Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich damit, die Ausbildung der Erzieher im Zeitraum von 2009 bis 2012 zu untersuchen und zu reflektieren. Dazu werden die damaligen prägenden sozioökonomischen Anforderungen und politischen Veränderungen innerhalb des Ausbildungszeitraums und – damit verbunden – deren Einfluss auf den Erzieherberuf und die an ihn gestellten Anforderungen aufgezeigt. Neben dem hessischen Bildungs- und Erziehungsplan, dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für die ersten drei Lebensjahre und dem damit verbundenen U3-Ausbau sind auch die PISA- Diskussion und die Debatte über die Bildung in den ersten Lebensjahren zentrale Einflussfaktoren in dem betrachteten Zeitraum. Durch diese Aspekte sind die Ausbildung und der Beruf stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Gerade in der Zeit 2009 bis 2012 wurde sich zunehmend vom Bild der Kindergärtnerin distanziert; das Bild der Erzieherin etablierte sich.
Diese Veränderungen haben auch Einfluss auf die Ausbildungsstätten. Denn sowohl die zentralen Erkenntnisse über die Bedeutung von frühkindlicher Bildung im Elementarbereich als auch die steigenden Ansprüche an eine qualifizierte Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher müssen an der Basis aufgegriffen werden. 2011 wurde der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) verabschiedet und ein umfassendes, bildungs- bereichsübergreifendes Profil der in Deutschland erworbenen Kompetenzen vorgelegt. Damit einhergehend gewann auch die praktische Ausbildung für den Kompetenzerwerb zukünftiger Fachkräfte an zentraler Bedeutung und Schwerpunkt im Lehrplan. An dieser Stelle aber stellen sich wichtige Fragen: Kann die vordergründig schulische Ausbildung überhaupt adäquat auf die Anforderungen in den Arbeitsbereichen, auf die Praxis, und auch auf die Vielfalt der individuellen Bedarfe und Bedürfnisse der Zielgruppen vorbereiten? Und ist die Ausbildung im Kontext der damaligen Veränderungen noch zeitgemäß und passend?
Um dies genauer zu analysieren, wird neben dem gesellschaftlichen Wandel und den veränderten Kompetenzen und Tätigkeiten des Erziehers auch gezielt der hessische Ausbildungsplan und die persönliche Erfahrung mit diesem reflektiert.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. GesellschaftlicherWandelundEntwicklungderAusbildung
2. Das Berufsbild und die Ausbildung der Erzieher
2.1 Kompetenzen und Fähigkeiten
2.2 Aufgaben von Erziehern und Entwicklungsaufgaben für den Erzieherberuf
2.3 Vorgaben des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans an Fachkräfte
3. Rahmenlehrplan der Fachschule für Sozialwesen in Hessen
3.1 Ausbildungsziel und Qualifikationsprofil der Fachrichtung Sozialpädagogik
3.2 UnterrichtsgestaltungundLehrinhaltederAusbildung
4. Reflexion der eigenen Ausbildung
5. FazitundAusblick
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich damit, die Ausbildung der Erzieher im Zeitraum von 2009 bis 2012 zu untersuchen und zu reflektieren. Dazu werden die damaligen prägenden sozioökonomischen Anforderungen und politischen Veränderungen innerhalb des Ausbildungszeitraums und - damit verbunden - deren Einfluss auf den Erzieherberuf und die an ihn gestellten Anforderungen aufgezeigt. Neben dem hessischen Bildungs- und Erziehungsplan, dem Rechtsanspruch aufeinen Kitaplatzfürdie ersten drei Lebensjahre und dem damit verbundenen U3-Ausbau sind auch die PISADiskussion und die Debatte über die Bildung. In den ersten Lebensjahren zentrale Einflussfaktoren in dem betrachteten Zeitraum. Durch diese Aspekte sind die Ausbildung und der Beruf stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Gerade in der Zeit 2009 bis 2012 wurde sich zunehmend vom Bild der Kindergärtnerin distanziert; das Bild der Erzieherin etablierte sich.
