Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Wiederentdeckung und Reetablierung des Hamburger Advokaten und Librettisten Christian Heinrich Postel leisten sowie sein Verhältnis zu Góngora eingehend untersuchen. Hierzu erfolgt zunächst eine nähere Betrachtung des Dichters Góngora und seine Poetik wird zu der Marinos abgegrenzt. Anschließend soll ein Blick auf Postels Poetik geworfen werden und der literarische und historische Kontext um Postel in Bezug auf die spanische Kultur und Literatur sowie Góngora wird näher beleuchtet. Danach folgt eine Analyse von Góngoras Sonett "Mientras por competir" und Postels Übersetzung des Sonetts, um anschließend, anhand der Analyse einer Arie aus Postels "Die wunderbahr-errettete Iphigenia", herauszuarbeiten, ob und inwiefern Stilelemente aus Góngoras Werk in Postels Poetik übergegangen sind.
Die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts wurde durch Einflüsse vieler fremder Kulturen geprägt. Vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, ab 1660, dominierte eine manierierte Stilisierung die deutsche Literatur. Der Manierismus war ein europaweites Phänomen, bei dem sich die Autoren der Zeit an Modeautoren wie Lyly in England, Marino in Italien und Góngora in Spanien orientierten. Besonders Marino hatte hierbei großen Einfluss auf die deutschen Schriftsteller. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass Postel ein Gedicht Marinos, das Madrigal Nr. 52, übersetzte.
Dieser italienische Einfluss auf die deutschen Schriftsteller durch die Poetik Marinos ist allgemein bekannt. Der spanische Einfluss dagegen wurde noch nicht gebührend gewürdigt, auch wenn dieser ebenfalls sehr groß war.
So blieb Christian Heinrich Postel von Góngoras Poetik vermutlich nicht unbeeinflusst. Er übersetzte schon 1699 ein Sonett Góngoras und verfasste 1704 außerdem eine Epistel über die spanische Literatur, in welcher er vor allem Góngora lobend hervorhob. Bis heute fehlen jedoch nähere Untersuchungen über den spanischen Einfluss auf deutsche Dichter wie beispielsweise Postel. Dieser geriet im Zuge der allgemein abschätzigen Beurteilung des literarischen Stils des späten 17. Jahrhunderts in Vergessenheit und noch heute sind die Informationen zum Einfluss der Poetik Góngoras auf Postels spärlich.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Autorenporträts
2.1 Luis de Góngora y Argote
2.2 Christian Heinrich Postel
3. Postels Lebenswelt
3.1 Literarischer Kontext
3.2 Historischer Kontext
4. Analyse
4.1 Luis de Góngora: Mientras por competir
4.2 Christian Heinrich Postel: Aus des vortrefflichen Hispanischen Poeten D. Luis de Gongora seinen Getichten das IX. Sonnet
4.3 Christian Heinrich Postel: Mein entz uͤ ndetes Verlangen
5. Schluss
6. Bibliographie
1. Einleitung
Die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts wurde durch Einflüsse vieler fremder Kulturen geprägt. So wurde der französische Alexandriner in der deutschen Lyrik eingeführt, der italienische Petrarkismus beeinflusste das Bild der idealen Dame in der Literatur und der spanische Schelmenroman erhielt in Deutschland großes Ansehen und bewegte die Deutschen zur Imitation. Vor allem aber in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, ab 1660, dominierte eine manierierte Stilisierung die deutsche Literatur. Der Manierismus war ein europaweites Phänomen, bei dem sich die Autoren der Zeit an Modeautoren wie Lyly in England, Marino in Italien und Góngora in Spanien orientierten. Besonders Marino hatte hierbei großen Einfluss auf die deutschen Schriftsteller. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass der Hamburger Advokat und Librettist Christian Heinrich Postel ein Gedicht Marinos, das Madrigal Nr. 52, übersetzte.
Dieser italienische Einfluss auf die deutschen Schriftsteller durch die Poetik Marinos ist allgemein bekannt. Der spanische Einfluss dagegen wurde noch nicht gebührend gewürdigt, auch wenn dieser ebenfalls sehr groß war. In seiner Studie über die „Iberische Klassik“ schrieb August Rüegg im Jahre 1956:
Die zweite schlesische Schule umfaßt eine Reihe von Dichtern, die nach dem Muster des Spaniers Góngora und des Italieners Marini sich der Pflege künstlicher und erkünstelter Formen hingeben. Ihre Hauptvertreter sind Christian Hofmann von Hofmannswaldau, […] Christian Günther, […] Barthold Heinrich Brockes, […] und Christian Reuter […].1
Auch Christian Heinrich Postel blieb von Góngoras Poetik vermutlich nicht unbeeinflusst. Er übersetzte schon 1699 ein Sonett Góngoras und verfasste 1704 außerdem eine Epistel über die spanische Literatur, in welcher er vor allem Góngora lobend hervorhob. Bis heute fehlen jedoch nähere Untersuchungen über den spanischen Einfluss auf deutsche Dichter wie beispielsweise Postel. Dieser geriet im Zuge der allgemein abschätzigen Beurteilung des literarischen Stils des späten 17. Jahrhunderts in Vergessenheit und noch heute sind die Informationen zum Einfluss der Poetik Góngoras auf Postels spärlich.
