowie SPD, einen destabilisierenden Faktor für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland dar?
2 Parteien und politische Partizipation
2.1 Parteien als legitime politische Organisationen
Betrachtet man Art. 21 GG so kann festgestellt werden, dass den Parteien ein verfassungsmäßiger Auftrag erteilt worden ist: "Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit". Ferner wird in Art. 21 GG ausgeführt, dass ihre Gründung frei ist und ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Durch diese Erwähnung in Art. 21 GG erkennt man die überragende politische Bedeutung, die den Parteien in der Bundesrepublik Deutschland zukommt, indem sie zu Verfassungsorganen gemacht worden sind (Beck 1986, S. 703). Die Bundesrepublik Deutschland ist somit eine Parteiendemokratie (Niedermayer 2014). Die politischen Parteien verankern sich hierbei in der Gesellschaft. Dies geschieht durch Ausbildung von Organisationsstrukturen. Diese Organisationsstrukturen der Parteien können von jedermann in der Gesellschaft anhand der Mitglieder in den Ortsvereinen oder Geschäftsstellen der Parteien erkannt werden. Da die Mitglieder der Parteien aus der Gesellschaft stammen und in diese wiederum hineinwirken, stellt die Mitgliederbasis eine wichtige Verbindung zwischen Gesellschaft und Partei her (Bukow und Jun 2016). Hierdurch wirken sie einerseits in die Gesellschaft hinein und können andererseits auch in der entgegengesetzten Richtung in staatliche Institutionen hineinwirken und dort wirkungsvoll agieren (Bukow und Jun 2016).
Folgt man Leibholz, so treten in der parteistaatlichen Massendemokratie die Parteien an die Stelle von unabhängigen Abgeordneten1, das Volk bedarf der Parteien als Sprachrohr2. Da die Parteien die Aktivbürger in sich versammeln, wird durch sie der Volkswillen zum Ausdruck gebracht3. Der "Volks- oder Gemeinwille wird in der parteienstaatlichen Demokratie durch die Parteien gebildet" und der "Mehrheitswille der Aktivbürgerschaft mit dem Volkswillen identifiziert"4. Die so genannte Parteiherrschaft ist grundsätzlich das Mittel, um Parteiendemokratie wirksam werden zu lassen (Wiesendahl 2016). Gesellschaftliche Interessen und Wählererwartungen werden über Parteien aufgegriffen und in den "staatlichen Entscheidungsprozess eingespeist" (Wiesendahl 2016, S. 23). Für die Verwirklichung von Parteiendemokratie ist somit ein so genannter Parteienstaat notwendig (Wiesendahl 2016). Ein Parteienstaat bildet in der durch Parteien organisierten repräsentativen Demokratie einen Teilbereich, der mit der "Generierung und Umsetzung gesamtgesellschaftlich verbindlicher politischer Entscheidungen befasst ist" (Wiesendahl 2013, S. 13).
Von großer Wichtigkeit ist, dass Parteien ihren Programmformulierungsprozess offen und responsibel gestalten, um demokratischen Legitimationsstandards zu genügen (Wiesendahl 2013). Auf den Programmformulierungsprozess und die innerparteiliche Programmentwicklung sollen die Parteimitglieder breiten Einfluss nehmen. Somit werden die politischen Gestaltungs- und Richtungsalternativen den Wählern vorgegeben. Aus Reihen der Parteien werden Kandidaten aufgestellt, auf die sich die Stimmen der Wähler verteilen, wobei die Kandidatenaufstellung wiederum der Kontrolle der Parteien unterliegt. So besitzen die Parteien das Rekrutierungsmonopol, wodurch Parlamentsabgeordnete und Regierungspersonal gestellt werden (Wiesendahl 2016). Aus der Policy Seeking Perspektive betrachtet ist es den Parteien somit möglich "den politischen Entscheidungsprozess in Parlament und Regierung so nach ihren Politikvorstellungen auszurichten, dass das, was im Politikformulierungsprozess aufgegriffen und entschieden wird, von der Initiierung über die Bearbeitung bis hin zum Beschluss und zur Umsetzung ihre Handschrift trägt" (Wiesendahl 2016, S. 27).
