Die Organisationsstrukturen, wie auch die Finanzierung, lassen sich mit dem heutigen Spitalswesen wenig vergleichen. Daher war es mein Bestreben, mit dieser Arbeit die Finanzierung und den Ablauf von mittelalterlichen Spitälern zu betrachten. In den Mittelpunkt habe ich hier das Stiftungswesen gestellt, da dies, vor allem in der Frühphase der Spitalsgründungen, eine besondere Bedeutung hatte. Weiters war es interessant zu beleuchten, welche Menschen an solche Institutionen stifteten und welche Absicht dahinterstand. Aus diesen Punkten hat sich meine Fragestellung ergeben, nämlich welche Rolle Stiftungen für das mittelalterliche Spitalswesen einnahmen, welche Bevölkerungsschicht als Stifter in Erscheinung trat und warum gestiftet wurde.
Das Spitalswesen in der uns heute bekannten Form ist keineswegs eine Entwicklung des Mittelalters, sondern hat seine Wurzeln bereits in der Antike. Die Hospitäler im Mittelalter verstanden sich nicht als klassische „Krankenanstalten“. Sie dienten vor allem der Unterbringung und Versorgung von Armen, Pilgern und Pfründnern. Die Bezeichnung Spital, Hospital oder Spytl lässt sich vom lateinischen Begriff Hospes ableiten und bedeutet soviel wie Gastfreundschaft oder Beherbergung. Das mittelalterliche Spital war vor allem durch das Christentum geprägt. Der Gedanke der Nächstenliebe und Barmherzigkeit stand hier im Vordergrund. Dieser reichte durch das gesamte Mittelalter und zog sich bis weit in die Neuzeit hinein.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Geschichte des Spitalswesens und der Medizin
2.1 Antike Medizin
2.2 Beginn der mittelalterlichen Medizin und Heilkunde
3 Das mittelalterliche Spital
3.1 Spitalswesen ab dem 13. Jahrhundert
3.2 Armenhäuser
3.3 Klosterspitäler
3.4 Bürgerspitäler
4 Organisation und Finanzierung des mittelalterlichen Spitals
4.1 Organisation des Spitalsbetriebes
4.2 Finanzierung mittelalterlicher Spitäler
4.2.1 Stiftungen
4.2.2 Pfründenwesen
4.2.3 Weitere Einnahmequellen
5 Wiener Bürgerspital
5.1 Organisation und Struktur
5.2 Finanzierung
6 Quelle - Testament des Greif
6.1 Beschreibung
6.2 Inhalt
6.3 Der Stifter
6.4 Interpretation
7 Fazit
I Literatur
II Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Das Spitalswesen in der uns heute bekannten Form ist keineswegs eine Entwicklung des Mittelalters, sondern hat seine Wurzeln bereits in der Antike. Die Hospitäler im Mittelalter verstanden sich nicht als klassische „Krankenanstalten“. Sie dienten vor allem der Unterbringung und Versorgung von Armen, Pilgern und Pfründnern. Die Bezeichnung Spital, Hospital oder Spytl lässt sich vom lateinischen Begriff Hospes ableiten und bedeutet soviel wie Gastfreundschaft oder Beherbergung.1 Das mittelalterliche Spital war vor allem durch das Christentum geprägt. Der Gedanke der Nächstenliebe und Barmherzigkeit stand hier im Vordergrund. Dieser reichte durch das gesamte Mittelalter und zog sich bis weit in die Neuzeit hinein.
Die Organisationsstrukturen, wie auch die Finanzierung, lassen sich mit dem heutigen Spitalswesen wenig vergleichen. Daher war es mein Bestreben mit dieser Arbeit die Finanzierung und den Ablauf von mittelalterlichen Spitälern zu betrachten. In den Mittelpunkt habe ich hier das Stiftungswesen gestellt, da dies, vor allem in der Frühphase der Spitalsgründungen, eine besondere Bedeutung hatte. Weiters war es interessant zu beleuchten, welche Menschen an solche Institutionen stifteten und welche Absicht dahinterstand. Aus diesen Punkten hat sich meine Fragestellung ergeben, nämlich welche Rolle Stiftungen für das mittelalterliche Spitalswesen einnahmen, welche Bevölkerungsschicht als Stifter in Erscheinung trat und warum gestiftet wurde.
