In dieser Arbeit widme ich mich der Frage, wie sich die mythologische Vorstellung des Kosmos innerhalb des tibeto-burmesischen Kulturkreises auf die Wahrnehmung der tatsächlichen geographischen Begebenheiten in den Himalayas auswirkt. Darüber hinaus beschäftige ich mich damit, wie sich diese Auswirkungen auf die rituellen, verbalen Reisen der Schamanen übertragen lassen.
Ich beginne die Arbeit mit der Darlegung der tibeto-burmesischen Kosmologie und deren Projektion auf die realen, topographischen Begebenheiten des Siedlungsgebiets der tibeto-burmesischen Stämme in den Himalayas. Der zweite Abschnitt der Arbeit ist zweigeteilt. Im ersten Teil widme ich mich den verbalen, rituellen Reisen der tibeto-burmesischen, schamanischen Tradition. Der zweite Teil des Abschnitts beleuchtet die Auswirkungen der Projektion der mythologischen Kosmologie auf die Topografie auf die verbalen, rituellen Reisen – sowohl auf die Diesseits- als auch auf die Jenseitsreisen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die tibeto-burmesische Kosmologie
3 Die tibeto-burmesische Kosmologie und die rituellen Reisen der Schamanen
4 Konklusion
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In dieser Arbeit widme ich mich der Frage wie sich die mythologische Vorstellung des Kosmos innerhalb des tibeto-burmesischen Kulturkreises auf die Wahrnehmung der tatsächlichen geographischen Begebenheiten in den Himalayas auswirkt. Darüber hinaus beschäftige ich mich damit wie sich diese Auswirkungen auf die rituellen, verbalen Reisen der Schamanen übertragen lassen.
Ich beginne die Arbeit mit der Darlegung der tibeto-burmesischen Kosmologie und deren Projektion auf die realen, topographischen Begebenheiten des Siedlungsgebiets der tibeto-burmesischen Stämme in den Himalayas.
Der Kosmos wird anhand zweier Achsen imaginiert: der vertikalen und der horizontalen.
Der erste Abschnitt ist daher in zwei Teile gegliedert, wobei ich mich in dem ersten mit der vertikalen Achse der Welt und den auf ihr liegenden drei Sphären des Kosmos – Oberwelt, irdische Welt, Unterwelt – beschäftige. Der Fokus des zweiten liegt auf der horizontalen Achse. Im Zuge dessen werde ich mich auch mit der Projektion der Kosmologie, die auf der tibeto-burmesischen Mythologie basiert, auf die tatsächlichen geographischen Begebenheiten auseinandersetzen und aufzeigen, welche Auswirkungen diese auf die räumliche Wahrnehmung der tibeto-burmesischen Stämme zur Folge hat.
Der zweite Abschnitt der Arbeit ist seinerseits wiederum zweigeteilt. Im ersten Teil widme ich mich den verbalen, rituellen Reisen der tibeto-burmesischen, schamanischen Tradition. In dieser Tradition finden sich drei Formen der rituellen Reisen, die sich auf die Mythologie zurückführen lassen: die Seelensuchreisen, die Suchreisen nach rituellen Hilfsmitteln und die Bannreisen. Diese drei Typen erläutere ich in diesem Abschnitt im Detail.
Anzumerken ist hier auch, dass sich die rituellen Reisen nicht nur anhand dessen unterscheiden lassen, ob und wonach gesucht wird, sondern auch dadurch in welcher Welt sie stattfinden. Es wird also auch zwischen Diesseitsreisen und Jenseitsreisen unterschieden. Diesseitsreisen beziehen sich auf die topographische Beschaffenheit und in ihnen wandelt der Schamane auf Pfaden, die sich tatsächlich in der Wirklichkeit nachvollziehen lassen. Wenn der schamanische Priester hingegen eine Jenseitsreise begeht, dann reist er zwischen den drei Sphären des mythologischen Kosmos. Er wechselt von der irdischen Welt also entweder in die Oberwelt oder in die Unterwelt.
