In der Arbeit wird die Thematik der sozialen Ungleichheit im deutschen Gesundheitssystem, explizit den Bereich der Krankenversicherung, behandelt. Im Konflikt steht hierbei das Gesundheitssystem als solches mit dessen Zielen und der Umsetzung.
Das Zusammenspiel von Lebensverhältnissen und Lebensweisen kann eine mögliche Begründung der sozialen Ungleichheit von Gesundheitschancen in Deutschland sein. Der Ausbau der deutschen Sozialversicherung soll der gesamten Bevölkerung einen Versicherungsschutz bieten und für die gesamte deutsche Bevölkerung ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
GENDER - KLAUSEL
1 Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Theorien sozialer Ungleichheit
2.1 Begriffsbestimmung Klasse und Schicht
2.2 Soziale Ungleichheit
2.3 Historische Einordnung
2.4 Grundzüge des Bourdieuschen Sozialstrukturmodells
2.5 Bourdieus Raum der Lebensstile
2.6 Konfliktlinie Arm - Reich
3 Sozialpolitische Absicherung der Gesundheit in Deutschland
3.1 Grundlagen der gesetzlichen Sozialversicherung
3.1.1 Funktionen der gesetzlichen Sozialversicherung
3.1.2 Umsetzung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland
3.2 Private Krankenversicherung
4 Soziale Ungleichheit und Gesundheit
4.1 Das Spannungsverhältnis zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit
4.2 Soziale Ungleichheit im Gesundheitssystem
4.3 Soziale Ungleichheit in Zeiten von Corona
5 Fazit / Ausblick
LITERATURVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Klassen - Schichten - Analyseschema
Abbildung3: Mehrebenenmodell des Zusammenhangs von sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
GENDER - KLAUSEL
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Hausarbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.
Abstract
In der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit wird das Thema der sozialen Ungleichheit in Deutschland am Beispiel des Gesundheitssystems behandelt. Hierbei wird der Fokus auf die Existenz von gesetzlicher und privater Krankenversicherung gelegt. Die Arbeit hat die Darstellung von gesellschaftlichen Konflikten zum Ziel, welche anhand der Umsetzung und der Absicht hinter dem Gesundheitssystem verdeutlicht werden. Darüber hinaus werden Theorien sozialer Ungleichheit in der Gesellschaft gegenübergestellt, um die Fragestellung, wie die soziale Ungleichheit in der deutschen Krankenversicherung deutlich wird, theoretisch fundiert beantworten zu können.
Hierbei wird thematisch sowohl die soziale als auch die gesundheitliche Ungleichheit behandelt. Die Ergebnisse basieren auf aktueller wissenschaftlicher Literatur und weiterer Publikationen, welche relevant für das Thema sind, neben den Grundsätzen von sozialer Ungleichheit und der Grundbetrachtung der Sozialversicherung.
Die Forschung auf diesem Gebiet weist noch großes Potenzial auf, besonders im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem.
1 Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
Im Jahr 2020 sind Bürger in Deutschland gesetzlich oder privat krankenversichert. Rund 72,8 Millionen Menschen (87,7 Prozent) sind gesetzlich versichert, 8,7 Millionen Menschen (10,5 Prozent) zahlen in die private Krankenversicherung ein und circa 1,5 Millionen Menschen sind anderweitig bei Krankheit versichert. Somit betrifft das Thema Krankenversicherung deren Umsetzung 83 Millionen Menschen. Das Gesundheitssystem gilt demnach als ein Mittelpunkt politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens (Spahn 2020, 24).
Der gesetzlich verankerte Artikel 12 im Grundgesetz beschreibt das „Recht auf den besten erreichbaren Gesundheitszustand“. Daraus resultierend stellt sich die Frage, ob die gesellschaftlichen Voraussetzungen zur Erreichung des individuellen bestmöglichen Gesundheitszustandes für alle Menschen gleich sind. Es besteht die Annahme, dass Personen mit einem niedrigeren sozio-ökonomischen Status sowohl eine verkürzte Lebenserwartung als auch eine explizit höhere Morbidität und Mortalität aufweisen. Hierdurch zeigen sich erste Anzeichen der Existenz einer Ungleichheit in der Gesellschaft. Obwohl der Zugang zur gesundheitlichen Versorgung nach wie vor durch die Entwicklung der Gesundheitspolitik gesichert ist, führt ein Trend zur Privatisierung von Krankheitskosten zu sozialer Ungleichheit. Die im Gesundheitssystem parallel existierenden Systeme der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung beeinflussen die Situation aufgrund ihrer Konkurrenz maßgeblich (Gerlinger 2007, 293-294).