Durch einen hohen Anteil an Parteimitgliedern bilden Parteien die Gesellschaft ab und "erwerben den Legitimationsanspruch, für die Gesellschaft in ihrer Gruppenvielfalt sprechen zu können" (Wiesendahl 2013, S. 21). Durch die Parteimitglieder verschwindet die Barriere zwischen Partei und gesellschaftlicher Unwelt, die Parteimitglieder sind ein Teil der Gesellschaft und über sie besteht ein enger Austausch mit der Zivilgesellschaft (Wiesendahl 2013). Tief verwurzelte Mitgliederparteien, die über stabile Verbindungen mit der Gesellschaft im Austausch stehen, erhalten so das Recht, "an Volkes statt Kandidaten aufzustellen und den politischen Kurs des Landes durch Parteiprogramme vorzubestimmen" (Wiesendahl 2013).
2.2 Parteiendemokratie
Die Parteiendemokratie ist die typische Form der modernen Demokratie. "Wegen der großen Zahl politisch vollberechtigter Staatsbürger [...], der Größe des Staatsgebietes, des Umfangs, der Vielzahl und der Komplexität der politischen Entscheidungen [...] ist das Volk politisch nur handlungsfähig, weil und indem es sich in Parteien politisch zusammenschließt" (Beck 1986, S. 703). Die Bundesrepublik Deutschland ist eine solche Parteiendemokratie. Oft wird auch der Begriff Parteienstaat verwendet, um eine zu große Macht der Parteien im Staat zu kritisieren (Niedermayer 2014). Politische Parteien fungieren in einem Parteienstaat, der als rationalisierte Form der plebiszitären Demokratie angesehen wird, als Sprachrohr des Volkes und verwirklichen die Idee der Massendemokratie in modernen Flächenstaaten (Bukow und Jun 2016). "Sie verkörpern gleichermaßen den Staats- und Gemeinwillen und setzen ihn in staatliches Handeln um. Durch sie übt das Volk die Staatsgewalt aus, die Parlamentsabgeordneten sind nur der verlängerte Arm der Parteien" (Bukow und Jun 2016, S. 4).
Parteien spielen in dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland eine zentrale Rolle, indem zum einen ihre starke Stellung mit dem Bundestag als zentrales Verfassungsorgan in der parlamentarischen Demokratie begünstigt wird, zum anderen die Parteien alle Bereiche des politischen Systems durchdringen und somit als Bindeglied von politischer Bürgerschaft, des intermediären Systems sowie des Regierungssystems wirken (Niedermayer 2014). Dies kommt daher, dass ein wesentlicher Teil der politischen Bürgerschaft durch die Mitglieder der Parteien selber gebildet und ein wichtiger Teil des "intermediären Systems" aus Parteien, Verbänden, Medien und sozialen Bewegungen, das "vermittelnd zur politischen Willensbildung" beiträgt, durch ihre außerparlamentarischen Organisationen gebildet wird. Der wichtigste Teil des Regierungssystems auf Bundes- und Landesebene wird zudem durch die Fraktions- und Regierungsmitglieder der Parteien beherrscht (Niedermayer 2014).
Dem gesamten Parteiensystem in einem demokratischen politischen System werden Funktionen in den Bereichen der Politikformulierung, Politikkontrolle und Personalrekrutierung zugeschrieben. Die Erfüllung dieser Funktionen sind wesentlich für das Funktionieren und die Stabilität der Demokratie (Niedermayer 2014). Die Parteiendemokratie räumt den Parteien eine Schlüsselstellung im Prozess der Politikformulierung und -umsetzung ein. Eingeschlossen darin sind "sowohl die gesellschaftliche Sphäre, von der der politische Prozess seinen Ausgang nimmt, als auch die staatliche Sphäre, in der die Wünsche und Anliegen der Bevölkerung in politische Entscheidungen umgewandelt werden" (Wiesendahl 2013, S. 10).
