Mit einem Volumen iHv 43 Milliarden Euro entfielen im Jahr 2017 29 % der Gesamteinfuhren auf Einfuhren aus Drittstaaten. Dies entspricht einer Steigerung von +8,8 % im Vergleich zum Jahr 2016. Rund ein Sechstel der gesamten Zollabfertigungen in Österreich werden als Zollverfahren 42 abgewickelt. Dementsprechend ist die korrekte und rechtskonforme Abwicklung von Einfuhren nicht nur für die Unternehmen selbst, sondern auch für Logistik- und Speditionsunternehmen von wesentlicher Bedeutung.
Grundsätzlich ist eine Einfuhr, auf die anschließend eine innergemeinschaftliche Lieferung folgt, von der Einfuhrumsatzsteuer befreit, sofern die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Einfuhr erfüllt sind. Anlässlich des aktuellen EuGH-Urteils Vetsch soll das "Zollverfahren 42" näher dargestellt werden. In der Rechtsprechung Vetsch hat der EuGH festgestellt, dass die Steuerbefreiung im Rahmen einer Einfuhr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung dann nicht versagt werden kann, wenn kein Indiz vorliegt, dass der Importeuer (hier: Vetsch) nicht wusste oder wissen hätte müssen, dass die unmittelbar an die die Einfuhr anschließende Lieferung im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung steht (bei Wissentlichkeit wird von "Bösglaubigkeit" gesprochen ). Im Zeitpunkt der Einfuhr der Waren müssen dazu die Voraussetzungen zur Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer erfüllt sein.
Zentraler Aspekt dieser Seminararbeit sind daher die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen des Zollverfahrens 42 unter Berücksichtigung der aktuellen Judikatur.
In Abschnitt 2 werden die dazugehörigen unionsrechtlichen, nationalen und zollrechtlichen Grundlagen sowie die von der Literatur kritisierten Aspekte des Zollverfahrens 42 beschrieben. Außerdem erfolgt die Darstellung eines Praxisbeispiels und in Abschnitt 3 soll auf die jüngste Rechtsprechung eingegangen werden. Dazu zählen insbesondere Rs C-513/17 Vetsch, Rs C-108/17 Enteco Baltic und C-528/17 Milan Božičevič Ježovnik. Dabei werden die jeweiligen Sachverhalte sowie die Entscheidungsgründe des EuGH beschrieben und anschließend einer rechtlichen Würdigung unterzogen. Beendet wird die Seminararbeit mit einer kritischen Reflexion.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Problemstellung
2. Unionsrechtliche und nationale Grundlagen
2.1. Vorbemerkungen
2.2. Unionsrechtliche Grundlagen der MwStSystRL
2.3. Nationale Rechtsgrundlagen
2.3.1. Einfuhr
2.3.2. Innergemeinschaftliche Lieferung
2.3.3. Art 6 Abs 3 UStG
2.3.4. Unmittelbarkeit
2.4. Zollrechtliche Grundlagen
2.4.1. Verhältnis UStG 1994 zu Zollkodex der Union
2.4.2. Entstehen der Zollschuld
2.4.3. Zollschuldner
2.4.4. Prüfung der Zollanmeldung
2.1. Vereinfachung für Spediteure – Erteilung einer Sonder-UID
2.1.1. Allgemeine Bestimmungen
2.1.2. Kritik
2.1.3. Vertrauensschutz und Gutgläubigkeit
2.2. Steuerhinterziehung und Betrugsbekämpfung
2.3. Nichtanwendungsfälle – Externes Versandverfahren und Zolllager
2.4. Praxisbeispiel
2.4.1. Sachverhalt
2.4.2. Voraussetzungen
2.4.3. Nachweispflichten
2.4.4. Rechtsfolgen
3. Aktuelle Rechtsprechung des EuGH
3.1. Vorbemerkungen
3.2. C-108/17 Enteco Baltic vom 20. Juni 2018
3.2.1. Sachverhalt
3.2.2. Entscheidungsgründe
3.3. C-528/17 Milan Božicevic Ježovnik vom 25. Oktober 2018
3.3.1. Sachverhalt
3.3.2. Entscheidungsgründe
3.4. C-513/17 Vetsch vom 14. Februar 2019
3.4.1. Sachverhalt
3.4.2. Entscheidungsgründe
3.5. Conclusio und rechtliche Würdigung
4. Kritische Reflexion
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Gesetze
Rechtsprechungsverzeichnis
Bildverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Art 143 Abs 1 lit d MwStSystRL (eigene Darstellung)
Abbildung 2: Praxisbeispiel Zollverfahren 42 (eigene Darstellung).
