In der vorliegenden Arbeit wird am Beispiel der berühmten Eisenbahn durch das Osmanische Reich folgender Fragestellung nachgegangen: Welche Rolle spielte der Eisenbahnbau bei der imperialistischen Durchdringung im Osmanischen Reich?
Diese Fragestellung erscheint in mehrerlei Hinsicht als befruchtend und sinnvoll, weil nicht nur der technologische Fortschritt des Eisenbahnbaus im Vordergrund steht, sondern es auch eine Kontextualisierung in Bezug auf das Osmanische Reich, aber auch ein Blick auf die Interessenlage der europäischen Großmächte zulässt.
Von einem romantischen Zauber war der Name „Bagdad“ für den deutschen Bildungsbürger vor etwa 125 Jahren umweht. In Bagdad spielte ein Großteil der Märchen aus „Tausend und einer Nacht“ und hier hatte einst der legendäre Kalif Harun ar-Raschid residiert. „Bagdad“ galt als Symbol für märchenhafte Reichtümer in der Welt des Orients. Zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert erlebte die Stadt am Tigris ihre Blütezeit und in ihr lebten ca. 1,5 Millionen Menschen. Um 1900 war die Einwohnerzahl der Stadt und ihrer Vororte auf 145.000 Menschen geschrumpft. Auch bei dem Projekt der „Bagdadbahn“ wurde Bagdads alte Herrlichkeit immer mit imaginiert. In den Vorstellungen der handelnden Akteure kam es zu einer Symbiose von nüchternem Kalkül und wirtschaftlichen Visionen. Es ging um Machtpolitik im industriellen Zeitalter.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Einordnung in das Modul II des Studiengangs
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Forschungsstand
1.4 Literatur- und Quellenkritik
2. Was ist Imperialismus?
3. Politische und ökonomische Lage im Osmanischen Reich
4. Interessenslage der Großmächte im Osmanischen Reich
5. Osmanische Bahnprojekte unter britischer Vorherrschaft
6. Deutschlands Machtinteressen im Osmanischen Reich
7. Die Bagdadbahn
7.1 Konzessionierung der Bagdadbahn
7.2 Bau der Bagdadbahn
7.3 Ökonomische Dimension der Bagdadbahn
7.4 Kulturelle Dimension der Bagdadbahn
7.5 Militärische Dimension der Bagdadbah
8. Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Von einem romantischen Zauber war der Name „Bagdad“ für den deutschen Bildungsbürger vor etwa 125 Jahren umweht. In Bagdad spielte ein Großteil der Märchen aus „Tausend und einer Nacht“ und hier hatte einst der legendäre Kalif Harun ar-Raschid residiert. „Bagdad“ galt als Symbol für märchenhafte Reichtümer in der Welt des Orients. Zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert erlebte die Stadt am Tigris ihre Blütezeit und in ihr lebten ca. 1,5 Millionen Menschen. Um 1900 war die Einwohnerzahl der Stadt und ihrer Vororte auf 145.000 Menschen geschrumpft. Auch bei dem Projekt der „Bagdadbahn“ wurde Bagdads alte Herrlichkeit immer mit imaginiert. In den Vorstellungen der handelnden Akteure kam es zu einer Symbiose von nüchternem Kalkül und wirtschaftlichen Visionen. Es ging um Machtpolitik im industriellen Zeitalter.1
In der vorliegenden Arbeit wird am Beispiel der berühmten Eisenbahn durch das Osmanische Reich folgender Fragestellung nachgegangen:
Welche Rolle spielte der Eisenbahnbau bei der imperialistischen Durchdringung im Osmanischen Reich?
Diese Fragestellung erscheint in mehrerlei Hinsicht als befruchtend und sinnvoll, weil nicht nur der technologische Fortschritt des Eisenbahnbaus im Vordergrund steht, sondern es auch eine Kontextualisierung in Bezug auf das Osmanische Reich, aber auch ein Blick auf die Interessenlage der europäischen Großmächte zulässt.
1.1 Einordnung in das Modul II des Studiengangs
Im Modul II des Studienganges Geschichte Europas wird die zeitliche Ordnung der Geschichte durch unterschiedliche „Epochen“ thematisiert. Diese Epochen lassen sich nur retroperspektivisch als pragmatische Konstrukte der Geschichtswissenschaft definieren und sind deshalb regelmäßig der wissenschaftlichen Prüfung unterworfen. Durch dieses regelmäßige Reflektieren hat die wissenschaftliche Einordnung aber auch gute Rechtfertigungen erhalten. Im Modul II werden die Unterschiede zwischen Vormoderne und die Interdependenzen zwischen Europa und Außereuropa behandelt.
