Diese Arbeit beschäftigt sich damit, wie das Erleben von Sterben und der damit verbundenen Verlustangst dargestellt wird und wie die Gefühle der Figuren den Lesern und Leserinnen vermittelt werden. Gegenstand dieser Arbeit ist der Umgang mit dem Sterben in dem Kinderroman Sieben Minuten nach Mitternacht von Patrick Ness. Das Buch schildert das geprägte Leben eines 13-jährigen Jungen, dessen Mutter an schwerem Brustkrebs leidet und sich im Sterbeprozess befindet. Das Ziel dieser Arbeit ist dabei, den Sterbeprozess in der Kinder- und Jugendliteratur näher zu untersuchen. Dabei wird analysiert, in welcher Form sich die Verlustangst im Roman bemerkbar macht und wie schließlich damit umgegangen wird. Dieses Ziel wird erfüllt, indem wissenschaftliche Ausführungen zur Thematik näher erläutert und anschließend Zusammenhänge mit dem Kinderroman Sieben Minuten nach Mitternacht gebracht werden.
Um einen Zusammenhang zu dem Roman gewährleisten zu können, sollen im ersten Teil dieser Arbeit, wissenschaftliche Erkenntnisse näher vorgestellt werden. Dazu wird zuerst die Thematik des Sterbens in der KJL allgemein untersucht. Es wird aufgezeigt wie sich die Wichtigkeit dieser Thematik im Laufe Jahre verändert hat. Anschließend wird das Modell der Sterbephasen nach E. Kübler-Ross erörtert. Daran anknüpfend wird der Unterschied zwischen Todesangst und Angst vor dem Tod näher definiert. Tiefer soll sich dann mit der kindlichen Todesangst und speziell des Elterntodes befasst werden, da diese Erkenntnisse ebenfalls wichtige Grundlagen für den zweiten Teil dieser Arbeit stellen.
Im zweiten Teil wird dann das Werk von Patrick Ness mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Verbindung gebracht. Dazu soll der Kinderroman zusammengefasst und vorgestellt werden. In einem weiteren Kapitel wird die Rolle des Monsters erörtert. Als Abschluss des zweiten Teils werden die wissenschaftlichen Ausführungen auf den Kinderroman bezogen. Ein Fazit soll diese Arbeit abrunden und zusammenfassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Titelblatt
2. Inhaltsverzeichnis
3. Einleitung
4. Wissenschaftliche Grundlagen
4.1 Sterben und Tod in der Kinder und Jugendliteratur ab 1945
4.2 Sterben und Tod Kinder und Jugendliteratur aus der heutigen Zeit
4.3 Die Sterbephasen nach E. Kübler-Ross
4.4 Todesangst und Angst vor dem Tod
4.5 Die kindliche Todesangst
4.6 Elterntod
5. Der Umgang mit der Verlustangst im Roman Sieben Minuten nach Mitternacht
5.1 Inhalt des Romans
5.2 Die Rolle des Monsters im Roman
5.3 Zusammenhang zwischen Sieben Minuten nach Mitternacht und der Verlustangst
6. Fazit
Literaturverzeichnis
3. Einleitung
Die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit spielt im Kopf der Menschen, vor allem zu Zeiten einer weltweiten Epidemie, eine große Rolle. Daraus ergibt sich unweigerlich die Frage, wie Kinder mit dem Thema Verlustangst umgehen. Der Tod ist unweigerlich mit dem Leben verknüpft, somit ist es nicht möglich, ihm aus dem Weg zu gehen. Kinder und Jugendliche erfahren den Tod in alltäglichen Lebenszusammenhängen, aus denen Fragen über den Tod resultieren. Zudem gibt es eine große Auswahl an Kinder- und Jugendliteratur1, die durch das Motiv von Leben und Tod begleitet sind. Es ergibt sich die Folge, die Kinderliteratur hinsichtlich ihres Umgangs mit menschlichen Sterben zu untersuchen.
