Die zentrale Frage dieser Arbeit ist: Haben Defizite in der Emotionsregulation Einfluss auf psychische Erkrankungen wie Depressionen? Die Psychologie als Wissenschaft lässt sich in verschiedene Teilgebiete untergliedern. Die allgemeine Psychologie stellt eine dieser Teildisziplinen dar und verfolgt einen universalistischen Ansatz, der sich für die Gemeinsamkeiten der menschlichen Gattung interessiert und Unterschiede dabei außer Acht lässt. Der Fokus liegt bei dieser Disziplin primär auf dem Ablauf von psychischen Vorgängen und nicht auf deren Inhalt. In diesem Grundlagenfach kann zwischen verschiedenen Schwerpunkten differenziert werden, wie Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis, Emotion und Motivation. Mit dem vielschichtigen Konzept "Emotion" befasst sich insbesondere die Emotionspsychologie und erforscht in diesem Rahmen die Komponenten, Funktionen und physiologischen Grundlagen von Emotionen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Relevanz des Themas
2.1 Aktualität und Forschungsstand
2.2 Herausforderung im Bereich der Forschung zu Emotionsregulation
2.3 Definition von Emotion, Emotionsregulation und Depression
2.4 Emotionsregulation und psychische Gesundheit
3 Methodisches Vorgehen
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
Die Psychologie als Wissenschaft lässt sich in verschiedene Teilgebiete untergliedern. Die Allgemeine Psychologie stellt eine dieser Teildisziplinen dar und verfolgt einen universalistischen Ansatz, der sich für die Gemeinsamkeiten der menschlichen Gattung interessiert und Unterschiede dabei außer Acht lässt. Der Fokus liegt bei dieser Disziplin primär auf dem Ablauf von psychischen Vorgängen und nicht auf deren Inhalt (Müsseler & Rieger, 2017, S. 4). In diesem Grundlagenfach kann zwischen verschiedenen Schwerpunkten differenziert werden, wie Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis, Emotion und Motivation (Gazzaniga, Heatherton & Halpern, 2017, S. 55). Mit dem vielschichtigen Konzept »Emotion« befasst sich insbesondere die Emotionspsychologie und erforscht in diesem Rahmen die Komponenten, Funktionen und physiologischen Grundlagen von Emotionen (Brandstätter, Schüler, Puca & Lozo, 2018, S. 164 f.). Dem Philosophen Aristoteles wird das geflügelte Wort zugeschrieben:
„ Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.”1
Dieses Zitat, welches auf die Nikomachische Ethik zurückgeht, verdeutlicht, wie wichtig es für den Menschen ist, seine Emotionen unter Kontrolle zu haben und dass nicht jeder dazu in der Lage ist. Diese Kontrolle und Regulation von Emotionen ist laut der Deutschen Gesellschaft für Psychologie eines der aktuell wichtigsten Forschungsthemen in der Allgemeinen Psychologie (Deutsche Gesellschaft für Psychologie e.V., 2019). Dies ist unter anderem der Fall, da durch die Regulation von Emotionen das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit des Einzelnen gefördert wird (Barnow, Reinelt & Sauer, 2016, S. 6).
Inwiefern die psychische Gesundheit mit der Emotionsregulation (ER)2, beziehungsweise mit Defiziten bezüglich dieser Fähigkeit zusammenhängt soll daher anschließend thematisiert und am Beispiel von Depressionen erläutert werden. Depressionen gehören laut der Gesundheitsberichterstattung des Bundes in Deutschland (Robert Koch-Institut, 2016, S. 43 f.) zu den häufigsten psychischen Störungen, da 19 Prozent der Erwachsenen innerhalb eines Jahres davon betroffen sind. Die psychische und körperliche Gesundheit ist maßgeblich für das Wohlbefinden, eine hohe Lebensqualität und Leistungsfähigkeit, daher ist es vor diesem Hintergrund für uns alle von Interesse die Forschung in diesen Bereichen weiter auszubauen (Rapaport, Clary, Fayyad & Edicott, 2005, S. 1171 f.). Die Frage: “Haben Defizite in der ER Einfluss auf psychische Erkrankungen wie Depressionen?”, soll als Kernthema in dieser Arbeit behandelt werden.