Die folgende Arbeit soll nun einen Beitrag zur Wiederentdeckung und Reetablierung Postels leisten sowie sein Verhältnis zu Góngora eingehend untersuchen. Hierzu erfolgt zunächst eine nähere Betrachtung des Dichters Góngora und seine Poetik wird zu der Marinos abgegrenzt. Anschließend soll ein Blick auf Postels Poetik geworfen werden und der literarische und historische Kontext um Postel in Bezug auf die spanische Kultur und Literatur sowie Góngora wird näher beleuchtet. Danach folgt eine Analyse von Góngoras Sonett „Mientras por competir“ und Postels Übersetzung des Sonetts, um anschließend, anhand der Analyse einer Arie aus Postels „Die wunderbahr-errettete Iphigenia“, herauszuarbeiten, ob und inwiefern Stilelemente aus Góngoras Werk in Postels Poetik übergegangen sind.
Walter Pabst schrieb: „Dass Postel, den Góngora trotz seiner Schwierigkeit so faszinierte, die Werke des Spaniers auch in seinen Dichtungen als Vorbild und Muster gebrauchte, ist nicht schwer zu vermuten. Aber es ist schwer zu beweisen.“2 In der folgenden Arbeit soll hierzu nun ein Teil beigetragen werden.
2. Autorenporträts
2.1 Luis de Góngora y Argote
Luis de Góngora y Argote (1561–1627 ) gilt als einer der wichtigsten Dichter der spanischen Literaturgeschichte. Er führte die zweite große Revolution in der spanischen Poesie an und galt als Referenzfigur an dem sich die ganze Welt orientierte und den viele imitierten. Als Sohn einer wohlhabenden Familie war sein Beruf im Bereich der Kirche schon früh vorbestimmt. Im Rahmen seiner Arbeit als Priester reiste er viel und hatte Zeit zu Schreiben. Neben einem schmalen Briefkorpus und zwei Dramen war Góngora hauptsächlich in der Lyrik tätig. Er schrieb viele Kurzgedichte, unter anderem Letrillas, Sonette und vor allem Romanzen. Darüber hinaus verfasste er drei umfangreichere Gedichte: seine „Soledades“, die „Fábula de Polifemo y Galatea“ sowie sein „Panegírico al Duque de Lerma“.3
Sein Werk lässt sich stilistisch in zwei Abschnitte teilen. Zunächst schrieb Góngora in traditioneller Manier. Dieser Teil seines Werkes wird unter dem Begriff der ‚poesía popular‘ zusammengefasst. Um 1611 wandelte sich Góngoras Schreibart. Sein Stil wurde individueller und er begann kulteranistisch zu schreiben. Sein Schaffen nach 1611 wird aus diesem Grund mit dem Begriff der ‚poesía culta‘ beschrieben. Gemeinsam mit Lope de Vega erneuerte Góngora, im Rahmen dieses ‚estilo culto‘, die Romanzendichtung. Seine Kunstromanzen riefen im Spanien des 17. Jahrhundert ein neues Interesse für diese in Vergessenheit geratene Gedichtgattung hervor.4
Ab dem Jahre 1611 etablierte Góngora somit seine eigene Schreibart, den ‚culteranismo‘, auch Gongorismus genannt. Dieser zeichnete sich vor allem durch ein extravagantes Spiel mit Klang, Form und Phantasie aus.5 Die Poesie wurde als eine Art mechanisches System verstanden, in welchem ein Zahnrad in das andere greift und welches in all seiner Komplexität nur funktionieren kann, wenn alle Bereiche genau aufeinander abgestimmt sind. Adolf Ebert bezeichnet Góngora in diesem Zusammenhang als „Repräsentant[en] einer verkünstelten Poesie“.6
