Inwiefern unterscheiden sich Quasi-Indikatoren und logophorische Pronomina?
Zusammenfassung
In der direkten Rede ist die Bedeutung eines Indikators im Regelfall eindeutig, wohingegen in der indirekten Rede, insbesondere wenn der Sprecher versucht, eine Überzeugung einer ausstehenden Person zuzuschreiben, Problematiken auftreten können. Dieser Perspektivwechsel wird durch verschiedene Ausdrücke erzeugt, die sich je nach Sprache bzw. ebenso innerhalb von Sprachen je nach Verwendungsweise unterscheiden. Während manche Sprachen sogenannte logophorische Pronomina verwenden, um diesen Perspektivwechsel zu ermöglichen, nutzen andere Sprache sogenannte Quasi-Indikatoren. Auf den ersten Blick gleichen sich logophorische Pronomina und Quasi-Indikatoren, wohingegen bei genauerer Betrachtung Unterschiede in den Eigenschaften und Zwecken zu erkennen sind.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Quasi-Indikatoren
3. Logophorische Pronomina
4. Vergleich
4.1 Formale Eigenschaften
4.2 Referenz
4.3 Lesarten
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
7. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
In der direkten Rede ist die Bedeutung eines Indikators im Regelfall eindeutig, wohingegen in der indirekten Rede, insbesondere wenn der Sprecher versucht, eine Überzeugung einer ausstehenden Person zuzuschreiben, Problematiken auftreten können. Dieser Perspektivwechsel wird durch verschiedene Ausdrücke erzeugt, die sich je nach Sprache bzw. ebenso innerhalb von Sprachen je nach Verwendungsweise unterscheiden. Während manche Sprachen sogenannte logophorische Pronomina verwenden, um diesen Perspektivwechsel zu ermöglichen, nutzen andere Sprache sogenannte Quasi-Indikatoren. Auf den ersten Blick gleichen sich logophorische Pronomina und Quasi-Indikatoren, wohingegen bei genauerer Betrachtung Unterschiede in den Eigenschaften und Zwecken zu erkennen sind.
Bezogen hierauf stellt sich die Frage, inwiefern sich Quasi-Indikatoren und logophorische Pronomina unterscheiden. Dazu werden zunächst die beiden Begriffe erläutert und die Merkmale der beiden Phänomene betrachtet. Mittels empirischer Untersuchungen verschiedener Sprachen sollen die Eigenschaften und Verwendungsweisen von Quasi-Indikatoren und logophorischer Pronomina miteinander hinsichtlich ihrer formalen Eigenschaften, Referenzen und Lesarten verglichen werden.
Dadurch dass die untersuchten Sprachen entfernt bzw. nicht verwandt sind, ist zu erwarten, dass einige Unterschiede hinsichtlich der formalen Eigenschaften und Verwendungsweisen zu finden sind. Ausgehend hiervon gilt es zu ermitteln, ob diese Differenzen für etwaige Verschiedenheiten in der durch die Ausdrücke hervorgerufene Referenzen verantwortlich sind und ob möglicherweise Zusammenhänge zwischen bestimmten formalen Eigenschaften und den Verwendungsweisen oder Lesarten zu erkennen sind. Überdies sollen die Gemeinsamkeiten von Quasi-Indikatoren und logophorischer Pronomina ausgearbeitet werden.
2. Quasi-Indikatoren
Als Indikatoren bezeichnet man Ausdrücke wie ich, hier und jetzt, deren semantische Bedeutung kontextabhängig ist, d.h. nicht aus dem Äußerungskontext (äk) herausgelöst werden kann (vgl. Pape & Leisinger 1988: 199). Unter äk versteht man die Situation der Äußerung mit bestimmtem Sprecher, Adressat, Ort und Zeitpunkt der Äußerung sowie die gegebenen Fakten (vgl. Löbel 2015: 6).
Je nach ihrem Verhalten in direkter und indirekter Rede werden zwei Indikatoren unterschieden: (reine) Indikatoren und Quasi-Indikatoren. Während (reine) Indikatoren keine indexikalische Bezugnahmen einer anderen Person darstellen können, ist dies durch Quasi-Indikatoren möglich (vgl. Castañeda 1982: 139). Die Verwendung von Quasi-Indikatoren unterscheidet sich demnach von Indikatoren, insofern Quasi-Indikatoren „den subjektiven Gehalt der Äußerung einer Person aus der Perspektive einer anderen Person darstellen“ (Pape & Leisinger 1988: 208f.).