Nach Wiesendahl können Parteien als Bindglied zwischen Staat und Gesellschaft beide Sphären überbrücken, "der Staat ist nicht mehr losgelöst, sondern lässt sich vom Gesellschaftlichen her über Parteien beeinflussen und durchdringen" (Wiesendahl 2013, S. 11). Hierbei ist es aber auch Aufgabe der Parteien, im Rahmen des politischen Diskussionsprozesses nicht nur in eine Richtung, von der politischen Bürgerschaft hin zu den politischen Entscheidungsträgern, sondern auch in umgekehrter Richtung den Bürgern im Rahmen des Regierungssystems getroffene politische Entscheidungen zu vermitteln (Niedermayer 2014). So ermöglichen Parteien einen wechselseitigen Austausch und Transfer von Informationen, Interessen und Loyalitäten zwischen Zivilgesellschaft und Staat (Wiesendahl 2013).
Den Bürgern müssen objektive Informationen gegeben werden, aber auch Überzeugungsarbeit geleistet werden, um die Bürger für die Partei einzunehmen und für Wahlen zu mobilisieren. Bürgern müssen hierbei Lösungsalternativen für politische Probleme geliefert werden. Hierzu müssen interne Ziele entwickelt, politische Programme formuliert und den Bürgern dargestellt werden (Niedermayer 2014). "Durch die Erfüllung der vielfältigen Vermittlungsleistungen im Rahmen des politischen Diskussionsprozesses liefern die Parteien einen Beitrag zur politischen Sozialisation der Bürger. Zudem tragen sie auch dazu bei, Unterstützung für demokratische Werte und Prozesse zu generieren und somit die Legitimität des politischen Systems zu gewährleisten" (Niedermayer 2014).
Nach Mintzel ist das, "was in Kurzform als "Parteiendemokratie" bezeichnet wird, eine "parteienstaatliche Demokratie [ ... ] als diejenige gesellschaftliche und politische Konfliktregelung und Herrschaftsorganisation, in der eine Mehrzahl dem Anspruch nach und realiter demokratisch organisierter Parteien sowohl im Bereich gesellschaftlicher Interessenvermittlung als auch im Bereich staatlicher, gouvernementaler Entscheidung und Steuerung eine dominante und zentrale Stellung einnehmen"5 (Wiesendahl 2013, S 11). Durch die Verankerung der Parteien im Regierungssystem treffen sie unmittelbar politische Entscheidungen. Hierdurch üben die Parteien so politische Herrschaft aus und Regierungsämter werden mit Parteivertretern besetzt (Niedermayer 2014). Über den dreigliedrigen Aufbau der Parteien, nämlich der Mandatsträger, des Parteiapparates und der Parteimitglieder (Party in public office, Party in Central office und Party on the ground) stellen sie ihre Präsenz in der staatlichen, intermediären und gesellschaftlichen Sphäre sicher (Wiesendahl 2013). Die Parteiendemokratie umfasst somit "das gesamte Regelwerk und Institutionengefüge der mit und durch Parteien organisierten Herrschaftsform der repräsentativen Demokratie" (Wiesendahl 2013, S. 13).
