Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Satzgrenzenkomma und seiner Vermittlung im besonderem mit dem neuen, verbzentrierten Ansatz der linguistischen Fach- und Didaktikwissenschaft.
Das Verb wird als Zentrum eines Satzes und damit als Ausschlaggeber für die Kommasetzung verstanden. Diese Vorgehensweise soll insbesondere Schülerinnen und Schülern helfen, die richtige Kommasetzung und deren Systematik zu verstehen. Darüber hinaus wird konkretes Unterrichtsmaterial entwickelt und vorgestellt, welches bereits in Projekttagen benutzt wurde. Im Anschluss werden die Erfahrungen aus der Praxis analysiert und reflektiert.
Im Folgenden wird hierzu zunächst das Satzgrenzenkomma selbst aus linguistischer Fachperspektive betrachtet. Weiterhin werden typische Fehlerquellen und die Problematik der herkömmlichen Kommadidaktik analysiert. Mit Hilfe des Topologischen Feldermodells soll daraufhin der neue, verbzentrierte Ansatz der Kommadidaktik beleuchtet werden. Diese Ausführungen stellen die Basis für das Unterrichtsmaterial dar. Zudem wird die Problematik mit Hilfe von Textkorpora erfasst und analysiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Komma und seine Funktionen
2.1. Das koordinierende Komma
2.2. Das Herausstellungskomma
2.3. Das Satzgrenzenkomma
3. Die Didaktisierung des Satzgrenzenkommas
3.1. Kommasetzung als Fehlerquelle
3.2. Herkömmliche Kommadidaktik
3.3. Neue Kommadidaktik anhand des Verbs
3.4. Das Topologische Feldermodell
4. Die Korpus-Analyse
5. Kommasetzung in der Praxis
5.1. Einordnung in den Hamburger Bildungsplan
5.2. Didaktisch-methodische Überlegungen
5.3. Darstellung des Projekttags
5.4. Reflexion der Durchführung
6. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Interpunktion und insbesondere die korrekte Kommasetzung stellt für viele Deutsche ein großes Problem dar. Obschon die Zeichensetzung der deutschen Sprache festen Regeln folgt und ein einheitliches System ergibt, scheint dies eine der Hauptfehlerquellen in der Orthographie zu sein. Häufig werden Kommas allerdings nach bloßem Gefühl gesetzt oder vor vermeintlichen Signalworten – Signalworte, die zumindest kein eindeutiges Signal für ein Komma sein müssen. Fraglich ist, worin diese Unsicherheiten ihren Ursprung haben. Dies scheint mitunter in der traditionellen Kommadidaktik zu liegen, die sich eben an vermeintlichen Signalworten orientiert. Auch Sprechpausen im Satz verleiten zu fehlerhafter Kommasetzung nach Gefühl. Speziell für (angehende) Lehrkräfte ist es folglich von besonderer Bedeutung typische Fehlerquellen ausfindig zu machen und diesen schließlich entgegenzuwirken, um die Systematik der Kommasetzung zu vermitteln.
Die folgende Arbeit beschäftigt sich daher mit dem Satzgrenzenkomma und seiner Vermittlung, im besonderem mit dem neuen, verbzentrierten Ansatz der linguistischen Fachwissenschaft und -didaktik. Das Verb wird als Zentrum eines Satzes und damit als Ausschlaggeber für die Kommasetzung verstanden. Diese Vorgehensweise soll insbesondere Schülerinnen und Schülern helfen, die rich-tige Kommasetzung und deren Systematik zu verstehen. Darüber hinaus wird konkretes Unterrichtsmaterial entwickelt und vorgestellt, welches bereits in Projekttagen benutzt wurde. Im Anschluss werden die Erfahrungen aus der Praxis analysiert und reflektiert.
Im Folgenden wird hierzu zunächst das Satzgrenzenkomma selbst aus lingu-istischer Fachperspektive betrachtet. Weiterhin werden typische Fehlerquellen und die Problematik der herkömmlichen Kommadidaktik analysiert. Mit Hilfe des Topologischen Feldermodells soll daraufhin der neue, verbzentrierte Ansatz der Kommadidaktik beleuchtet werden. Diese Ausführungen stellen die Basis für das Unterrichtsmaterial dar. Zudem wird die Problematik mit Hilfe von Textkorpora erfasst und analysiert.