Wird der Satz Ich bin Millionär zu einem bestimmten Zeitpunkt t durch den Herausgeber von Soul geäußert, lässt sich folgende Rededarstellung formulieren (1).
(1) Der Herausgeber von Soul glaubt (zum Zeitpunkt t) , daß er (selbst) ein Millionär ist. (Castañeda 1982: 58)
Als Redekennzeichnung bezeichnet man den Teil einer Rededarstellung, der Angaben zum äk der dargestellten Rede macht (vgl. Dirscherl & Pafel 2016: 12). Dies entspricht in (1) dem Teil der Herausgeber von Soul glaubt (zum Zeitpunkt t) . Die indirekte Rede in (1) gibt die Überzeugung des Herausgebers wieder und umfasst den Teil daß er (selbst) ein Millionär ist. Der Ausdruck er (selbst) wird in (1) als Quasi-Indikator verwendet und bezieht sich auf das Antezedens der Herausgeber von Soul in der Rededarstellung, das wiederum auf den Herausgeber von Soul als Person referiert. Anhand dieses Beispiels lassen sich Quasi-Indikatoren wie folgt charakterisieren (2).
(2) Merkmale von Quasi-Indikatoren
i. Sie werden nicht verwendet, um demonstrativ auf den Sprecher der Rededarstellungen zu referieren.
ii. Sie referieren nicht direkt auf die entsprechende Person, sondern beziehen sich auf das entsprechende Antezedens und somit indirekt auf den Referenten des Antezedens.
iii. Sie erscheinen in der direkten Rede, während sich das Antezedens in der Redekennzeichnung befindet.
iv. Sie werden verwendet, um dem Protagonisten Referenzen in der ersten Person zuzuschreiben, die jedoch implizit sind und nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sind. (vgl. Castañeda 1982: 59)
Als Protagonist bezeichnet man „die Person, deren Rede wiedergegeben wird“ (Dirscherl & Pafel 2016: 12). Unter Referenz versteht man die Bezugnahme auf weltliche Personen und Objekte durch sprachliche Ausdrücke, wobei als Referent die Person bzw. das Objekt, auf die bzw. das man sich bezieht, bezeichnet wird (vgl. Glück & Rödel 2016: 556).
Werden Ausdrücke in einer solchen Verwendungsweise gebraucht und erfüllen die Merkmale (2i-iv), bezeichnet man sie als Quasi-Indikatoren. Zur Unterscheidung von (reinen) Indikatoren werden solche Ausdrücke mit einem Asterisk (er *) gekennzeichnet (vgl. Castañeda 1982: 163).
3. Logophorische Pronomina
Unter logophorischen Pronomina versteht man Pronomina, die verwendet werden „to distinguish reference to the individual whose speech, thoughts or feelings are reported or reflected in a given linguistic context“ (Clements 1975: 141). Hierbei unterscheidet man zwei Arten logophorischer Pronomina. Die erste Art umfasst logophorische Pronomina, die sich formal von anderen Pronomina unterscheiden (vgl. Culy 1997: 845). Solche Pronomina sind bspw. in der Niger-Kongo-Sprache Ewe vorzufinden (3).
(3) a. Kofi be yè-dzo Kofi say loc-leave ‘Kofii said that hei left.’
b. Kofi be e-dzo Kofi say 3sg-leave ‘Kofii said that hej/shej left.’ (Clements 1975: 142)
Die Sätze in (3) unterscheiden sich, insofern anhand der Form des Pronomens erkennbar ist, auf wen referiert wird: Das Personalpronomen yè in (3a) bezieht sich im Gegensatz zu e in (3b) stets auf sein Antezedens (Kofi), womit dem Protagonisten eine Äußerung über sich selbst zugeschrieben wird. Zusammenfassend lassen sich logophorische Pronomina demnach wie folgt charakterisieren (4).
(4) Merkmale logophorischer Pronomina
i. Logophoric pronouns are restricted to reportive contexts and transmitting the words or thought of an individual or individual other than the speaker or narrator;
ii. The antecedent does not occur in the same reportive context as the logophoric pronoun;
iii. The antecendent designates the individual or individuals whose words or thoughts are transmitted in the reportive context in which the logophoric pronoun occurs.
(Clements 1975: 171f.)
Ebenso gibt es Ausdrücke, die nicht vollständig der obigen Definition entsprechen, aber dennoch logophorisch verwendet werden können, wie bspw. Reflexivpronomina. Diese bilden die zweite Art logophorischer Pronomina. Bei ihnen wird nicht zwischen zwei grammatischen Formen, sondern zwischen zwei Verwendungsweisen der gleichen Wortform unterschieden. Das englische Reflexivpronomen himself kann wie bspw. in (5) logophorisch verwendet werden (vgl. Culy 1997: 846).