Der zweite Teil des Abschnitts beleuchtet die Auswirkungen der Projektion der mythologischen Kosmologie auf die Topographie auf die verbalen, rituellen Reisen – sowohl auf die Diesseits- als auch auf die Jenseitsreisen. Ich werde ausführen auf welchen Pfaden der Schamane im Zuge der unterschiedlichen Formen der rituellen Reisen wandert und inwiefern die drei Typen – Seelensuchreisen, Suchreisen nach rituellen Hilfsmitteln, Bannreisen – auf unterschiedlichen Achsen des Kosmos verlaufen. Es gilt mir zu erörtern inwieweit die Bedeutung der mythologischen Sphären des Kosmos auf die Topographie übertragen werden und wie sich eine solche Projektion in der rituellen Praxis der schamanischen Reisen der tibeto-burmesischen Stämme äußert.
2 Die tibeto-burmesische Kosmologie
Der Kosmos wird in der tibeto-burmesischen Kosmologie anhand von zwei Achsen gedacht: einer vertikalen und einer horizontalen.
2.1. Die vertikale Achse des Kosmos
Auf der vertikalen Achse des Kosmos, wie sie in der tibeto-burmesischen Kosmologie vorgestellt wird, finden sich drei Ebenen: die Überwelt ( Indra log / utar sorga ), die irdische Welt ( andha desh ) und die Unterwelt ( talna nam / tanje wanje ). (Vgl. Oppitz 1992, 44) Die irdische Welt ist mit den anderen beiden Ebenen jeweils durch eine Leiter mit neun Stufen verbunden. Diese Leitern werden auch als Weltenleitern bezeichnet. (Vgl. Oppitz 1992, 39)
In den tibeto-burmesischen Stämmen werden die drei Sphären des Kosmos – der empyräische Himmel, die irdische Welt, die chthonische Unterwelt – auf die geographischen Gegebenheiten projiziert. (Vgl. Oppitz 1992, 44) Die Oberwelt beziehungsweise der Himmel, der die höchste Ebene des Kosmos darstellt, wird mit den nördlichen Gebieten des Himalayas Richtung Tibet hin identifiziert. Die Unterwelt hingegen wird mit dem Süden gleichgestellt. Die Richtung Norden verläuft gen den kalten Gebirgen hinauf. Der Süden führt in die warmen, indischen Ebenen des Ganges-Beckens hinunter. (Vgl. Bickel; Gaenszle 1999, 16) Die beiden Himmelsrichtungen – Norden und Süden – werden also mit geographisch mehr oder weniger klar definierten Gebieten assoziiert (vgl. Bickel; Gaenszle 1999, 16) und zwischen ihnen herrscht ein Verhältnis der Steigung. Die Weltvorstellung der tibeto-burmesischen Stämme lässt sich demnach mehr als Schräge als als Vertikale verstehen: Der Süden stellt den niedrigsten Punkt und der Norden den höchsten Punkt dar. Die irdische Welt wird mit dem Siedlungsgebiet der tibeto-burmesischen Stämme gleichgeschalten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus dieser Projektion der Kosmologie auf die tatsächliche geographische Beschaffenheit, lässt sich eine Qualifizierung des irdischen Raums ableiten. (Vgl. Oppitz 1992, 44) Das bedeutet, dass der Norden gleich dem Himmel positiv besetzt ist, wohingegen der Süden gleich der Unterwelt negativ beschaffen ist. Sowie zwischen Oberwelt und Unterwelt besteht auch zwischen Norden und Süden eine starke Dichotomie, die Werte wie „oben/unten – hoch/niedrig – edel/niederträchtig – gesund/ungesund – heilig/unheilvoll – gut/schlecht“ einschließt. (Oppitz 1992, 45) Des Weiteren gilt der Norden als Ursprung alles Göttlichen, der Süden hingegen wird als Ursprung alles irdischen Seins angesehen. (Vgl. Gaenszle 1999, 149)
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