Die vorliegende Arbeit thematisiert die Jugendkultur Hip-Hop und beschäftigt sich mit der Frage, wie Jugendliche sich in der Rapper-Szene inszenieren und aus welchen Gründen Jugendliche sich mit dieser Jugendkultur identifiziert.
Angelehnt an dieses Thema ist es von großer Bedeutung, dass erstmal Begriffe wie Identität, Jugendkultur und Rap definiert werden. Somit widmet der erste Teil sich für die terminologische Klärung. Anschließend wird der historische Kontext des Rap angedeutet und die Adaption nach Deutschland skizziert. Als Nächstes werden Gründe und die Art und Weise der Selbstinszenierung von Jugendlichen (mit Migrationshintergrund) untersucht.
Abschließend werden zwei Fallbeispiele dargestellt, die im Rahmen eines Interviews von Herschelmann im Jahre 2009 über die Selbstinszenierung in der Rap-Szene geführt wurden. Schließlich werden die Fälle auf ihre Anwendung des Rap und die Auswirkungen auf die Realität hin verglichen. Das Thema der jugendkulturellen Selbstinszenierung im Hiphop und Rap ist ein aktuelles und umstrittenes Thema, da von vielerlei Hinsichten davon ausgegangen wird, dass Rapmusik schlechte Auswirkungen auf Jugendliche habe. Aus diesem Grund setzt sich diese Arbeit mit dem Hiphop als Jugendkultur auseinander und untersucht, ob sie das Negative darstellt, was viele Menschen mit dieser Kultur verbinden.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. BEGRIFFSDEFINITIONEN
2.1. IDENTITÄT IM HIPHOP ALS REPRÄSENTATIONSHANDLUNG
2.2. JUGENDKULTUR
2.2.1. Jugendkultureller Stil und Selbstinszenierung
2.3. RAP
2.4. GLOKALISIERUNG
3. HISTORISCHER KONTEXT DES RAP UND DIE ADAPTION NACH DEUTSCHLAND
4. SELBSTINSZENIERUNG IM HIPHOP
4.1. JUGENDLICHE MIT MIGRATIONSHINTERGRUND
4.2. KOLLEKTIVE HANDLUNGEN UND KOLLEKTIVE IDENTITÄT
4.3. MARKENKLEIDUNG ALS ÖKONOMISCHES STATEMENT
5. KULTURELLE VERBINDUNG ZUR RAP-MUSIK
5.1. ZWEI FALLBEISPIELE: „PAUL“ UND „BEKIR“
5.1.1. Fallbeispiel: Paul
5.1.1.1. „Inszenierung des Expertenstatus“
5.1.1.2. „,Gute Rapper'“
5.1.1.3. „Rap als biographische Projektionsfläche“
5.1.1.4. Umgang mit Gewaltthemen im Rap
5.1.1.5. Sexuelle Rap-Themen zur Bearbeitung verdrängter Wünsche
5.1.2. Fallbeispiel: Bekir
5.1.2.1. „Rap als Bewältigung von Benachteiligungserfahrungen“
5.1.2.2. Anstoß für Lebensveränderungen
5.1.2.3. Rap zur Verarbeitung von Emotionen
5.2. VERGLEICH DER ZWEI FÄLLE
5.2.1. Abgrenzung vs. Dazugehören
5.2.2. Inkonsequente Haltung zu Gewalt
6. FAZIT
7. LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Jugendkultur HipHop und beschäftigt sich mit der Frage, wie Jugendliche sich in der Rapper-Szene inszenieren und aus welchen Gründen Jugendliche sich mit dieser Jugendkultur identifiziert.
Angelehnt an dieses Thema ist es von großer Bedeutung, dass erstmal Begriffe wie Identität, Jugendkultur und Rap definiert werden. Somit widmet der erste Teil sich für die terminologische Klärung. Anschließend wird der historische Kontext des Rap angedeutet und die Adaption nach Deutschland skizziert. Als Nächstes werden Gründe und die Art und Weise der Selbstinszenierung von Jugendlichen (mit Migrationshintergrund) untersucht.