(5) John i was furious. The picture of himself i in the museum had been mutilated.
(Pollard & Sag 1992: 268, zitiert nach Culy 1997: 846)
Das Reflexivpronomen himself in (5) bezieht sich auf John, bezeichnet somit indirekt den Protagonisten und erlaubt keine Referenz auf eine andere Person. Die logophorische Verwendung von Reflexivpronomina ist im Gegensatz zu logophorischen Pronomina im engeren Sinne deutlich verbreiteter und in verschiedenen Sprachfamilien zu finden (vgl. Clements 1975: 145).
4. Vergleich
Auf den ersten Blick scheinen sich die Eigenschaften und Zwecke von Quasi-Indikatoren und logophorischer Pronomina in mehreren Punkten zu gleichen, da in beiden Fällen dem Protagonisten eine Äußerung über sich selbst zugeschrieben wird. Nun gilt es zu untersuchen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Referenz, formaler Eigenschaften und erzeugter Lesarten bei den beiden Arten von Indikatoren vorzufinden sind.
4.1 Formale Eigenschaften
Ein Unterschied in den formalen Eigenschaften ist darin zu erkennen, dass logophorische Pronomina der ersten Art aufgrund ihrer Form von anderen Pronomina differenziert werden, während sich Quasi-Indikatoren nur durch ihre Verwendungsweise von anderen Indikatoren unterscheiden. Die Trennung anhand der Form trifft jedoch nur auf logophorische Pronomina der ersten Art zu, da logophorisch gebrauchte Reflexivpronomina ebenso nur durch ihre Verwendung von anderen Reflexivpronomina abgegrenzt werden können. Bemerkenswert ist hierbei jedoch, dass die Unterscheidung in der Referenz anhand der Form ebenso durch Possessiv-artikel statt Pronomina ausgedrückt werden kann wie bspw. im Schwedischen (6).
(6) a. Han tok sin hatt. Er nahm log.poss Hut. ‘Eri nahm seineni Hut.’
b. Han tok hans hutt. Er nahm 3sg.poss Hut ‘Eri nahm seinenj Hut.’ (Haugen 1987: 136, eigene Glossierung)
Wie (6) bereits erkennbar macht, lässt sich Logophorizität auf verschiedene Weisen markieren. Die Markierungen fallen je nach Sprache sehr unterschiedlich aus, wobei manche Sprachen mehr als nur eine Markierungsweise verwenden. Auffallend ist hierbei, dass in manchen Sprache Logophorizität durch die Verwendungsweise eines Pronomens markiert wird (vgl. Wiesemann 1986: 450), wie anhand der logophorischen Verwendung von himself in (5) erkennbar ist und dem Gebrauch von Quasi-Indikatoren stark ähnelt.
Jedoch ist das Auftreten der logophorischen Pronomina der Ewe-Sprache beschränkt, insofern sie durch den Komplementierer be eingeleitet werden müssen, da be obligatorisch verwendet wird, um die Äußerung oder Gedanken einer Person wiederzugeben (vgl. Bimpeh 2019: 3). Eine solche Beschränkung ist für Quasi-Indikatoren nicht vorzufinden, wobei in manchen Formulierungen der Quasi-Indikator durch ein pro ersetzt, d.h. nicht lautlich realisiert wird (7).
(7) a. Mawuse said “I am hungry” .
b. Mawuse said she* is hungry.
c. Mawuse claimed pro to be hungry.
(Bimpeh 2019: 1, Asteriske eingefügt)
Wird ein logophorisches Pronomen durch be lizensiert, ist die Verwendung des Pronomens obligatorisch, da das Verwenden des Personalpronomens eine andere Referenz hervorrufen würde (Culy 1997: 848). Dasselbe gilt für Quasi-Indikatoren, da das Verwenden eines (reinen) Indikators zu einer falschen Referenz führen würde wie in (7b‘).
(7b‘) Mawuse said she is hungry.
In (7b’) bezieht sich she se im Gegensatz zu she* nicht auf Mawuse, sondern auf eine außenstehende Person, wodurch die Rededarstellung (7b‘) nicht die Äußerung von Mawuse in (7a) wiedergibt und demnach falsch ist. Die Wahrheit von Rededarstellung ist sowohl bei Quasi-Indikatoren als auch bei logophorische Pronomina davon abhängig, ob die dargestellte Rede mit den Äußerungen bzw. den Gedanken der bezeichneten Person (zumindest implizit) übereinstimmt.
