Die Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss der Bürgerbewegung auf den Fall der DDR im Jahr 1989. Der sozialistische und undemokratische Schwesterstaat der heutigen Bundesrepublik ist im Jahr 1989 zerfallen. Es gab zahlreiche Gründe für den Fall der DDR, unter anderem die miserable Wirtschaft oder den politischen Druck anderer Staaten. Einer der entscheidendsten Gründe jedoch war die Unzufriedenheit der ostdeutschen Bevölkerung und die darauffolgenden Demonstrationen und Proteste. Es scheinen bei dieser friedlichen Revolution in Leipzig nicht die einflussreichen Weltmächte selbst oder ihre Sanktionen gegenüber der DDR die Hauptrolle gespielt zu haben, sondern die aufkommende Motivation zum politischen Wandel in der bis dahin verdrossenen Bevölkerung der DDR.
Inhalt
1. Einleitung
2. Politische Lage in der DDR und Osteuropa in den achtziger Jahren
3. „Wir sind das Volk“ - Wie entstanden die Montagsdemonstrationen in Leipzig?
4. Die Bürgerbewegung und ihre spezielle Rolle beider Friedlichen Revolution
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der sozialistische und undemokratische Schwesterstaat unserer heutigen Bundesrepublik ist im Jahr 1989 zerfallen. Es gab zahlreiche Gründe für den Fall der DDR, unter anderem die miserable Wirtschaft des Nachbarstaates oder den politischen Druck anderer Staaten. Einer der entscheidendsten Gründe jedoch war die Unzufriedenheit der ostdeutschen Bevölkerung und die darauffolgenden Demonstrationen und Proteste. Es scheinen bei dieser Revolution nicht die einflussreichen Weltmächte selbst oder ihre Sanktionen gegenüber der DDR die Hauptrolle gespielt zu haben, sondern die aufkommende Motivation zum politischen Wandel in der bis dahin verdrossenen Bevölkerung der DDR. Diese essenzielle Rolle der zivilen Bürger wird oft in den Hintergrund gerückt, verdient aber deutlich mehr Aufmerksamkeit. Deshalb werde ich mich in dieser Arbeit mit der Rolle der Bevölkerung beim Fall des SED-Regimes und damit einhergehend der DDR widmen. Insbesondere werde ich dabei auf die Rolle der gebildeten Bürgerrechtsbewegung eingehen und den Unterschied zu Teilnehmern am Massenprotest bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig klären. Darüber hinaus werde ich begründen, warum gerade die Bürgerbewegung die entscheidende Rolle bei der Revolution spielte und weshalb sie unverzichtbar für den Erfolg der Montagsdemonstrationen und damit dem Ende der DDR waren. Außerdem werden Gründe für das Aufkommen der Montagsdemonstrationen untersucht und der wichtige politische Kontext auch außerhalb der DDR mit einbezogen. Die entscheidende Rolle der Bürgerbewegung beim Fall der DDR soll unter anderem mit dem Aufsatz von Ralph Jessen verdeutlicht werden, der die Bürgerrechtsbewegungen analysiert und anhand dieser Analyse die Fehler des SED-Regimes hervorhebt. Außerdem wird ein Aufsatz von Detlef Pollack einbezogen, der Bedingungen für den Erfolg des Massenprotests in der DDR aufzeigt und diese in den ereignisgeschichtlichen Kontext einordnet. Um diese speziellen Erkenntnisse in das historische Gesamtbild einordnen zu können verwende ich zwei Überblicksbände von Michael Richter, in denen er verschiedenste essenzielle Ereignisse chronologisch analysiert, die zum Aufbruch zur Demokratie unter anderem in Leipzig 1989 geführt haben. Beginnen werde ich meine Arbeit mit einer kurzen Einführung zur politischen Lage in der DDR und Osteuropa, wobei eine detaillierte Darstellung den Umfang dieser Arbeit sprengen würde. Danach werde ich das Entstehen der Montagsdemonstrationen erläutern und darauffolgend die Rolle der Bürgerbewegung beim Protest und wie dies die DDR zum Zerbrechen brachte. Im Schluss werde ich meine Erkenntnisse zusammenfassen und Gründe für den Zerfall nennen, auf die nicht weiter eingegangen werden konnte.