In dieser Arbeit möchte ich mich daher insbesondere damit beschäftigen, wie das Erleben von Sterben und der damit verbundenen Verlustangst dargestellt wird und wie die Gefühle der Figuren den Lesern und Leserinnen vermittelt werden. Gegenstand dieser Arbeit ist der Umgang mit dem Sterben in dem Kinderroman Sieben Minuten nach Mitternacht von Patrick Ness. Der Autor Patrick Ness setzt hierbei die Buchidee von Siobahn Dowd um, die sie aufgrund ihres eigenen Krebstodes nicht verwirklichen konnte. Das Buch schildert das geprägte Leben eines 13-jährigen Jungen, dessen Mutter an schwerem Brustkrebs leidet und sich im Sterbeprozess befindet. Die Fragestellung dieser Arbeit lautet daher konkret: Inwiefern schafft es der Roman, die Verlustangst des Protagonisten realistisch dazustellen. Das Ziel dieser Arbeit ist dabei, den Sterbeprozess in der Kinder- und Jugendliteratur näher zu untersuchen. Dabei wir analysiert, in welcher Form sich die Verlustangst im Roman bemerkbar macht und wie schließlich damit umgegangen wird. Dieses Ziel wird erfüllt, indem wissenschaftliche Ausführungen zur Thematik näher erläutert und anschließend Zusammenhänge mit dem Kinderroman Sieben Minuten nach Mitternacht gebracht werden.
Der Roman Sieben Minuten nach Mitternacht stellt hauptsächlich die Thematik des Sterbens und der Verlustangst dar. Um einen Zusammenhang zu dem Roman gewährleisten zu können, sollen im ersten Teil dieser Arbeit, wissenschaftliche Erkenntnisse näher vorgestellt werden. Dazu wird zuerst die Thematik des Sterbens in der KJL allgemein untersucht. Es wird aufgezeigt wie sich die Wichtigkeit dieser Thematik im Laufe Jahre verändert hat. Anschließend wird das Modell der Sterbephasen nach E. Kübler-Ross erörtert. Daran anknüpfend wird der Unterschied zwischen Todesangst und Angst vor dem Tod näher definiert. Tiefer soll sich dann mit der kindlichen Todesangst und speziell des Elterntodes befasst werden, da diese Erkenntnisse ebenfalls wichtige Grundlagen für den zweiten Teil dieser Arbeit stellen. Im zweiten Teil wird dann das Werk von Patrick Ness mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Verbindung gebracht. Dazu soll der Kinderroman zuerst zusammengefasst und vorgestellt werden. In einem weiteren Kapitel wird die Rolle des Monsters erörtert. Als Abschluss des zweiten Teils werden die wissenschaftlichen Ausführungen auf den Kinderroman bezogen. Ein Fazit soll diese Arbeit abrunden und zusammenfassen.
4. Wissenschaftliche Grundlagen
4.1 Sterben und Tod in der Kinder und Jugendliteratur ab 1945
Sterben, Tod und Trauer ist in der Kinder- und Jugendliteratur im deutschsprachigen Raum erst ab den 1980er-Jahren eingetroffen (vgl. Hopp, 41). Die Auseinandersetzung dieser Thematiken erweitert sich im Laufe des Zeitraumes zunehmend, ohne „in der Folge größere literaturwissenschaftliche Untersuchungen hervorgebracht zu haben“ (ebd., 41.). Während die Jugendliteraturforschung sich bei diesen Themen weitgehend noch zurückhält, liegt das Wesentliche dabei in der Religionspädagogik. 1972 veröffentlichte Francesca Butler in Amerika den Aufsatz Death in Childrens Literature, indem sie eine Verbindung zwischen der gesellschaftlichen Entwicklung, der KJL sowie der Thematik von Sterben und Tod aufstellt (vgl. ebd., 42). Dabei wird kritisiert, dass in Märchen und Sagen grundsätzlich Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod bzw. eine Verharmlosung/einfaches Annehmen des Todes gegeben wird und das Thema Tod in der modernen KJL eher oberflächlich und gefühllos behandelt wird. 1978 erschien dann der erste Aufsatz für die deutschsprachige Kinderliteratur. In dem Aufsatz Begegnung mit dem Tod. Das Sterben ist kein Tabu in Kinderbüchern wird gesagt, dass in der KJL inzwischen der Tod in den letzten Jahren zunehmend thematisiert wird. Entweder wurde die Thematik in den Handlungsablauf mit eingebunden oder sogar zum zentralen Thema (vgl. ebd., 42.). Für die Jury des deutschen Jugendbuchpreises galt das Thema Tod in der KJL als „bisher verdrängtes, allenfalls