Nur 6 Prozent der Geflüchteten haben einen in ihrem Land anerkannten beruflichen Abschluss erworben, was sich auf die bereits genannten niedrigen Entwicklungsniveaus und die kriegsbedingten Umstände der Herkunftsländer zurückführen lässt. Doch warum ist es wichtig, sich mit der Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt und in die Handwerksbranche zu beschäftigen?
Im zweiten Teil meiner Arbeit werde ich zunächst darauf eingehen, welche Ursachen für einen Fachkräftemangel vorliegen und welchen Stellenwert beziehungsweise welche Bedeutung der Handwerksbranche in Deutschland obliegt. Im dritten Teil soll dargestellt werden, ob und wie nach Deutschland geflüchtete Menschen als Mittel gegen den Fachkräftemangel fungieren können und wie die Anerkennung von Qualifikationen und Berufsabschlüssen in Deutschland verläuft bzw. wie effizient sie funktioniert. Unterschieden wird zwischen jungen Flüchtlingen, die noch keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und hier in Deutschland mit dieser erst beginnen werden; und Flüchtlingen, die in ihren Heimatländern bereits eine Ausbildung in einem Handwerksberuf begonnen bzw. abgeschlossen oder in einem Beruf bereits gearbeitet haben.
Schwerpunkt wird es sein, Programme zu beschreiben und zu analysieren, die sich auf die Anerkennung von Qualifikationen spezialisiert haben und darauf abzielen, nach Deutschland geflüchtete Menschen effizient in den Arbeitsmarkt und speziell in die Handwerksbranche zu integrieren. Im Fazit werden die Ergebnisse und wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt und ein Ausblick über die Zukunft der Anerkennung von Qualifikationen und Ausbildungsabschlüssen nach Deutschland geflüchteter Menschen in die Handwerksbranche gegeben und mögliche Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Fachkräftemangel in der Handwerksbranche
3. Integration von Flüchtlingen in das Handwerk
3.1 Flüchtlinge als Lösung für den Fachkräftemangel?
3.2 Anerkennung von Qualifikationen und Berufsabschlüssen
3.3 Suche und Durchführung: Kompetenzfeststellung von Flüchtlingen
4. Fazit & Ausblick
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Für eine gleichberechtige gesellschaftliche Teilhabe sind neben Spracherwerb und Allgemeinbildung berufliche Qualifizierung und Erwerbsarbeit zentrale Voraussetzungen“ (BIBB Datenreport 2019, S.325), schrieb das Bundesinstitut für Berufsbildung in ihrem Datenreport 2019. Wie stellt sich also eine Übernahme von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt, speziell in die Handwerksbranche dar und wie effizient verläuft eine Anerkennung von Qualifikationen und Berufsabschlüssen?
Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 ist das Land Deutschland und dessen Bevölkerung mit der Problematik konfrontiert, eine enorm hohe Anzahl an Menschen aus Kriegsgebieten und Ländern, mit niedrigen Entwicklungsniveaus und desaströsen Lebensbedingungen zu integrieren. Flüchtlinge versuchen nicht nur diesen katastrophalen Bedingungen zu entkommen, sondern sich ein Leben mit Perspektiven in der neuen Heimat aufzubauen. Es ist daher wichtig, sich über die Bedeutung der Integration im Klaren zu sein, nämlich der gesellschaftlichen Teilhabe von geflüchteten Menschen am täglichen Leben. Ein wichtiger Bestandteil dieser Teilhabe an der Gesellschaft, ist die Integration in den Arbeitsmarkt. Dies gestaltet sich jedoch schwierig, denn es „(…) können vorhandene Kompetenzen oft nicht nachgewiesen werden, da aufgrund eines informellen oder non-formalen Erwerbs keine formalen Nachweise wie Zeugnisse oder Zertifikate vorliegen“ (Fischer 2019, S.4). Dazu kommt, dass Dokumente wie Führerscheine und Reisepässe, sowie Nachweise über Qualifikationen und Ausbildungs- und Hochschulabschlüsse schlichtweg auf der Flucht verloren gegangen sind. Flüchtlinge verlieren nicht nur „Papierstücke“, sondern auch Teile ihrer Identität. Unterschiede in den Bildungsstrukturen und -systemen gestalten es zudem kompliziert, Schulabschlüsse, abgeschlossene Berufsausbildungen und Hochschulabschlüsse anzuerkennen.
Zunächst müssen die Begriffe „Flüchtling“ und „Migrant“ definiert und voneinander getrennt werden: „Ein Flüchtling verlässt seine Heimat unfreiwillig und aus begründeter Furcht vor Verfolgung. Ein Migrant verlässt seine Heimat üblicherweise freiwillig, um seine Lebensbedingungen zu verbessern“ (Schmid; Kleinhans 2016, S.62). Innerhalb dieser Arbeit beschränke ich mich auf die Umstände und Gegebenheiten der Flüchtlinge. Das BIBB stellte durch Auswertungen einer Bewerberbefragung und der Flüchtlingsmigrationsstudie von 2018 dar, dass insgesamt 36% der Bewerberinnen und Bewerber auf eine Ausbildungsstelle einen Migrationshintergrund hatten, wovon 6% Menschen mit einem Fluchthintergrund waren (Vgl. BIBB Datenreport 2019, S.219).