In der vorliegenden Hausarbeit wird die Thematik der sozialen Ungleichheit im deutschen Gesundheitssystem, explizit den Bereich der Krankenversicherung, behandelt. Im Konflikt steht hierbei das Gesundheitssystem als solches mit dessen Zielen und der Umsetzung. Da es der Rahmen dieser Seminararbeit nicht zulässt, die Gesamtheit aller Ansätze sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit zu erfassen, wird sich auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränkt. Außerdem werden private Zusatzversicherungen nicht inkludiert.
Das Zusammenspiel von Lebensverhältnissen und Lebensweisen kann eine mögliche Begründung der sozialen Ungleichheit von Gesundheitschancen in Deutschland sein. Der Ausbau der deutschen Sozialversicherung soll der gesamten Bevölkerung einen Versicherungsschutz bieten und für die gesamte deutsche Bevölkerung ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen (Gerlinger 2007, 293294).
1.2 Aufbau der Arbeit
Zunächst erfolgt in Kapitel 2 eine nähere Erläuterung der sozialen Ungleichheit anhand von Begriffsbestimmungen und der Veranschaulichung der Thematik mithilfe von Pierre Bourdieus Modellen. Neben Bourdieus Klassenmodell wird auch das Konzept der Kapitalsorten beleuchtet. Im darauffolgenden Kapitel wird die soziale Absicherung der Gesundheit und in Deutschland erklärt. Dies beinhaltet die gesetzliche Versicherung mit ihrer Funktion und Umsetzung in Deutschland sowie die private Versicherung. Hierbei wird zum Verständnis neben der Thematik der Krankenversicherung, auch auf andere Versicherungstypen eingegangen. Im vierten Kapitel wird die soziale Ungleichheit im Hinblick auf die Gesundheit behandelt, welche in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse in einem Fazit zusammengefasst, um die Frage, inwiefern eine soziale Ungleichheit im deutschen Gesundheitssystem herrscht und wie diese sich gegebenenfalls äußert, wissenschaftlich fundiert zu beantworten.
2 Theorien sozialer Ungleichheit
2.1 Begriffsbestimmung Klasse und Schicht
Die Begrifflichkeiten Klasse und Schicht beschreiben Menschen, die in ähnlichen sozio-ökonomischen Lagen leben und demzufolge zu einer Personengruppe zusammengefasst werden. Menschen in ähnlicher sozio-ökonomischer Lage machen ähnliche Lebenserfahrungen und weisen vergleichbare Persönlichkeitsmerkmale auf (Geiger 1955). Unter derartige Persönlichkeitsmerkmale fallen die persönliche Einstellung, psychische Disposition, Werteorientierung, Bedürfnisse, Interessen, Mentalitäten, Habitus und Lebensstile. Durch vergleichbare Lebenserfahrung und Persönlichkeitsmerkmale geht Geißler (2014) auch von damit verbundenen Lebenschancen und -risiken von Menschen aus, die sich in einer bestimmten Klasse und Schicht befinden (Geißler 2014, 93-95).
In der folgenden Abbildung wird der Zusammenhang zwischen der sozio-ökonomischen Lage, der durch Sozialisation typischen Mentalität bzw. dem Habitus und der daraus resultierenden typischen Lebenschancen und -risiken dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Klassen - Schichten – Analyseschema (Geißler 2014, 95)
2.2 Soziale Ungleichheit
Liegen bei Menschen bestimmte vorteilhafte oder nachhaltige Lebensbedingungen vor, welche aufgrund ihrer Position in gesellschaftlichen Beziehungsgefügen entstehen, wird dies als soziale Ungleichheit bezeichnet (Hradil 2016, 248). Soziale Ungleichheit existiert also dann, wenn bestimmte Menschen Lebensbedingungen innehaben, die ihnen fortlaufend vorteilhaftere Chancen im Leben ermöglichen, während andere diese nicht haben. Dem liegen gesellschaftliche Zuschreibungen im Sinne von Klasse und Schicht und individuelle Erwerbung von Bildung zugrunde.
