Die Hausarbeit befasst sich mit dem ehemaligen Pädagogen sowie Autor Walter Kempowski und dem von ihm beschriebenen Lehrertypen in zwei seiner Werke aus dem 20 Jahrhundert. So wird der Roman „Unser Herr Böckelmann“ in der Darstellungsweise von Lehrerfiguren in den beinhalteten Schulgeschichten betrachtet, indem sowohl die Lehrerfigur des Herrn Böckelmanns, als auch die Figur der Fräulein Peters analysiert werden. Zum anderen erfolgt eine Analyse der Lehrerfiguren im Roman „Schöne Aussicht“, der als zweiter Teil in der Deutschen Chronik von Kempowski erschienen ist. Die Deutsche Chronik ist eine Reihe von autobiographischen Romanen von Walter Kempowski, welche das Leben der Familie Kempowski von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts abbildet. In seinem Werk „Schöne Aussicht“ wird die Lehrerfigur Herr Hagedorn und Herr Jonas hinsichtlich ihres Auftretens und ihren pädagogischen Methoden analysiert.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Der Pädagoge und Schriftsteller: Walter Kempowski
3. Schulgeschichten und Lehrerfiguren in ausgewählten Werken
1.Unser Herr Böckelmann
2.Schöne A ussicht
4. Auswertung
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit zum Thema„Schulgeschichten und Lehrerfiguren in Kempowskis Romanen“befasst sich mit dem ehemaligen Pädagogen sowie Autor Walter Kempowski und dem von ihm beschriebenen Lehrertypen in zwei seiner Werke aus dem 20 Jahrhundert. So wird der Roman„Unser Herr Böckelmann“in der Darstellungsweise von Lehrerfiguren in den beinhalteten Schulgeschichten betrachtet, indem sowohl die Lehrerfigur des Herrn Böckelmanns, als auch die Figur der Fräulein Peters analysiert werden. Zum anderen erfolgt eine Analyse der Lehrerfiguren im Roman„Schöne Aussicht“, der als zweiter Teil in der Deutschen Chronik von Kempowski erschienen ist. Die Deutsche Chronik ist eine Reihe von autobiographischen Romanen von Walter Kempowski, welche das Leben der Familie Kempowski von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts abbildet. In seinem Werk„Schöne Aussicht“wird die Lehrerfigur Herr Hagedorn und Herr Jonas hinsichtlich ihres Auftretens und ihren pädagogischen Methoden analysiert.
Bei der Recherche von passender Literatur ist mir aufgefallen, dass der Forschungsstand zu dem Schriftsteller Kempowski sowie der Fragestellung meiner Hausarbeit sehr begrenzt ist. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Walter Kempowskis Werke, erst spät an Anerkennung erhalten haben. Deswegen bin ich sehr interessiert, seine genannten Werke zu analysieren. Da Walter Kempowski sehr viele Romane publiziert hat, in denen Lehrerfiguren vorkommen, beziehe ich mich bei meiner Hausarbeit ausschließlich auf die oben genannten Werke. Den Theorieteil wird eine kurze Zusammenfassung von Walters Kempowskis Leben bilden. Dabei ist das Ziel, dass ich kurz auf sein Leben eingehe und seine Ansicht zum Thema Schule wiederspiegele. Nachdem ich eine Analyse der Lehrerfiguren vorgenommen habe, werde ich die einzelnen Lehrertypen der beiden Romane in einem Vergleich gegenüberstellen. Ein kurzes Fazit mit einem Bezug zu Walter Kempowski als Person und Autor wird den Schluss dieser Hausarbeit bilden. Vor meiner Literaturrecherche war mir nicht bewusst, dass Walter Kempowski, abseits seiner Autorentätigkeit, Pädagoge war. Aus diesem Grund ist es umso mehr interessant herauszufinden, welche didaktischen Leitsätze und Prinzipien Kempowski vertreten hat und wie er diese in seinen Werken umgesetzt hat.
