Bei internationalen Schulleistungsstudien wie TIMSS, PISA und IGLU stellte Deutschland fest, dass das bisherige Konzept der Input-Steuerung des Bildungssystems im Vergleich zu anderen OECD-Ländern nur mäßig erfolgreich abschnitt. Diese Ergebnisse führten zu einem Umdenken, weshalb das Kultusministerium bundesweit geltende
Bildungsstandards schaffte, welche 2004 in dem Primarbereich seit Ende 2017 in allen weiterführenden Schulen in Bayern eingeführt wurden. Diese beschreiben Bildungsziele, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem konkreten Fach(-bereich) erreicht werden sollen. Hauptmerkmal dieser Bildungsstandards ist die Kompetenzorientierung.
Doch so sehr diese Output-Orientierung auch gelobt wird, genauso viel wird sie auch kritisiert. Nachdem bereits einige Jahre seit der Implementierung dieser Standards in den Grundschulen vergangen sind und nun auch in Sekundarschulen die Kompetenzorientierung in den Lehrplan eingegangen ist, stellt sich die Frage, ob die Kritik gerechtfertigt
ist und welche Chancen sie tatsächlich bietet. Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit auf den Grund gegangen werden.
Nichtsdestotrotz soll zu Beginn kurz erläutert werden, was man unter Kompetenzen grundsätzlich versteht, um ein grundlegendes Verständnis in der nachfolgenden Argumentation voraussetzen zu können. Im Anschluss daran sollen Chancen und Probleme von diesem Paradigmenwechsel aufgezeigt werden. Danach werden anhand eines
Praxisbeispiels mögliche Schwierigkeiten konkretisiert, die mit der neuen Entwicklung einhergehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Der Paradigmenwechsel
2. Grundsätzliches
3. Chancen der Kompetenzorientierung
4. Grenzen der Kompetenzorientierung
5. Praxisbeispiel und mögliche Probleme
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Der Paradigmenwechsel
Bei internationalen Schulleistungsstudien, wie TIMSS, PISA und IGLU stellte Deutschland fest, dass das bisherige Konzept der Input-Steuerung des Bildungssystems im Vergleich zu anderen OECD1 -Ländern nur mäßig erfolgreich abschnitt. Diese Ergebnisse führten zu einem Umdenken, weshalb das Kultusministerium bundesweit geltende Bildungsstandards schaffte, welche 2004 in dem Primarbereich, seit Ende 2017 in allen weiterführenden Schulen in Bayern eingeführt wurden. Diese beschreiben Bildungsziele, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem konkreten Fach(-bereich) erreicht werden sollen. Hauptmerkmal dieser Bildungsstandards ist die Kompetenzorientierung (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008, S. 7-9).
Doch so sehr diese Output-Orientierung auch gelobt wird, genauso viel wird sie auch kritisiert. Nachdem bereits einige Jahre seit der Implementierung dieser Standards in den Grundschulen vergangen sind und nun auch in Sekundarschulen die Kompetenzorientierung in den Lehrplan eingegangen ist, stellt sich die Frage, ob die Kritik gerechtfertigt ist und welche Chancen sie tatsächlich bietet. Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit auf den Grund gegangen werden.
Nichtsdestotrotz soll zu Beginn kurz erläutert werden, was man unter Kompetenzen grundsätzlich versteht, um ein grundlegendes Verständnis in der nachfolgenden Argumentation voraussetzen zu können. Im Anschluss daran sollen Chancen und Probleme von diesem Paradigmenwechsel aufgezeigt werden. Danach werden anhand eines Praxisbeispiels mögliche Schwierigkeiten konkretisiert, die mit der neuen Entwicklung einhergehen.
2. Grundsätzliches
Bildungsstandards bilden das Fundament für „das Erfassen und Bewerten von Lernergebnissen auf System- bzw. Schulebene und stellen damit ein zentrales Element zur Sicherung der Qualität schulischer Arbeit dar.“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008, S. 7).