umschriebenes, meist geleugnetes Thema“ (ebd., 42.). Die Behauptung trieb 1982 Josef Rabl dazu, sich mit der Frage zu beschäftigen, inwiefern Sterben und Tod in der zeitgenössischen KJL dargestellt wird. Die Auswertungen der deutschen Jugendbuchpreise im Zeitraum zwischen 1971 und 1976 widerlegt die diese These. Dabei wurden rund 92 Kinderbücher untersucht, wovon rund die Hälfte den Tod einschließt, jedoch Tod und Sterben nur „in etwa einem Dutzend [...] zum handlungstragenden Element“ (ebd., 42) erhoben wurde. Ingun Spie- ker-Verscharen ist der Meinung, dass die Themen mehr oder weniger verkürzt sind, ein fortgeschrittenes Todesverständnis voraussetzen und dass Empfindungen, die in Verbindung mit Tod und Ster- ben stehen, immer noch tabuisiert werden (vgl. Haag u. Herchen, 137). Gondel Mattenklott untersuchte im Anschluss daran die Thematik der KJL aus den 1970er- und 80er-Jahre. An ausgewählten Beispielen zeigt sie Variationen dieses „Erwachsenenthemas“ (vgl. Mattenklott, 230) in kinderliterarischen Auffassungen und lässt durch die Bereitwilligkeit einiger Kinderbuchautoren die aufgestellten Thesen nicht mehr gelten (vgl. ebd., 237.). Nach dieser Zeit haben sich Einzelanalysen von Kinder- und Bilderbüchern gefunden, in denen es in der Handlung bevorzugt um das Sterben eines älteren Menschen geht (vgl. ebd., 44).
4.2 Sterben und Tod in der Kinder und Jugendliteratur aus der heutigen Zeit
Heutzutage lassen sich viele Publikationen über die Themen Tod, Sterben und Trauer in Form von Bilderbüchern oder Lesebüchern in der KJL wiederfinden. Dabei werden viele verschiedene Ursachen des Todes angesprochen. Während Bilderbücher sich dabei vor allem gut für Kinder eignen, die selbst noch nicht lesen können und sich „eher mit dem Begreifen des Todes auseinandersetzen“, thematisiert die erzählende KJL auch die Problematik des Verlustes eines z.B. Familienmitglieds (Behrend, 2012). Dabei ziehen diese Bücher auch Gefühle wie Schmerz, Trauer, Einsamkeit, Angst, und Verlust mit sich (Behrend, 2012). Bei der Recherche der Kinderbücher über diese Thematiken wird deutlich, dass es eine breite Palette an Büchern gibt, welche alle Sterbeursachen wie z.B. Krankheit, Unfall, Alter ansprechen. Beispiele für den Tod, der durch einen Unfall verursacht wurde, sind z.B. Du wirst für immer bei mir sein, Abschied von Rune oder Die Brücke nach Terabitia. Diese Todesursache zeigt Kindern, dass es ebenfalls möglich ist zu sterben, auch ohne das Alter der Großeltern erlangt zu haben. Kinderbücher wie Abschied von Tante Sofia, Opa kommt nie wieder, Mein Großvater war ein Kirschbaum oder Leb wohl, lieber Dachs hingegen zeigt Kindern die Sterbeursache aufgrund des Alters. Der Abschied ist dabei nicht leichter, aber für Kinder oft verständlicher. Auch der Tod durch Krieg wurde im Laufe der Jahrzehnte veröffentlicht. Ein bekanntes Buch ist dabei Die Brüder Löwenherz von Astrid Lindgren oder die Jugendbücher Krabat sowie die Blechtrommel. Eine lebensbedrohliche Krankheit stellt die letzte Sterbeursache der KJL. Stirbt ein Familienmitglied oder ein Freund, ist dies dabei meistens auf den Verlauf einer Krankheit oder eines plötzlichen Unfalls zurückzuführen (Behrend, 2012). Beispiel hierfür sind Mama ist gegangen, Auf wiedersehen Papa/Mama, Das Schicksal ist ein Mieser Verräter, Sieben Minuten nach Mitternacht etc. Der Tod eines geliebten Menschen durch eine Krankheit steht oft im Zeichen von Ungewissheit, Angst und Hoffnung, wobei ebenfalls auch oft auch ein Trauma bei den Zurückgebliebenen auftritt (Behrend, 2012). Das Buch Auf wiedersehen Mama ähnelt dabei sehr dem Buch Sieben Minuten nach Mitternacht. Auf wiedersehen Mama erzählt die Geschichte der Tochter, die weiß, dass ihre Mutter bald sterben wird. Bei dem Buch Sieben Minuten nach Mitternacht geht es hingegen um den Sohn der weiß, dass seine Mutter sterben wird. In beiden Büchern wird die Zeit des Abschiednehmens bzw. der Umgang mit Sterben thematisiert. Dabei wird nicht konkret der Tod thematisiert, sondern die Verlustangst.