Diese Veränderungen haben auch Einfluss auf die Ausbildungsstätten. Denn sowohl die zentralen Erkenntnisse über die Bedeutung von frühkindlicher Bildung im Elementarbereich als auch die steigenden Ansprüche an eine qualifizierte Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher müssen an der Basis aufgegriffen werden. 2011 wurde der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) verabschiedet und ein umfassendes, bildungsbereichsübergreifendes Profil der in Deutschland erworbenen Kompetenzen vorgelegt. Damit einhergehend gewann auch die praktische Ausbildung für den Kompetenzerwerb zukünftiger Fachkräfte an zentraler Bedeutung und Schwerpunkt im Lehrplan. An dieser Stelle aber stellen sich wichtige Fragen: Kann die vordergründig schulische Ausbildung überhaupt adäquat auf die Anforderungen in den Arbeitsbereichen, auf die Praxis, und auch auf die Vielfalt der individuellen Bedarfe und Bedürfnisse der Zielgruppen vorbereiten? Und ist die Ausbildung im Kontext der damaligen Veränderungen noch zeitgemäß und passend?
Um dies genauerzu analysieren, wird neben dem gesellschaftlichen Wandel und den veränderten Kompetenzen und Tätigkeiten des Erziehers auch gezielt der hessische Ausbildungsplan und die persönliche Erfahrung mit diesem reflektiert.
1. GesellschaftlicherWandel und Entwicklung derAusbildung
Das Berufsbild des Erziehers hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Seit I960 wird der Beruf mit dem Bild der empathischen Mütterlichkeit assoziiert, die Aufgaben waren lange der mütterlichen Erziehung in der Familie gleichgestellt. Aber das Berufsbild hat sich im Zuge des gewandelten Bildes vom Kind in den letzten Jahren wesentlich geändert und auch zunehmend mehr an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen, was sich auch auf die beruflichen Anforderungen ausgewirkt hat. Heutzutage gehen wir vom eigenaktiven, lernenden und erforschenden Kind aus und distanzieren uns von der defizitären Denkweise hin zur Ressourcen- und Kompetenzorientierung. Insbesondere durch die Einführung der von den Bundesländern entwickelten Bildungspläne und -programme erfuhr die Ausbildung die wohl sichtbarste und deutlichste Veränderung und der Beruf an Anerkennung. Durch die Pläne verlagerte sich der Blickwinkel von der bisherigen Betreuung der Kinder auf die frühkindliche Bildung. Kindertageseinrichtungen sind nicht mehr bloße Verwahrungsstellen, sondern bedeutende Bildungsinstitutionen in der kindlichen Entwicklung und auch in der Gesellschaft geworden. Hinzu kommt der rechtlich verankerte Bildungsauftrag, der durch das SGB VIII untermauert wird: Kita und Erzieher werden nun als wichtiger Teil des öffentlichen Bildungssystems gesehen und sind in Zeiten von PISA stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch nicht nur die Anerkennung der Arbeit ist gestiegen. Auch gesellschaftliche Veränderungen wie zunehmende Individualisierungstendenzen, die Pluralität der Lebens- und Familienformen aber auch Kinder mit Migrationshintergrund nehmen Einfluss auf die Berufsanforderungen und somit auch auf die Ausbildung. Demnach sind gestiegene Anforderungen und neue Handlungsfelder für Erzieher eröffnet worden - das neue Bildungsverständnis hat auch die Rolle und das Berufsbild verändert. Die Beratung und Zusammenarbeit mit Eltern und der Umgang mit Kindern aus Problemfamilien, aber auch die Diagnostik von Verhaltensauffälligkeiten, die Kita als eine Art Frühwarnsystem in Bezug auf das Kindeswohl oder auch die Krisenintervention bei sozialen Missständen sind mittlerweile Aufgaben für die Fachkräfte. Die Komplexität des Berufsbildes zeigt sich daher sowohl in den beruflichen Anforderungen als auch in den sich stetig veränderten Ausgangslagen der Zielgruppen. Hinzu kommen zunehmende mangelnde Erziehungsvorleistungen seitens des Elternhauses und eine damit einhergehende Institutionalisierung der Kinder.