Soziale Ungleichheit wird in Dimensionen dargestellt, in welchen höhere und niedrigere Stellungen über den Status einer Person entscheiden. Beispiele hierfür sind der Erwerbsstatus, der Berufsstatus, der Einkommensstatus oder der Prestige-Status. Demzufolge handelt es sich bei dem Bildungsgrad, der Familien- und Lebensform sowie dem Beruf um veränderbare Dimensionen, während Alter, Geschlecht und Herkunft nicht veränderbar sind. Laut Hradil (20 1 6) müssen mehrere Kriterien erfüllt sein, um von einer sozialen Ungleichheit sprechen zu können. Ein Beispiel für ein knappes Gut ist das Erwerbseinkommen, welches bereits eine Berufstätigkeit voraussetzt. Die Güter dürfen nur begrenzt verfügbar sein. Diese ungleiche Verteilung macht das Gut noch begehrenswerter. Es müssen Vermutungen angestellt werden, wie die überpersönlichen Verteilungsmechanismen vonstatten gehen. Diese sogenannten Verteilungsmechanismen sind sozial strukturiert und in der Gesellschaftsorganisation verankert. Das soziale Gefüge muss aufgrund der Position des Menschen vorteilhafte oder nachteilige Lebensbedingungen schaffen, also nicht vor- oder nachteilige Lebensbedingungen enthalten. Derartige Bedingungen wären Lottogewinne, Charaktereigeneschaften oder Erbe (Hradil 2016, 248-249).
2.3 Historische Einordnung
Im historischen Kontext werden drei Epochen deutlich, in welchen Ungleichheitsstrukturen herrschen: das vorindustrielle Ständegefüge, die frühindustrielle Klassenstruktur und das industriegesellschaftliche Schichtungsgefüge. Die vorindustrielle Ständegesellschaft ist vom Mittelalter bis zur Revolution (18./19.Jahrhundert) einzuordnen. Der Stand, in den die Person hineingeboren wurde, entschied über den weiteren Lebensweg. Soziale Ungleichheit war somit an die Geburt geknüpft und nur durch Heirat veränderbar. Die frühindustrielle Klassengesellschaft entschied zwischen Besitzhabenden und Besitzlosen. Die sogenannte Arbeiterklasse erlangte selten Reichtum. Die Besitzhabenden, in dieser Zeit oft Fabrikbesitzer, welche die Menschen aus der Arbeiterklasse ausbeuteten, vererbten ihre Besitztümer familiär weiter. In der industriegesellschaftlichen Schichtgesellschaft existierte ein Schichtungsgefüge. Durch die ansteigende Hierarchie stieg das Machtverhältnis, vom Arbeiter zum Vorarbeiter zum Meister. Das damit einhergehende Einkommen und die Qualifikation definierte den Stand in der Gesellschaft. Dieses Schichtungsgefüge etablierte sich, während Klassen- und Ständegefüge weiterhin bestehen blieben. Aufgrund dessen werden Industriegesellschaften als geschichtete Gesellschaften bezeichnet (Hradil 2016, 251-253).
2.4 Grundzüge des Bourdieuschen Sozialstrukturmodells
Ausgehend von der bestehenden sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft gingen Bourdieus Überlegungen von Mechanismen der Anhäufung und Verwendung von Macht innerhalb eines sozialen Systems aus. Zur Erklärung dieser Machtverteilung verwendet Bourdieu den Begriff des Kapitals. Es existiert ein Klassenmodell, welches durch ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital gekennzeichnet ist (Bourdieu 1983, 183)
„Das Sozialkapital ist die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz einers dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennes oder Anerkennens verbunden sind; oder, anders ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit einer Gruppe beruhen“ (Bourdieu 1992 zitiert in: Bourdieu 2000, 224).
Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital stehen im Austausch miteinander und können sich unter bestimmten Voraussetzungen in eines der jeweils anderen Kapitale umwandeln. Durch die eigene Weiterbildung kann kulturelles Kapital gewonnen werden, welches in drei Arten unterteilt wird: inkorporiertes Kapital, objektiviertes Kapital und institutionalisiertes Kapital. Inkorporiertes Kapital kann durch die familiären Einflüsse, Schulbildung und gegebenenfalls die Universität erreicht werden. Das objektivierte Kapital steht in diesem Zusammenhang für Bücher, Lexika und andere Instrumente oder auch Bilder, welche als kulturelle Güter bezeichnet werden. Das institutionalisierte Kapital besteht aus den mit Bildung einhergehenden Titeln, Zeugnissen und Diplomen, welche Anerkennung in der Gesellschaft erzeugen (Bourdieu 1992, 49-50; Müller 2014, 27-37). Um die verschiedenen Kaptialkategorien zu verdeutlichen, lässt sich unter ökonomischem Kapital das Vermögen bzw. das verfügbare Einkommen verstehen, unter kulturellem Kapital die bereits erwähnte Bildung mit den dazugehörigen Bildungsgütern, unter sozialem Kapital sämtliche Sozialbeziehungen und unter symbolischem Kapital Prestige, welches jedoch wenig greifbar ist.