Abschließend werden zwei Fallbeispiele dargestellt, die im Rahmen eines Interviews von Herschelmann im Jahre 2009 über die Selbstinszenierung in der Rap-Szene geführt wurden. Schließlich werden die Fälle auf ihre Anwendung des Rap und die Auswirkungen auf die Realität hin verglichen.
Das Thema der jugendkulturellen Selbstinszenierung im HipHop und Rap ist ein aktuelles und umstrittenes Thema, da von vielerlei Hinsichten davon ausgegangen wird, dass Rapmusik schlechte Auswirkungen auf Jugendliche habe. Aus diesem Grund setzt sich diese Arbeit mit dem HipHop als Jugendkultur auseinander und untersucht, ob sie das Negative darstellt, was viele Menschen mit dieser Kultur verbinden.
2. Begriffsdefinitionen
2.1. Identität im HipHop als Repräsentationshandlung
Zu aller erst ist es wichtig, den Identitätsbegriff zu definieren, denn schließlich handelt es sich bei jeder Selbstinszenierung um die Identität, die dahintersteckt. Auf der Makroebene ist ein soziokultureller Wandel eindeutig: Sie ist damit verantwortlich für periodische Veränderungen und Umbildung menschlicher Identitäten auf der Mikroebene. Die Identität Jugendlicher wird vermittelt durch den kulturellen Stil, der sich über alle menschlichen Sinne realisiert und am Körper ihr Ausdrucksmedium findet. Der Jugendliche muss sich die Produkte aus der Kulturindustrie produktiv aneignen, wobei es zu kulturellen Transformationen und Umbildung menschlicher Identitäten kommen kann. Denn gängige Muster werden von gesendeten und empfangenen Botschaften durch vorfindbare Materialien aufgebrochen. Somit werden je nach spezifischen sozialen Kontexten bestimmte Botschaften angenommen, das heißt , dass unterschiedliche sozial zusammengesetzte Jugendkulturen sich nicht unbedingt die gleichen Botschaften und Muster aneignen. Diese Aneignung von neuformulierten Mustern ist identitätsstiftend (vgl. Göttlich et al. 2007: S. 94). Identitäten sind also „[e]igene Kreationen, die im Kontext von Aneignung und Umdeutung bereits vorhandener Materialien hervorgebracht werden, in denen ein bestimmter Sinn- und Zusammenhang aufscheint“ (Göttlich et al. 2007: S. 94). Im Folgenden wird dies konkreter für die HipHop-Kultur erläutert. Individuelle Identitätsarbeit wird in produktiven Handlungen hergestellt und durch kulturelle Selbstinszenierung zum Ausdruck gebracht. Die Partizipation an jugendkulturellen Praktiken, Stilformen und Szenen ermöglichen den Aufbau einer kulturellen und sozialen Identität (vgl. Göttlich et al. 2007: S. 95). Die Identität ist das, was man sein möchte, während man sich gleichzeitig auch von anderen Dingen distanziert. Hierbei muss man also Entscheidungen treffen, die die eigene Persönlichkeit ausmachen (vgl. Van Treck 2003: S. 103). Dies ist ein „dynamischer Prozess“ (Androutsopoulos 2003: S. 218), welcher sich in der künstlerischen Praxis herauskristallisiert. Dabei hat der HipHopper einen persönlichen Stil, den er durch Wiederholungen seiner Selbstinszenierung darstellt. Diese Individualität macht ihn zu einer bestimmten Person innerhalb einer Gruppe, wobei jedoch sein persönlicher Stil „vor dem Hintergrund der Stile verschiedenster Epochen und unterschiedlichster HipHop-Künstler“ (ebd.) steht. Dies stellt auch die Entstehungsbedingung des HipHop dar. Durch Repräsentationshandlungen, also durch die Wiederholungen alter Stile durch eine „neue“ Identität, ist der HipHopper an „Historizität und Gemeinschaftlichkeit gebunden“ (ebd.). Diese Repräsentationshandlungen sind auch die zentrale Kulturtechnik des HipHop. Das heißt auch, dass die „,ursprüngliche‘ Bedeutung“ (Androutsopoulos 2003: S. 219) der Dinge in der traditonellen Betrachtungsweise eine andere Bedeutung haben, als die der neu interpretierten und repräsentierten (vgl. ebd.). Doch bevor eine Repräsentation vollzogen werden kann, findet ein Prozess der Bedeutungsgebung statt. In der Repräsentation wird der bedeutende „Andere“ durch ein „Selbst“ produktiv und konstruktiv dargestellt (vgl. Androutsopoulos 2003: S. 220). Hierbei muss der Jugendliche seine Rolle überzeugend darstellen, denn bei der Repräsentation handelt es sich „nicht nur um Darstellung und schlichte Wiederauflage (...), sondern eben auch um Vertretung im Sinne einer politischen Repräsentation“ (Androutsopoulos 2003: S. 220), da die Darstellung seiner Rolle und damit seiner Identität eine überzeugende Kraft inne haben muss, um von seinem „Publikum“ anerkannt zu werden (vgl. Goffmann 1976: S. 19).
