Sozialraumorientierte Arbeit in der Straffälligenhilfe
Zusammenfassung
Deutlich weniger Möglichkeiten bieten Arbeitsfelder, die in einem Zwangskontext stattfinden. Besonders stark tritt dies im Bereich des Strafvollzugs auf. Aufgrund der freiheitsentziehenden Maßnahmen ist hier der Kontakt zum ursprünglichen Lebensumfeld des Gefangenen besonders beeinträchtigt. Sozialräumliches Arbeiten stellt während der Haft und bei der Haftentlassung eine zentrale Rolle für die Eingliederung des Gefangenen dar. Ein Schlüsselbegriff ist hierbei das so genannte Übergangsmanagement. Übergangsmanagement ist eine Form des Case Managements, dass eine möglichst reibungslose Wiedereingliederung und Resozialisierung des Betroffenen ermöglichen soll. Diese Verzahnung verschiedener Hilfen scheint bisher nur unzureichend realisiert zu sein. Die Seminararbeit soll in diesem Rahmen klären, welchen Beitrag sozialräumliches Arbeiten für die Resozialisierung verurteilter Straftäter leisten kann. Die konkrete Fragestellung lautet daher: Wie kann sozialräumliches Arbeiten im Rahmen des Übergangsmanagements die Resozialisierung verurteilter Straftäter ermöglichen?
Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung und Themeneingrenzung
2. Strafvollzug
2.1 Strukturelle Bedingungen
2.2 Psychosoziale Situation der Gefangenen
3. Übergangsmanagement
3.1 Begriffsklärung
3.2 Ziele und Aufgaben
3.3 Zielgruppe und beteiligte Organisationen
4. Sozialraumorientierte Netzwerkarbeit im Strafvollzug
4.1 Grundlagen sozialraumorientierter Netzwerkarbeit
4.2 Maßnahmen
5. Kritik
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Themeneingrenzung
Soziale Arbeit zeichnet sich meist durch eine klientenzentrierte Arbeitsweise aus. Sozialräumliche Ansätze nehmen somit eine Sonderstellung in der sozialarbeiterischen Praxis ein, da zunächst nicht nur eine Person oder bestimmte Zielgruppe, sondern ein bestimmter Sozialraum betrachtet wird, da individuelle Probleme auch vom sozialräumlichen Kontext abhängig sind. Die Interventionsmöglichkeiten in diesen sozialen Räumen sind dabei vielfältig.
Deutlich weniger Möglichkeiten bieten Arbeitsfelder, die in einem Zwangskontext stattfinden. Besonders stark tritt dies im Bereich des Strafvollzugs auf. Aufgrund der freiheitsentziehenden Maßnahmen ist hier der Kontakt zum ursprünglichen Lebensumfeld des Gefangenen besonders beeinträchtigt.
Sozialräumliches Arbeiten stellt während der Haft und bei der Haftentlassung eine zentrale Rolle für die Eingliederung des Gefangenen dar. Ein Schlüsselbegriff ist hierbei das so genannte Übergangsmanagement. Übergangsmanagement ist eine Form des Case Managements, dass eine möglichst reibungslose Wiedereingliederung und Resozialisierung des Betroffenen ermöglichen soll. Diese Verzahnung verschiedener Hilfen scheint bisher nur unzureichend realisiert zu sein.
Die Seminararbeit soll in diesem Rahmen klären, welchen Beitrag sozialräumliches Arbeiten für die Resozialisierung verurteilter Straftäter leisten kann. Die konkrete Fragestellung lautet daher: Wie kann sozialräumliches Arbeiten im Rahmen des Übergangsmanagements die Resozialisierung verurteilter Straftäter ermöglichen?
Ich möchte mich daher zunächst mit dem Sozialraum straffällig gewordener Menschen beschäftigen und dabei sowohl auf strukturelle Bedingungen des Strafvollzuges als auch auf die psychosoziale Situation der Betroffenen eingehen.
Davon ausgehend wird im nächsten Kapitel der Begriff des Übergangsmanagements genauer beleuchtet. Konkret soll hierbei auf die theoretischen Grundlagen und Aufgaben des Übergangsmanagements eingegangen werden.
