Durch die Brückenfunktion zwischen den Natur- und Gesellschaftswissenschaften übernimmt das Fach Erdkunde eine zentrale Aufgabe in Bezug auf den Lernbereich "Globale Entwicklung". So erkennen Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen das Zusammenspiel von Ökologie, Ökonomie, sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Politikgestaltung. Dargestellt wird dieses Zusammenspiel in dieser Hausarbeit am Beispiel von vielfältigen, aufeinander aufbauenden Ökosystemleistungen und ihren Klassifikationen.
Ferner wird in dieser Hausarbeit die Methode "Sitzplatz" zunächst vorgestellt und anschließend ihre Zugänge zur Naturwahrnehmung hergestellt. Daran anschließend wird erörtert, inwiefern die Methode "Sitzplatz" das Potential bietet, einen Beitrag zur kritischen Reflexion der "Inwertsetzung von Natur" zu leisten. Durch Implikationen zu weiteren Raumkonzepten des Erdkundeunterrichts wird die Bedeutung der Inwertsetzung der Natur hervorgehoben.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen des Ansatzes der Ökosystemleistungen
2.1 Definition Ökosystem und Ökosystemleistung
2.2 Zielsetzungen des ÖSL-Konzeptes
2.3 Klassifikationen von ÖSL
2.4 Kritik an der „Inwertsetzung der Natur“
3 Die Methode Sitzplatz als möglicher Zugang zur Inwertsetzung der Natur im Erdkundeunterricht
3.1 Die Methode Sitzplatz
3.2 Zugänge zur Naturwahrnehmung durch die Methode
3.3 Reflexionen im Kontext einer Inwertsetzung von Natur
3.4 Implikationen für den Erdkundeunterricht
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Nahrung (Grunewald & Bastian, 2013, S. 50).
Abbildung 2: Nachwachsende Rohstoffe (Grunewald & Bastian, 2013, S. 50)
Abbildung 3: Sonstige erneuerbare Naturressourcen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 50)
Abbildung 4: Klimatologische und lufthygienische Leistungen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 51)
Abbildung 5: Hydrologische Leistungen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 51)
Abbildung 6: Pedologische Leistungen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 51)
Abbildung 7: Biologische Leistungen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 51f)
Abbildung 8: Psychologisch-soziale Leistungen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 52)
Abbildung 9: Informationsleistungen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 52f)
Abbildung 10: Ökosystemleistungen und Bestandteile menschlichen Wohlergehens (Naturkapital Deutschland – TEEB.DE, 2016, S. 19).
1 Einleitung
Die Natur liefert den Menschen seit jeher lebenswichtige Dinge und umfasst eine Bandbreite unterschiedlicher Funktionen und Dienstleistungen. Sie versorgt die Menschen z.B. mit Nahrung und Materialien, sie sorgt für saubere Luft und sauberes Wasser und bietet Raum für Erholung und Sport, um nur einige Leistungen zu nennen. Diese verschiedenen Aspekte, die uns die Natur kostenlos zur Verfügung stellt, werden unter dem Begriff „Naturkapital“ zusammengefasst. Dieses Naturkapital bildet die Grundlage für menschliches Wirtschaften und Wohlergehen (Naturkapital Deutschland – TEEB.DE, 2012, S. 9) Oftmals erlangt das Naturkapital jedoch nicht die Wertschätzung und den Schutz, den es verdient. Die wachsende Erdbevölkerung im Zusammenspiel mit einer oftmals nicht nachhaltigen Lebensweise, vor allem im globalen Norden, beeinflussen das Naturkapital negativ. Ressourcen werden nicht nachhaltig gefördert und gleichzeitig Naturräume zu Lasten von Wohnraum, Verkehr oder Wirtschaft verbraucht. Der Wert der Natur wird dabei in gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Entscheidungen kaum berücksichtigt. Grund dafür ist die Annahme, dass die Leistungen der Natur unbegrenzt und kostenlos zur Verfügung stehen (Naturkapital Deutschland – TEEB.DE, 2012, S. 9)
Um den Wert der Natur grundlegend und nachhaltig in den Köpfen der Menschen zu festigen, sollte dieses wichtige Thema auch im Bereich Bildung nicht zu kurz kommen und möglichst früh und transparent im Unterricht thematisiert werden. Das Fach Erdkunde bietet hier Anknüpfungspunkte und verweist im Kerncurriculum mehrfach auf den breitgefächerten Begriff „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE), der unter anderem den Aspekt Natur, Wertsetzung und Wertschätzung von Natur sowie den nachhaltigen Umgang mit dieser beschreibt. Des Weiteren stärkt der Begriff BNE „Kompetenzen, die es ermöglichen, nicht nachhaltige Prozesse, Strukturen und Lebensweisen zu erkennen und an ihrer zukunftsfähigen Gestaltung mitzuwirken“ (Niedersächsisches Kultusministerium, 2015, S. 6). Hier wird vor allem der Bereich „Handlung“ hervorgehoben, der die Initiative Einzelner erfordert und notwendig ist, um Naturpolitische Sachverhalte zu verändern.