Um der/dem Leser/in in der vorliegenden Arbeit ein besseres Verständnis des mittelalterlichen Spitalswesens zu vermitteln, wird zunächst kurz auf die antike Medizin eingegangen. Darauf folgt die Entwicklung des mittelalterlichen Spitals, welches anhand von Beispielen der verschiedenen Spitalsformen erläutert wird. Hierbei war es mein Bestreben, der/dem Leser/in ein Grundwissen zu vermitteln, um in folgenden Kapiteln auf die Organisation und Finanzierung einzugehen. Um dies anschaulicher zu machen, wird das Wiener Bürgerspital als Beispiel herangezogen. Die verwendete Quelle stammt ebenfalls aus dem Kontext dieses Spitals und behandelt ein Testament, das als Stiftungsurkunde diente. Damit kann erneut eine Verbindung zur Fragestellung hergestellt werden.
Der Themenbereich des mittelalterlichen Spitals verfügt über eine Fülle von Literatur, wodurch sich die Auswahl für die vorliegende Arbeit erleichterte. Das Werk von Dieter Jetter (Das europäische Spital. Von der Spätantike bis 1800) ist zwar 1986 erschienen, stellte jedoch ein hervorragendes Werk für meine Arbeit dar. Durch Recherchen über den Autor, welcher das Spitalswesen im Mittealter in mehreren Werken beleuchtet, habe ich mich entschieden es trotz des Alters des Buches zu verwenden. Weiters war die Monographie von Brigitte Pohl-Resl (Rechnen mit der Ewigkeit. Das Wiener Bürgerspital im Mittelalter) eine besondere Literaturquelle für das Kapitel 4 „Wiener Bürgerspital“. Das Werk befasst sich ausschließlich mit diesem Spital und betrachtet beispielsweise die Gründung, Finanzierung und das Leben dort. Dadurch war es mir möglich, viel Wissen darüber zu erwerben. Besonders für die Arbeit mit meiner Quelle hat mir dieses Werk viele informationen geliefert, die ich sonst nur schwer finden konnte.
2 Geschichte des Spitalswesens und der Medizin
2.1 Antike Medizin
Das heutige Gesundheitswesen ist keineswegs eine „Erfindung“ des Mittelalters oder gar der Neuzeit. Die genauen Anfänge der Medizin lassen sich nicht exakt bestimmen, doch lässt sich belegen, dass der Gedanke an Krankheiten und deren Heilung so alt wie die Menschen selbst ist. So waren bei den Urvölkern vermutlich Frauen damit beauftragt, die Versorgung der Kranken durchzuführen.2
Etliche antiken Hochkulturen, wie etwa die Ägypter, Phönizier oder Babylonier bezogen sich auf eine Heilkunde, welche stark von Religion und übernatürlichen Elementen geprägt war. So führten etwa die Babylonier spezielle Zeremonien durch, welche von Priestern und Magiern geleitet wurden.3
Besonders die griechische Medizin formte und prägte die medizinische Entwicklung in den nächsten Jahrhunderten. Auch im antiken Griechenland ist der Beginn der medizinischen Heilkunde nicht bekannt. Man geht jedoch davon aus, dass sich bereits sehr früh eine Abgrenzung von der Priesterschaft stattfand. Homer dient hier als wichtige Quelle, da er Krankheiten und Wunden sehr exakt beschrieb. Jedoch entwickelte sich die Medizin erst durch Hippokrates, wodurch eine eigene Wissenschaft entstand.4 Es wurden sogenannte Asklepieien gegründet. Dabei handelte es sich um Tempelanlagen, welche Bäder, Theaterplätze, Sport- und Unterkunftsstätten beherbergten Die Heilung sollte hier durch einen „Heilschlaf“ erfolgen. Die/Der Patient/in mussten im Gegenzug Opfer an den griechischen Heilgott Asklepios darbringen. Auch ein Traumorakel wurde gedeutet und daraus wurde durch die Priester entsprechende Behandlungen abgeleitet. Hierbei war ebenfalls medizinisches Wissen in die Heilbehandlungen miteingearbeitet worden.5