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung und Problemstellung
Mit einem Volumen iHv 43 Milliarden Euro entfielen im Jahr 2017 29 % der Gesamteinfuhren auf Einfuhren aus Drittstaaten. Dies entspricht einer Steigerung von +8,8 % im Vergleich zum Jahr 2016.1 Rund ein Sechstel der gesamten Zollabfertigungen in Österreich werden als Zollverfahren 42 abgewickelt.2 Dementsprechend ist die korrekte und rechtskonforme Abwicklung von Einfuhren nicht nur für die Unternehmen selbst, sondern auch für Logistik- und Speditionsunternehmen3 von wesentlicher Bedeutung.
Grundsätzlich ist eine Einfuhr, auf die anschließend eine innergemeinschaftliche Lieferung folgt, von der Einfuhrumsatzsteuer befreit, sofern die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Einfuhr erfüllt sind.4 Anlässlich des aktuellen EuGH-Urteils Vetsch soll das „Zollverfahren 42“ näher dargestellt werden. In der Rechtsprechung Vetsch hat der EuGH festgestellt, dass die Steuerbefreiung im Rahmen einer Einfuhr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung dann nicht versagt werden kann, wenn kein Indiz vorliegt, dass der Importeuer (hier: Vetsch ) nicht wusste oder wissen hätte müssen, dass die unmittelbar an die die Einfuhr anschließende Lieferung im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung steht (bei Wissentlichkeit wird von „Bösglaubigkeit“ gesprochen5). Im Zeitpunkt der Einfuhr der Waren müssen dazu die Voraussetzungen zur Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer erfüllt sein.6 Zentraler Aspekt dieser Seminararbeit sind daher die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen des Zollverfahrens 42 unter Berücksichtigung der aktuellen Judikatur.
In Abschnitt 2 werden die dazugehörigen unionsrechtlichen, nationalen und zollrechtlichen Grundlagen sowie die von der Literatur kritisierten Aspekte des Zollverfahrens 42 beschrieben. Außerdem erfolgt die Darstellung eines Praxisbeispiels und in Abschnitt 3 soll auf die jüngste Rechtsprechung eingegangen werden. Dazu zählen insbesondere Rs C-513/17 Vetsch, Rs C-108/17 Enteco Baltic und C-528/17 Milan Božičevič Ježovnik. Dabei werden die jeweiligen Sachverhalte sowie die Entscheidungsgründe des EuGH beschrieben und anschließend einer rechtlichen Würdigung unterzogen. Beendet wird die Seminararbeit mit einer kritischen Reflexion.