Bei einer kulturellen Repräsentation von Identität ist somit die Performanz zentral. Dies stellt neben der Inszenierung eine große Rolle im Rap dar. Bei der Darstellung von Autonomie und Selbstbestimmung muss sich der Jugendliche performativ inszenieren um auch seine GenderIdentität zu schaffen (vgl. Grimm 1998: S. 23f.).
2.2. Jugendkultur
Wenn von dem Begriff Jugendkultur in der Fach- sowie Alltagssprache Gebrauch genommen wird, ist meist von Jugendkulturen, also dem Plural die Rede, was ein Hinweis auf die Vielfalt der kulturellen Inszenierungen von Jugend in der Öffentlichkeit gibt.
Jugendkulturen sind jugendliche Szenen und damit posttraditionale Vergemeinschaftungsformen mit je eigener Kultur. „Sie sind dynamisch und fluide“ (Krüger 2010: S. 14) und „individualisierungssymptomische Gesellungsgebilde am Übergang in eine andere Moderne [...], die ähnlich wie Peergroups den Jugendlichen eine emotionale Unterstützung bieten“ (ebd.). Die Identitätsbildung vollzieht sich im jugendkulturellen Zusammenhang. Denn darin bekommen Warenobjekte aus alltäglichen Lebenszusammenhängen neue Bedeutungen (vgl. Krüger 2010: S. 14). Widersprüche, die in der Stammkultur verborgen und ungelöst bleiben, werden in jugendlichen Subkulturen zum Ausdruck gebracht und auf symbolische expressive Weise verarbeitet (vgl. Krüger 2010: S. 13).
2.2.1. Jugendkultureller Stil und Selbstinszenierung
Wenn man von einem Stil spricht, meinen Kultursoziologen ein Konzept der Lebensform und in moderneren Konzeptionen heißt es „,Stil des Lebens‘“ (Müller 1992, 374; Zitat nach Göttlich et al. 2007: S. 88) und dieser kommt ursprünglich von der „,Lebensweise von Gruppen‘“(ebd.). Ein zentrales Merkmal der individuellen Lebensformen in modernen Gesellschaften stellt nach Simmel der identitätsstiftende Stil des Lebens dar, der in Such- und Findungsprozessen stabilisiert und gesichert werden muss. Aufgrund des immer rascher werdenden „technologischen und sozialen Wandels müssen die Individuen mittels Auswahl von Zeichen, Beschreibungen und Ästhetisierungen den Objekten eine je subjektive Bedeutung geben“ (Göttlich et al. 2007: S. 88). Die alltägliche jugendkulturelle Praxis dient den Individuen als Selbst- und Sinnfindungspraxis. Jugendliche orientieren sich an bestimmten jugendkulturellen Stilen, wobei diese auch als „(Über-) Lebenshilfe, Konfliktlösungsstrategie, und/oder als Darstellung (von Möglichkeiten) eines Aufbegehrend oder Wiederstandes gegen die Lebensweise der Erwachsenen, gegen gesellschaftliche Konventionen“ (ebd.: S. 92) fungieren. Jugendkulturelle Stile werden im Kollektiv ausgelebt, die diese Gemeinschaft stetig weiterführt. Somit bedeutet das, dass sie nicht nur die Individualisierung der Subjekte im Blick haben, sondern auch neue Vergemeinschaftungsformen hervorbringen. Langwierige, kreative und zufällige Erprobungshandlungen sind Entstehungsmerkmale für jugendkulturelle Stile.