Für die Hospitalgeschichte spielten auch die römischen Valetudinarien eine wichtige Rolle. Sie dienten vor allem als Lazarette für die römischen Legionen.6 Durch Ausgrabungen sind diese Einrichtungen heute sehr genau bekannt. Sie befanden sich vor allem an den Grenzen des römischen Reichs. Daraus lässt sich schließen, dass es sich um Institutionen der Landesverteidigung handeln musste. Erst durch die langsame Durchsetzung des Christentums, und des Übertritts Konstantins des Großen (306-337 n. Chr.) zum christlichen Glauben, entwickelte sich das Christentum zur offiziellen Staatsreligion. Pilgerreisen nach Jerusalem erfreuten sich in der Folge immer größerer Beliebtheit. An den Pilgerrouten entstanden sogenannte Xenodochien, welche vermutlich weniger als Versorgungseinheiten für Kranke gedacht waren. Vielmehr handelte es sich hier wahrscheinlich um Unterkunftsstätten für Pilger.7
2.2 Beginn der mittelalterlichen Medizin und Heilkunde
Christliche Klöster entwickelten sich nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert zu wichtigen Einrichtungen. Sie waren nicht nur literarische Zentren, sondern auch medizinische und kulturelle Einheiten, in denen der medizinische Fortschritt aufblühen konnte. Gerade medizinische Schriften aus dem Griechischen wurden hier übersetzt. Dadurch konnte gewährleistet werden, dass medizinisches Wissen aus der Antike erhalten blieb.8 Im Gegensatz zu heutigen Spitälern zeigten vor allem klösterliche Strukturen, welche besondere Bedeutung der christlichen Seelsorge zukam. Dieser christlichen Nächstenliebe, auch caritas genannt, kamen weitere Zielsetzungen hinzu, wie beispielsweise Arbeitserziehung oder Fürsorgemaßnahmen. Der christliche Leitgedanke der Spitäler, mittelalterliche Klosterstrukturen, sowie der Stiftungszweck „ad pias causas“ hielten sich bis weit in die Moderne hinein. in der Forschung ist bis heute nicht genau bekannt, wann sich geistliche und weltliche Zielsetzungen verbanden.9
Heute ist der Alltag im mittelalterlichen Hospital bezüglich Ernährung und Lebensgewohnheiten, welche zum Teil hohes Niveau erreichten, relativ gut erforscht. Es bestand auch eine unerwartet hohe Dichte an Heilern. Hier ist jedoch zwischen akademisch ausgebildeten Ärzten und handwerklich gut ausgebildeten Chirurgen, welche auch in der Heilkunde bewandert waren, zu unterscheiden.10
3 Das mittelalterliche Spital
Nächstenliebe und Gastfreundschaft werden als Grundprinzipien der christlichen Barmherzigkeit angesehen. in mittelalterlichen Spitälern und Hospizen wurden diese seit der Christianisierung verwirklicht. Diese institutionen waren ständigen Veränderungen unterworfen. So entwickelten sie sich von Herbergen, Altenheimen, Armenhäusern zu Krankenanstalten. Diese Veränderungen trafen sowohl auf die Architektur, wie auch die Verwaltungsform zu.11
3.1 Spitalswesen ab dem 13. Jahrhundert
Die Entwicklung von Spitälern seit dem 13. Jahrhundert wurde vor allem durch die Kommunalisierung (=Selbsthilfe) von wohlhabenden Bürgerinnen/Bürgern geprägt. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung hatten sie erkannt, dass gezielt Sozial- und Gesundheitsproblemen entgegengesteuert werden muss. So übernahmen viele Städte bestehende kirchliche Krankenanstalten und es wurden neue Krankenhäuser gegründet und gestiftet, welche zur Aufsicht an die Stadträte übergeben wurden. Als Gründer/innen fungierten hier adelige Bürger/innen, Bischöfe oder reiche Menschen.12 Gerade die Zeit um 1200 ist durch zahlreiche Gründungen geprägt. Dies lässt sich anhand der steigenden Bevölkerungszahl, höherem Bedarf an Versorgungseinrichtungen und sozialer Zuspitzung begründen. in der sogenannten „Stiftungsphase“, wie der Zeitraum von ca. 1200 bis ins 14. Jahrhundert genannt wird, stand anfänglich eine sogenannte Austattungsstiftung. Dadurch sollte der Bau des Spitalsgebäudes ermöglicht, sowie ein reibungsloser Betriebsablauf gewährleistet sein. Die Höhe und Qualität dieser Aussattungsstiftung prägte somit die wirtschaftliche Grundstruktur der neuen Spitäler mit. Im weiteren Verlauf kam es zu weiteren Zustiftungen, welche etwa aus Grundstücken, annuellen Einnahmen oder Rechten bestanden, mit denen teilweise für Jahrhunderte gerechnet werden konnte. Bei den Einnahmen handelte es sich um Einkünfte aus der Eigenwirtschaft, wie etwa Vieh- und Getreidehandel, Weingärten oder Holzverkauf. Stiftungen hatten also in dieser „Stiftungsphase“ eine hohe Bedeutung.13