Das Thema der vorliegenden Arbeit passt in den zweiten Kurs des Moduls, da dieser sich mit der Moderne als genuin europäischer Epoche in Übersee auseinandersetzt. Ebenso wird die kulturelle, technische und ökonomische Dominanz Europas behandelt.
1.2 Aufbau der Arbeit
Nach dem Einleitungsteil wird geklärt, was sich hinter dem Begriff Imperialismus verbirgt. Hierzu wird kurz dargestellt, warum eine globale Sichtweise neue Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft hervorbringen kann. Weiterhin werden die Typen der Machtbeziehungen von Staaten kurz dargelegt, bevor abschließend der Begriff des Imperialismus definiert wird.
Danach folgt ein Kapitel über die politische und ökonomische Lage des Osmanischen Reiches. Dies soll skizzieren, welche Rolle das Osmanische Reich im internationalen Machtgefüge einnahm.
Im folgenden Kapitel wird die Interessenlage der Großmächte behandelt. Dieses Vorgehen soll zeigen, welche weltpolitische Bedeutung das Osmanische Reich für die europäischen Großmächte besaß.
Hieran schließt ein Kapitel für den Eisenbahnbau im Osmanischen Reich unter britischer Vorherrschaft an. Dieses Kapitel soll aufzeigen wie sich der osmanische Eisenbahnbau vor dem deutschen Engagement entwickelt hatte.
Im Anschluss folgt ein Kapitel über die Machtinteressen Deutschlands im Osmanischen Reich. In diesem Abschnitt wird das Motiv für ein deutsches Engagement im Orient dargestellt.
Vor dem abschließenden Fazit wird eine viergeteilte Darstellung der Bagdadbahn und ihrer Bedeutung beschrieben. Zunächst wird die Erlaubnis für die Deutsche Bank für den Bahnbau im Osmanischen Reich dargelegt. Danach folgt eine kurze Skizzierung des Baus der Bagdadbahn. Im Anschluss hieran wird die ökonomische Dimension der Bagdadbahn für die Deutsche Bank und die deutsche Wirtschaft behandelt, aber auch die osmanische Position mit der Erlaubnis einer Konkurrenzlinie berücksichtigt. Es folgt eine Darstellung über die kulturelle Dimension der Bagdadbahn. Zum Abschluss wird noch die militärische Dimension der Bagdadbahn dargelegt.
1.3 Forschungsstand
Der Stand innerhalb der Forschung zu der untersuchten Thematik ist breit gestreut, deshalb werden nur einige Forschungsstränge exemplarisch dargelegt. Die Bagdadbahn ist der Gegenstand einer deutschen Kolonial- und Imperialismusforschung. Hier ist Gerd Fessers „Der Traum vom Platz an der Sonne“ zu nennen.2 In diesem Strang gehören auch Sammelwerke wie „Kein Platz an Sonne“3 unter der Herausgeberschaft von Jürgen Zimmerer oder ein weiterer Sammelband unter der Herausgeberschaft von Alexander Honold und Klaus R. Scherpe mit dem Titel „Mit Deutschland um die Welt“4.
Ebenso ist das Osmanische Reich und die Beziehung des Osmanischen Reichs zu den europäischen Großmächten und teilweise die Bagdadbahn der Forschungsgegenstand einer Forschung über den Ersten Weltkrieg beziehungsweise seiner Ursachen. Hier sind exemplarisch zwei Monografien zu nennen. Einmal „Der lange Weg in die Katastrophe“5 von Imanuel Geiss und von Manfred Emmes „Die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges außerhalb des europäischen Zentrums“6.
Als letzten Forschungsstrang ist die Unternehmensgeschichtsschreibung zu nennen. So ist die Bagdadbahn ein Bestandteil von der Monografie „Die Deutsche Bank“7, weil diese den Ausbau der osmanischen Eisenbahn übernahm.
1.4 Quellen- und Literaturkritik
Die Quellenlage ist sehr breit gestreut und erstreckt sich nicht nur über schriftliche Quellen, sondern auch über Fotografien, Eisenbahngleise, Bahnhofsgebäude und weitere Artefakte aus der Zeit des Baus der Bagdadbahn. Diese Arbeit wird inhaltlich lediglich auf schriftliche Quellen zurückgreifen.
Gerade bei dem Rückgriff auf physische Bauwerke als Quelle der Geschichtswissenschaft sollte man immer bedenken, dass man den Originalzustand betrachtet, da es durch den zeitlichen Gebrauch der Artefakte zu Veränderungen kommen kann. So könnte zum Beispiel ein Bahnhofsgebäude erweitert oder verkleinert worden sein.