Bei den Ausführungen zum Wesen der Parteiendemokratie ist zu beachten, dass ein Grundproblem repräsentativ demokratisch ausgeübter Herrschaft das Delegationsprinzip ist. Über die Wahl von Repräsentanten gibt das Volk als Souverän sein Selbstbestimmungsrecht an diese Repräsentanten ab, die "in Stellvertretung die Möglichkeiten der politischen Herrschaftsausübung so nutzen sollen, als wären sie das Volk selbst" (Wiesendahl 2013, S. 13). In der Parteiendemokratie schließen sich Aktivbürger aus der Mitte der Gesellschaft freiwillig zu Parteien zusammen und stellen aus ihren Reihen Kandidaten/innen zur Wahl und formulieren Wahlprogramme (Wiesendahl 2013). Nach Niedermayer besitzen die Parteien faktisch ein "Rekrutierungsmonopol für öffentliche Ämter auf der regionalen, nationalen und europäischen Ebene (Rekrutierungsfunktion)" (Niedermayer 2014). Bisher wurde noch nie ein parteiunabhängiger Bewerber in den Bundestag gewählt, "die Regierungsämter werden von den Parteien besetzt, der Bundesrat besteht aus den Vertretern der Landesregierungen und der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt [...]" (Niedermayer 2014). Das Volk hat nun die Auswahlmöglichkeit durch "konkurrierende Personal -und Politikofferten" (Wiesendahl 2013, S.15). Nach Leibholz heißt "Wählen in der Parteiendemokratie [...], dass die Wählerschaft [ ... ] ihren politischen Willen zu Gunsten der von Parteien benannten Mandatsbewerber und der von den Wahlkandidaten unterstützten Parteiprogramme kundgibt".6
Die Politikkontrolle wird ebenfalls indirekt durch die Parteien wahrgenommen: Die Bundesverfassungsrichter werden durch den Wahlausschuss des Bundestages und dem Bundesrat gewählt. Angerufen wird es wiederum durch Bundes- oder Landesregierungen, welche mit Parteivertretern besetzt sind, bzw. durch ein Viertel der Bundestagsmitglieder. Eine direkte politische Kontrollfunktion wird zwischen Regierung und Parlamentsfraktion intern wahrgenommen, die Oppositionsfraktionen tun dies meist durch die Herstellung von Öffentlichkeit (Niedermayer 2014).
Nach Wiesendahl sind für die Legitimation der Parteiendemokratie Bedingungen notwendig, die er als "societyness auf party government" bezeichnet. Es wird mit diesem Kriterium gefragt, "inwieweit die Parteien als gesellschaftliche Vereinigungen in der Zivilgesellschaft verankert sind und sich der Unterstützung durch die Bevölkerung erfreuen" (Wiesendahl 2013, S. 20). Die repräsentativdemokratische Parteienherrschaft muss aus der Gesellschaft selbst heraus wachsen und eng mit ihr vernetzt sein. Nur so kann sich die Bevölkerung in den Parteien als Repräsentationsinstanzen wieder erkennen und nur so kann es gelingen, über Parteien die gesellschaftliche Sphäre mit der staatlichen Sphäre der politischen Entscheidungsbildung zu verknüpfen (Wiesendahl 2013).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass folgende Funktionsvoraussetzungen für eine Parteiendemokratie als eng mit der Gesellschaft verbundene, politisch leistungsfähige, verantwortliche und responsible repräsentativdemokratische Herrschaftsform notwendig sind (Wiesendahl 2013):
1. Die Parteiendemokratie muss ihre demokratische Legitimität zur Gesellschaft hin erweisen. Diese Legitimität weist weit über den Akt der Mandatierung durch Wahlen hinaus. Hierzu ist ein breites Mitgliederfundament und eine lebendige Partizipationskultur notwendig. Ferner sind die Parteien durch Parteiloyalitäten mit der Bevölkerung verbunden und die Parteien stützen sich auf das Vertrauen der Bevölkerung.
2. Die Parteiendemokratie verfügt zum Staat hin über erforderliche Gestaltungs- und Wirkungsmacht durch Erfüllung der Kriterien der "Partyness of Government", nämlich Parteien in der Regierung sind das Ergebnis von kompetitiven Wahlen, die politischen Führungsspitzen werden durch Parteien rekrutiert, Parteien offerieren Wählern klare politische Alternativen, die Staatstätigkeit wird durch Parteien in der Regierung bestimmt und die Regierung ist gegenüber Parteien verantwortlich (Wiesendahl 2013).