Sie beschreiben Kompetenzen, welche in der Schule erlangt werden sollen und gelten für den gesamten Bundesstaat. Jede Schule in Deutschland hat sich demnach an diesen Kompetenzerwartungen zu messen und jedes Bundesland seinen Lehrplan danach auszurichten. Der neu entwickelte LehrplanPLUS von Bayern baut somit auf die vom Kultusministerium vorgeschriebenen Kompetenzen auf. Deshalb ist auch der Lehrplan kompetenzorientiert (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München, 2014).
Kompetenzen werden jedoch sehr allgemein formuliert, weshalb sie mit Inhalten und Methoden konkretisiert werden müssen. Diese absichtliche Abstraktion wurde vorgenommen, da die Kompetenzentwicklung ein sich langsam vollziehender Prozess ist, der bei grundlegenden Kompetenzen bereits im Vorschulalter beginnen und in der Schulzeit immer weiter ausgebildet werden kann. Kompetenzen werden also oftmals nicht nur für eine Jahrgangsstufe beschrieben, sondern als ein allgemein zu erreichendes Ziel, das im Laufe der Schullaufbahn immer näher rückt und nur Stück für Stück erreicht werden kann. Dafür benötigt es die Unterstützung der Lehrkräfte, welche als Mentoren oder Coachs den Lernenden helfen und sie auf ihrem Weg durch die Schullaufbahn begleiten.
Man kann also sagen, dass die Abstraktion der Bildungsstandards hilfreich ist um die zu erreichende Kompetenz auf die jeweilige Jahrgangsstufe „herunterbrechen“ zu können (Klinger, 2018, S. 53-56).
Die Bildungsstandards des Kultusministeriums können folglich so beschrieben werden:
Bildungsstandards orientieren sich an Bildungszielen, denen schulisches Lernen folgen soll, und konkretisieren diese in Form von Kompetenzanforderungen, mit denen festgelegt wird, über welche Kompetenzen die Schüler verfügen müssen, wenn wichtige Ziele der Schule als erreicht gelten sollen. (Ditton, 2007, S.41 zit. in. Helmke, 2014, S. 242)
An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage, was der ständig genannte Begriff Kompetenz überhaupt meint.
Die am häufigsten zitierte Definition für diesen Begriff stammt von dem Psychologen Franz Emanuel Weinert und lautet wie folgt:
Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen […], volitionalen […] und sozialen […] Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen nutzen zu können (Weinert, 2001 zit. in Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008, S. 8).
Anders als in den bisherigen Lehrplänen üblich kombiniert der Kompetenzbegriff Wissen und Können, indem hier nicht lediglich Wert auf deklaratives Wissen (Faktenwissen), sondern auch auf prozedurales Wissen (Handlungswissen) gelegt wird. Kompetenzen beschreiben demnach, was die Schülerinnen und Schüler (SuS) am Ende können sollen und nicht wie vorher, welche Inhalte Bestandteil des Unterrichts sind. Eine Unterrichtsstunde muss sich demnach daran messen lassen, inwieweit sie Vorstellungen bzw. Fähigkeiten weiterentwickelt hat und nicht daran, was durchgenommen wurde.
Um Kompetenzen erfolgreich aufbauen zu können, muss sich die Lehrperson die Frage stellen, ob sie in die Breite oder in die Tiefe gehen möchte.
Ein breiter Ansatz meint Vielfalt. Dies bedeutet, auch übergeordnete Kompetenzen der im Unterricht auszubildenden Kompetenz in den Blick zu nehmen. In die Tiefe zu gehen beschreibt dagegen untergeordnete Kompetenzen innerhalb der ausgewählten Kompetenz (Helmke, 2014, S. 240-242).
Um diese Unterscheidung besser verstehen zu können, hier ein Beispiel:
- Ein breiter Ansatz im Fach Englisch der Grundschule in der 3/4 Klasse wäre, die unterschiedlichen, übergeordneten Bereiche (kommunikative, interkulturelle und methodische Kompetenzen) in den Blick zu nehmen.