Durch die Brückenfunktion zwischen den Natur- und Gesellschaftswissenschaften übernimmt das Fach Erdkunde eine zentrale Aufgabe in Bezug auf den Lernbereich „Globale Entwicklung“. So erkennen Schülerinnen und Schüler (im Folgenden mit SuS abgekürzt) aller Jahrgangsstufen das Zusammenspiel von Ökologie, Ökonomie, sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Politikgestaltung. Dargestellt wird dieses Zusammenspiel in dieser Hausarbeit am Beispiel von vielfältigen, aufeinander aufbauenden Ökosystemleistungen und ihren Klassifikationen.
Ferner soll in dieser Hausarbeit die Methode „Sitzplatz“ zunächst vorgestellt und anschließend ihre Zugänge zur Naturwahrnehmung hergestellt werden. Daran anschließend soll erörtert werden, inwiefern die Methode „Sitzplatz“ das Potential bietet, einen Beitrag zur kritischen Reflexion der „Inwertsetzung von Natur“ zu leisten. Durch Implikationen zu weiteren Raumkonzepten des Erdkundeunterrichts soll die Bedeutung der Inwertsetzung der Natur hervorgehoben werden.
2 Grundlagen des Ansatzes der Ökosystemleistungen
Der Begriff sowie das Konzept der Ökosystemleistungen (ÖSL), auch genannt Ökosystemdienstleistungen (ÖSD), hat sich international etabliert. (Grunewald & Bastian, 2013, S. 20). Er beschreibt den vielfältigen Nutzen, den der Mensch Tag für Tag aus den Ökosystemen seines Umfeldes zieht. Die Natur liefert den Menschen eine Vielzahl an Gütern und Leistungen und stellt damit die Grundlage für das menschliche Wohlbefinden dar. Zu ihnen gehören Nahrungsmittel, Trinkwasser, Brennstoffe, Arzneimittel und viele weitere Ökosystemleistungen. Daher steht die Lebensqualität der Menschen, die unter anderem gute Ernährung, Gesundheit und Erholung beinhaltet, in direktem Zusammenhang mit der Erhaltung und dem Schutz von Ökosystemen und den damit verbundenen Ökosystemleistungen. Kommt es zu einer Beeinträchtigung dieser Leistungen bzw. Funktionen oder sogar zur vollständigen Zerstörung von Ökosystemen, so kann auch der Mensch nicht mehr von den Ökosystemleistungen profitieren (NABU, 2010, S. 2). Daher ist es enorm wichtig die Ökosysteme und damit ihre Funktionen und Leistungen zu erhalten.
Von den stark landschaftsökologisch geprägten Konzepten der Naturraumpotenziale und der Landschaftsfunktionen unterscheidet sich der ÖSL-Ansatz in zwei Punkten. Zum einen versteht sich die Bewertung der ÖSL ausdrücklich anthropozentrisch, das heißt ausschließlich im Hinblick auf die menschliche Lebensqualität. Zum anderen sollten die verschiedenen Funktionen, Güter und Leistungen der Natur (öffentliche Güter) mit Hilfe eines einheitlichen Maßstabes gemessen werden, der sowohl ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeitsbelange integriert. Hier wird vor allem die monetäre Bewertung angestrebt. Doch auch diese wirft einige Schwierigkeiten auf (vgl. Kapitel 2.4), da eine monetäre Bewertung marktferner Sachverhalte nicht einfach ist (Grunewald & Bastian, 2013, S. 2).
2.1 Definition Ökosystem und Ökosystemleistung
Ökosystem:
Der Begriff „Ökosystem“ wurde im Jahr 1935 von dem britischen Biologen und Geobotaniker Arthur George Tansley eingeführt. Ein Ökosystem umfasst ihm nach das Beziehungsgefüge der Lebewesen untereinander und deren anorganische Umwelt. Gekennzeichnet wird ein Ökosystem durch seine Lebensgemeinschaft (Biozönose) und seinen Lebensraum (Biotop) (Grunewald & Bastian, 2013, S. 4f).
Ökosystemleistung:
Der Begriff Ökosystemleistung (ÖSL) bzw. Ökosystemdienstleistung (ÖSD) (ecosystem services) wurde 1981 von Ehrlich und Ehrlich eingeführt und ist seit dem eines der Themen, die den Bereich der nachhaltigen Entwicklung am meisten prägen und überlagern (Grunewald & Bastian, 2013, S. 14) Auf eine allgemein gültige Definition des Begriffs „Ökosystemleistung“ konnte sich bislang nicht geeinigt werden.