2.3 Politische Partizipation der Zivilgesellschaft
2.3.1 Partizipation in politischen Parteien
Politische Parteien sind die traditionellen politischen Partizipationsanbieter. Die Mitgliedschaft in einer Partei ermöglicht einem grundsätzlich weitreichende Einfluss- und Gestaltungsrechte (Wiesendahl, 2006). Diese gehen weit über die Möglichkeiten hinaus, die man durch Mitwirkung in Bürgerinitiativen, an Demonstrationen oder gar die Teilnahme an Wahlen politisch erreichen kann. So können Mitglieder z.B. an der Auswahl von Funktionsträgern und Führungspersonen mitwirken, sich an der Aufstellung von Kandidaten für öffentliche Ämter auf allen Ebenen beteiligen oder sich selbst zur Wahl stellen. Ferner kann man unter anderem an Grundsatzprogrammen mitwirken und Entschließungen für Parteitage mitverfassen (Wiesendahl, 2006). Allerdings ist verständlich, dass die innerparteiliche Willensbildung ab der Kreisebene in Gremien und auf Parteitagen organisiert ist, die durch gewählte Delegierte besetzt sind. Ohne das Delegierten- und Gremienprinzip wären Parteien, die sich im gesamten Bundesgebiet aus tausenden Ortsgruppen zusammensetzen, nicht handlungsfähig (Wiesendahl, 2006).
Die Gründe für einen Eintritt in eine Partei sind vielfältig. Einmal besteht der reine Wunsch nach politischer Teilhabe, vielfach stehen aber auch private Interessen wie Hoffnung auf Geschäftskontakte oder Patronage ursächlich für den Parteibeitritt. In jüngster Zeit muss man anhand der Mitgliederrekrutierung aus bestimmten Lagern der SPD und der Jungen Sozialisten im Vorfeld des Mitgliedervotums vom 2. März 2018 feststellen, dass auch die Hoffnung auf eine punktuelle, exakt definierte, einmalige Mitwirkungsmöglichkeit der Grund für einen Parteieintritt seien kann. Den Vorteilen der Parteimitgliedschaft wiederum sind Kosten und vor allem Aufwand gegenüber zu stellen. Mitgliedschaft in der Partei bedeutet dauerhafte organisatorische Bindung, Mitgliedsbeiträge, Zeitaufwand und Energie, ohne einen Spaßfaktor erwarten zu können (Wiesendahl, 2006). Hinzu kommt außerdem, dass mit einer Parteimitgliedschaft auf ein eventuell attraktiveres ungebundenes, befristetes Kurzzeitengagement als politische Partizipationsmöglichkeit verzichtet werden muss. Nach Wiesendahl ist es daher nicht verwunderlich, "dass sich nur eine kleine Minderheit unter der Aktivbürgerschaft organisatorisch fest an die Parteien bindet" (Wiesendahl 2006, S.77).
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1 Leibholz, G. (1967): Strukturprobleme der modernen Demokratie.3.erweit. Aufl..Karlsruhe: C.F. Müller, S. .86f.,113, zit. nach Wiesendahl (2016), S. 19.
2 Leibholz, G.(1960): Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20.Jahrhundert. 2. Aufl..Berlin: DeGruyter, S. 245, zit. nach Wiesendahl (2016), S. 19.
3 Leibholz, G. (1967): Strukturprobleme der modernen Demokratie.3.erweit.Aufl..Karlsruhe: C.F. Müller, S. 102, zit. nach Wiesendahl (2016), S. 19.
4 Leibholz, G.(1973).Verfassungsstaat – Verfassungsrecht Stuttgart: W. Kohlhammer, S. 57, zit. nach Wiesendahl (2016), S. 20.
5 Mintzel, Alf (1989): Großparteien im Parteienstaat der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B.11, S. 3-14, zit. nach Wiesendahl (2013), S. 11
6 Leibholz, G. (1967): Strukturprobleme der modernen Demokratie.3.erweit.Aufl..Karlsruhe: C.F. Müller, S. 102, zit. nach Wiesendahl (2013), S. 16.