4.2 Referenz
Sowohl Quasi-Indikatoren als auch logophorische Pronomina erlauben keine Referenz auf den Sprecher der Rededarstellung, sondern nur auf den Protagonisten, wobei durch den Sprecher die Perspektive des Protagonisten wiedergegeben wird (vgl. Pipe & Leisinger 1988: 207 & Clements 1975: 161). Die Indikatoren haben demnach gemeinsam, dass sie einen Perspektivwechsel hervorrufen. Während jedoch logophorische Pronomina einer Person Äußerungen, Gedanken und Gefühle zuschreiben können (vgl. Culy 1997: 845), ist durch Quasi-Indikatoren nur die Wiedergabe der Äußerungen und Gedanken einer Person möglich (vgl. Castañeda 1982: 161).
Überdies unterscheiden sich die beiden Arten von Indikatoren, insofern logophorische Pronomina nur auf Personen referieren können, wohingegen durch Quasi-Indikatoren zusätzlich die Referenz auf Orte oder Zeitpunkte möglich ist (vgl. Castañeda 1982: 187), wie anhand von (8) und (9) aufgezeigt ist.
(8) Ich will dich hier und jetzt küssen.
(Pape & Leisinger 1988: 206)
Wird (8) am 16.7.1988 von Max Meyer im Raum 204 zu Susanne Schulz geäußert, lässt sich folgende Rededarstellung formulieren (9).
(9) Max Meyer sagte am 16.7.1988 in Raum 204 zu Susanne Schulz, dass er* sie (*) damals* dort* küssen wollte.
(Pape & Leisinger 1988: 207, Asteriske eingefügt)
Das Temporaladverb damals* in (9) bezieht sich auf am 16.7.1988, was den Tag der Äußerung (8) bezeichnet. Das Lokaladverb dort* in (9) bezieht sich auf in Raum 204 und bezeichnet den Ort der Äußerung. Bei den Ausdrücken wie damals* und dort* handelt es sich ebenfalls wie bei er* um Quasi-Indikatoren, da sie in Verwendungsweisen wie in (8) keine demonstrative Referenz auslösen (2i), indirekt auf einen bestimmten Zeitpunkt bzw. Ort referieren (2ii) sowie in der indirekten Rede vorkommen, während sich das Antezedens in der Rededarstellung befindet (2iii) und verwendet werden, um dem Protagonisten eine implizite Bezugnahme in der ersten Person zuzuschreiben (2iv). Dass (reine) Indikatoren und Quasi-Indikatoren die gleiche Form haben, ist rein zufällig (vgl. Castañeda 1982: 162).
Der Indikator dich in (8) wird durch sie (*) in (9) wiedergegeben und bezieht sich in der Rededarstellung auf das Antezedens Susanne Schulz. Pape & Leisinger (1988: 208) argumentierten dafür, dass es sich hierbei nicht um einen Quasi-Indikator handelt, da sie (*) nicht verwendet wird, um dem Protagonisten Referenzen in der ersten Person zuzuschreiben (2iv). Zu den Quasi-Indikatoren zählen somit nur Ausdrücke, „welche die im Antezedens erwähnte Person sich selbst zuschreibt“ (Pape & Leisinger 1988: 208). Laut Castañeda (1982: 187) hingegen zählen Pronomina, die in der Äußerung an die erste, zweite oder dritte Person gerichtet sind, in der Rededarstellung ebenso als Quasi-Indikatoren. Ausgehend von Castañedas Argument ergibt sich hierbei eine Gemeinsamkeit mit logophorischen Pronomina, da diese ebenso in manchen Sprachen in allen Personen vertreten sind (vgl. Wiesemann 1986: 445).
Während jedoch Quasi-Indikatoren nur singuläre Referenten hervorrufen (vgl. Pipe & Leisinger 1988: 206), können logophorische Pronomina sowohl Einzelpersonen (10a) als auch mehrere Personen bezeichnen (10b).
(10) a. Eli kple Mansa x ɔese be yè-wó dze-agbagba. Eli and Mansa believe that log-pl do-well ‘[Eli and Mansa]i believed that theyi did well.’
b. Eli kple Mansa xɔese be wó dze-agbagba. Eli and Mansa believe that 3pl do-well ‘[Elli and Mansa]i believed that theyj did well.’ (Bimpeh 2019: 3)
Bei yè-wó in (10b) handelt es sich ebenfalls wie bei yè in (10a) um ein logophorisches Pronomen, das sich ebenso formal von dem regulären, pluralischen Personalpronomen wó unterscheidet und in Rededarstellungen obligatorisch ist (vgl. Bimpeh 2019: 2f.).