Die Stifter/innen wollten sich dadurch irdisches Ansehen und Lohn für ein himmlisches Weiterleben „erstiften“. Je nach Bedürfnis und Notwendigkeit wurden die Spitalsgebäude unterschiedlich ausgestattet. Leprosenhäuser beispielsweise benötigten die Möglichkeit zur Isolierung von Kranken und waren dadurch meistens auch schlechter ausgestattet. Hierarchisch standen sie auch unter den sogenannten Bürgerspitälern.14
3.2 Armenhäuser
Versorgungeinrichtungen im Mittelalter waren stets als Einrichtungen der christlichen Nächstenliebe gedacht. Diese Prinzipien der caritas wurden jedoch um 1500, und spätestens mit der Reformation, brüchig. Die christlichen Einstellungen gegenüber hilfsbedürftigen Menschen und Armen wurde in Europas Städten und Staaten dann zunehmend in Frage gestellt. So wurden neue Wege geschaffen, um die Zahl der unterstützungswürdigen Menschen möglichst gering zu halten und nur jene Arme zu unterstützten, welche sich tatsächlich nicht selber ernähren konnten. Dadurch kam es mehr und mehr zur Bildung von Armenhäusern. Mithilfe von Bettelzeichen wurden „würdige“ Bettler gekennzeichnet und spätestens mit dem beginnenden 16. Jahrhundert kam es zu einer Ummünzung der konservativen, christlichen caritas.15 Strukturell definierte ein Armenhaus eine Bauform, welche oftmals für eine kleine Anzahl von Menschen gedacht war. Meistens waren dies sechs bis zwölf Personen, welche häufig aus älteren Ehepaaren bestand. Die Besonderheit an diesen Armenhäusern war, dass abgegrenzte Räumlichkeiten zur Verfügung standen, welche bis zum Lebensende bewohnt werden konnten. Bezeichnet wurden solche Institutionen als „pauperis domus“, „quoddam hospitale“ oder „sive quandam perpetuam domum certorum pauperum“. Die Planung und Finanzierung dieser Häuser erfolgte durch Messstiftungen. Als innovativ sah man damals an, dass die Insassen dort dauerhaft verweilen sollten und kein ständiger Wechsel vorherrschte. Jedes dieser Häuser konnte stets einer Kirche oder Kapelle zugeordnet werden. Entweder handelte es sich um bereits bestehende Kirchen, oder es wurde den neuen Armenhäusern eine Kapelle beigefügt. Daneben gab es großteils einfache Gemeinschaftsräumlichkeiten, wie etwa Hallen oder Gemeinschaftsküchen. Die Kammern der Armen waren voneinander abgegrenzt und manchmal sogar mit Toiletten oder einem Kamin ausgestattet. Ein hohes Maß an Privatsphäre war also sichergestellt.16
3.3 Klosterspitäler
Das Klosterspital entwickelte sich im Verlauf des Mittelalters zu einem wichtigen Träger der Kranken- und Armenfürsorge. Die Mönche wurden in ihrer Nächstenliebe freiwillig zum Pauperes Christi. Diese verpflichteten sich dazu, den Pauperes Inviti, den unfreiwilligen Armen, Hilfestellung zu leisten.17 18 Generell sind Aufzeichnung über den Klosterbetrieb erst ab dem Jahr 800 vorhanden. Entscheidend für das christliche Abendland war die Gründungsregel von Benedikt von Nursia (480 -543). Mit dem „Plan von St. Gallen“ entstand ein Grundschema, welches sich auf die folgenden Klostergründungen auswirkte.18
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Betrachtet man den Plan von St. Gallen, lässt sich erkennen, dass die Kirche zentral lag. Die Räume der Mönche befanden sich entweder im Süden, um vor Nordwinden geschützt zu sein, oder im Norden, um den Schatten der Kirchdächer in Südeuropa klimatisierend zu nutzen. Der Schlafsaal D (Dormitorium) befand sich im ersten Obergeschoss. Er war meistens gut durchlüftet und trocken, was für gute hygienische Bedingungen sorgte. Dieser war über eine Treppe mit den Kirchenräumlichkeiten verbunden, was besonders für die nächtlichen Gottesdienste