Es kann jedoch festgehalten werden, dass Ökosystemleistungen Leistungen beschreiben, „die von der Natur erbracht und vom Menschen genutzt werden“ (Grunewald & Bastian, 2013, S. 3). Diese Leistungen werden in drei bzw. vier Klassen unterteilt. Bei der Klassifikation dieser Leistungen ist sich die Literatur aufgrund von teilweise fließenden Übergängen uneinig (vgl. Kapitel 2.3).
2.2 Zielsetzungen des ÖSL-Konzeptes
Das zu Grunde liegende Ziel des ÖSL-Konzeptes aus politischer Sicht ist es, der Gesellschaft die Stellung und Bedeutung der Umwelt nahe zu bringen (Grunewald & Bastian, 2013, S. 14) Die Menschen sollen der Natur mit Wertschätzung gegenübertreten und erfahren, dass die Natur einen enormen Wert hat und dass ein Leben ohne sie nicht möglich wäre, auch wenn dieser Wert schwer zu erfassen ist.
Diese Wertschätzung soll im Zusammenhang zwischen den vielfältigen Leistungen der Natur, seiner Wertschöpfung und dem menschlichen Wohlergehen bewusst gemacht werden. Gleichzeitig sollen die damit verbundenen Nutzen und Kosten aufgezeigt werden. Des Weiteren sollen durch das Konzept der Ökosystemleistungen Anstöße geliefert werden, die die Werte und Leistungen der Natur genauer erfassen und aufzeigen, wo Synergien und Trade-offs in der Bereitstellung von ÖSL liegen. Ferner sollen Vorschläge entwickelt werden, welche die Belange von Natur und Ökosystemleistungen besser in private und öffentliche Entscheidungsprozesse einbeziehen und damit dazu beitragen, auch langfristig für eine natürliche Lebensgrundlage sowie eine biologische Vielfalt zu sorgen (Naturkapital Deutschland – TEEB.DE, 2016, S. 31f).
Aber wie ist es möglich der Natur, die für jeden frei zugänglich und zudem kostenlos ist, einen Wert zu verleihen, welche Leistungen bzw. Funktionen der Natur sind wertvoller als andere und worin besteht der Sinn einer Inwertsetzung der Natur? Forscher haben sich dazu überlegt, der Natur einen monetären Wert zu verleihen, der genau an dieser Stelle ansetzt. „Was nicht wertgeschätzt wird, so die dahinter stehende Überzeugung, wird auch nicht sorgfältig genutzt und erhalten. Und Wertschätzung wird oft genug mit ökonomischer Bewertung gleichgesetzt“ (Görg, 2016, S. 109).
2.3 Klassifikationen von ÖSL
Trotz der Unterscheidung zwischen Funktionen, Dienstleistungen und Nutzen, die vor allem in Bezug auf die ökonomische Bewertung von hoher Relevanz sind, lassen sich häufig aufgrund von fließenden Übergängen und Überschneidungen keine konsistenten Klassifikationen vornehmen (Grunewald & Bastian, 2012, S. 20). Dieses Problem beschäftigt die Wissenschaft seit langem, sodass in der Literatur sowohl Klassifikationen mit vier, als auch mit drei Leistungsklassen zu finden sind. Der Grund dafür ist, dass die sogenannten unterstützenden Leistungen bzw. Basisleistungen der Bereitstellung der Leistungen aus den drei anderen Klassen zugrunde liegen. Aufgrund des großen Bezuges zur Ökologie werden die Basisleistungen oft den Regulationsleistungen zugeordnet (Grunewald & Bastian, 2012, S. 48).
Das Millennium Ecosystem Assessment (MEA) hat im Jahr 2005 die Ökosystemleistungen in vier verschiedene Klassen eingeteilt, woran sich anschließend zahlreiche Arbeiten orientierten. (MEA, 2005 in: Grunewald & Bastian, 2013, S. 48). Ökosystemleistungen werden demnach in:
- Versorgungsleistungen
- Regulationsleistungen
- Kulturelle Leistungen
- Unterstützende Leistungen bzw. Basisleistungen
eingeteilt. Im nachfolgenden werden die verschiedenen Leistungen und deren Inhalte genauer erläutert.
Versorgungsleistungen
Zu den Versorgungsleistungen zählen diejenigen ökonomischen Güter und Leistungen, die dem Menschen von der Natur bereitgestellt werden. Zu ihnen zählen sowohl Leistungen aus erneuerbaren biotischen Ressourcen (Produkte aus lebenden Pflanzen und Tieren) aber auch abiotische Ressourcen, wie z.B. mineralische Stoffe (Grunewald & Bastian, 2013, S. 49). Die Versorgungsleistungen werden in drei Bereiche untergliedert. Hier werden die Unterkategorien „Nahrung“, „Nachwachsende Rohstoffe“ und „Sonstige erneuerbare Naturressourcen“ voneinander getrennt. Für ein besseres Verständnis werden die einzelnen Unterkategorien mit ihren Inhalten im Folgenden kurz dargestellt.
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