4.3 Lesarten
Sätze, die dem Protagonisten eine Überzeugung über eine andere Person zuschreiben, erzeugen sogenannte de re -Lesarten. Als de se -Lesart hingegen bezeichnet man Sätze, in denen dem Protagonisten eine Überzeugung über sich selbst zugeschrieben wird (vgl. Pafel & Reich 2016: 215f.).
Insofern sich Quasi-Indikatoren auf ihr Antezedens beziehen und dem Referenten des Antezedens eine Überzeugung über sich selbst zuschreiben, lässt darauf schließen, dass Sätze, die Quasi-Indikatoren enthalten, nur de se -Lesarten erzeugen. Für Sätze, die ein pro, d.h. einen nicht lautlich realisierten Quasi-Indikator enthalten, ist diese Annahme korrekt (11).
(11) John claimed pro to be clever.
(Pearson 2015: 78)
In (11) muss sich die Überzeugung, clever zu sein, auf John und auf keinen anderen Referenten beziehen, wohingegen ein Satz mit he* sowohl eine de se -Lesart als auch eine de re- Lesart erlaubt (vgl. Pearson 2015: 78f.)), wobei die de se- Lesart bevorzugt wird (vgl. Pafel & Reich 2016: 216).
(12) John i claimed that he i/j was clever.
(Pearson 2015: 79)
Die Rededarstellung (12) hat im Regelfall eine de se -Lesart (hei). In Kontexten, in denen John über eine Person (hj) sagt, diese sei clever, ohne zu wissen, dass er selbst diese Person ist, hat (12) eine de re -Lesart (vgl. Pearson 2015: 78f.).
Ähnlich wie bei Quasi-Indikatoren wird bei logophorischen Pronomina erwartet, dass Sätze, die diesen Indikator enthalten, nur de se -Lesarten erzeugen, da der Indikator nur die Referenz auf den Protagonisten zulässt. Während für yè in der Literatur grundsätzlich angenommen wird, dass Sätze, die yè enthalten, de se -Lesarten erzeugen, haben neuere Studien gezeigt, dass yè ebenso de re -Lesarten erlaubt (vgl. Bimpeh 2019: 4). Der obige Satz bspw. lässt sich ebenso im Ewe mit yè formulieren (13).
(13) John be yè le cleva. John say log cop clever ‘Johni said that hei/j was clever.’ (Pearson 2015: 80)
Die Rededarstellung (13) erzeugt standardmäßig eine de se -Lesart (hei), kann jedoch in manchen Fällen ebenso eine de re -Lesart erzeugen (hej). Eine de re- Lesart ist möglich in Fällen wie dem obigen, wenn dem Protagonisten eine Aussage über sich selbst zugeschrieben wird, ohne dass der Protagonist weiß, dass er die besagte Person ist (vgl. Bimpeh 2019: 5). Ebenso ist eine de re -Lesart möglich, wenn yè verwendet wird, um die Träume eines Protagonisten wiederzugeben.
(14) John kúdr ɔ be yè nye Bill eye yè (abe) ɖ e John dream comp log cop Bill conj log (as) married yè-fe t ɔ gbuiy ɔ vi. log-poss granddaughter ‘Johni dreamt that he was Billj and hei/j married hisi/j granddaughter.’
(Bimpeh 2019: 6, 10)
Der Satz (14) lässt sowohl eine de se - als auch de re -Lesart zu, je nachdem ob sich he bzw. his auf John (den Träumer) oder Bill (die Person im Traum) bezeichnet. Eine de re -Lesart wird erzeugt, wenn sich he bzw. his auf John bezieht, wohingegen eine de se -Lesart ausgelöst wird, wenn sich he bzw. his auf Bill bezieht. Durch das Einfügen von abe ‘als’ kann dennoch eine de se -Lesart erzwungen werden (vgl. Bimpeh 2019: 6f., 10). Jedoch sei darauf hingewiesen, dass „[t]he use of notions de re and de se in dream reports seems to be different from the use of de re and de se in attitude reports” (Bimpeh 2019: 14), weswegen der Untersuchung von wiedergegebenen Träumen keine zu große Wichtigkeit zugewiesen werden sollte.
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