- Ein tiefer Ansatz würde sich auf eine der drei genannten Domänen beschränken (z.B. den kommunikativen Bereich), jedoch auch die untergeordneten Kompetenzen betrachten. Bei dem kommunikativen Bereich wären dies „Kommunikative Fertigkeiten“ und „Verfügen über sprachliche Mittel“.
Aufgrund des sich gewandelten Blicks auf Unterricht und Bildung muss natürlich auch die Lehrperson ihren Unterrichtsstil in gewisser Weise ändern und ihre Schulstunden anders vorbereiten und durchführen als bisher. Dies birgt neue Herausforderungen für den Lehrenden, welcher sich als Voraussetzung für die Unterrichtsplanung Wissen über den Kompetenzerwerb aneignen muss. Denn die im Lehrplan beschriebenen Kompetenzen beschreiben lediglich, was die SuS am Ende können sollten. Sie geben jedoch keine Auskunft darüber, wie diese Fertigkeiten und Fähigkeiten aufgebaut werden können bzw. der Lern prozess vom Lehrer angeregt und gefördert werden kann. Ebenso müssen Aufgabenstellungen, Methoden und Leistungserhebungen den neuen Anforderungen angepasst werden, indem der Fokus auf problemlösendem Denken gelegt werden soll (Helmke, 2014, S. 241).
3. Chancen der Kompetenzorientierung
Diese Veränderung weg von der Inputorientierung hin zum kompetenzorientierten Unterricht war – wie bereits erwähnt – eine Reaktion auf den sogenannten „PISA Schock“ und hatte vor allem ein Ziel im Blick: Die Qualität von Lernergebnissen garantieren, indem bestimmte Standards eingeführt werden. Das Kultusministerium wollte eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Ländern schaffen, indem die Bildungsstandards in jedem Lehrplan in jedem Bundesland berücksichtigt werden müssen und durch diese Maßnahme jedes Land denselben Anforderungen in den Schulen gerecht werden muss. Um die Qualität des Bildungswesens in Deutschland überprüfen, überwachen und analysieren zu können entstanden nationale Vergleichsarbeiten (VERA), welche flächendeckend und jahrgangsbezogen durchgeführt werden (Müller et al., 2013, S.130-132).
Diesem Ziel ist das Kultusministerium meiner Meinung nach gerecht geworden. Denn VERA bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Bundesländern zu vergleichen und festzustellen, ob man durchschnittlich dasselbe Leistungsniveau fordert wie andere Teile Deutschlands. Natürlich kann keine vollkommene Vergleichbarkeit hergestellt werden, da immer noch jedes Bundesland die Bildungsstandards nach eigenen Belieben mehr oder weniger genau nehmen kann und in den unterschiedlichen Regionen der Fokus auf unterschiedlichen Kompetenzen liegt. Doch dies zu ändern scheint mir nahezu unmöglich, da das Bildungswesen Sache der Länder, und nicht des Bundes ist (Art. 30 GG). Demnach betreibt jedes Bundesland seine eigene Bildungspolitik, auch wenn es nun länderübergreifende Bildungsstandards gibt.
Außerdem schaffe die Schule durch die Kompetenzorientierung einen lebendigeren, lebensnäheren Unterricht, indem Wissen und Handeln verbunden wird. Denn Inhalte sollen nun anwendbar und nützlich für Probleme, welche die eigene Lebenswelt betreffen, werden. Damit soll träges Wissen2 vermieden und Transferleistungen in den Vordergrund gerückt werden. Das sture Auswendiglernen soll der Vergangenheit angehören, während Problemstellungen und die Findung einer geeigneten Lösung in den Vordergrund rücken. Die Schülerfrage ´ Wozu brauche ich das?´ soll durch diesen Paradigmenwechsel in der Schule geklärt werden können, indem der Anwendungsbezug deutlich gemacht wird (Müller et al., 2013, S.130-132).
[...]
1 Organisation for Economic Co-operation and Development
2 nicht anwendbares Wissen