2. Der Pädagoge und Schriftsteller: Walter Kempowski
Am 29. April 1929, zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg, wurde Walter Kempowski in der Hansestadt Rostock geboren. Seine Mutter stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie und sein Vater war Reeder. Nach einer turbulenten Kinder- sowie Jugendzeit und seiner Gefängniszeit in Bautzen, aufgrund von Beschuldigung der Spionage durch die Sowjetunion, holte Kempowski sein Abitur an einer pädagogischen Hochschule nach. Schließlich in den 1970er Jahren entschied sich Kempowski, sich zum Pädagogen auszubilden zu lassen. Folglich unterrichtete Kempowski an zwei Dorfschulen und einer weiteren Schule. Parallel dazu, gelang es Kempowski neben seinem Lehrerberuf im Jahre 1969, als Schriftsteller anzufangen. Dabei veröffentlichte Kempowski seinen ersten Roman „Im Block“, in dem er seine Zeit im Gefängnis Bautzen verarbeitet1.
Vor seiner Gefängniszeit in Bautzen hatte Kempowski eine sehr abgeneigte Haltung gegenüber dem Schulsystem und den Lehrkräften, da er von der Schule geschmissen worden ist. Dies ist auf sein Nichterscheinen in der Schule zurückzuführen2. Während seiner Gefängniszeit änderte Kempowski seine Ansicht und Meinung zum Gebiet der Pädagogen und der Schule: „Ein Lehrer hielt volkstümliche Vorträge über Himmelskunde, wobei er (...)."3So entschied sich Kempowski nach seiner Zeit in Bautzen selber Lehrer zu werden und ging an die Pädagogische Hochschule in Göttingen. Nach Abschließung seines Abiturs, führte Kempowskis Weg in die Ausbildung zum Lehrer. Währenddessen entwickelte Kempowski seine subjektive Ansicht bezüglich Schule und Unterricht. So verfolgte der junge Kempowski zentrale reformpädagogische Ideen, die den Kern eines Unterrichtes in der Gewinnung von Erfahrungen aufwiesen. Seine reformpädagogischen Ansichten lassen sich heute mit dem didaktischen Konzept des entdeckenden Lernens gleichsetzen. Kempowskis Grundvorstellung zum Lernen sowie das Konzept des entdeckenden Lernens sehen das selbsttätige Lösen von Aufgaben und Probleme durch die persönliche Eigeninitiative als maßgeblich an. Der Begriff der entscholatisierten Schule wird im weiteren Verlauf der Zeit geprägt und durch Kempowski benutzt4. Die ersten Jahre seiner Lehrerkarriere verbrachte Kempowski an einer Dorfschule, bis er später auf weitere Schulen versetzt wurde. In seinen ersten Stunden seines Unterrichtes geriet Kempowski in einen Konflikt mit seinen pädagogischen Vorstellungen und den gegebenen Erwartungen des Ministeriums:
„Mir fiel es zuerst sogar sehr schwer, den Anfangsunterricht zu geben, weil ich ganz andere Vorstellungen hatte von Unterricht mit Kindern, als mir hier von der Schulbehörde vorgegeben wurde.“5
Nach und nach entfaltete sich Kempowski und entwickelte sogar eine Fibel. Seine Fibel basierte auf echten Erlebnissen seiner Erstklässler. Dennoch gerieten seine Fibel in Kritik, da sie eher als Experiment angesehen worden ist und somit empirisch nicht bewiesen worden ist6. Über eine lange Zeitspanne von zwanzig Jahren in seiner Lehrertätigkeit entwickelte Kempowski zwei Vorstellungen von Lehrertypen. Kempowski fasst sein Lehrerbild unter dem Begriff der„Kindergartentanten und Rattenfänger“auf.
Wie folgt definiert Kempowski seine Vorstellungen:
„(...)jeder muss sich entscheiden, was er sein will, ob er die Kinder betreuen will, wie sie es von Natur aus brauchen, ob er also wie die Kindergartentante rückwärts vor ihnen her gehen will - oder eben wieder Rattenfänger mit der Flöte.“7
Und:
„Und da gibt es (ganz grob ausgesprochen) zwei verschiedene Arten von
Pädagogen: der eine ist vom Lehrer her und der andere ist vom Kinde aus, d.h. entweder der Lehrer nimmt sich vor, so heute sollen die Kinder den Buchstaben ,A ’ lernen. Das ist die autoritäre Form, und das andere ist umgekehrt. Der Lehrer kommt morgens in die Klasse und fragt: ,Ja, was wollt ihr denn gerne lernen?’ Umgekehrt:, Was gibt es Neues?’, und so.
Das ist die zweite Methode, der habe ich mich verschworen!“8
So wird hier deutlich, dass Kempowski den nicht autoritären Lehrertyp (Kindergartentante) bevorzugt, der wenig in den Entwicklungsprozess des Kindes eingreift, Zeit zur Entfaltung lässt und das Kind durchgängig ermutigt und motiviert. Zu dem befürwortet Kempowski die Individualisierung des Kindes und die kinderfreundliche Atmosphäre gegenüber der Methodik und Didaktik9.