2. Unionsrechtliche und nationale Grundlagen
2.1. Vorbemerkungen
Die Kernaussage des unter dem Ausdruck „Zollverfahren 42“7 bekannten Steuerverfahrens ist, dass eine Einfuhr von Waren mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung in den Bestimmungsmitgliedstaat von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist.8 Begründet werden kann dies mit der echt umsatzsteuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung, welche in einem anderen EU-Mitgliedstaat der Erwerbsteuer unterliegt.9 Voraussetzung ist, dass sich der Lieferort im Einfuhrmitgliedstaat befindet, ansonsten kann diese Befreiungsregel nicht angewendet werden.10 Vollständig wird dieses Verfahren als „Gleichzeitige Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit mehrwertsteuerbefreiender Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat, gegebenenfalls mit Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung“ (Code 42) bezeichnet und ist unter der Bezeichnung „Verfahren 42“ oder auch „Verfahren 4200“ aufgelistet, wobei der Code „00“ lediglich anzeigt, dass kein vorangegangenes Verfahren vorliegt.11 Folglich ist im Zollverfahren 42 die Kooperation zwischen den Beteiligten, den Zollverwaltungen – fallweise auch der Zollverwaltung des Einfuhrlandes – sowie den nationalen Steuerbehörden, erforderlich. In Österreich ist die Kooperation zwischen Steuer und Zoll durch eine gemeinsame Abteilung für Betrugsbekämpfung im BMF repräsentiert.12
Das Verfahren 4200 bezweckt eine Vereinfachung in Form einer Erleichterung des grenzüberschreitenden Warenaustausches, da die Anwendung des Zollverfahrens dem ausländischen Lieferanten bzw Abnehmer den Verzicht auf die steuerliche Erfassung im Inland ermöglicht.13 Aufgrund der steuerbefreiten Einfuhr entfällt auch der korrespondierende Vorsteuerabzug hinsichtlich der ansonsten anfallenden Einfuhrumsatzsteuer.14
2.2. Unionsrechtliche Grundlagen der MwStSystRL
Gem Art 2 Abs 1 lit d MwStSystRL unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer. Unter Einfuhr wird die Lieferung eines Gegenstands aus dem Drittland1516 in das Inland verstanden.17 Als Lieferung von Gegenständen wiederum definiert Art 14 MwStSystRL die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand verfügen zu können. Art 17 Abs 1 MwStSystRL legt weiter fest, dass die Verbringung eines materiellen Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen bzw für die Zwecke seines Unternehmens in einen anderen EU-Mitgliedstaat einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt entspricht.
Art 138 Abs 1 MwStSystRL befreit Lieferungen und Versendungen von Gegenständen in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Dabei ist es unerheblich, ob die Lieferung durch den Verkäufer, den Erwerber oder für deren Rechnung bewirkt wurde. Empfänger der Waren muss dabei eine steuerpflichtige Person oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person sein, welche nicht im Mitgliedstaat handelt, in dem sich die Ware zu Beginn der Versendung bzw Beförderung befindet. Art 138 Abs 2 lit c MwStSystRL befreit die innergemeinschaftliche Verbringung, sofern sie auch gem Abs 1 befreit wäre.
Gem Art 138 Abs 1 MwStSystRL sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen um die Steuerbefreiungsregelung für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen zu können:
- Lieferung von Gegenständen an eine steuerpflichtige/nicht steuerpflichtige juristische Person in einem anderen Mitgliedstaat
- diese steuerpflichtige/nicht steuerpflichtige juristische Person ist umsatzsteuerlich im Bestimmungsland registriert und hat dem Lieferer ihre UID-Nummer mitgeteilt.
Der EuGH hat jedoch bisher in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass nicht allein aufgrund einer Nicht-Mitteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID-Nummer) bzw einer verspätet eingereichten Zusammenfassenden Meldung18 die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung versagt werden darf.19 Die Mitteilung der UID-Nummer sowie die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sind somit grs nur formelle und keine materiellrechtlichen Voraussetzungen.20
Am 2. Oktober 2018 einigte sich jedoch der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) zu den im Oktober präsentierten „Quick Fixes“, den Sofortmaßnahmen im Rahmen des großen Mehrwertsteuerpaketes21, die in Hinblick auf ein endgültiges Mehrwertsteuersystem zur Bekämpfung von „aktuellen und bekannten Schwächen des europäischen Mehrwertsteuersystem“22 beitragen sollen und ab 1. Jänner 2020 angewendet werden. Unter anderen wird Art 138 MwStSystRL durch Abs 1a ergänzt, welcher festlegt, dass die Umsatzsteuerbefreiung nicht gilt, wenn die Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung nicht oder unvollständig bzw unrichtig erfolgte. Eine Ausnahme besteht insoweit, als dass der Lieferer sein Versäumnis entsprechend begründen kann.23
Die Zusammenfassende Meldung ist in Art 262 ff MwStSystRL geregelt. In dieser muss ein Steuerpflichtiger, unter anderen, die Erwerber mit Umsatzsteueridentifikationsnummer, an welchen im Rahmen von innergemeinschaftlichen Lieferungen nach Art 138 MwStSystRL Gegenstände geliefert wurden, anführen.24
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Nicht-Mitteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer des Erwerbers bzw eine unrichtige oder verspätete Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung durch den Steuerpflichtigen künftig zu einem Versagen der Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung führt.