Im nächsten Schritt wird grundsätzlich auf die Thematik sozialraumorientierte Netzwerkarbeit im Strafvollzug eingegangen. Daher werden zunächst die Begriffe Sozialraumorientierung und soziale Netzwerkarbeit genauer erläutert. Anschließend sollen, basierend auf den theoretischen Grundlagen, die sozialräumlichen Interventionsmöglichkeiten im Strafvollzug im Mittelpunkt stehen. Konkret soll in diesem Teil der Arbeit auf verschiedene Maßnahmen sozialraumorientierter Netzwerkarbeit im Strafvollzug eingegangen werden.
Trotz der positiven Ansätze des Übergangsmanagements gibt es in der praktischen Umsetzung häufig noch gravierende Probleme. In diesem Kapitel wird daher der aktuelle Stand des Übergangsmanagements bezüglich sozialraumorientierter Herangehensweise kritisch beleuchtet und mögliche Hindernisse bei der Umsetzung aufgezeigt.
Abschließend werden im Fazit alle Inhalte der Arbeit kompakt zusammengefasst.
2. Strafvollzug
Im folgenden Kapitel wird zunächst auf strukturelle Bedingungen des Strafvollzugs sowie auf die psychosoziale Situation der Gefangenen eingegangen.
2.1 Strukturelle Bedingungen
Derzeit sind in Deutschland bundesweit 74000 Straftäter inhaftiert und werden von ca. 28000 Beamten betreut. Strafvollzug dient dabei nicht vordergründig der Vergeltung oder Bestrafung der Täters, sondern der Resozialisierung und Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben (vgl. Maelicke, 2011, S. 399-400).
Der Strafvollzug liegt in Deutschland in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer und wird von Anstalten der Landesjustizverwaltung, den Justizvollzugsanstalten, vollstreckt (vgl. Schwind & Blau, 1988, S. 31).
Strafvollzug beinhaltet dabei nur die reine Durchführung freiheitsentziehender Maßnahmen vom Strafantritt bis zur Entlassung und stellt eine Art der Kriminalsanktion dar. Die Einleitung der Vollstreckung sowie die Überwachung der Bewährung ist der Strafvollstreckung zu zuordnen und damit nicht Teil des Strafvollzuges (vgl. insgesamt Schmitt, 2001, S. 141).
Deshalb wird der Schwerpunkt der Seminararbeit auf der Tätigkeit im Strafvollzug liegen und daher nur im Rahmen sozialräumlicher Netzwerkarbeit auf die Rolle der Bewährungshilfe eingehen.
Der Begriff des Strafvollzugs erfasst dabei verschiedene Arten freiheitsentziehender Maßnahmen. In der Regel werden hierzu die Freiheitsstrafe und Jugendstrafe sowie freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung verstanden, die durch ein rechtskräftiges Urteil erlassen wurden (ebd. S. 140).
Der Strafvollzug für Erwachsene ist im Strafvollzugsgesetz geregelt. Für den Vollzug bei Jugendlichen besteht keine derartige gesetzliche Verankerung. Hier werden die allgemeinen Rahmenvorschriften des Jugendgerichtsgesetzes angewendet. Zusätzlich bestehen bundesweit einheitliche Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzug bei Jugendlichen. Die Rechtsstellung der Gefangenen entspricht den Regelungen des Strafvollzugsgesetzes (ebd. S. 140).
2.2 Psychosoziale Situation der Gefangenen
Strafvollzug manifestiert sich in der Durchsetzung freiheitsentziehender Maßnahmen und schränkt damit Grundrechte der betroffenen Person in erheblichem Maß ein. Konkret bedeutet dies die Herauslösung des Gefangenen aus seinem sozialen Umfeld, seiner Familie oder seiner Arbeit. Der ursprüngliche Sozialraum ist damit für die Betroffenen kaum noch erreichbar. Gleichzeitig wird der Gefangene Mitglied eines neuen sozialen Raumes – Sozialraum Justizvollzugsanstalt.