Auf der Wortebene äußerte sich dies zum Beispiel durch die häufige Verwendung von überladenen rhetorischen Figuren, spitzfindigen Wortspielen, Periphrasen, außergewöhnlichen Metaphern und antithetischen Zuspitzungen.7 Hierbei war sein Stil grob gemischt, ließ er noch im einen Satz hochgebildete Phrasen verlauten, so konnte der nächste Satz in überraschend volkstümlichem Wortlaut verfasst sein. Der Gebrauch von schweren Fremdwörtern forderte einen sprachlich gebildeten Leser und die komplexen mythologischen Allusionen Góngoras verlangten dem Leser eine tiefgreifende, umfangreiche Kenntnis der Mythologie ab. Auch die lateinische Sprache fand Eingang in das Werk Góngoras. Durch sogenannte ‚cultismos léxicos‘ versuchte er die spanische Sprache zu bereichern und sie an das Lateinische anzunähern.8 Dies tat er jedoch keinesfalls, um das Spanische an das Lateinische anzugleichen. Vielmehr sollte die Annäherung an die lateinische Sprache dazu dienen, mit ihr zu rivalisieren und der spanischen Sprache mehr Würde zu verleihen. Auch auf der syntaktischen Ebene fand eine solche Annäherung statt. Zusammengefasst unter dem Begriff der ‚cultismos sintácticos‘ bediente sich Góngora einer freien Wortstellung und des hypotaktischen Satzbaus. Mithilfe dieser künstlerischen Mittel etablierte Góngora somit den sogenannten ‚estilo culto‘, den ‚gebildeten‘ Stil.9
Parallel zum Gongorismus in Spanien entwickelten sich im Europa des beginnenden 17. Jahrhunderts in anderen Ländern verwandte Stilströmungen, die unter dem Begriff des ‚Manierismus‘ zusammengefasst und in sich jeweils nach ihrem Hauptvertreter benannt wurden.
In diesem Zusammenhang sticht besonders der Italiener Giambattista Marino (1569–1625) hervor, der als vielleicht wichtigster Dichter des 17. Jahrhunderts in Italien gilt. Seine Spielart des Manierismus, der sogenannte Marinismus, zeichnete sich vor allem durch einen kunstvollen, mit Metaphern und Bildern geschmückten Stil aus. Seine Manier umfasste, im Gegensatz zum Gongorismus, zunächst weniger die sprachlichen Extravaganzen, als vielmehr den inhaltlichen Aspekt. Die ästhetischen Ideale von Künstlichkeit und Scharfsinn (‚argutezza e ingenio‘) sowie die gesuchte Bildlichkeit (‚concetto‘) prägten den Marinismus, welcher aus diesem Grund auch Concettismo genannt wurde.
Der Fokus lag auf dem ‚concetto‘, denn die geistreiche Pointe sollte die Intellektualität und den Scharfsinn des Dichters beweisen und den Leser überraschen. Auf diesen Effekt zielten auch Marinos gesteigerte Antithetik sowie seine Metaphern, Vergleiche und Allegorien ab, in welchen er versuchte Analogien aus disparaten Wirklichkeitsbereichen herzustellen. Der Leser sollte dadurch zu einer neuen Weltsicht angeregt werden.10 Auch die Vermischung von Sakralem und Profanem sollte hierzu beitragen. Ziel war stets das Unerwartete, was Marino auch durch seine Orientierung am Publikum und den damit verbundene Regelbruch hervorrufen konnte. Er sah die Tradition als Materialfundus an und mit seiner ästhetischen Autonomie war Marino ein Vorläufer für die Moderne.
Während sich der Manierismus zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Europa etablierte, fasste in Deutschland gerade erst die klassizistische Reform Opitz‘ Fuß. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als in der Manierismus in den übrigen europäischen Ländern bereits dem Ende nahe war, kam es zu einer Öffnung in der deutschen Literatur. Im Zuge der Beendigung des dreißigjährigen Krieges, versuchten die Deutschen ihre kulturelle Rückständigkeit durch den Import moderner europäischer Vorbilder zu kompensieren. So begannen sie die wichtigsten Repräsentanten zu kopieren und mit ihnen wettzueifern. Obgleich Marino hierbei als Musterautor hervorzuheben ist, beeinflusste auch Góngora die Deutschen. Dies zeigt sich bei einer näheren Betrachtung des Schriftstellers Christian Heinrich Postel.