2. Das Komma und seine Funktionen
Die Funktionen von Satzzeichen sind vielseitig und nicht leicht zu überblicken. Die Interpunktion dient der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit von Texten und fungieren als Grenz- und Gliederungszeichen. Insbesondere die Kommasetzung ist grammatisch gesteuert und erfordert grammatisches Grundwissen. So ist es die Aufgabe des Kommas, Sätze für Leserinnen und Leser grammatisch zu gliedern, um einen schnelleren Lesefluss zu ermöglichen. Es veranschaulicht die Konstruktion eines Satzes, indem es Nebensätze vom Rest separiert, Einschübe oder Zusätze verdeutlicht und herausstellt oder Aufzählungen in sich ordnet (vgl. Hennig 2016: 519). Die deutsche Sprache differenziert dementsprechend zwi-schen drei Funktionen des Kommas: a) das koordinierende Komma bei Aufzäh-lungen, b) das Herausstellungskomma und c) das Satzgrenzenkomma, um in-nere Satzgrenzen zu verdeutlichen (vgl. Bredel 2015: 135). Das Kernanliegen der Arbeit besteht im Satzgrenzenkomma und seiner Vermittlung. Der Voll-ständigkeit halber und zum besseren Verständnis werden im Folgenden jedoch auch das Herausstellungskomma und das koordinierende Komma kurz erläutert.
2.1. Das koordinierende Komma
Das koordinierende Komma verschafft Übersicht in Aufzählungen. Es trennt sowohl Wörter gleicher Wortarten als auch gleichartige Wortgruppen von-einander. Das koordinierende Komma wird zwischen den einzelnen Wörtern oder Gruppen gesetzt und ersetzt eine echt-koordinierende Konjunktion wie und, oder, sowie und ähnliche. Dementsprechend wird innerhalb einer Aufzählung kein Komma gesetzt, sofern eine solche Konjunktion verwendet wurde (vgl. Hennig 2016: 24 f).
(1) Peter kauft Äpfel, Birnen, Brot und Milch.
2.2. Das Herausstellungskomma
Das Herausstellungskomma zeigt eine vor- oder nachgestellte Erläuterung an und präsentiert zusätzliche Informationen. Das Komma grenzt diese Zusätze vom Rest des Satzes ab, um diese hervorzuheben. Handelt es sich bei diesem Zusatz um einen Einschub, so wird dieser durch zwei Kommas vom Rest des Satzes getrennt und eingeschlossen (paariges Komma) (vgl. ebd.: 526 f.).
(2) Hilfe, ich kann nicht schwimmen!
(3) Meinen Hund, Anton, kennst du bereits.
2.3. Das Satzgrenzenkomma
Die Funktion des Satzgrenkommas liegt in der Abgrenzung von Teilsätzen. Diese können in einer Hauptsatz-Nebensatz-Konstruktion oder in einer Hauptsatz-Hauptsatz-Konstruktion miteinander verbunden sein. Das Satzgrenzenkomma „ist zentral mit dem Verb verknüpft“ (Bredel 2015: 135). Verben gelten als das jeweilige Zentrum eines Satzes, bestimmen demnach die Art eines Satzes und sind folglich kommarelevant (vgl. ebd.). Wer sich also mit Interpunktion und der richtigen Kommasetzung auseinandersetzt, muss zunächst das Verb und seine unterschiedlichen Formen studieren. Im Deutschen tritt das Verb in drei Formen auf, nämlich als Finitum, als reiner Infinitiv oder als zu-Infinitiv (vgl. ebd.: 135 f.).
(4) Mariella liest ein Buch. (Finitum)
(5) Marielle hat ein Buch gelesen. (Finitum)
(6) Sie will lesen. (Finitum)
(7) Sie will lesen. (Infinitiv)
(8) Er verspricht ihr, die Fenster zu putzen. (Zu-Infinitiv)
Nicht alle diese Verbformen fordern das Komma, da dessen grundlegende Aufgabe es ist, satzwertige Einheiten zu gliedern und zu separieren (vgl. ebd.: 140). Zu untersuchen gilt es, welche Verbform eine selbstständige und satz-wertige Einheit hervorbringt und infolgedessen ein Komma postuliert. Finite Verb-formen zeichnen sich durch die eindeutige Markierung von Person, Numerus, Modus und Tempus aus und kongruieren mit dem jeweiligen Subjekt (vgl. Staaden 2016: 177). Jeder deutsche Satz verfügt über mindestens ein finites Verb. Tritt eine Konstruktion mit zwei oder mehr finiten Verben auf, so ist das Komma obligatorisch. Auch eigenständige, gleichwertige Hauptsätze können mit einem Komma verknüpft werden. Dieses Gefüge wird als Satzreihe bezeichnet. Die einzige Ausnahme besteht, wenn die Teilsätze mit echt-koordinierenden Konjunktionen miteinander verbunden sind (vgl. Bredel 2015: 136). Reine Infi-nitive gelten hingegen als nicht satzwertig und sind infolgedessen nicht komma-relevant (vgl. ebd.).