Dieser Sozialraum zeichnet sich durch ein hohes Maß an Kontrolle und Entzug der persönlichen Freiheit aus. Gefangene werden auch oft innerhalb der Anstalten nicht als gleichwertige Menschen angesehen (vgl. Schwind & Blau, 1988, S. 239f.).
Allgemein können die Haftbedingungen als besonders schädlich für die Gefangenen bezeichnet werden. Der Freiheitsverlust stellt damit den größten Einschnitt im Leben des Betroffenen und deren Familie dar. Die Gefangenen verlieren zunächst den Kontakt zu Familie und Bezugspersonen und müssen ihre gewohnte soziale Rolle aufgeben. Des Weiteren werden den Häftlingen große Teile ihrer Identität entzogen. Dies drückt sich in verschiedenen Degradierungsritualen, aber auch in der Abgabe persönlicher Gegenstände und Kleidung aus (ebd. S. 244).
Der Verlust heterosexueller Beziehungen führt in der Gefangenschaft zwingend zu homosexueller Ausbeutung und Abhängigkeit. Aufgrund des fehlenden Kontaktes zum anderen Geschlecht folgt eine Verrohung von Sprache und Fantasie (ebd. S. 245).
Klassisch für den Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt ist der Verlust von Selbstbestimmung. Die Verantwortung für das eigene Leben wird ihnen ähnlich wie einem Kind komplett innerhalb dieser totalen Institution genommen. Wer Selbstständigkeit und Eigeninitiative zeigt, schadet der Anstaltsruhe und auch der eigenen Person (ebd. S. 246f.). Hier ist Soziale Arbeit gefragt und sollte eingefahrene Strukturen aufbrechen und neue Möglichkeiten der Selbstbestimmung für Inhaftierte schaffen. Im Allgemeinen ist die Tagesstruktur eines Häftlings nämlich wenig flexibel und von der Anstalt vorgegeben.
Des Weiteren verlieren Gefangene einen Großteil ihrer eignen Sicherheit, da sie permanent psychischer und physischer Gewalt der Mithäftlinge aber auch der Bediensteten ausgeliefert sind. Gewalt dient dazu, eine soziale Rangordnung und Machtposition aufzubauen (ebd. S. 246).
Während meiner ehrenamtlichen Arbeit mit Strafgefangenen habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Inhaftierten werden meist plötzlich aus ihrer gewohnten Lebenswelt herausgerissen und sind meist nicht in der Lage sich angemessen auf die neue Situation einzustellen. Einige entwickeln auf Grund der Inhaftierung sogar psychische Störungen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen.
Besonders schwierig scheint die Situation für Gefangene zu sein, die wegen weniger schweren Straftaten verurteilt wurden. In diesem Zusammenhang habe ich mit einem Mann gesprochen, der wegen eines Steuerdeliktes und einer Selbstanzeige zu 3 Jahren Haft verurteilt wurde. Er formulierte es folgendermaßen: Mir ist der Umgang mit den anderen Gefangen unglaublich schwer gefallen. Allein der Gedanke mit Mördern und Sexualstraftätern leben zu müssen war für mich furchtbar belastend. Ich befinde mich deswegen auch jetzt nach meiner Entlassung noch unter psychotherapeutischer Behandlung. Auch er hat in besonderem Maße an der Trennung durch seiner Familie gelitten.
Natürlich soll durch diese Arbeit kein Mitleid für Strafgefangene erregt werden, da diese Menschen durch ihr Fehlverhalten selbst für ihre Situation verantwortlich sind. Für eine gelingende Resozialisierung ist allerdings ein genaues Verständnis der psychosozialen Situation des Gefangenen notwendig. Dabei muss der professionelle Helfer in der Lage sein, die Straftat des Inhaftierten unberücksichtigt zu lassen und keine Wertung diesbezüglich abzugeben, damit ein zielgerichtetes Arbeiten überhaupt erst möglich werden kann.
3. Übergangsmanagement
Im Strafvollzug kommt es immer wieder zu dem Punkt an dem die Entlassung des Insassen bevorsteht. Dann sind bestenfalls alle folgenden Angelegenheiten schon geklärt. In der Praxis stehen die Entlassenen, vor allem kurz nach der Entlassung, häufig vor dem Nichts.