2.2 Christian Heinrich Postel
Wie schon sein Vater, der sich neben seiner Arbeit als evangelischer Pastor literarisch betätigte, war auch der Advokat Christian Heinrich Postel (1658–1705) ein „Schriftsteller[ ] in freien Stunden“.11 Sein Werk umfasste zahlreiche Gattungen, wobei die Opernlibretti die größte Gruppe darstellten. Allein zwischen 1688 und 1702 schrieb Postel 25 Stücke für die Hamburger Oper, welche er zum Teil selbstständig bearbeitete, zum Teil aber auch mit Orientierung an fremden Vorbildern verfasste.12 Neben den Libretti schrieb er außerdem zwei Prosaarbeiten, ein unvollendetes Epos, eine Ilias-Übersetzung, ein Passionslibretto und zahlreiche Gedichte.13 Nichtsdestotrotz hatte Postel in der deutschen Literaturwissenschaft lange Zeit keinen Platz inne und geriet in Vergessenheit, obwohl die Betrachtung seines Gesamtwerkes sehr deutlich macht, dass er sehr wohl Beachtung verdient hätte.
Seine periphere Positionierung rührte einerseits daher, dass er vor allem als Librettist gefeiert war und sein Name somit eher mit der Oper in Verbindung gebracht wurde. Seine Textbücher blieben darüber hinaus lange Zeit nur schwer zugänglich, da sie meist in Sammelbänden gedruckt waren und nur in den Musikabteilungen weniger Universitäten lagen.14 Andererseits bewirkte die retrospektive Kritik an der Oper sowie an der barocken Schreibart, dass Postel ein ähnliches Schicksal erlitt, wie viele seiner Zeitgenossen. Seine Opern verschwanden nach und nach vom Spielplan oder wurden umfassend bearbeitet und an den neuen Geschmack angepasst. Postels erfolgreichste Oper „Die wunderbahr-errettete Iphigenia“, die er 1699 veröffentlichte, wurde im Laufe der Zeit immer mehr verändert. So erhielt beispielsweise der Text eine Verkürzung, neue Szenenbilder wurden einfügt und auch die Arien und Rezitative wurden verkürzt und an den Geschmack der Zeit angepasst.15
Johann Christoph Gottsched kritisierte 1734 den Text von Postels Iphigenia in seinem Artikel „Von dem Bathos in den Opern“, dem Vorwort zu Johann Joachim Schwabes „Anti-Login, oder, Die Kunst in der Poesie zu kriechen“ (Leipzig, 1734). In den 1730er Jahren setze Gottsched sich allgemein mit der Oper auseinander und bewirkte eine generelle Ablehnung der Oper in der deutschen Literatur. Die Gattung erhielt dadurch immer mehr den Ruf eines kaum kritikwürdigen Fremdelements der Literatur.16
Postels Verbindungen zur Zweiten Schlesischen Schule, welche sich beispielsweise in der schwülstigen Ausdrucksweise seiner Textbücher zeigten, wirkten sich noch dazu negativ auf sein Andenken aus, denn die rückblickende Abwendung vom barocken Schwulst in den späteren Generationen trug ebenfalls dazu bei, dass der Schriftsteller in Vergessenheit geriet.17 Schon im Winter 1700, als sich Postel auf eine längere Reise nach Italien begab, konnte er in der Accademia dell’Arcadia in Rom selbst einer Diskussion über die Veredelung der Dichtersprache durch die Bekämpfung des barocken Schwulstes lauschen.18 Während dieses Aufenthaltes in Italien hatte Postel unter anderem die Möglichkeit Handschriften Tassos und Marinos einzusehen, was ihn möglicherweise dazu veranlasst haben könnte, Marinos Madrigal Nr. 52 zu übersetzen. Bewiesen ist dies jedoch nicht.19
Neben seinem Interesse für die italienische Literatur war Postel auch ein Kenner der spanischen. So hatte er 1693 für die Hamburger Oper ein Libretto aus Calderóns „La vida es sueño“ bearbeitet und sprach, neben vielen weiteren Sprachen, auch Spanisch.20 Er besaß profunde Kenntnisse der spanischen Literatur, die er beispielsweise in seiner Epistel „De linguae Hispanicae difficultate elegantia et utilitate“ bekundete. Dieser gelehrte Artikel über die spanische Sprache und Literatur enthielt die erste lobende Würdigung des Dichters Góngora von einem Deutschen.21 Außerdem übersetzte Postel 1699 Góngoras Sonett „Mientras por competir“, das er 1700 im Rahmen der Homerübersetzung „Die listige Juno“ herausgab.22 Postel stellte Góngora mit dieser Übersetzung und der lobenden Epistel den deutschen Lesern vor. Mit seinem Interesse für den Dichter stand er im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert jedoch vorerst alleine da. Zwar prägte Góngoras Stil schon im 17. Jahrhundert die deutsche Lyrik mit, doch erst im Laufe des 18. Jahrhunderts erhielt sein Werk und vor allem seine Romanzendichtung in Deutschland wirklich Aufmerksamkeit.23
Aus diesem Grund stellt sich die Frage, woher Postels frühes Interesse für Góngora und die spanische Literatur rührt. Durch seine Reisen und Studien erwarb sich Postel zwar umfassende Kenntnis vieler Sprachen und Kulturen, doch auch die generellen Lebensumstände um den Advokaten mögen wohl zu seinem Interesse an Spanien und dem Dichter Góngora beigetragen haben. Aus diesem Grund soll nun der literarische und historische Kontext um Postel betrachtet werden, um den Schriftsteller zu verorten und den spanischen Einfluss im Deutschland des ausgehenden 17. Jahrhunderts zu ergründen. Hierbei wird außerdem kurz auf die generelle Entwicklung der Góngora-Rezeption in Deutschland eingegangen.