Art 143 Abs 1 lit d MwStSystRL verbindet Art 2 und Art 138 MwStSystRL und befreit die Einfuhr von Gegenständen aus einem Drittland, sofern sie nach Beendigung der Versendung bzw Beförderung in einen anderen Mitgliedstaat geliefert werden und die Lieferung durch den als Steuerschuldner festgelegten Importeur gem Art 201 MwStSystRL durchgeführt wird und Art 138 MwStSystRL ebenfalls eine Befreiung vorsieht. Gem Art 201 MwStSystRL schuldet grs der Steuerschuldner (der Lieferer25) die Einfuhrumsatzsteuer. Diesen muss der Mitgliedstaat der Einfuhr als solchen bestimmen bzw anerkennen. Die Einfuhrumsatzsteuer muss somit nicht zum Zeitpunkt der Verzollung, sondern erst im Bestimmungsland entrichtet werden.26 Sofern folgende grafisch zusammengefasst dargestellte Lieferkonstellation vorliegt, ist die Einfuhr der Waren gem Art 143 Abs 1 lit d MwStSystRL befreit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Art 143 Abs 1 lit d MwStSystRL (eigene Darstellung)
Aus der Sicht des Drittstaats liegt eine steuerbefreite Ausfuhr27 vor, während für den Bestimmungsmitgliedstaat (EU-Mitgliedstaat 2) ein korrespondierender steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb gem Art 20 ff MwStSystRL vorliegt. Darunter wird die Erlangung der Befähigung, eigentümergleich über einen materiellen Gegenstand zu verfügen, welcher durch den Verkäufer/Erwerber von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat befördert wurde, verstanden. Sowohl auf den Export als auch den innergemeinschaftlichen Erwerb wird im Rahmen dieser Seminararbeit nicht näher eingegangen.
Art 143 Abs 2 MwStSystRL28 knüpft die Steuerbefreiung gem Art 143 Abs 1 lit d MwStSystRL an die verpflichtende Mitteilung folgender Angaben:
a) Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Importeurs oder dessen Steuervertreters im Einfuhrmitgliedstaat (à EU-Mitgliedstaat 1 lt Abbildung 1)
b) Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers in dem Mitgliedstaat, in welchem die Versendung endet (à EU-Mitgliedstaat 2 lt Abbildung 1)
c) Nachweis darüber, dass die eingeführten Waren für eine Lieferung vom Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat bestimmt sind (Nachweiserbringung je nach Mitgliedstaatsregelung nur auf Anfrage notwendig)
Die Angaben sind dabei im Zeitpunkt der Einfuhr durch den Importeur an die jeweils zuständige Behörde des Einfuhrmitgliedstaats zu übermitteln.
2.3. Nationale Rechtsgrundlagen
2.3.1. Einfuhr
Gem § 1 Abs 1 Z 3 UStG liegt eine Einfuhr vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittland29 in das Inland befördert wird. Die Einfuhr ist damit ein der Umsatzsteuer unterliegender Umsatz, es fällt Einfuhrumsatzsteuer gem § 26 UStG an, für welche jedoch gem § 12 Abs 1 Z 2 lit a UStG ein korrespondierendes Recht auf Vorsteuerabzug besteht.
2.3.2. Innergemeinschaftliche Lieferung
Art 6 Abs 1 UStG30 befreit innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer, es sei denn diese stehen im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehung oder anderen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen, von denen der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen. Die Anwendbarkeit ist dann gegeben, wenn die Verzollung der aus dem Drittland bezogenen Ware in Österreich erfolgt.31
Die innergemeinschaftliche Lieferung ist in Art 7 UStG geregelt. Diese liegt vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung vom Inland in einen anderen EU-Mitgliedstaat befördert oder versendet. Eine Verbringung eines Gegenstandes des Unternehmers aus dem Inland in einen anderen EU-Mitgliedstaat gem Art 3 Abs 1 Z 1 UStG ist einer innergemeinschaftlichen Lieferung dabei gleichgestellt. Der Abnehmer muss dabei eine der folgenden Personen sein:
- ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt
- eine juristische Person, die entweder nicht Unternehmerin ist oder zumindest den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt
- jeder andere Erwerber sofern eine Lieferung eines neuen Fahrzeugs vorliegt.