Übergangsmanagement kann diesen Menschen eine reibungslosere Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglichen. Daher wird zunächst genauer auf den Begriff des Übergangsmanagements eingegangen, um danach verschiedene Formen der Implementierung dieses Konzepts im Justizvollzug zu betrachten.
3.1 Begriffsklärung
Übergangsmanagement stellt eine wichtige Methode im Justizvollzug dar, um einen fließenden Übergang zwischen Strafvollzug und Entlassenenhilfe zu schaffen. Übergangsmanagement stellt damit eine Form des Case Managements dar. Menschen die aus dem Strafvollzug entlassen werden müssen sich wesentlichen Veränderungen im sozialökonomischen System stellen. Dies führt häufig zu Überforderung und individuellen Krisen. Aufgabe der Sozialen Arbeit ist es demnach in dieser Lebensphase Orientierungs- und Bewältigungshilfen anzubieten (vgl. insgesamt Kawamura-Reindl &Schneider, 2015, S. 285).
Für den Begriff des Übergangsmanagements existieren verschiedene Definitionsversuche. Übergangsmanagement kann zum einen als eine Verknüpfung von vollzugsinternen Behandlungsmaßnahmen und vollzugsexternen Reintegrationshilfen verstanden werden. Hier steht eine engere Kooperation zwischen Justizbehörden, Einrichtungen der Straffälligenhilfe und sonstigen kompetenten Dritten im Vordergrund. Es handelt sich also um ein ganzheitliches Konzept, dass alle mit der Resozialisierung befassten Akteure umfasst (ebd. S. 286).
Ein anderer Definitionsversuch deutet Übergangsmanagement als eine umfassende Vorbereitung zur Haftentlassung des Gefangenen unter Einbezug von Planung, Einleitung und Vermittlung von weiteren Reintegrationsmaßnahmen. So soll eine optimale soziale Reintegration der Gefangenen ermöglicht werden. Der Unterschied zum ersten Definitionsversuch liegt darin, dass hier die Zuständigkeit des Strafvollzugs bei der Entlassung beendet ist. Das heißt, dass alle erforderlichen Maßnahmen bis zu diesem Zeitpunkt von der Justizvollzugsanstalt in die Wege geleitet sein müssen. Es besteht daher eine klarere Abgrenzung zwischen den einzelnen Akteuren des Justizvollzugs (ebd. S. 286). Im Folgenden werde ich mich auf die Letztere Definition beziehen.
3.2 Ziele und Aufgaben
Übergangsmanagement soll ein Gesamtkonzept bilden, dass flexibel alle bisherigen Einzelmaßnahmen zusammenführt. Ziel ist deswegen eine verbesserte Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen und das Schließen von Betreuungslücken. Dies senkt die Gefahr von Rückfällen nach der Entlassung (vgl. insgesamt Kawamura-Reindl & Schneider, 2015, S. 287).
Dabei umfasst Übergangsmangement die Planung, Vermittlung, Durchführung und Kontrolle von Wiedereingliederungsmaßnahmen (vgl. Kawamura-Reindl & Schneider, 2015, S. 291).
Übergangsmanagement hat darüber hinaus auch einen ökonomischen Aspekt. Durch die Koordinierung und Vernetzung aller beteiligten Institutionen können Mehrfachbetreuungen vermieden werden, sodass überflüssige und kostenintensive Maßnahmen wegfallen. Gleichzeitig müssen wichtige Informationen über den Klienten nicht mehrfach erhoben werden und der Verlust von Informationen fällt geringer aus (ebd. S. 288).
Grundsätzlich lassen sich die Ziele des Übergangsmanagements in personenbezogene und strukturbezogene Ziele gliedern (ebd. S. 288).
Auf persönlicher Ebene ist die Beratung und Betreuung des Gefangenen von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus dient Übergangsmanagement der Sicherung des Resozialisierungserfolges und der Verhinderung von Rückfällen. Die Überbrückung der Entlassungslücke nach der Haft ist auf dieser Ebene sehr wichtig (ebd. S. 288).