Jugendliche werden sich aus Zufall oder durch Anpassung an bestimmte Gruppenerwartungen zu bestimmten Gruppenstilen zugehörig fühlen. Dabei steht der Spaßfaktor im Vordergrund, wobei sich die Individuen durch hedonistische Darstellungen des eigenen Stils in der eigenen Gruppe beweisen und sich gleichzeitig zu anderen Gruppen abgrenzen (vgl. ebd.: S. 93).
Um einen bestimmten Stil authentisch zu vertreten, sind bestimmte soziokulturelle Erfahrungen und Lebensentwürfe keine Voraussetzung. Somit können auch Jugendliche ohne „bestimmte individuelle oder gruppen- bzw. klassenspezifische Erfahrungsmuster“ (ebd. S. 93) bestimmte „,Life-Style-Stilisierung[en]‘“ (Dewe/Scherr 1995, 137f.; Zitat nach Göttlich et al. 2007: S. 93) nutzen. Dabei ist die Absicht aller stilproduzierenden Personen bei ihresgleichen und in der sozialen Umgebung aufzufallen und Anerkennung zu erlangen. Dies geschieht wie oben erwähnt auch mit einer authentischen Darstellung seiner Identität, welcher von dem Stil gekennzeichnet ist. Dieses Auffallen geschieht durch das Streben nach Differenz innerhalb der Gruppe Gleichgesinnter (vgl. Göttlich et al. 2007: S. 93).
Einzelne Individuen aber auch Gruppen wie beispielsweise Peergroups können jugendkulturelle Selbstinszenierungen kreieren, die bestimmte Stile inne haben.
Im Vordergrund jugendkultureller Selbstinszenierungen steht das Image, das das Erscheinungsbild sichtbar macht. Dies sind zusammengefasst das Aussehen und Accessoires sowie modische Attribute wie Kleidung, Haarschnitt, Schmuck, spezifische Drogen und Konsumformen (vgl. Göttlich et al. 2007: S. 88).
Desweiteren ist der Körper eine weitere Technik für die Erzeugung von Differenz, bestehend aus „herausgehobenen Attribute[n] und seiner Haltung, die durch die Körpersprache, Tanz- und Bewegungsformen, Handzeichen etc. Symbolität annimmt“ (Göttlich et al. 2007: S. 88).
Die Musik ist im HipHop die „elementarste Ausdrucksform“ (ebd.: S. 89). Sie ist ein Symbol zur Etablierung sozialer und individueller Identitäten (vgl. Göttlich et al. 2007: S. 97)
Durch spezifisches Vokabular und Redenwendungen wird das Jargon eines jugendkulturellen Stils besonders und kennzeichnend für diesen (vgl. ebd.).
All diese aufgezählten Aspekte können eine „Signalwirkung“ (Göttlich et al. 2007: S. 96) vermitteln. Körperliche Selbstinszenierungen schaffen Distinktion und stellen nach Bourdieu kulturelles Kapital dar, die sich Jugendliche im Zuge pluralisierender Stilangebote aneignen müssen, um somit eine jugendkulturelle Identität aufzubauen. Durch die Ausbreitung der Lebensstile nehmen dabei traditionelle Orientierungen ab. Die Pluralisierung kann die Aufgabe, eine jugendkulturelle Identität aufzubauen, erschweren, da es eine große Vielzahl von dargebotenen Stilen gibt, zwischen denen sich der Jugendliche entscheidet oder neue schafft. Jedoch heißt dies gleichzeitig auch, dass es leichter ist, Stile zu finden, mit denen sich ein Jugendlicher identifizieren kann. Die „Entscheidung für oder gegen einen oder mehrere solcher Stile [stellt somit] ein[en] individuellen Akt“ (ebd.) dar.
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