Neben dem gesellschaftlichen und familiären Wandel zeigen sich auch wachsende Entwicklungen im pädagogischen und bildungsrelevanten Bereich. Die heutige Zeit fordert daher kreative Erzieher, die individuell, adaptiv, intuitiv und flexibel agieren und sich stetig weiterentwickeln. Der gestiegene Innovationsdruck auf die Arbeit der pädagogischen Kräfte hat ebenso Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung an den Fachschulen, (vgl. Rudolph, B. 2012: S.15ff)
Erzieher müssen höchste personale Kompetenz, moderne Theorien und langjährige Erfahrung miteinander verbinden, offen für ein lebenslanges Lernen sein und kindliche sowie elterliche Bedürfnisse aufgreifen. Weiterhin prägen die heutige Arbeit der Erzieher auch einen Wechsel und eine Zunahme der Aufgabenbereiche. Neben betriebswirtschaftlichen Anforderungen gilt es seitens der Erzieher, eine integrative Fähigkeit und interkulturelle Kompetenz zu entwickeln, aber auch über administrative Qualifikationen und interpersonale Kompetenzen zu verfügen. Gerade der Aspekt der Führung ist in Zukunft bedeutend, da sich Teams zunehmend heterogen durch gemischte Belegschaften zusammensetzen werden. Die Belegschaften kennzeichnen sich durch, Erzieher unterschiedlichen Alters, die aufgrund dessen ihre pädagogische Arbeit durch verschiedenen Ausbildungsformen, Biografien und Praxiserlebnissen prägen, (vgl. Rabe-Kleberg, U. 2007: S. 8ff)
All diese prägenden Veränderungen in den letzten Jahren haben einen enormen Einfluss auf den pädagogischen Auftrag sowie die Rolle und das Berufsbild der Erzieher genommen. Denn durch sie ist es nicht mehr ausreichend, den Bedingungen mit alten Konzepten und Lösungsansätzen aus der Vergangenheit begegnen. Es braucht ein Umdenken. Durch die Vielfalt von Kulturen, Familienformen, Kindern und ihren Biografien sowie den unterschiedliche Erziehungsfeldern muss gerade in der Erzieherausbildung der Blick darauf gerichtet werden, welche Einstellungen und Überzeugungen erhalten oder angepasst werden müssen. Neben den Herausforderungen und Problemen der familiären Gegebenheiten kommen der Alltagsdruck im pädagogischen Tagesablauf durch Personalmangel, aber auch Gesetzesänderungen, Verpflichtungen und Auflagen hinzu, die im Rahmen der Professionalisierung der Fachkräfte berücksichtigt werden müssen. (Günster-Schöning 2018: S.79ff)
Bisher war das berufliche Handeln der Erzieher noch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Das macht es umso diffiziler, die Anforderungen in der Praxis greifen zu können bzw. ihnen gerecht zu werden. Bisher mangelt es an einem einheitlichen, grundlegendem Berufskonzept und einem Qualifikationsrahmen an den Fachschulen, der genau festhält, was Erzieher lernen und können müssen. Daher wird im Weiteren untersucht, ob und wie die Ausbildung auf all diese Anforderungen und Veränderungen in der beruflichen Praxis vorbereitet und ob die Rahmenbedingungen und Lehrinhalte überhaupt noch zeitgemäß sind. Das Berufsbild der Erzieher mit allen notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten wird daher genauer betrachtet und dargestellt. Neben den Lehrplänen der Ausbildung ist auch die Reflexion über theoretische und praktische Inhalte derAusbildung Gegenstand derweiteren Untersuchung.