Strukturell steht die Koordinierung und Vernetzung der Beteiligten sowie eine flächendeckende Versorgung im Mittelpunkt (ebd. S. 289).
Konkret lassen sich für das Übergangsmanagement folgende Aufgaben darstellen. Ein wichtiger Schritt für eine gesellschaftliche Wiedereingliederung des Betroffenen stellt die berufliche Wegeplanung dar. Hier ist eine frühzeitige Entlassungsplanung notwendig. Hilfestellungen beim Zusammenstellen von Bewerbungsunterlagen und die Beratung zu gesetzlichen Fördermöglichkeiten sind für eine berufliche Rehabilitation unabdinglich. Mitarbeiter des Übergangsmanagements sind darüber hinaus Ansprechpartner für Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe.
Des Weiteren werden lockerungsgeeignete Gefangene beim Kontakt mit Behörden, also zum Beispiel Sozialamt oder Arbeitsamt, unterstützt. Auch die Vermittlung bzw. die Hilfe bei der Beschaffung von Wohnraum ist ein zentraler Aufgabenbereich.
3.3 Zielgruppe und beteiligte Organisationen
Grundsätzlich sind alle Gruppen von Gefangenen und Entlassenen vom Übergangsmanagement betroffen. Zentral sind dabei die Menschen, deren Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde oder die nach der Strafentlassung unter Führungsaufsicht stehen. Hier spielt die frühzeitige Beteiligung der Bewährungshilfe eine große Rolle (vgl. insgesamt Kawamura-Reindl &Schneider, 2015, S. 289).
Schwieriger gestaltet sich die Situation für Entlassene, die nicht in der Zuständigkeit der Justiz liegen. Sie haben grundsätzlich keine ambulanten Hilfen der Justiz zu erwarten. Besonders problematisch gestaltet sich die Situation für Haftentlassene nach der Untersuchungshaft, für psychisch kranke Entlassene, aber auch für alte und pflegebedürftige Menschen (ebd. S. 289).
Übergangsmanagement zielt daher auf eine bessere Vernetzung von Strafvollzug und Bewährungshilfe, aber auch zunehmend auf den Kontakt mit Ämtern und Trägern der freien Straffälligenhilfe ab (ebd. S. 290f.).
4. Sozialraumorientierte Netzwerkarbeit im Strafvollzug
Dieses Kapitel wird nun konkret darauf eingehen, wie Sozialraumorientierung im Strafvollzug umgesetzt wird. In diesem Zusammenhang werden die Grundlagen sozialraumorientierter Netzwerkarbeit genauer beleuchtet.
4.1 Grundlagen sozialraumorientierter Netzwerkarbeit
4.1.1 Sozialraumorientierung
Da für die Arbeit im Strafvollzug der Sozialraum einen wesentlichen Aspekt darstellt, wird in diesem Kapitel der Begriff der Sozialraumorientierung genauer erläutert.
Sozialraumorientierung als Methode Sozialer Arbeit hat bisher in verschiedenen Arbeitsfeldern Eingang gefunden. Allerdings besteht immer noch eine gewisse Unsicherheit bezüglich einer einheitlichen Definition dieses Begriffes. Im Folgenden wurde eine Definition gewählt, die meiner Meinung nach den Kern am besten trifft.
Sozialraumorientierung lässt sich als ein Konzept der Sozialen Arbeit bezeichnen, das in der Analyse den Blick auf grundlegende sozialräumliche, d.h. strukturelle Verursachung von Hilfenotwendigkeit lenkt und das zugleich Handlungsperspektiven für die praktische Arbeit bietet, die an den Ressourcen eines Sozialraums und der dort lebenden Menschen ansetzen (vgl. insgesamt Schönig, 2008, S. 20).
Das Konzept fokussiert demnach die strukturelle Verursachung individueller Problemlagen. Das Konzept hat allerdings grundsätzlich nicht einen Einzelfall im Blick, sondern nimmt sich kollektiver Probleme an, die strukturell bedingt sind.