2 Politische Lage in der DDR und Osteuropa in den achtziger Jahren
In der Mitte der achtziger Jahre begann der Ost-West-Konflikt und der Kalte Krieg sich zu entspannen. Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren die durch die fatalen wirtschaftlichen und militärischen Verhältnisse ausgelösten Reformprozesse „Glasnost“ und „Perestroika“, die von Michael Gorbatschow ins Leben gerufen wurden. Ziel dieser Reformen war die Modernisierung des Sozialismus, also nicht das Erreichen freiheitlich-demokratischer Verhältnisse. Darüber hinaus wurde das Breschnew-Doktrin aufgegeben, welches ein Eingreifen der Sowjetunion bei der Bedrohung des sozialistischen Systems legitimierte. Die UdSSR stellte es ihren Staaten also frei sich selbst zu organisieren. Ungarn und Polen beispielsweise begrüßten diese Freiheit, indem sie ihr System zu liberalen Verhältnissen reformierten und eine Öffnung für marktwirtschaftliche Strukturen veranlassten. Staaten wie die DDR hingegen profitierten von dieser „Unabhängigkeit“ aus westlicher Sicht eher wenig, da ihre Staatsoberhäupter die neu gewonnene Freiheit dafür nutzten, ihre eigenen kommunistischen Ziele zu verfolgen und sich dadurch den Reformprozessen der UdSSR entziehen konnten. Das Aufheben dieser Doktrin sollte trotzdem entscheidend für die Revolution in der DDR ein paar Jahre später sein, da die UdSSR beim Zerfall des Sozialismus in der DDR nicht mehr eingriff und das DDR-Regime auf sich allein gestellt war.1
Diese Öffnung der kommunistischen Oststaaten zum Westen führten zur Intensivierung der wirtschaftlichen Krise, da die UdSSR die Preise für Waren wie Öl und Kohle auf Weltmarktniveau anhob und die Satelitenstaaten auf diese Waren der Sowjetunion angewiesen waren. Daraus ergab sich eine noch größere Versorgungskrise innerhalb der einzelnen Staaten. Die DDR stand durch diese Entwicklungen ebenfalls auf der Kippe. Zwar führte die Aufhebung der Breschnew-Doktrin zu neuen politischen Handlungsmöglichkeiten, eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme gab es auch bei der SED-Spitze allerdings nicht. Ungarn wählte einen liberaleren Weg und öffnete die Grenze zu Österreich, wodurch es zu einer wachsende Ausreisewelle aus der DDR über Ungarn kam. Diese Ausreisewelle zeigte einerseits die Unzufriedenheit einzelner Personen innerhalb der DDR, führte aber andererseits auch zu einer noch größeren Unzufriedenheit in der Bevölkerung, da sich die Bürger der kritischen Lage durch die Flucht ihrer ehemaligen Mitbürger noch bewusster wurden. Im Nachhinein wird die Ausreisewelle als mindestens genauso entscheidend wie die später aufkommenden Montagsdemos bezeichnet.2
Der eingeschlagene Weg der SED führte durch den Blick auf andere Staaten, wie Polen oder Ungarn, zu noch größerer Unzufriedenheit und es bildeten sich erste oppositionelle Gruppen, die die SED kritisierten. Diese oppositionellen Gruppen waren der Grundstein für das spätere Aufkommen der Bürgerbewegung und können somit, zusammen mit den zuvor genannten Punkten, als Anfang des Zerfalls der DDR genannt werden. Die SED wiederum verschloss sich weiterhin jedweder Kritik und sah in ihr eine gemeinsame Verschwörung des Westens gegen den Sozialismus. Das Regime schlug Demonstrationen in der gesamten DDR gewaltsam nieder und verzichtete auf Dialog oder eine Orientierung an demokratisierenden Staaten wie Polen oder Ungarn. Hier muss allerdings klargemacht werden, dass es weder der Meinung der neu gegründeten oppositionellen Gruppen noch der Meinung der zivilen Bürger entsprach, dass der Weg zur Besserung zwangsläufig eine deutsche Wiedervereinigung bedeutete. Eine große Mehrheit strebte lediglich die Modernisierung des Sozialismus an, keine kapitalistische Marktwirtschaft mit freiheitlich-demokratischen Verhält- nissen.3
Die geballte Unzufriedenheit kristallisierte sich daraufhin zunehmen an öffentlichen Plätzen, da die Bürger Räume zum Austausch suchten. Einer dieser Plätze war die Nikolaikirche in Leipzig, in welcher durch die montags stattfindenden Friedensgebete eine intime Atmosphäre vorhanden war, die immer mehr für politische Inhalte genutzt wurde. Dies war einer der Ausgangspunkte, die im weiteren Verlauf der Revolution allmählich eine Plattform für die Montagsdemonstrationen und damit für die Unzufriedenheit der Bürger bieten sollten. Zu Beginn konnte aufgrund der Überwachung der Stasi nur verdeckt und nicht öffentlich debattiert werden, trotzdem waren die Treffen in der Nikolaikirche der erste Schritt zu einem öffentlichen politischen Diskurs außerhalb von privaten Zusammenkünften.4
3 „Wir sind das Volk“ - Wie entstanden die Montagsdemonstrationen in Leipzig?