Obwohl durch Bildung kulturelles Kapital gewonnen werden kann, sind die Bildungschancen von Personen mit schlechterem sozio-ökonomischen Status schlechter. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, welche oft aus Arbeiterfamilien stammen, erwerben weniger gute Abschlüsse als einheimische Kinder (Hradil 2016, 257).
Nach Bourdieu hängt die soziale Stellung in der Gesellschaft von der Verteilung der Kapitalformen ab. Hierbei wird dem ökonomischen Kapital die größte Wichtigkeit zugeschrieben. Diese Theorie wird auch als Raum der sozialen Positionen bezeichnet (Bourdieu 1983, 183-198; Sperlich und Mielck 2003, 171).
„Es ist nur möglich, der Struktur und dem Funktionieren der gesellschaftlichen Welt gerecht zu werden, wenn man den Begriff des Kapitals in allen seinen Erscheinungsformen einführt, nicht nur in der Wirtschaftstheorie bekannten Form“ (Bourdieu 1983, zitiert in Bourdieu 2012, 230).
Bourdieus Raum der sozialen Position bezieht sich auf die Verteilung von Kapital und stützt sich auf Verteilungsstrukturen. Neben diesem Raum der sozialen Position existiert auch der Raum der Lebensstile. Im Gegensatz zum Ersten Konstrukt stützt sich der Raum der Lebensstile nicht auf objektive Strukturen, sondern auf die subjektive Lebensführung (Bourdieu 1983, 183-198).
2.5 Bourdieus Raum der Lebensstile
Im sogenannten sozialen Raum nach Bourdieu (1987) herrschen neben dem bereits erklärten Klassenmodell auch die dazugehörigen Lebensstile. Der Lebensstil ist durch die dazugehörige Klasse geprägt, in welcher sich eine Person befindet. Bourdieu verbindet das Klassenmodell eng mit den Lebensstilen. Es wird nicht von der Regel ausgegangen, dass Personen aus der Oberschicht typischerweise privatversichert sind. Es lässt sich also nicht zwangsläufig daraus schließen, alle Oberschichtsangehörigen seien privatversichert. Diese Annahme wird aber auch nicht ausgeschlossen. Es geht in diesem Zusammenhang hauptsächlich um Handlungsweisen, die aufgrund der Klassenangehörigkeit und dem damit gelebten Lebensstil eine Transparenz der Bevölkerung zum Ausdruck bringen. Der Raum der sozialen Positionen in Verbindung mit dem Raum der Lebensstile wird durch den sogenannten Habitus miteinander verbunden. Der Habitus wird als allgemeine Grundhaltung gegenüber der Welt erklärt. Dies beinhaltet bestimmte Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, welche dem Individuum nur wenig bewusst sind (Bourdieu 1987, 277-280; Burzan 2011, 129-131; Müller 2014, 143-146).
Durch die sozialen Positionen aufgrund des Klassenmodells und der verbundenen Lebensstile durch den Habitus entstehen Handlungspraktiken der jeweiligen Personengruppen, welche sich nicht nur auf objektiven Bedingungen, sondern vor allem auf subjektive Sichtweisen bezieht (Burzan 2011, 135).