von Vorteil war. Südliche gelegen befanden sich Aborte und Waschräume. Diese waren über Gänge und Verzweigungen etwas abgelegen von den anderen Räumlichkeiten und verbanden ein Kanalsystem, welches das Kloster umfloss. Das „Refektorium“ (R) im südlichen Kirchengang beherbergte einen Brunnen, welcher zum Händewaschen vor und nach den Speisen benötigt wurde. Daran schloss die Küche (K) in welcher als Speisekammer der Keller (C) genutzt wurde. Die Armenherberge „domus peregrinorum et paupurm“ war vor allem zur Übernachtung von Armen und Kranken gedacht. Hier konnte ein heilkundiger Mönch sein Wissen anwenden. Wird der Plan genauer betrachtet, lässt sich erkennen, dass Arme wie Reiche das Kloster zwischen den Glockentürmen im Westen betraten. Dort wurde „differenziert“: Während die armen „Fußgänger“ die rechten Herbergen im Süden betraten, bezogen reiche, berittene Bürger jene im Norden. Diese waren Kaisern, Königinnen/Königen und ihren Gefolgen vorbehalten.19
3.4 Bürgerspitäler
Während des Hoch- und Spätmittelalters entstanden in den Städten Europas tausende von Hospitälern. Diese Gründungen wurden aufgrund der demographisch-politischen Entwicklungen der Städte notwendig. Auch in kleineren Städten und Märkten, sowie an Flussübergängen, entstanden Hospitalinstitutionen. In Bayern etwa kam es um 1200 zu einer Reihe von Gründungen bürgerlicher Spitäler, sowie auch zur Umformung von bereits bestehenden kirchlichen Hospitalanlagen. Hier begann eine zunehmende bürgerlichen Verwaltungsbeteiligung mit beginnender rein bürgerlicher Administration. Die Ursachen dafür waren die soziale Notwendigkeit, steigende Bevölkerungszahlen und das Bedürfnis der Stadtbevölkerung zu helfen. Durch die zahlreichen Spitalsneubildungen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts verloren bestehende Stifts- und Klosterspitäler sichtbar an Bedeutung.20 Diese Kommunalisierungs- und Diversifikationsphase begann ab ca. 1300, da Hospitäler keine rein kirchlichen Institutionen mehr darstellten. Stiftungszuwendungen ließen ab dieser Zeit nach und das steigende Pfründenwesen nahm an Bedeutung zu. Dadurch entwickelten sich schnell Institutionen unter steigender kommunaler Verwaltung.21 Das bedeutet, dass Bürgerspitäler Gebäude waren, welche ganz oder auch teilweise unter bürgerlicher Pflegschaft standen und die Hauptform des städtischen Spitales darstellten. Waren diese zu Beginn noch multifunktionale Gebäude, in denen Arme, Kranke oder Pilger betreut wurden, so fand im Spätmittelalter eine Ausdifferenzierung statt. Daraus entwickelten sich Leprosen-, Waisenoder Pesthäuser. Die beginnende bürgerliche Mitbestimmung reicht in die präkommunale Zeit zurück, das heißt bevor es zu kommunaler Selbstverwaltung, mit Räten und Bürgermeistern, kam. Die städtischen elitären Führungsschichten stehen also in starker Verbindung zu dieser Spitalsform. Jedoch wurde auch hier nicht aus Selbstlosigkeit gehandelt. Man wollte sich kommunale Mitbestimmung sichern und die eigene Memoria bewahren. Die Verwaltungsaufgaben wurden unter dem schwindenden Einfluss der Kirche an Stadträte oder dem Adel übertragen. In Bischöfsstädten konnten jedoch auch kirchlich-städtische Verwaltungeinheiten durchgesetzt werden. Als Verwalter wurde ein geistlicher oder weltlicher Meister, auch magister hospitalis, eingesetzt.22 In vielen Städten entwickelten sich Bürgerspitäler mehr und mehr zu Versorgungseinrichtungen für ältere Bürger/innen. Dies geschah durch das einsetzende Pfründenwesen. Hier konnte sich die soziale Mittelschicht, also Handwerk und Gewerbe, eine sogenannte Pfründe erkaufen. Diese Menschen wurden mit den Zinsen ihrer eingebrachten Geldsumme bis an ihr Lebensende versorgt. Die Bezeichnung „Pfründner“ entstand und Bürgerspitäler veränderten sich zu Pfründneranstalten, welcher immer weniger bedürftige Menschen aufnehmen konnten.23
[...]