3. Schulgeschichten und Lehrerfiguren in ausgewählten Werken
Nachdem ich im Theorieteil Kempowskis Leben und seine Ansicht zum Lehrerbild dargestellt habe, erfolgt nun der Hauptteil meiner Hausarbeit, Zuerst erfolgt eine kurze Inhaltszusammenfassung der Kempowski Romane„Unser Herr Böckelmann"und„Schöne Aussicht", bevor ich die Lehrerfiguren in diesen Romanen ausarbeiten und skizieren werde. Dabei werde ich die Lehrerfiguren in Hinsicht ihres Auftretens und ihrer pädagogischen Werte definieren.
3.1 Unser Herr Böckelmann
In Kempowskis Roman „Unser Herr Böckelmann“ wird eine Schulgeschichte über Herrn Böckelmann, einen altmodischen Lehrer, aus der Perspektive der Schüler und Schülerinnen geschildert. Dabei wird Herr Böckelmann durch kindliche Augen gesehen. Der Erzähler geht bei seinen Beschreibungen auf das individuelle und zwischenmenschliche Verhalten von Herrn Böckelmann ein. Die Geschichte endet mit dem Tod von Herrn Böckelmann.
Der Roman beginnt mit dem Satz:„Unser Herr Böckelmann, das ist ein komischer Heiliger"10. Schon zum Anfang wird die Verwirrtheit der Kinder hinsichtlich Herr Böckelmanns Auftretens in der Klasse thematisiert. Dadurch erscheint Herr Böckelmann auch für den Leser sehr eigen und nicht dem heutigen pädagogischen Standard angemessen. Am ersten Schultag erscheint der Lehrer in der Klasse und setzt sich ohne jegliche Begrüßung vor der Klasse auf seinen Stuhl hin. Daraufhin holt er seine Nagelpfeile aus der Tasche und feilt an seinem Daumennagel. Plötzlich steht er abrupt auf und begrüßt er die Schüler und Schülerinnen der Klasse mit den Wörtern:
„Dies ist das Kindergefängnis. Da hab ich neulich mal ein Kind drin vergessen, das war schon völlig vertrocknet, als sie es dann gefunden haben.11"
Und:
[...]
1 Vgl. Lutz, Bernd (Hrsg.):Autoren Lexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. Überarbeitete Ausgabe. Springer Verlag. 1997. S. 445.
2 Vgl. Winkler, Willi:Das Sammeln der verlorenen Zeit - Der Schriftsteller Walter Kempowski wird 75. Süddeutsche Zeitung vom 19. Mai 2010. Auf:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/der-schriftsteller-walter-kempowski-wird-75-das- sammeln-der-verlorenen-zeit-1.931029.
3 Kempowski, Walter: Pädagogische Arbeit im Zuchthaus. Ein Erfahrungsbericht. Examensarbeit. Göttingen: Pädagogische Hochschule, 1959 S. 6.
4 Vgl. Hempel, Dirk:Walter Kempowski. Eine bürgerliche Biographie. 2009. S. 97 ff.
5 Ebd. S. 132 ff.
6 Unbekannter Verfasser: Walter Kempowski als experimenteller Fibelautor. 2019. Auf: https://www.westermanngruppe.de/detailansicht/walter-kempowski-als-experimenteller- fibelautor/
7 Neumann, Michael:Kempowski der Schulmeister. Braunschweig: Westermann 1980. S.7.
8 Damiano, Carla A.:Walter Kempowski: Lehrer und Schriftsteller. Das Montage- / CollagePrinzip als Baustein des Unterrichts und des Schreibens. In: Carla A. Damiano, Jörg Drews und Doris Plöschberger (Hg.): “Was das nun wieder soll?” Von Im Block bis Letzte Grüße. Zu Werk und Leben Walter Kempowskis. Göttingen: Wallstein 2005. S. 178.
9 Vgl. Monn, Xavier:„Unser Lehrer heisst Herr Böckelmann“ -Walter Kempowski, Pädagoge und Schriftsteller. Herausgegeben vom Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich und dem Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM, Assoziiertes Institut der Universität Zürich. S. 11 ff.
10 Kempowski, Walter: Unser Herr Böckelmann. S.7.
11 Ebd. S. 8