Zusätzlich muss der Erwerb im Bestimmungsland steuerbar sein. Eine Be- oder Verarbeitung des Gegenstands vor der Beförderung ist gem Art 7 Abs 1 Z 3 UStG nicht schädlich.
Die genannten Voraussetzungen müssen gem Art 7 Abs 3 UStG durch den Unternehmer buchmäßig nachgewiesen werden. Das Bundesministerium für Finanzen hat dazu die „Verordnung über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen“32 (VO) erlassen. Eine innergemeinschaftliche Lieferung muss demnach eindeutig und leicht nachweisbar sein. Folgende Nachweise müssen gem § 2 VO im Rahmen der Beförderung bzw Versendung erbracht werden:
- Kopie einer Rechnung gem § 11 iVm Art 11 UStG
- Nachweis des Bestimmungsorts (zB Lieferschein, Frachtbrief, Postaufgabebescheinigung oder Konnossemente)
- Bestätigung bzw Erklärung des Abnehmers, dass die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert wurde
Weiter muss gem § 5 VO auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers buchmäßig nachweisbar und leicht überprüfbar sein. Dabei haben gem § 6 VO folgende Aufzeichnungen zu erfolgen:
- Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers
- Name und Anschrift des Beauftragten des Abnehmers in Abholfällen
- handelsübliche Bezeichnung und Menge des Gegenstandes der Lieferung
- Tag der Lieferung
- vereinbartes Entgelt bzw vereinnahmtes Entgelt
- die Art und den Umfang einer Bearbeitung oder Verarbeitung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nach Art 7 Abs 1 UStG
- Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
- Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet.
2.3.3. Art 6 Abs 3 UStG
Gem Art 6 Abs 3 UStG ist die Einfuhr von Gegenständen, welche anschließend an die Einfuhr unmittelbar33 im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem Art 7 UStG vom Anmelder34 in einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert werden, von der Umsatzsteuer befreit. Zusätzlich kann aufgrund der anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Bestellung eines Fiskalvertreters gem Art 27 Abs 4 UStG notwendig sein.35 Dabei hat der Leistungsempfänger die auf die Leistung entfallende Umsatzsteuer einzubehalten und im Namen und für Rechnung des leistenden Unternehmers an das zuständige Finanzamt abzuführen.36 Ansonsten haftet der Leistungsempfänger für den entstehenden Steuerausfall.
Aus Art 6 Abs 3 UStG kann subsumiert werden, dass jener Unternehmer, für den der Gegenstand der Lieferung eingeführt wurde, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigen muss, sodass die Steuerbefreiung tatsächlich zur Anwendung kommt.
Durch Art 6 Abs 3 lit a bis c UStG wird Art 143 Abs 1 lit d MwStSystRL in nationales Recht umgesetzt. Darin sind die notwendigen Nachweise, welche der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr der Zollbehörde übermitteln muss, geregelt:
a) Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Steuerschuldners bzw seines Steuervertreters37 (entspricht EU-Mitgliedstaat 1 lt Abbildung 1)
b) Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers im anderen Mitgliedstaat (entspricht EU-Mitgliedstaat 2 lt Abbildung 1)
c) Nachweis, dass die eingeführten Gegenstände von Österreich dazu bestimmt sind, in einen anderen Mitgliedstaat befördert zu werden.
[...]
1 Vgl STATISTIK AUSTRIA (2018).
2 Vgl HELER (2014), S. 28. Im Jahr 2008 wurden ca 170.000 Zollverfahren 42 durchgeführt. (Vgl HERZIG (2014), S. 21.)
3 Die österreichische Speditions- und Logistikbranche erzielte im Jahr 2018 Umsatzerlöse iHv MEUR 12.018. Dies entspricht einer Bruttowertschöpfung iHv MEUR 1.919. Ca. 25.000 Arbeitnehmer sind in dieser Branche tätig. (WKO (2019b), S. 8)