„Die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene Verteilungsstruktur verschiedener Arten und Unterarten von Kapital entspricht der immanenten Struktur der gesellschaftlichen Welt, d.h. der Gesamtheit der ihr innewohnenden Zwänge, durch die das dauerhafte Funktionieren der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestimmt und über die Erfolgschancen der Praxis entschieden wird“ (Bourdieu 1983, 183)
Die Konzeption der Lebensstile vermittelt trotzdem eine gewisse Entscheidungsfreiheit und Möglichkeit zur Veränderung, die jede Person innehat. Die individuelle Lebensweise ist jedoch nie losgelöst von Einflüssen wie zum Beispiel vorherrschenden Lebensbedingungen. Lebensstile werden vor allem durch das Alter geprägt. Außerdem wirken Determinanten wie Geschlecht, Bildung, Lebensform, Einkommen, Anzahl der Kinder sowie Karriere auf die Lebensweise. In Bezug auf die Gesundheit lassen sich bestimmte Lebensstile erkennen, welche durch positive oder negative Rahmenbedingungen beeinflusst werden. Diese bestimmten positiven Verhaltensweisen können als „Gesundheitslebensstile“ definiert werden und beschreiben einen gesundheitsfördernden und gesundheitsbewussten Lebensstil. Empirische Ergebnisse weisen eine starke Beeinflussung des Gesundheitslebensstils durch den Bildungsgrad auf, jedoch zeigt sich ein nur schwacher Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und der Ausprägung des Gesundheitslebensstils. Ähnlich verhält es sich mit dem ausgeübten Beruf beziehungsweise der angestrebten Karriere. Hier wird sogar ein negativer Zusammenhang sichtbar. Insgesamt gehen schwache Effekte von den Gesundheitslebensstilen auf die Gesundheit aus. Die Existenz von Mischformen zeigt, dass Lebensstile schwer in „gesund“ und „ungesund“ unterteilt werden können. Laut Hradil (2009) hat die soziale Lage einen signifikanten Einfluss auf den Gesundheitszustand während die Gesundheitslebensstile im Vergleich dazu einen geringen Einfluss haben(Hradil 2009, 36-43).
2.6 Konfliktlinie Arm - Reich
Die Klassenzugehörigkeit wird im Hinblick auf das Einkommen definiert. In Deutschland ist die Verteilung von Vermögen ein umstrittenes Thema. Die deutsche Bevölkerung wird als gespalten angesehen, gespalten in arm und reich. Einkommen dient hier als Indikator.
Besonders Bürger in finanziellen Notlagen sind auf eine finanzielle Unterstützung angewiesen, welche ihnen gesetzlich auch zusteht. Diese finanzielle Unterstützung inkludiert die soziale Absicherung, wobei es fraglich ist, ob sowohl die soziale Absicherung als auch die sozialen Rechte für diese Bevölkerungsgruppen gewährleistet werden (Andreß und Kronauer 2006, 28-29).
Im Laufe der Jahre sind die Sozialversicherungsbeiträge gestiegen. Laut Andress und Kronauer (2006) ist die Einkommensungleichheit über die letzten Jahre zugenommen. Besonders höhere Einkommensgruppen, also Personen, die unter die Kategorie „reich“ fallen, konnten ihre Einkommensposition weiter ausbauen. Am anderen Ende der Einkommenspyramide befindet sich ein stark zunehmender Bevölkerungsanteil, welcher mit geringem Einkommen leben muss. Mit einem niedrigen Einkommen ist ein niedriger Lebensstandard, niedriger Bildungsstand, eine schlechte Arbeitsmarktintegration und vor allem ein schlechter Gesundheitszustand verbunden (Andreß und Kronauer 2006, 42-44). In Deutschland ist eine Grundsicherung auch im Gesundheitssystem gewährleistet. Ein schlechter Gesundheitszustand von Personen, welche in die Kategorie „arm“ fallen, bedeutet trotzdem einen erhöhten Bedarf an Gesundheitsleistungen und dementsprechend damit verbundene höhere Kosten für die Versicherung.
3 Sozialpolitische Absicherung der Gesundheit in Deutschland
In diesem Kapitel wird auf das Gesundheitssystem in Deutschland eingegangen. Es werden die Grundlagen der sozialpolitischen Rahmenbedingungen zur Absicherung der Gesundheit beschrieben, welche durch das Sozialversicherungssystem gewährleistet werden sollen. Hierbei werden die beiden existierenden Versicherungssysteme der gesetzlichen und privaten Versicherungen und deren Konzept und Umsetzung näher betrachtet.
