Ein Überblick über Laienepistemologie: Welche Probleme ergeben sich für menschliches Denken und Verhalten? Jeden Tag werden wir damit konfrontiert, Entscheidungen zu treffen, sei es im Privatleben, oder auch im Geschäftsleben. Diese omnipräsente Unsicherheit wird uns durch die aktuelle Corona-Pandemie so stark und offensichtlich wieder ins Gedächtnis gerufen, wie noch nie zuvor. Vor allem unser Bedürfnis nach Struktur, welches Kruglanski et al bereits 1985 erwähnt haben, spielt hier eine ausschlaggebende Rolle. Niemand stößt einen derzeit so offensichtlich auf das Thema Laienepistemologie wie die Ambiguität der Theorien des Prof. Dr. Christian Drosten und die der Verschwörungstheoretiker um Xavier Naidoo. Der Mensch strebt gerade in diesen Zeiten, vielleicht noch stärker als zuvor, nach widerspruchsfreien Erkenntnissen. Da dieses Bedürfnis durch einen Wissenschaftler, dessen Antrieb die Suche nach Falsifikation ist, nicht befriedigt werden kann, flieht sich eine Vielzahl von Laien durch die ständige Auf- und Abwertung von Informationen in ein konstantes, kognitive Dissonanz befriedigendes, Umfeld.
Inhalt
Inhalt
1 Einführung
2 Definitionen
2.1 Definition: Laie
2.2 Definition: Laienepistemologie
3 Abgrenzung Laien – und Wissenschaftstheorie
4 Laienhafte Erkenntnissuche nach Kruglanski et al
4.1 Das Bedürfnis nach Struktur
4.2 Das Bedürfnis nach spezifischen Schlussfolgerungen
4.3 Das Bedürfnis nach Gültigkeit
5 Bezüge zu weiteren Theorien
5.1 Theorie kognitiver Dissonanz
5.2 Attributionstheorie
6 Auftretende Denkfehler und Probleme
6.1 Anwendungsbeispiel: Arzt
6.2 Anwendungsbeispiel: Gateway Hypothese des Cannabiskonsums
7 Kritische Würdigung
8 Literaturverzeichnis
1 Einführung
„Life is full of change and uncertainty. We know this. We experience it on a daily basis”
Carre Otis
Jeden Tag werden wir damit konfrontiert Entscheidungen zu treffen. Sei es im Privatleben, als auch im Geschäftsleben. Soll ich mir eine Eigentumswohnung kaufen oder doch lieber die nächsten Jahre in Miete wohnen bleiben? Kaufe ich mir ein Set neuer Winterreifen oder steige ich auf Ganzjahresreifen um? Wäre es sinnvoll ein neues Stellenangebot wahrzunehmen oder sollte ich meiner jetzigen Abteilung treu bleiben? Das sind nur einige der Fragen, mit denen wir uns täglich auseinandersetzen müssen. Die Wichtigkeit und Priorität, die wir diesen Fragen zuordnen hängt maßgeblich mit den Konsequenzen zusammen, welche daraus entstehen könnten. Werden die Konsequenzen, die mir dadurch entstehen weitläufiger sein oder sich noch in einem überschaubaren Rahmen bewegen? Trotzdem müssen Entscheidungen, auch in einer volatilen Welt, welche von Unsicherheiten geprägt ist, ständig getroffen werden. Diese omnipräsente Unsicherheit wird uns durch die aktuelle Corona-Pandemie, so stark und offensichtlich wieder ins Gedächtnis gerufen, wie noch nie zuvor. Vor allem unser Bedürfnis nach Struktur, welches Kruglanski et al bereits 1985 erwähnt haben spielt hier eine ausschlaggebende Rolle. Niemand stößt einen derzeit so offensichtlich auf das Thema Laienepistemologie wie die Ambiguität der Theorien des Prof. Dr. Christian Drosten und die der Verschwörungstheoretiker um Xavier Naidoo. Der Mensch strebt gerade in diesen Zeiten, vielleicht noch stärker als zuvor, nach widerspruchsfreien Erkenntnissen. Da dieses Bedürfnis durch einen Wissenschaftler, dessen Antrieb die Suche nach Falsifikation ist, nicht befriedigt werden kann, flieht sich eine Vielzahl von Laien durch die ständige Auf- und Abwertung von Informationen in ein konstantes, kognitive Dissonanz befriedigendes, Umfeld.
Die nachfolgenden Seiten würden wir gerne den Problemen, welche sich aus dem menschlichen Denken und Handeln ergeben, widmen. Hierfür werden wir zu Beginn zunächst auf die theoretische Darstellung der Laienepistemologie eingehen. Daraufhin werden wir die Laientheorie noch einmal genauer von der Wissenschaftstheorie abgrenzen und das Konzept der Erkenntnissuche erläutern. Nach einer Verknüpfung mit der Attributionstheorie und der Theorie kognitiver Dissonanz beenden wir den theoretischen Teil und eröffnen den praktischen Teil durch einige Beispiele der laienhaften Erkenntnissuche aus dem geschäftlichen und privaten Umfeld. Anhand dieser wollen wir die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal illustrieren. Die Überprüfung einer Hypothese und eine kritische Würdigung werden den Abschluss der Erörterung der Frage „Welche Probleme ergeben sich für menschliches Denken und Verhalten?“ bilden.