Nur 6 Prozent der Geflüchteten haben einen in ihrem Land anerkannten beruflichen Abschluss erworben, was sich auf die bereits genannten niedrigen Entwicklungsniveaus und die kriegsbedingten Umstände der Herkunftsländer zurückführen lässt (Vgl. Brücker et al. 2016, S.6). Doch warum ist es wichtig, sich mit der Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt und in die Handwerksbranche zu beschäftigen?
„Da Migranten und insbesondere Flüchtlinge durchschnittlich über ein geringeres Bildungs- und Ausbildungsniveau verfügen als Personen in Deutschland, übernehmen Handwerksberufe als Einstiegstätigkeiten eine wichtige integrative Rolle“ (Runst 2016, S.1), und Deutschland sucht händeringend nach Fachkräften im Handwerk. Im zweiten Teil (2.) meiner Arbeit werde ich zunächst darauf eingehen, welche Ursachen für einen Fachkräftemangel vorliegen und welchen Stellenwert bzw. welche Bedeutung der Handwerksbranche in Deutschland obliegt.
Im dritten Teil (3.1-3.3) soll dargestellt werden, ob und wie nach Deutschland geflüchtete Menschen als Mittel gegen den Fachkräftemangel fungieren können und wie die Anerkennung von Qualifikationen und Berufsabschlüssen in Deutschland verläuft bzw. wie effizient sie funktioniert. Unterschieden wird zwischen jungen Flüchtlingen, die noch keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und hier in Deutschland mit dieser erst beginnen werden; und Flüchtlingen, die in ihren Heimatländern bereits eine Ausbildung in einem Handwerksberuf begonnen bzw. abgeschlossen oder in einem Beruf bereits gearbeitet haben. Schwerpunkt wird es sein, Programme zu beschreiben und zu analysieren, die sich auf die Anerkennung von Qualifikationen spezialisiert haben und darauf abzielen, nach Deutschland geflüchtete Menschen effizient in den Arbeitsmarkt und speziell in die Handwerksbranche zu integrieren.
Im Fazit werden die Ergebnisse und wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt und ein Ausblick über die Zukunft der Anerkennung von Qualifikationen und Ausbildungsabschlüssen nach Deutschland geflüchteter Menschen in die Handwerksbranche gegeben und mögliche Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt.
2. Fachkräftemangel in der Handwerksbranche
„Die Integration von Migrantinnen und Migranten, speziell von Flüchtlingen, stellt eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland dar. Parallel dazu fällt es dem deutschen Handwerk immer schwerer, seinen Fachkräftebedarf zu decken“ (Lahner 2017, Abstract). Aufgrund von Digitalisierung und Technisierung, Globalisierung und dem in Deutschland fortlaufenden demographischen Wandel, ist es von entscheidender Bedeutung, dass eine stabile Wirtschaft gewährleistet ist. Um sicherzustellen, dass den genannten Problemen entgegengewirkt wird und man sich den starken Veränderungen der Weltwirtschaft anpasst und weiterhin in allen Bereichen konkurrenzfähig bleibt, benötigt man eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Fachkräften (Vgl. Arnold et al. 2017, S.1). Eine zunehmende „Überalterung“ der deutschen Bevölkerung führt dazu, dass mehr Menschen - aufgrund ihres vorangeschrittenen Alters - ihren Beruf quittieren und in den Ruhestand gehen müssen, als neue, junge Menschen in den Arbeitsmarkt nachrücken können, um die neu entstandenen freien Stellen auszufüllen. Gründe für den demographischen Wandel sind unter anderem der Rückgang der Geburtenrate, sowie Ausbau und Verbesserung des Gesundheitssystems. Entgegen des Rückgangs der deutschen Bevölkerung von 82,5 Mio. im Jahr 2003, auf ein zwischenzeitliches Rekordtief von 80,3 Mio. 2011 und dem Wiederanstieg auf ca. 83 Mio. in 2018 (Vgl. Statista 2019), gab es seit 2003, mit anfänglich rund 39,1 Mio. Erwerbstätigen bis 2019 mit 45,1 Mio., einen stetigen Anstieg an Menschen, die einer Tätigkeit nachgegangen sind (Vgl. Statista 2020). Gründe für einen zunehmenden Anstieg der Erwerbstätigen, trotz einer bis zum Jahre 2011 fortlaufenden Abnahme der Gesamtbevölkerung in Deutschland, sind unter anderem der Anstieg des Rentenalters, Zuwanderung aus Osteuropa nach der EU-Osterweiterung im Jahr 2004, der Zuwanderung aus Südeuropa aufgrund der Finanzkrise von 2008 – wo in beiden Fällen vor allem junge Erwerbspersonen nach Deutschland gekommen sind - und schließlich der Flüchtlingskrise 2015 (Vgl. Buslei et al.2018 S.10).
Wenn wir uns auf die Handwerksbranche in Deutschland beziehen, stagniert die Anzahl an Erwerbstätigen von 2008 bis 2018 zwischen 5,3-5,5 Mio., die Anzahl der jährlich abgeschlossenen Ausbildungsverträge dagegen nimmt von 2007 mit 180.000, bis 2018 mit ca. 140.000, rapide ab (Vgl. Statista 2019). Die Anzahl der Erwerbstätigen konnte also über die Jahre auf einem Stand gehalten werden, u.a. aufgrund eines Anstiegs des Rentenalters.
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