3.1 Grundlagen der gesetzlichen Sozialversicherung
Das Sozialversicherungssystem in Deutschland stellt die gesundheitliche Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sicher, welche als Pflichtversicherung gilt und im Sozialgesetzbuch V(SGB V) gesetzlich verschriftet ist. Im SGB V sind der versicherungspflichtige Personenkreis (§5, SGB V) und die der Person zustehenden Leistungsansprüche und -arten (§11, SGB V) reglementiert. Die Aufgabe der Krankenversicherung ist auch das individuell errechnete Krankengeld darzubieten. Krankengeld kann eine versicherte Person im Falle einer Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder bei stationärer Behandlung im Krankenhaus oder ähnlichen Einrichtungen nach Wegfall der Entgeltfortzahlung beanspruchen. Als versicherte Person steht einem das Recht zu, alle notwendigen medizinischen Leistungen grundsätzlich kostenlos und direkt beim Leistungserbringer beanspruchen zu können. Dies wird als Sachleistungsprinzip betitelt. Unter dem Begriff Leistungserbringer fallen Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Apotheken, Erbringer von Heil- und Hilfsmittelleistungen, Hersteller von Arzneimitteln, Hebammen, Personen, Einrichtungen und Unternehmen, die Leistungen in den Bereichen häusliche Krankenpflege oder Haushaltshilfe erbringen, Rettungsdienste und Krankentransportunternehmen (§§69, 70 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die dadurch entstehenden Kosten werden über die einkommensabhängigen Beiträge, die alle Versicherten aufbringen, und sonstige Einnahmen vom Versicherungsträger finanziert, was auch Bedarfsdeckungsprinzip (§25, SGB V) genannt wird. Jede versicherte Person hat das Recht auf bedarfsgerechte Leistungen, welche nicht an ihren individuell gezahlten Beiträgen bemessen werden (Solidaritätsprinzip, §3, SGB V). Die Höhe der zu bezahlenden Beiträge wird prozentual im Hinblick auf das Einkommen individuell bemessen. Der Versicherungsbeitrag wird dann grundsätzlich je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer übernommen (Bäcker, et al. 2008, 124-136). Die Grundlagen der gesetzlichen Sozialversicherung dienen als Hintergrundwissen zum besseren Verständnis der nachfolgend weiter behandelten Thematik.
Die Rechtsgrundlage der gesetzlichen Sozialversicherung befindet sich im Sozialgesetzbuch, welches am 1. Juli 1977 in Kraft getreten ist. Nach dieser Veröffentlichung wurde die erste Fassung im Laufe der Jahre häufig verändert und angepasst. Der Geltungsbereich umfasst zu diesem Zeitpunkt sowohl die gesetzliche Krankenversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung als auch die soziale Pflegeversicherung (Kreikebohm 2018).
Die soziale Absicherung in Deutschland beinhaltet die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung, die Unfallversicherung, die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung. Sie setzt sich aus Versicherung, Versorgung und Fürsorge zusammen. Die verschiedenen Versicherungen der Sozialversicherung werden auch als fünf Säulen gesehen, welche die gesetzliche Pflichtversicherung für breite Bevölkerungsschichten in Deutschland darstellen. Jede Säule unterliegt den Gesetzen der Sozialgesetzbücher und der Reichsversicherungsordnung.
Die Krankenversicherung existiert seit 1883. Die Unfallversicherung (seit 1884) finanziert sich durch ein Umlageverfahren von den Arbeitgebern (Polzin, Kirchner und Pollert 2016, 491).
Bei der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung gilt das Konzept des Umlageverfahrens, in welchem die Beiträge so angepasst werden, dass sie die anfallenden Kosten eines bestimmten Zeitraums decken. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird ebenso ein Umlageverfahren angewendet. Die Beiträge für die Rentenversicherung finanzieren die aktuellen Renten. Mit ihren Beiträgen sichern die Versicherten ihren Anspruch auf ihre spätere Rente (Polzin, Kirchner und Pollert 2016, 493).
In der seit 1889 existierenden Rentenversicherung werden im Umlageverfahren Beiträge sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber eingenommen. Zusätzlich erhält diese Versicherung Bundeszuschüsse.
Die Pflegeversicherung ist im Jahr 1995 in Kraft getreten und finanziert sich mit Beiträgen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie mit Zusatzbeiträgen kinderloser Versicherter.
Die Arbeitslosenversicherung (seit 1927) erhält ihre Einnahmen durch die gezahlten Beiträge wie bei der Pflegeversicheurng, aber teilweise auch durch Zuschüsse.
Die Beiträge werden gleichmäßig zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgeteilt (Polzin, Kirchner und Pollert 2016, 491).
3.1.1 Funktionen der gesetzlichen Sozialversicherung
Die gesetzliche Pflichtversicherung wurde ins Leben gerufen, um die Existenzgrundlage der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Versicherung soll als Teil der staatlichen Sozialpolitik die Risiken bei den Wechselfällen des Lebens, zum Beispiel Einkommensverlust, minimieren. Die beeinträchtigte Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder Alter wirdim Sozialversicherungssystem abgesichert. Außerdem soll ein Risikoausgleich bei Schwangerschaft oder Tod geschaffen werden. Das Ziel der gesetzlichen Sozialversicherung ist somit die nahezu komplette Absicherung des Individuums, unabhängig seines sozialen Standes. Dies bedeutet eine Gleichbehandlung eines jeden Individuums in der gesetzlichen Sozialversicherung. Der Zugang zur Sozialversicherung soll für alle Bürger gleichermaßen erfolgen und bei verbindlichen Rahmenbedingungen gewährleistet werden. Das Ziel der allgemeinen Absicherung wurde 1977 definiert und gilt bis heute. Zusammengefasst ist das Ziel der gesetzlichen Sozialversicherung die Absicherung der Bevölkerung, unabhängig von deren sozialen Status (Polzin, Kirchner und Pollert 2016, 491-498).