2 Definitionen
2.1 Definition: Laie
In der Definition des Laien würden wir uns gerne von dem kirchenrechtlichfunktionalen, sowie frömmigkeitsgeschichtlichen Aspekt abwenden und uns auf den bildungsgeschichtlichen Teil des Terminus beziehen. Demnach gilt der Laie in unserer Ausarbeitung nach, als Jemand, der auf einem bestimmten Gebiet keine Fachkenntnisse besitzt (Steer, 1984).
2.2 Definition: Laienepistemologie
Die Laienepistemologie untersucht menschliches Denken von „kleinen Psychologen“ (Raab et al., 2016), das heißt in welchem Rahmen der normale Mensch differenzierte Hypothesen zu Sachverhalten in seiner Umwelt aufstellt und diese mit seinen zur Verfügung stehenden Mitteln überprüft. Unter anderem wird sich damit auseinandergesetzt, unter welchen Umständen vereinfachte Erklärungsmodelle zur Bestätigung der aufgestellten Hypothesen ausreichend sind. In diesem Zusammenhang findet auch eine Betrachtung der Fähigkeit, sowie Motivation zur Hypothesengenerierung statt (Bierhoff & Frey, 2006).
3 Abgrenzung Laien – und Wissenschaftstheorie
In diesem Abschnitt soll der Versuch unternommen werden die Abgrenzung der Laientheorie, zu der ihr gegenüberstehenden Wissenschaftstheorie, noch einmal genauer darzustellen. So findet in der Forschung von Adrian Furnham und Helen Cheng eine grundlegende Unterscheidung der drei folgenden Theorien statt (Furnham & Cheng, 2000):
1. Laientheorien, welche als eigentümlich und persönlich angesehen wird.
2. Volkstheorien, die als Theorien von bestimmten Subgruppen geteilt werden.
3. Wissenschaftstheorien, welche der Annahme unterliegen, dass sie aus empirischen und beobachten Daten abgeleitet und getestet wurden.
Die Volkstheorie wird während dieser Darstellung außer Acht gelassen und der Fokus somit lediglich auf die Laien- und Wissenschaftstheorie gelegt. Nachfolgend widergespiegelte Erkenntnisse basieren hauptsächlich auf Furnham (Furnham, 1988) und sollen in einer paragraphierten Darstellungsweise die Differenzen der beiden Theorien verdeutlichen. Diese unterliegt weder einer Wertung, noch soll sie eine Rangfolge hinsichtlich ihrer Wichtigkeit aufzeigen.
i. Laien-Theorien sind selten explizit und technisch gesehen niemals formal. Zudem wissen Laien in den meisten Fällen nicht, dass ihre Erklärungen von soziopolitischen und philosophischen Traditionen oder Denkmustern abgeleitet sind. Die Wissenschaftstheorie hingegen ist eine formale Theorie, welche nach einem logischen und in sich konsistenten Muster aufgebaut ist.
ii. Hinsichtlich Kohärenz und Konsistenz sind Laien-Theorien meist mehrdeutig, was dazu führt, dass der normale Mensch zwei sich widersprechende Glaubensansätze zur selben Zeit manifestieren kann. Die Wissenschaftstheorie spiegelt das Gegenteil dieser Zwiespältigkeit wider. Sie ist kohärent und konsistent.
iii. Die Theorie der Falsifikation nach Karl R. Popper (Popper, 1963) wird von einer großen Anzahl an Epistemologen akzeptiert. So ist nach dieser Theorie die Suche nach Verifikation, meist bei Laien-Theorien betrieben, nicht wissenschaftlich. In den Augen Poppers reicht es nicht aus einen weiteren „weißen Schwan“ (in diesem Fall genutzt als Synonym für jeden weiteren Beweis) aufzuzeigen, um die Hypothese zu bestätigen, dass alle Schwäne weiß sind. Seiner Meinung nach, gilt es den einen schwarzen Schwan auf dieser Welt zu suchen, sinnbildlich also eine Falsifikation zu erreichen. Dieser Grundgedanke ist Bestandteil der Wissenschaftstheorie.
iv. Laien-Theorien verwechseln oft den Sachverhalt und bringen Grund und Ursache durcheinander. Es werden voreilige Entschlüsse gezogen und Korrelationen zwischen X und Y dargestellt wo zwangsläufig keine auftauchen. So kann X zu Y führen, aber auch umgekehrt oder es spielt eine dritte Variable wie Z eine ausschlaggebende Rolle. Selbst Wissenschaftler sind vor diesem Hinterhalt nicht gefeit.
v. Der Laie neigt dazu die Bedeutung externer und situativer Faktoren zu unterschätzen. Diesen Tatbestand bezeichnet Ross (Ross, 1977) als grundlegenden Zuschreibungsfehler. So erwarten Laien situationsunabhängig ein konsistentes und stabiles Verhalten von anderen Personen. Dies führt dazu, dass äußere Eigenschaften tendenziell ignoriert werden und situative Faktoren in den Hintergrund geraten. Stattdessen wird bei der Ursachenfindung für das menschliche Verhalten an der Persönlichkeit direkt angesetzt.
[...]