2 Relevanz des Themas
2.1 Aktualität und Forschungsstand
Wie zuvor schon angeführt wurde hat die ER eine große Bedeutung für die psychische Gesundheit und das Wohlergehen, weshalb sich die Forschung in diesem Bereich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat. Ein besonderer Fokus liegt dabei meist darauf inwiefern sich verschiedene Emotionsregulationsstrategien in ihrer Effektivität unterscheiden (Barnow, Reinelt & Sauer, 2016, S. 6). Diese Emotionsregulationsstrategien sind außerdem wichtig für eine resiliente Entwicklung (Holl et al., 2017, S. 88 f.). Damit ist gemeint, dass man sich trotz ungünstiger Lebensumstände und kritischer Lebensereignisse erfolgreich zu einem widerstandsfähigen Individuum entwickelt (Wirtz, 2020, S. 1517). Daraus wird deutlich, dass die ER essentiell ist um den Menschen vor Risikofaktoren zu schützen. Aus diesem Grund wird das Themengebiet aktuell in mehreren Forschungsprojekten behandelt (Wahner, 2019).
Bei der Untersuchung emotionaler Regulationsprozesse werden laut Barnow (2012, S. 115-117) neben psycho- und neurophysiologische Methoden immer häufiger bildgebende Verfahren, wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), verwendet.
Außerdem wurde speziell zur Erfassung der interindividuellen Unterschiede im Gebrauch von Emotionsregulationsstrategien ein Fragebogen entworfen. Der Fokus liegt darin laut Brandstätter et al. (2018, S. 235) auf den Strategien „kognitive Neubewertung“ und „Unterdrückung emotionalen Ausdrucksverhaltens“. Im Rahmen einer Neubewertung wird der Inhalt des Gedachten angepasst um negative Gefühle zu reduzieren, wohingegen diese bei einer Unterdrückung lediglich verschwiegen werden.
2.2 Herausforderung im Bereich der Forschung zu Emotionsregulation
Im Forschungsbereich der ER gibt es eine zentrale Herausforderung. Verschiedene Studien verwenden unterschiedliche Methoden und Definitionen um die ER zu erforschen. Dies erschwert die Kommunikation und den Austausch in dem Fachbereich, da verschiedene Auffassungen vertreten werden, um was es sich bei ER genau handelt. Bloch et al. (2010, S.90) verweisen auf die Definitionen von verschiedenen Theoretikern und Forschern, die versucht haben, sich an eine Begriffsdefinition anzunähern, darunter Gross, Thompson, Gratz und Römer, Eisenberg und Morris, sowie Dodge. Eine universelle Definition wäre jedoch essenziell, um für ein einheitliches Verständnis zu sorgen und würde außerdem dazu führen, dass die Forschung schneller die nötigen Fortschritte machen kann (Bloch, Moran & Kring, 2010, S. 99). Barnow (2020, S. 235-239) zufolge ist es außerdem wichtig, dass weitere Möglichkeiten zur Erfassung der ER entwickelt werden, mehr Längsschnittstudien stattfinden und Möglichkeiten zum Training der ER herausgearbeitet werden.
2.3 Definition von Emotion, Emotionsregulation und Depression
Nachfolgend sollen, für ein besseres Verständnis, die zentralen Begrifflichkeiten „Emotion“ und „Emotionsregulation“ definiert und voneinander abgegrenzt werden. Wie bereits angemerkt gibt es für die Terminologie „Emotionsregulation“ unterschiedliche Definitionen. Im nachfolgenden soll auf der Definition von James J. Gross aufgebaut werden, der den Prozess der ER untersucht hat. Diese besagt, dass ER die Einflussnahme darauf ist, welche Gefühle man hat, wann man diese hat und wie man diese Emotionen erlebt und ausdrückt (Gross, 1998b, S. 275). Die ER setzt sich sowohl aus Gefühls- und Erregungs- als auch Ausdrucksregulation zusammen (Brandstätter, Schüler, Puca & Lozo, 2018, S. 242).
Zudem ist die ER vom Coping als übergeordnetem Begriff abzugrenzen. Coping umfasst, im Gegensatz zur Emotinsregulation, nicht nur gedankliche Prozesse sondern auch Verhaltensweisen. Nach der allgemeingültigen Definition handelt es sich bei Coping um: „constantly changing cognitive and behavioral efforts to manage specific external and/or internal demands that are appraised as taxing or exceeding the resources of the person“(Lazarus & Folkman, 1984, S. 141).