4 Siehe dazu Abschnitt 2. Unionsrechtliche und nationale Grundlagen.
5 Vgl BRANDL (2019), S. 96.
6 Siehe dazu Abschnitt 3. Aktuelle Rechtsprechung.
7 Umgangssprachlich auch „Fiskalverzollung“ genannt. (Vgl HERZIG (2014), S. 14.)
8 Vgl BIEBER (2014), S. 4.
9 Vgl AIGNER et al (2016a), S. 1373; SUMMERSBERGER (2016), S. 43.
10 Vgl BIEBER (2014), S. 4.
11 Vgl BMF (2019c), S. 53; AIGNER et al (2016a), S. 1373; RUPPE/ACHATZ5 (2017), Rz 19; SUMMERSBERGER (2016), S. 45.
12 Vgl SUMMERSBERGER (2016), S. 46.
13 Vgl TUMPEL (2011), Rz 29; RUPPE/ACHATZ5 (2017), Rz 19.
14 Vgl Rs C-531/17 Vetsch, Rz 40.
15 RICHTLINIE 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.
16 Drittland ist gem § 1 Abs 3 UStG jenes Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet (à Mitgliedstaaten der EU) ist.
17 Vgl NEUGEBAUER (2008), S. 82.
18 Die Zusammenfassende Meldung erfüllt im Rahmen von innergemeinschaftlichen Lieferungen den Informations- und Kontrollzweck. Es besteht hierbei eine Verpflichtung zur Einreichung. (Vgl BERGER/WAKOUNIG (2018), S. 310-311.)
19 Siehe dazu Rs C-587/10, VSTR, Rz 49 ff; Rs C-21/16 Euro Tyre, Rz 44; Rs C-580/16, Hans Bühler , Rz 49 ff.
20 Siehe dazu auch RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2018): Interinstitutionelles Dossier 2017/0251 (CNS) vom 26.11.2018, 12848/18 FISC 397 ECOFIN 881, ErwGr 7.
21 Vgl RUDORFER (2018), S. 764.
22 Vgl TRATLEHNER (2019), S. 415.
23 Vgl RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2018): Interinstitutionelles Dossier 2017/0251 (CNS) vom 26.11.2018, 12848/18 FISC 397 ECOFIN 881, ErwGr 7.
24 Vgl Art 262 Abs 1 lit a MwStSystRL.
25 Vgl BIEBER (2014), S. 4; siehe dazu auch Abschnitt 2.4.3. Zollschuldner.
26 Vgl HELLER (2014), S. 28.
27 Aus der Sicht der EU-Mitgliedstaaten wird in Art 146 MwStSystRL die Ausfuhr als Lieferung von Gegenständen außerhalb der EU verstanden. Aus der Sicht des Drittstaats erfolgt daher eine Ausfuhr in das EU-Gemeinschaftsgebiet. Dabei sind die jeweiligen nationalen Gesetzesbestimmungen des Drittstaats zu beachten.
28 Richtlinie 2009/69/EG des Rates vom 25. Juni 2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zur Bekämpfung des Steuerbetrugs bei der Einfuhr. Ziel dieser Richtlinie war die Vermeidung von Missbrauch und Verhinderung von Steuerhinterziehung.
29 ausgenommen Jungholz und Mittelberg.
30 UMSATZSTEUERGESETZ 1994 – UStG 1994 (2018): Bundesgesetz vom 23.8.1994 über die Besteuerung der Umsätze (BGBl Nr 663/1994) mit allen späteren Änderungen einschließlich der Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018 vom 14.8.2018, in: BGBl I Nr 62/2018.
31 Vgl HERZIG (2014), S. 16.
32 Siehe Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (BGBl. Nr. 401/1996) mit allen späteren Änderungen einschließlich der Änderung der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, in: BGBl. II Nr. 172/2010.
33 Siehe Kapitel 2.3.4. Unmittelbarkeit.
34 Aigner et al (2016a) interpretieren den Gesetzeswortlaut insofern, als dass es sich beim Anmelder im Zollverfahren und dem anschließenden liefernden Unternehmer um dieselbe Person handeln muss.
35 Siehe auch HERZIG (2014), S. 17.
36 Nach Gesetzesinterpretation darf in diesem Fall der Leistungsempfänger gem § 27 Abs 4 UStG im Inland weder über Sitz noch gewöhnlichen Aufenthalt oder Betriebsstätte verfügen.
37 Der Begriff „Steuervertreter“ wird im nationalen UStG nicht näher definiert. (Vgl AIGNER et al (2016b), S. 167.)