Exemplarisch ist auf die Quellen in Dietrich Eichholtz Werk über „Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918“ einzugehen. So verwendet der Autor teilweise abgedruckte Quellen, welche dementsprechend als authentisch und glaubwürdig anzusehen sind. Wohingegen sich im Anhang teilweise Abschriften finden, diese sind ohne ein Vergleich zu den Originalen von eher geringen wissenschaftlichen Wert, da man zumindest die Echtheit des Inhaltes anzweifeln kann. Daneben kommt noch eine dritte Gattung bei dem Autor zum Vorschein, welche denkbar unbrauchbar ist. Es handelt sich hierbei um Inhaltsangaben, welche dementsprechend höchstwahrscheinlich dem Forschungs- und Wertungsinteresse von Eichholtz entsprechen.8
2. Was ist Imperialismus?
Laut Jürgen Osterhammel und Niels P. Petersson hatte sich die Soziologie seit langem auf nationale Gesellschaften fokussiert. Dies führte zu einem herauslösen und abgrenzen zu globalen Strukturen und Prozessen. Kritik daran blieb über einen langen Zeitraum weitestgehend ungehört. Heute werden unter dem Schlagwort der Globalisierung nun weltweite Kommunikation, Migration und wirtschaftliche Verflechtungen untersucht. Langsamer verlief die Erweiterung des Forschungsinteresses bei Historikern. Historiker sind in der Regel Experten für die Geschichte ihrer eigenen Nation. Dennoch wurden Arbeitsfelder gefunden, die einen Beitrag zur Geschichte der Globalisierung genutzt werden können. Dies gilt besonders für vier Forschungsfelder, nämlich die Geschichte der Weltwirtschaft, die historische Migrationsforschung, die Geschichte der internationalen Beziehungen und die Geschichte von Imperialismus und Kolonialismus.9
Jürgen Osterhammel und Jan C. Jensen identifizieren für die Machtbeziehungen unter Staaten drei unterschiedliche Typen. 1. Die koloniale Herrschaft (=Formal Empire), welche sich konstituiert durch die Ersetzung von einheimischen Machthabern durch fremde Machthaber. Die Vertreter der neuen Kolonialmacht übernehmen zentrale innere und äußere Hoheitsfunktionen. 2. Die quasi-koloniale Kontrolle (=Informal Empire), welche eine Beibehaltung des schwächeren Staates als selbständiges Gemeinwesen vorsieht. Dieser Staat vertritt weiterhin seine inneren und äußeren Angelegenheiten. Obwohl keine Kolonialverwaltung existiert, kommt es zur Gründung von ausländisch-indigenen Mischbehörden. Der schwächere Staat ist in diesem Fall nur eingeschränkt souverän. In diesem Fall sind die Rechte des stärkeren Staates nach seinen Interessen verbrieft. 3. Der nichtkoloniale bestimmende Einfluss, welcher sich ebenfalls durch eine Asymmetrie von Macht in den Beziehungen von Staaten äußert. In diesem Fall besteht kein koloniales Verhältnis und es existieren auch keine kodifizierten Sonderrechte. Dennoch kann der mächtigere Staat mit seinen wirtschaftlichen Institutionen und/oder seinem militärischen Potential einen erheblichen Einfluss auf den schwächeren Staat nehmen.10
Als Imperialismus bezeichnet Jürgen Osterhammel einen wissenschaftlich umstrittenen und partiell polemischen Begriff. Seine Verwendung geht darauf zurück, dass eine bessere Begrifflichkeit nicht existiert. Danach verweist Osterhammel auf die Begriffsdefinition von dem Historiker Andrew Porter.
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1 Gerd Fesser: Der Traum vom Platz an der Sonne. Deutsche „Weltpolitik“ 1897 – 1914, Bremen 1996.
2 Fesser: Der Traum vom Platz an der Sonne. 1996.
3 Jürgen Zimmerer (Hg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt/New York 2013.
4 Alexander Honold und Klaus R. Scherpe (Hgg.): Mit Deutschland um die Welt. Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit, Stuttgart/Weimar 2004.
5 Imanuel Geiss: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs 1815 – 1914, München 1990.
6 Manfred P. Emmes: Die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges außerhalb des europäischen Zentrums. Im Fokus: Kolonien, Bagdadbahn, Erdöl und türkische Meerengen, (=Politik und Moderne Geschichte Band 24) Berlin 2016.
7 Lothar Gall u. a.: Die Deutsche Bank. 1870 – 1995, München 1995.
8 Dietrich Eichholtz: Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis 1918. Aufhaltsamer Übergang ins Erdölzeitalter Mit Dokumenten, Leipzig 2007.
9 Jürgen Osterhammel und Niels P. Petersson: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, 6. Auflage (=C.H. Beck Wissen), München 2019, S. 16 u. 17.
10 Jürgen Osterhammel und Jan C. Jensen: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, 8. Auflage (=C.H. Beck Wissen), München 2017, S. 24 – 26.