1 Vgl. Dieter Jetter, Das europäische Spital. Von der Spätantike bis 1800, Köln 1986, 10.
2 Vgl. Eduard SEiDLER, Geschichte der Medizin und Krankenpflege, Stuttgart 1993, 16.
3 Vgl. ebd., 18.
4 Vgl. SEIDLER, Medizin, 29.
5 Vgl. Wolfgang U. ECKART, Geschichte der Medizin. Fakten, Konzepte, Haltung, Heidelberg 2009. 21f.
6 Vgl. JETTER, Spital, 26.
7 Vgl. JETTER, Spital, 29ff.
8 Vgl. ECKART, Geschichte, 71.
9 Vgl. Christina VANJA, Offene Fragen und Perspektiven der Hospitalgeschichte, in: Martin Scheutz / Andrea Sommerbichler / Herwig Weigl / Alfred Stefan Weiß, Hg., Europäisches Spitalswesen. institutionelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit, Oldenburg 2008, 21f.
10 Vgl. VANJA, Fragen, 24.
11 Vgl. Ulrich KNEFELKAMP, Über die Pflege und medizinische Behandlung von Kranken in Spitälern vom 14. bis 16. Jahrhundert, in: Michael Matheus, Hg., Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich, Stuttgart 2005, 175f.
12 Vgl. ebd., 176.
13 Vgl. Holger R. STRUNZ, Hospitäler im deutschsprachigen Raum im Spätmittelalter als Unternehmen für die caritas - Typen und Phasen der Finanzierung, in: Michael Matheus, Hg., Funktions und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich, Stuttgar 2005, 143f.
14 Vgl. Thomas JUST / Herwig WEIGL, Spitäler im südöstlichen Deutschland und in den österreichischen Ländern im Mittelalter, in: Martin Scheutz / Andrea Sommerlechner / Herwig Weigl / Alfred Stefan Weiß, Hg., Europäisches Spitalwesen. Institutionelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit. Oldenburg 2008. 156.
15 Vgl. Frank REXROTH, Armenhäuser - eine neue Institution sozialer Fürsorge im Mittelalter, in: Michael Matheus, Hg., Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich. Stuttgart 2005. 2f.
16 Vgl. REXROTH, Armenhäuser, 7.
17 Vgl. Marie-Luise WINDEMUTH, Das Hospital als Träger der Armenfürsorge im Mittelalter. Stuttgart 1995, 27.
18 Vgl. Dieter JETTER, Klosterspitäler; St. Gallen, Cluny, Escorial, in: Sudhoffs Archiv 62/4 (1978), 314.
19 Vgl. JETTER, Klosterspitäler, 316f.
20 Vgl. Artur Dirmeier, Hospitalanlagen in der Stadt - Bürgerspitäler in Bayern, in: Organisierte Barmherzigkeit. Armenpflege und Hospitalwesen in Mittelalter und Früher Neuzeit, Regensburg 2010, 37f.
21 Vgl. STUNZ, Hospitäler, 147.
22 Vgl. DIRMEIER, Hospitalanlagen, 41.
23 Vgl. KNEFELKAMP, Pflege, 177.