3.1.2 Umsetzung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland
Es stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß die Sozialversicherung in Deutschland als „sozial“ angesehen werden kann. Politische Diskussionen zum Thema Ungleichheit wurden durch Begriffe wie „wachsende Ungleichheit“ und „Altersarmut“ geprägt (Beyer 2017, 50). Wie bereits erwähnt, verfahren Sozialversicherungen nach unterschiedlichen Prinzipien.
In der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Beiträge lohnabhängig berechnet, was zu einer Umverteilung führt. Diese erfolgt von den Besserverdienern zu den Niedrigverdienern, und auch von jungen Versicherten, die in der Regel weniger Krankheitskosten erzeugen, zu älteren Versicherten. In der GKV gibt es die sogenannte Versicherungspflichtgrenze, welche Bestverdiener und Selbstständige nutzen können, um sich dieser Umverteilung durch den Wechsel in die private Krankenversicherung und damit dem Solidaritätsprinzip zu entziehen. Hingegen dazu sind die anderen Arbeitnehmer mit Einkommen unter der Versicherungspflichtgrenze stets in der GKV pflichtversichert. Somit wird das Solidaritätsprinzip durch die Einkommensverteilung sowie durch die häufiger auftretenden Risiken in der GKV verletzt. Der Solidarausgleich zwischenRisikogruppen und Beitragszahlern wird in diesem Zusammenhang vernachlässigt (Beyer 2017, 50-53). Grundsätzlich ist das Prinzip der Solidarität ein Konzept, welches soziale Ungleichheit mindert.
Es existiert eine gewisse Beschränkung von Leistungen und somit eine Privatisierung von Gesundheitskosten. Darunter fallen Festzuschüsse bei Zahnersatzleistungen oder grundsätzlicher Leistungsausschluss bei Sehhilfen. Die Leistungen werden vom gemeinsamen Bundesausschuss (G- BA) (§ 91, SGB V) rationiert. Es besteht aber die Möglichkeit, diese Rationierung zu umgehen und die benötigte Leistung privat zu erwerben. Dies kann durch private Zusatzversicherungen oder Eigenleistung erfolgen. Dieser Kauf ist nicht für alle Gesellschaftsschichten finanziell möglich, weshalb eine „Zwei-Klassen-Medizin“ entsteht (Huster 2015, 25-27).
Es wird davon ausgegangen, dass chronische Erkrankungen öfter bei Personen mit schlechterem sozio-ökonomischen Status auftreten (Mielck 2000). Dadurch wird der genannte Personenkreis deutlich mehr mit Krankheitskosten konfrontiert als die Gesamtgesellschaft und das, obwohl sie ohnehin zu der schwächsten Bevölkerungsgruppe zählen, weshalb ihre finanziellen Mittel begrenzt sind. Dieser Umstand beschreibt den sogenannten Entsolidarisierungseffekt (Gerlinger 2004, 502-506). Dieser Effekt wirkt dem Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen.
3.2 Private Krankenversicherung
Im deutschen Gesundheitssystem existiert neben der bereits erklärten gesetzlichen Krankenversicherung auch die private Krankenversicherung (PKV). In der privaten Krankenversicherung können sich Arbeitnehmer, deren Einkommen die Versicherungsgrenze überschreitet, versichern. Neben dieser Arbeitnehmergruppe ist die PKV auch für Beamte, Selbstständige und Freiberufler offen (Bäcker, et al. 2008, 143). Der existentielle Unterschied zwischen privater und gesetzlicher Versicherung sind die jeweiligen Prinzipien. Die gesetzliche Krankenversicherung geht nach dem Solidar- und Sachleistungsprinzip vor. Die private Krankenversicherung ersetzt diese Prinzipien durch das Äquivalenz- und Kostenerstattungsprinzip. Die Beiträge sind beim Äquivalenzprinzip in Relation zu den benötigten Leistungen anzusehen, sie stehen sich somit gegenüber. Die jeweilige Beitragshöhe bemisst sich aus dem individuellen Gesundheitsrisiko und den damit einhergehenden Leistungen. Zusätzlich wählt der Versicherte einen Leistungstarif (Böckmann 2009, 68). Dieses Äquivalenzprinzip ergibt in diesem Zusammenhang nur Sinn, wenn die versicherte Person im Verhältnis zu dem benötigten Versicherungstarif genug verdient. Für Personen mit weniger hohem Einkommen oder großem Versorgungs- bzw. Absicherungsbedarf weist das Äquivalenzsystem deutliche Schwächen auf, da der Versicherungsbetrag für die genannten Personen meist unterschwinglich hoch ausfällt (Böckmann 2009, 63-65).