Die Besonderheit sozialraumorientierten Arbeitens liegt darin, das Milieu als Klienten zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist die Analyse des Sozialraums von großer Bedeutung. Hier kann sich auf strukturelle und bauliche Bedingungen, aber auch auf die Verfügbarkeit sozialer Dienste, Freizeitaktivitäten, Arbeitsmöglichkeiten usw. bezogen werden.
Das Konzept stützt sich dabei auf verschiedene methodische Prinzipien. Zunächst sollte sich sozialraumorientierte Arbeit immer auf die geäußerten Interessen der Bewohner des Sozialraums beziehen. Auch der Empowermentansatz spielt eine wesentliche Rolle. Hierbei handelt es sich um einen ressourcenorientierten Ansatz, der auf die Eigeninitiative des Betroffenen baut und Hilfe zur Selbsthilfe anbietet (vgl. insgesamt Wendt, 2015, S. 305).
Besonders wichtig im Rahmen dieser Arbeit ist die soziale Netzwerkarbeit. Hier werden die lokalen Einrichtungen, Dienstleistungen und Bewohner identifiziert, vernetzt und koordiniert (ebd. S. 305). Dies ist besonders im Rahmen des Übergangsmanagements von besonderer Bedeutung und wird daher im folgenden Kapitel genauer beleuchtet.
4.1.2 Soziale Netzwerkarbeit
Um soziale Netzwerkarbeit als Methode der Sozialen Arbeit besser zu verstehen, ist es notwendig diese aus vier Perspektiven zu betrachten (vgl. Wendt, 2015, S. 167).
Die erste Perspektive bezieht sich auf die subjektspezifische Netzwerkarbeit. Diese zielt auf Veränderungsprozesse in der Lebenswelt des Betroffenen ab, um die Voraussetzungen für soziale Unterstützung zu schaffen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den personenbezogenen Barrieren, die eine Unterstützungs- oder Hilfe unmöglich machen. Ein mögliches Beispiel für solche Barrieren kann die Angst, Unterstützung anzunehmen, sein (vgl. insgesamt Wendt, 2015, S. 167f.).
Im zweiten Schritt wird der Blick auf ressourcenorientierte Aspekte gelegt. Diese Perspektive richtet sich vor allem an die Unterstützenden im sozialen Netzwerk des Klienten. Diese sollen durch verschiedene Beratungsangebote in die Lage versetzt werden, die soziale Unterstützung für den Betroffenen zu gewährleisten (ebd. S. 168). Im Strafvollzug ist es daher die Aufgabe auch Hilfe zur Selbsthilfe für Angehörige von Gefangenen zu bieten und sie bei der Bewältigung der neuen und herausfordernden Situation zu begleiten.
Des Weiteren ist die fallunspezifische Netzwerkarbeit von besonderer Bedeutung. Diese ist vor allem für professionelle Akteure interessant, da die institutionsübergreifende Schaffung von Netzwerkstrukturen eine lebensweltnahe Unterstützung des Klienten ermöglicht. Konkret geht es dabei um die Organisation von Arbeitskreisen, Arbeitsgruppen und gemeinsamen Projekten (ebd. S. 169). Diese Sichtweise ist auch im Strafvollzug im Rahmen des Übergangsmanagements anwendbar.
Auch die vierte Perspektive ist auf das Übergangsmanagement übertragbar. Hier geht es vor allem um die fachliche Vernetzung auch bei fallspezifischen Angelegenheiten. Die Koordinierung verschiedener Hilfen zu einem Gesamtkonzept steht dabei im Vordergrund (vgl. insgesamt Wendt, 2015, S. 169).
4.2 Maßnahmen
Um Strafgefangene auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten sind verschiedene Maßnahmen zu treffen. Manche Maßnahmen sind in besonders dazu geeignet sozialraumorientiert mit den Betroffenen zu arbeiten, da auf verschiedene Zwänge seitens der Anstalt verzichtet werden. Die konkreten Maßnahmen betreffen dabei die Arbeit mit Angehörigen und Ehrenamtlichen, aber auch die Bedeutung von Vollzugslockerungen sowie die Arbeit mit anderen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen.
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