(9) Köln war eingeschneit, Millionen Menschen waren betroffen.
(10) Köln war eingeschneit und Millionen Menschen waren betroffen.
(11) Sie will etwas mit ihr unternehmen.
Bei Komponenten mit zu-Infinitiven muss zunächst die Satzwertigkeit, die ausschlaggebend für die Kommasetzung ist, ermittelt werden. Für die Be-stimmung der Satzwertigkeit empfiehlt sich die Prüfung der syntaktischen Kohärenz. Es wird zwischen kohärenten, nicht satzwertigen und inkohärenten, satzwertigen Konstruktionen differenziert (vgl. ebd.). Kohärente (zusammen-hängende) Konstruktionen gelten als nicht satzwertig, da „sich der zu-Infinitiv wie der nichtfinite Bestandteil einer Hilfsverbkonstruktion verhält“ (ebd.: 136). Der zu-Infinitiv wird in den Matrixsatz integriert und entwickelt keinen eigenen Teilsatz mit finitem Verb. Demzufolge wird in diesem Fall kein Komma gesetzt. Wohin-gegen Infinitivkonstruktionen in inkohärenten (nicht zusammenhängenden) Sätzen wie Nebensätze zu behandeln sind und folglich immer ein Komma fordern (vgl. ebd.). Nie kohärent sind außerdem Konstruktionen mit um, ohne und statt und erfordern ebenso immer ein Komma.
(12) ..., weil Max Karl die Blumen zu gießen verspricht. (Kohärent)
(13) ..., weil Max Karl verspricht, die Blumen zu gießen. (Inkohärent)
Das Verb gilt nicht nur als grammatisches Zentrum eines Satzes, indem es den Satz durch die Forderung von Ergänzungen und Angaben formt und ausfüllt, sondern stellt zudem den Kern und Ausschlaggeber der Kommasetzung dar (vgl. Bredel/Hlebec 2015: 36). Das Satzgrenzenkomma steht in Abhängigkeit zum Verb und seiner Form im jeweiligen Satz.
3. Die Didaktisierung des Satzgrenzenkommas
3.1. Kommasetzung als Fehlerquelle
Durch die verschiedenen Kommatypen entstehen Unsicherheiten und besonders auffälliges Fehlerpotenzial in der Kommasetzung. Dies lässt sich nicht nur für das Satzgrenzenkomma feststellen, sondern auch in Bezug auf das koordinierende Komma. Für die Vermittlung im Unterricht kann die Faustregel, dass das Auf-zählungskomma durch ein und ersetzt werden kann, den Schülerinnen und Schülern helfen, die Regel zu verstehen. Schwieriger hingegen sind beispiels-weise Konstruktionen mit weder...noch, sowohl...als auch, entweder...oder. In Reihungen, die mit diesen Konjunktionen verbunden sind, wird ebenfalls kein Komma gesetzt (vgl. Staaden 2016: 134).
(14) Peter kauft sowohl Äpfel als auch Birnen.
Die Regelsetzung, dass vor diesen Konjunktionen niemals ein Komma gesetzt wird, ist jedoch nicht haltbar und falsch. Die Frage ist nämlich, um welchen Kommatypen es sich handelt. In dem folgenden Satz muss ein Komma vor dem und gesetzt werden, da es sich um die Schließung des eingeschobenen Ne-bensatzes handelt und somit um ein obligatorisches Satzgrenzenkomma (vgl. ebd.: 135). Daher ist es umso wichtiger, Schülerinnen und Schülern solche Satz-konstruktionen zu verdeutlichen. Denn so werden Fehler vermieden und das Bewusstsein für Einschübe wird geschult und gestärkt.
(15) Wir hoffen, es hat Ihnen bei uns gefallen, und wünschen eine gute
Rückreise.
Zudem muss bei einer Reihung von Attributen geprüft werden, ob es sich überhaupt um eine Aufzählung mit gleichrangigen Attributen handelt. „Nicht gleichrangige Attribute werden nicht mit [einem] Komma abgetrennt“ (ebd.: 132). In diesem Fall beschreibt ein Attribut ein anderes näher, daher sind sie nicht gleichrangig. Nicht gleichrangig bedeutet in dieser Konstruktion konkret, dass die vorliegenden Attribute sich auf verschiedene Wörter beziehen. Das Komma kann in unterschiedlichen Sätzen zudem bedeutungsverändernd sein (vgl. ebd. ff.).