Es gibt verschiedene Beweggründe, die einen Menschen dazu veranlassen auf seine Emotionen und deren Ausdruck Einfluss zu nehmen. Zum einen sollen negative affektive Zustände vermieden oder beseitigt und positive Zustände aufrechterhalten oder herbeigeführt werden, zum anderen sollen damit soziale Ziele verfolgt werden (Brandstätter, Schüler, Puca & Lozo, 2018, S. 224). Das bedeutet, dass wir unsere Emotionen so regulieren, dass sie uns helfen, Nähe und Zusammenarbeit mit einigen aufzubauen oder aufrechtzuerhalten, aber auch um für Trennung und Distanz zu sorgen, wenn dies notwendig ist (Fischer & Manstead, 2016, S. 433).
Es kann außerdem zwischen zwei grundlegenden Arten der ER unterschieden werden. Die antezedenzfokussierte ER ist eine frühzeitige Strategie, welche die Situationsauswahl, die Modifikation der Situation, die Aufmerksamkeitslenkung oder -verteilung und die kognitive Veränderung oder Neubewertung umfasst. Um bei intensiven, laufenden emotionalen Erfahrungen den Ausdruck oder die physiologische Reaktion der Emotion zu vermindern, verlängern oder einzuschränken werden hingegen reaktionsfokussierte Emotionsregulationsstrategien eingesetzt (Gross, 1998a, S. 225).
Die Arbeiten von Frijda (1986, S. 256), Izard (1977, S. 4) und Ekman (2010, S. 326) bieten verschiedene Ansätze zur Begriffsdefinition der Emotion an. Da sich Gross (1998b, S. 273) jedoch auf die These von William James stützt, soll seine Emotionsdefinition dieser Arbeit zu Grunde liegen. Demnach sind Emotionen die Folge von körperlichen Veränderungen, die durch die Wahrnehmung von emotionsauslösenden Sachverhalten entstehen. James betont dabei jedoch, dass er sich nur auf Emotionen bezieht, die mit deutlichen körperlichen Symptomen einhergehen, wie Überraschung, Angst, Wut, oder dergleichen (James, 1884, S. 189 f.). Aufgrund der verschiedenen Perspektiven wurde eine allgemeingültige Arbeitsdefinition erstellt, laut derer Emotionen sowohl subjektive, als auch objektive Komponenten umfassen, welche durch neuronal-hormonale Systeme übermittelt werden. Diese können zu affektiven Erfahrungen führen (z.B. Gefühle von Erregung oder Vergnügen), kognitive Prozesse erzeugen (z.B. Wahrnehmungseffekte oder Beurteilungen), physiologische Anpassung an die erregende Bedingung aktivieren oder zu einem Verhalten führen, das meistens, aber nicht immer, expressiv, zielgerichtet und anpassungsfähig ist (Kleinginna & Kleinginna, 1981, S. 355).
Um anschließend einen Zusammenhang von ER und Depressionen herstellen zu können, soll nun genauer beschrieben werden welche Symptomatik typisch für die häufigste psychische Beeinträchtigung ist. Die Leitsymptome der psychischen Störung sind Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit. Weitere wesentliche Merkmale sind laut Hautzinger (1998, S. 3) Beeinträchtigung der Stimmung, emotionale Leere und zahlreiche körperliche Beschwerden. Im Fokus der Symptomatik stehen ebenso weitere Störungen, die das affektive Erleben beeinträchtigen, wie Manie, Persönlichkeitsauffälligkeiten, Ängste und ebenso Furcht- und Trauerreaktionen. Diese Komorbiditäten sind häufig mit Depressionen verbunden.
[...]
1 Der Wortlaut in der Nikomachischen Ethik in der Übersetzung von Dr. theol. Eug. Rolfes (1921) lautet „So ist es auch jedermans Sache und ein Leichtes, zornig zu werden und Geld zu verschenken und zu verzehren. Aber das Geld zu geben, wem man soll und wie viel man soll, und wann und weswegen und wie, das ist nicht mehr jedermans Sache und nicht leicht.“ (Aristoteles, S. 28, 1109a)
2 Im Nachfolgenden wird Emotionsregulation mit ER abgekürzt