Der überaus bekannte Ausruf „Wir sind das Volk“ war ein essenzieller Teil der Demonstrationen und repräsentierte ein Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Bevölkerung. Sie zeigte dem SED-Regime damit, dass sie nicht zufrieden mit den Entscheidungen war und dass sie sich selbst und nicht die SED als Vertreter des Volkes sah. Außerdem dient er als Zeichen des Protests und hinterfragte erstmals öffentlich die Grundfeste der SED-Herrschaft.5
Wenn man die Vergangenheit betrachtet, war es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass es überhaupt zu Protesten kommen würde. Im Jahr 1953 gab es infolge von Bürgerprotesten ein brutales Niederschlagen von Demonstrierenden und diese Brutalität war bis in die achtziger Jahre tief im kollektiven Gedächtnis der DDR-Bürger verankert. Es führte zu Angst und Resignation in der Bevölkerung und der Glaube an einen erfolgreichen Widerstand war sehr gering. Dazu kam das brutale Niederschlagen des Studentenaufstandes in China, was die Angst einer „chinesischen Lösung“ der Stasi gegen die Demonstranten noch einmal verstärkte.6 Darüber hinaus war die Möglichkeit zum Widerspruch vom Kontrollsystem der Stasi und der erbauten Mauer beschränkt. Es existierte weder ein unkontrollierter öffentlicher Raum noch war es möglich das Land zu verlassen oder seriöse Informationen aus dem Ausland zu erhalten. Das Entstehen eines Widerstandes und Protests war nach den Erfahrungen 1953 und dem vorherrschenden System also sehr schwer. Die Angst vor Gewalt war enorm.7 Trotzdem gab es Faktoren, die zum Entstehen der Montagsdemonstrationen führten. Einerseits externe Faktoren, die im vorigen Kapitel bereits beschrieben wurden. Der Aufstieg Gorbatschows und die Massenflucht aus der DDR als wichtigste Auslöser. Andererseits interne Faktoren, die in Verbindung mit den externen Faktoren erst zum Entstehen und Erfolg der Montagsdemonstrationen führten und die Angst vor Gewalt vorerst in den Hintergrund rücken ließ. Als interne Faktoren wären die Mobilisierungsanstrengungen der aufkommenden oppositionellen Vereinigungen und langsam auch einzelner Bürgerbewegungen zu nennen, allgemein kann man allerdings keine einzelne Gruppe verantwortlich machen, sondern sollte sich auf alle Trägergruppen beziehen, auf die im nächsten Kapitel weiter eingegangen wird.8 Der Bevölkerung wurde klar, dass Passivität nicht zu Fortschritt führen würde und sie etwas tun mussten, um ihre Situation zu verbessern.9
Abgesehen davon werden drei strukturelle Bedingungen von Detlef Pollack aufgeführt, die die vorherrschende Unzufriedenheit noch verstärkten. Der erste Grund, der zur Unzufriedenheit der Bevölkerung und somit auch zum Entstehen der Montagsdemonstrationen geführt habe, wäre die Zentralisierung der politischen Macht in der SED. Sowohl Wirtschaft als auch Militär und innere Sicherheit lagen laut Pollack in der Hand des Staates. Dies habe die Politik der SED sehr effektiv, aber vor allem verletzlich und anfällig für Kritik und Widerspruch gemacht. Kritik an einem dieser Bereiche habe eine direkte Kritik am gesamten System dargestellt und musste somit unterdrückt, ausgegrenzt und verboten werden. Sollte diese Zensur nicht funktionieren würde es zu einer schnellen Ausbreitung der Systemkritik kommen. Durch diese Zentralisierung gab es kein politisches Entwicklungspotenzial und die Unzufriedenheit der Bevölkerung stieg.10
Als zweiten Grund sieht Pollack die enge Verflechtung von politischer Loyalität der Bevölkerung und ihrer Versorgung mit vom System produzierten Leistungen. Aufgrund der Planwirtschaft wurde ein Großteil der Waren direkt vom Regime in Auftrag gegeben und sobald dieses System an seine Grenzen geriet, richtete sich die gesamte Unzufriedenheit des Volkes direkt auf das System und ließ es an der Legitimität zweifeln.11
Der dritte entscheidende Grund für das Aufkommen der Montagsdemonstrationen sind die bereits beschriebenen Öffnungen zum Westen. Besuchsreisen in den Westen wurden von der SED leichter genehmigt, um die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu senken. Die Reaktion war allerdings das genaue Gegenteil, da mit dieser Maßnahme die Vergleichsmöglichkeiten stiegen und die Unzufriedenheit somit weiter zunahm. Damit wirkte diese Maßnahme nicht als Ventil für die Unzufriedenheit, sondern verschlimmerte die Situation. Hinzu kam der
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1 Michael Richter: Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1898/90. Dresden 2008, S. 27-32.
2 Ralph Jessen: Massenprotest und zivilgesellschaftliche Selbstorganisation in der Bürgerbewegung von 1989/90, in: Revolution und Vereinigung 1989/90 (2009), S. 163-177, hier: S. 166ff.
3 Richter: Die Friedliche Revolution, S.
4 Detlef Pollack: „Wir sind das Volk!“: sozialstrukturelle und ereignisgeschichtliche Bedingungen des friedlichen Massenprotests, in: Revolution und Vereinigung 1989/90 (2009), S. 178-197.
5 Ebd. Hier S. 178.
6 Hartmut Zwahr: Das Ende einer Selbstzerstörung. Leipzig und die Revolution in der DDR. Göttingen 1993, S. 81.
7 Pollack: „Wir sind das Volk!“, S. 179.
8 Pollack: „Wir sind das Volk!“, S. 181ff.
9 Jessen: Massenprotest und zivilgesellschaftliche Selbstorganisation in der Bürgerbewegung von 1989/90, S. 168ff.
10 Pollack: „Wir sind das Volk!“, S. 181ff.
11 Ebd.