3. Postels Lebenswelt
3.1 Literarischer Kontext
Wie bereits erwähnt war Deutschland in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, nach dem 30-jährigen Krieg, von kultureller Rückständigkeit geprägt. Die deutschen Schriftsteller suchten neue Anregungen und so wurden als Ausgleichsstrategie moderne europäische Vorbilder importiert und imitiert. Ab den 1660er Jahren orientierten sich die deutschen Schriftsteller deshalb am Stil des europäischen Manierismus. Der manierierte Stil zeichnete sich unter anderem durch einen ausgefeilten rhetorischen Apparat, das Übergewicht der Rhetorik beziehungsweise ‚verba‘ gegenüber dem ‚res‘, dem ironischen Spiel mit Tradition sowie einer beinahe blasphemischen Verbindung von Weltlichem und Geistlichem aus. Hierbei beeinflusste vor allem Marinos Poetik die deutsche Literatur.
[...]
1 August Rüegg: Iberische Klassik. In: Handbuch der Weltgeschichte. Hg. von Alexander Randa. Bd. 2. Olten/Freiburg im Breisgau 1956, Sp. 1499.
2 Walter Pabst: Góngoras Nachruhm in Deutschland. In: Wort und Text. Festschrift für Fritz Schalk. Hg. von Harri Meier/Hans Sckommodau. Frankfurt am Main 1963, S. 256.
3 Martin Franzbach: Geschichte der spanischen Literatur im Überblick. Stuttgart 2002, S. 139.
4 Ebd.
5 Martin Franzbach: Geschichte, S. 132.
6 Adolf Ebert: Literarische Wechselwirkungen Spaniens und Deutschland. In: Deutsche Vierteljahrs-Schrift. Zweites Heft. Stuttgart/Augsburg 1857, S. 91.
7 Martin Franzbach: Geschichte, S. 132.
8 Unter ‚cultismo léxico‘ wird die Adaption eines lateinischen Wortes ins Spanische verstanden. Im heutigen Spanisch gibt es sehr viele Worte, die durch Góngora Eingang in den Wortschatz der Sprache gefunden haben.
9 Adolf Ebert: Literarische Wechselwirkungen, S. 91.
10 Giuseppe Petronio: Geschichte der italienischen Literatur. Bd. 2. Tübingen/Basel 1993, S. 57f.
11 Solveig Olsen: Christian Heinrich Postels Beitrag zur deutschen Literatur. Versuch einer Darstellung. Amsterdam 1973, S. II.
12 Adam Schneider: Spaniens Anteil an der Deutschen Litteratur des 16. und 17. Jahrhunderts. Straßburg i.E. 1898, S. 301.
13 Solveig Olsen: Christian Heinrich Postels Beitrag, S. III.
14 Ebd.: S. IIf.
15 Ebd.: S. 178.
16 Ebd.: S. 254, II.
17 Ebd., Adam Schneider: Spaniens Anteil, S. 301.
18 Solveig Olsen: Christian Heinrich Postels Beitrag, S. 14f.
19 Solveig Olsen: Christian Heinrich Postels Beitrag, S. 14.
20 Rudolf Großmann: Der Kulturaustausch der Hansestädte mit den iberoamerikanischen Ländern. In: Ibero-Amerikanische Studien. Bd. 5. Hg. von Harri Meier. Hamburg 1937, S. 32.
21 Walter Pabst: Góngora als Musterautor in Deutschland. Berichte über Nachdichtungen in drei Jahrhunderten. In: Romanistisches Jahrbuch XII. Hamburg 1961, S. 314.
22 Solveig Olsen: Christian Heinrich Postels Beitrag, S. 16.
23 Ebd.: S. 209.