2. Das Berufsbild und die Ausbildung der Erzieher
Der Beruf der Erzieher bringt komplexe und vielschichtige Aufgaben und somit auch fast unerfüllbare und auch unbeschriebene Anforderungen mit sich. Denn bislang gibt es kaum wissenschaftlich fundierte Untersuchungen und gesichertes Wissen darüber, was genau charakteristisch für den Beruf eines Erziehers ist. Hinzu kommt, dass auch an Fachschulen noch kein wissenschaftlich fundiertes Lehr- und Lernkonzept odercur- ricularverbindliche Ausbildungsstrukturen vorhanden sind. Demnach ist es schwierig, das Berufsbild klar definieren zu können. Rechtlich sind die Aufgaben der Erzieher im §1 SGB VIII verankert. Dort heißt es, Aufgabe der Erzieher sei es, jedem jungen Menschen in seinem Recht auf Förderung seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu verhelfen, Benachteiligungen in diesem Prozess von Kindern abzuwenden, die Erziehungsberechtigten zu beraten und zu unterstützen und in Bezug auf psychische und physische Wohlergehen zu schützen sowie positive Lebensbedingungen zu schaffen. Zudem fallen die Begriffe der Professionalität und Fachlichkeit, die pädagogische Kräfte aufzeigen müssen. Darüber hinaus müssen Fachkräfte neben einem professionellen Habitus und professionellen Handlungskompetenzen auch über professionelles Wissen verfügen, (vgl. Ebert, S. 2007: S.12ff)
Professionelles pädagogisches Handeln und Professionalität zeigen sich hier „im Vermögen, das wissenschaftliche Wissen, berufspraktische Können und die alltagspraktischen Erfahrungen systematisch in Relation zu setzen“ (vgl. ebd.).
Klar ist also, dass Erziehung, Bildung und Betreuung der jeweiligen Zielgruppe Aufgabe der Erzieher sind. Ebenso fordert das Berufsfeld gefestigte Persönlichkeiten, die ein professionelles Rollenverständnis und berufsübergreifende, ganzheitliche pädagogische Arbeit aufzeigen und vertreten. Erzieher müssen eigene Ressourcen kennen und diese stetig weiterentwickeln sowie ihre Haltung, Handeln und ihre Person reflektieren. Erzieher sollten fähig sein, Krisen, Übergänge und Veränderungen konstruktiv zu nutzen sowie mit den Zielgruppen situations- und rollenbezogen sowie individuell angemessen in Kontakt zu treten. Fachliche Präsenz und die Identifikation mit der eigenen Arbeit sind weitere Aspekte, die das Berufsbild erfordert. Multiperspektivisches und einfühlsames Denken, lebenslanges Lernen und das Handeln auf vielen Ebenen - sowohl partizipatorisch als auch hierarchisch - zählen zu weiteren Aspekten. Im beruflichen Kontext spielen ebenso die Biografiearbeit und demnach die Reflexion über die eigene Sozialisation und Kultur sowie der damit einhergehende Umgang mit Fremdheit eine entscheidende Rolle. Für die Professionalität in Bezug auf das Berufsbild ist demnach die Aneignung systematischen, theoretischen und fachspezifischen Wissens essentiell, um den Kompetenzerwerb für praktisches Handeln in Bezug auf Bildung, Betreuung und Erziehung im Alltag zu ermöglichen. Die Ausbildung verfolgt daher einen kompetenzbasierten und wissenschaftlich theoretisch bezogenen Ansatz in derAus- und Weiterbildung. (Sell 2005: o.S.)
Was genau die angestrebten Kompetenzen und damit verbundene Anforderungen an die Ausbildung der Erzieher sind, wird noch einmal differenzierter im nächsten Abschnitt aufgezeigt.
2.1 Kompetenzen und Fähigkeiten
Kompetenzen beschreiben im Allgemeinen die Fähigkeit, komplexe Anforderungen in einem bestimmten Kontext erfolgreich zu erfüllen. Bezogen auf das Berufsbild des Erziehers geht es dabei um die kognitiven, ethischen, sozialen, emotionalen, motivationalen und verhaltensbezogenen Fähigkeiten. Wesentliche Schwerpunktbereiche für den Berufdes Erziehers lassen sich daher in die Fach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz unterteilen.
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