4.3 Die Sterbephasen nach E. Kübler-Ross
Margarethe Hopp und Bianca Gratzl haben die Sterbephasen der Psychologin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross aus den 1960er-Jahren zusammengefasst und beschrieben. Ross war Medizinerin, die sich unter anderem aktiv mit dem Tod und den Sterbenden befasste (vgl. Gratzl, 78). Sie stellte ein Modell zum Sterbeprozess auf und beschäftigte sich ebenfalls mit Sterbeszenen und betroffenen Familien. In ihrem Modell beschreibt Ross das Sterben als einen „Reifeprozess“, indem die Annahme des Todes als zentrales Ziel gilt (vgl. ebd., 78). Sie versucht mit ihrem Modell ein Grundmuster für den Sterbeverlauf aufzustellen und nicht ein Ideal vorzugeben. In anderen Worten bedeutet dies, dass nach der ersten Phase nicht in jedem Falle die zweite Phase folgt, sondern das Modell an jeden Menschen individuell neu anpassbar ist. Auch die Dauer der einzelnen Phasen sind bei jedem Menschen individuell. Einige Phasen können schnell bewältigt werden, andere können über mehrere Tage oder sogar Jahre hinweg anhalten (vgl. ebd., 78). Das Modell ist in fünf Phasen eingeteilt, welche sowohl von den Betroffenen als auch den Angehörigen zu durchlaufen sind. Ziel ist es, alle Phasen erfolgreich zu bewältigen. Wer dies nicht schafft, wird bis zum Ende gegen den Tod ankämpfen und angstvoll sterben (Charlier, 35).
Die erste Phase ist die des „Nichtwahrhabenwollens und der Isolierung“ (Hopp, 108). Diese beschreibt den Schockzustand der Betroffenen nach z.B. der Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Es wird versucht die Realität als Irrtum abzutun und weder emotional noch rational ins Bewusstsein dringen zu lassen (vgl. ebd., 108). Kübler-Ross nennt die erste Phase auch die „Nein, nicht ich“ Stufe (Kübler-Ross 2004, 36). Der Sterbende oder die Angehörigen entwickeln Panikgefühle und versuchen die Situation zu verdrängen. Dieses Verhalten stellt eine „Schutzreaktion der Psyche um nicht von der geballten Wucht der Nachricht getroffen zu werden und Zeit zu gewinnen für eine allmähliche Annäherung an das Unfassbare.“ (Hopp, 108). Kinder, die entweder selbst betroffen sind oder mit dem Sterben einer wichtigen Bezugsperson konfrontiert werden, fangen an, sich in eine andere Welt zurückzuziehen. „Sie verweigern sich der Katastrophe des drohenden Existenzverlusts und neigen zu formelhafter Wiederholung signifikanter Muster, begleitet von Ess- und Schlafstörungen [...], die das Ausmaß der inneren Blockade äußerlich sichtbar werden lassen“ (ebd., 108).
[...]
1 In den folgenden Abhandlungen schließt die Abkürzung ,KJL' sowohl ,Kinderliteratur' als auch Jugendliteratur' (bis etwa 16 Jahre) mit ein.