4 Soziale Ungleichheit und Gesundheit
In diesem Kapitel werden die Unverhältnismäßigkeiten im gesundheitlichen Bereich beschrieben. Die Bedeutung sozialer Ungleichheit im Kontext gesundheitlicher Ungleichheit wird hier vor dem Hintergrund des Gesundheitssystems beleuchtet.
4.1 Das Spannungsverhältnis zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit
Um die Frage nach Ungleichheit im Gesundheitssystem zu beantworten, wird zunächst der Begriff Gesundheit definiert. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1948 wird Gesundheit folgendermaßen definiert:
„Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen, ist eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung“ (Hurrelmann und Franzkowiak 2003, 53).
Abbildung 2 zeigt das Mehrebenenmodell, welches den Zusammenhang von sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit aufzeigt. Neben den bekannten horizontalen und vertikalen Dimensionen von sozialer Ungleichheit, werden gesundheitliche Belastungen und Ressourcen wie Arbeitsbedingungen, soziale Unterstützung, Freizeitbedingungen und gesundheitliche Versorgung aufgeführt. Außerdem werden gesundheitsrelevante Verhaltensweisen wie Ernährung, körperliche Bewegung, Rauchen, Inanspruchnahme der gesundheitlichen Versorgung dargestellt. Besonders relevant für das Thema ist das individuelle gesundheitsrelevante Verhalten, das einen großen Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit aufweist, da die Gesundheit langfristig auch von der Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgung sowie der Möglichkeit dieser Inanspruchnahme abhängig ist.
Die gesundheitliche Versorgung ist abhängig von den individuellen diesbezüglich relevanten Leistungen der Krankenversicherung und den strukturellen Angeboten vor Ort.
Die Darstellung zeigt, in Anlehnung an Bourdieu (1987), die Abhängigkeiten zwischen gesundheitlichen Belastungen und Ressourcen, gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen und dem sozialen Kontext, Habitus und Lebensstil des Individuums. Bei idealen Verhaltensweisen des Einzelnen werden gegebenenfalls weniger gesundheitliche Dienste benötigt. Die gesundheitliche Versorgung kann aber auch durch die Nutzung präventiver Maßnahmen langfristig positive Effekte auf die Gesundheit erzielen.
Somit hängen gesundheitliche Belastungen und gesundheitsrelevante Verhaltensweisen von gesundheitlicher Ungleichheit ab. Infolgedessen spielen auch die Zugangschanchen zur Gesundheitsversorgung und die damit einhergehende Versicherung eine prägnante Rolle. Insgesamt dient die Abbildung zur Veranschaulichung des Spannungsverhältnisses zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit. Lebensanalysen können in diesem Mehrebenenmodell mehr Rückschlüsse auf die Gesundheitsentwicklung liefern als die Analyse einzelner gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen. Verhaltensweisen werden nicht individuell, sondern im zugehörigen sozialen Kontext verändert (Hradil 2009, 52-54).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Mehrebenenmodell des Zusammenhangs von sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit (Sperlich und Mielck 2003, 175)
4.2 Soziale Ungleichheit im Gesundheitssystem
Die Existenz von privater und gesetzlicher Krankenversicherung beeinflusst in verschiedenen Gesichtspunkten die Gleichheit der medizinischen Versorgung. Das betrifft als wichtigsten Punkt den Umfang der Leistungsgewährung. In der privaten Krankenversicherung ist die gewährte Leistungshonorierung meist höher angesetzt als in der gesetzlichen Krankenversicherung. Leistungsausschlüsse von Behandlern der GKV aufgrund von Pauschalvergütungen und Budgets haben die Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung deutlicher werden lassen (Gerlinger 2007, 298-300).
Leistungsausschlüsse werden mit einer medizinischen Nichtnotwendigkeit begründet.
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