(16) Es gibt neue, energiesparende Verfahren zur Wasseraufbereitung.
(17) Es gibt neue energiesparende Verfahren zur Wasseraufbereitung.
Ferner führt das Satzgrenzenkomma besonders zu einer Vielzahl potenzieller Fehler in der deutschen Sprache. Dies ergibt auch eine Untersuchung von Pießnack/Schübel (2005: 58), denn rund 60% der Interpunktionsfehler betreffen das Satzgrenzenkomma, beziehungsweise das fehlende Satzgrenzenkomma.
Fehlende Satzgrenzenkommas sind besonders häufig nach vorangestellten Nebensätzen zu finden, respektive eben nicht zu finden (vgl. Bredel 2015: 138).
(18) Dass wir uns mögen, steht außer Frage.
(19) Weil die Sonne häufig scheint, mag ich den Sommer sehr.
Weiterhin scheinen Infinitivkonstruktionen besondere Schwierigkeiten und somit ein großes Fehlerpotenzial mit sich zu bringen. Zu unterscheiden ist schließlich zwischen satzwertigen und nicht-satzwertigen Konstruktionen (vgl. ebd.).
(20) Sie hatte Angst, ihren Job zu verlieren.
(21) Sie hatte Angst zu versagen.
Weiterhin ist zu beobachten, dass bei eingeschobenen satzwertigen Einheiten das schließende Komma häufiger nicht gesetzt und vergessen wird als das öffnende. Zudem sind konjunktional eingeleitete Nebensätze weniger fehler-anfällig als Relativsätze (vgl. ebd.).
(22) Über die E-Mail, dass ihr gut gelandet seid, sind wir sehr erleichtert.
(23) Sie studiert Medizin, weil sie Ärztin werden möchte.
(24) Sie hat eine Freundin, die Medizin studiert.
Ein Viertel aller Fehler besteht in überschüssig gesetzten Kommas (vgl. Pießnack/Schübel 2005: 58). Überflüssige Kommas werden oft nach einem langen Vorfeld gesetzt oder vor Vergleichen, die mit als und wie eingeleitet werden, jedoch keinen Vergleichssatz bilden. „Auch hier gilt: Ein (Neben-)Satz hat immer ein finites Verb – fehlt dieses, liegt dementsprechend auch kein Satz vor, der mit Komma abzutrennen wäre“ (Staaden 2016: 145).
(25) * Nach langer und reiflicher Überlegung, entschied er sich in die
Schule zu gehen.
(26) * Das Essen schmeckt nicht so gut, wie bei Papa.
(27) Das Essen schmeckt nicht so gut, wie ich gehofft hatte.
3.2. Herkömmliche Kommadidaktik
Die vorangegangene Fehleranalyse führt schnell zu der Frage, wie die Zeichen-setzung, insbesondere die Kommasetzung, überhaupt Schülerinnen und Schü-lern vermittelt wird und an welcher Stelle genau diese Didaktik offensichtlich Defizite aufzeigt. Die traditionelle und herkömmliche Kommadidaktik scheint sich „einseitig an der nebensatzeinleitenden Konjunktion [zu orientieren]“ (Bredel 2015: 138). Konjunktionen werden hierbei als kommaauslösende Signalworte identifiziert. Diese Annahme ist allerdings für das System der Zeichensetzung nicht nur unzulänglich, sondern schlichtweg falsch.
Sobald Schülerinnen und Schüler kein Signalwort ausfindig machen können, sinkt ihre eigene Kommasicherheit stark. „Steht der Nebensatz vor dem Haupt-satz, wird die Satzgrenze nicht als Kommaauslöser identifiziert. Ist, wie bei Relativsätzen, kein Signalwort erkennbar, sinkt die Kommasicherheit ebenfalls. Und auch das schließende Komma, das nicht von einem Signalwort gerahmt ist, ist störanfällig“ (Bredel 2015: 139). Ebenso lässt sich das Setzen von über-flüssigen Kommas zum Beispiel nach langen Vorfeldern auf die Signalwort-didaktik zurückführen (vgl. Bredel/Hlebec 2015: 37). Lange Vorfelder beginnen meist mit Präpositionen, die von Schülerinnen und Schülern mit Konjunktionen verwechselt werden können und folglich fälschlicherweise als Kommaauslöser identifiziert werden. Des Weiteren stellen die häufigen Nominalisierungen in solchen Vorfeldern eine Verwechslungsgefahr mit Nebensätzen dar. Letztlich lädt auch die lange Konstruktion an sich und die Intonation zu der Setzung des Kommas ein. Wiederum entsteht das Gefühl, ein Komma setzen zu müssen.
[...]