Was macht Germany’s Next Topmodel so interessant? Darauf aufbauend analysiert die folgende Arbeit die Castingshow auf kulturwissenschaftlicher Ebene, und beschäftigt sich mit dem Einfluss auf junge Mädchen und Jugendliche.
Zunächst wird sich die Hausarbeit im zweiten Kapitel auf die theoretischen Grundlagen beziehen. Das Format „Castingshow“, seine Ursprünge sowie die fernsehästhetischen Gestaltungsstrategien und Erkennungsmerkmale werden genauer erläutert. Diese bilden einen Grundbaustein für Kapitel drei. Dort wird anhand der Theorie die Sendung Germany’s Next Topmodel vorgestellt und analysiert, insbesondere mit Blick auf die Gestaltungs- und Inszenierungstaktiken. Daran anknüpfend beschäftigt sich die Arbeit mit dem Einfluss der Show insbesondere auf junge ZuschauerInnen, zum Beispiel in Bezug auf Schönheitsideale, Essstörungen und der Selbstpräsentation von Mädchen im Internet. Die Grundlage dafür bieten verschiedene Studien aus den letzten Jahren. Zuletzt werden Handlungsstrategien für die Arbeit mit jungen Mädchen und Jugendlichen aufgezeigt. Dabei handelt es sich um die Mädchen- und Identitätsarbeit. Die Arbeit wird mit einem kurzen Fazit beendet.
Inhalt
1. Einleitung
2. Faszination Castingshow
2.1 Der Ursprung – Realitätsfernsehen
2.2 Fernsehästhetische Inszenierungsstrategien
2.3 Konzept & Erkennungszeichen der heutigen Castingshow
3. Beispiel Germany‘s Next Topmodel
3.1 Konzept und Struktur der Sendung
3.2 Inszenierungsstrategien
3.3 Heidi und ihre „Mädchen“
3.4 Das Foto als Symbol
3.5 Der Laufsteg als Inszenierungsobjekt
4. Auswirkungen von Germany’s Next Topmodel auf Mädchen
4.1 Schönheitsideale/Schönheitswahn
4.2 Essstörungen
4.3 Selbstpräsentation auf Social Media-Plattformen
5. Mädchen- und Identitätsarbeit
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 : Wie zufrieden bist du mit deinem Gewicht? BRAVO Studie 2009, S. 46
Abbildung 2 : Anteil der Mädchen mit dem Gedanken zu dick zu sein, und Anteil der Mädchen die Germany’s Next Topmodel schauen, (Götz & Mendel 2015, S.~56)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Castingshows sind seit Anfang der 2000er allgegenwärtig und derart populär, dass sie nicht mehr wegzudenken sind aus der Unterhaltungsbranche. Besonders jüngere ZuschauerInnen sind fasziniert von dem Format. Und wer kennt Heidi Klum und ihre „Mädchen“ nicht, oder den berühmten Satz „Heute habe ich leider kein Foto für dich“? Die Casting-Show Germanys Next Topmodel wird jedes Jahr mit einer neuen Staffel in den Medien ausgestrahlt und gehört zu den beliebtesten Fernseh-Genres von Mädchen und Frauen. Doch immer wieder wird der Show aufgrund grenzwertiger Äußerungen und Handlungen sowie der propagierten Schönheitsideale eine Gefährdung der Jugend vorgeworfen und ist daher stark diskutiert. Großer Aufruhr entstand besonders im Jahre 2016 durch die vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) durchgeführten Studie, welche eine Verbindung zwischen der Show und Essstörungen herstellte und dazu junge Mädchen im Alter von 6 – 19 Jahren befragte. 2017 kam es außerdem zu einem viralen Aufruf eines feministischen Kollektivs, nachdem das Bewerbungsportal für GNTM~2018 und somit 13. Staffel freigegeben wurde. Menschen wurden aufgefordert unter dem Hashtag #NotHeidisGirl zu schreiben, warum sie das Format ablehnen und nicht Heidis Mädchen werden wollen. Auf Social Media Plattformen gingen zahlreiche kritische Posts viral. (Haitz~&~Gratz, 2017) Schülerinnen aus Hamburg erstellten unter dem Hashtag sogar einen Song, welcher auf Youtube veröffentlicht wurde. Sie beschweren sich darin über den „Beautystress“ und das „Bodyshaming“. Medienwissenschaftlerin Miriam Stehling von der Uni Tübingen verweist auf eine Entwicklung der Kritik gegenüber dem Format, weg von der Magersuchtdebatte, hin zu der Fragestellung, was Weiblichkeit ist. (o.A, o.J: https://www.augsburger-allgemeine.de/themenwelten/leben-freizeit/NotHeidisGirl-Kritik-an-Germanys-next-Topmodel-nimmt-zu-id44281266.html) Trotz all der scharfen Kritik bleibt der Reiz bei jungen Mädchen und Frauen, sich die Sendung anzuschauen. Da stellt sich die Frage: Was macht Germany’s Next Topmodel so interessant? Darauf aufbauend analysiert die folgende Arbeit die Castingshow auf kulturwissenschaftlicher Ebene, und beschäftigt sich mit dem Einfluss auf junge Mädchen und Jugendliche.
Zunächst wird sich die Hausarbeit im zweiten Kapitel auf die theoretischen Grundlagen beziehen. Das Format „Castingshow“, seine Ursprünge sowie die fernsehästhetischen Gestaltungsstrategien und Erkennungsmerkmale werden genauer erläutert. Diese bilden einen Grundbaustein für Kapitel drei. Dort wird anhand der Theorie die Sendung Germany’s Next Topmodel vorgestellt und analysiert, insbesondere mit Blick auf die Gestaltungs- und Inszenierungstaktiken. Daran anknüpfend beschäftigt sich die Arbeit mit dem Einfluss der Show insbesondere auf junge ZuschauerInnen, zum Beispiel in Bezug auf Schönheitsideale, Essstörungen und der Selbstpräsentation von Mädchen im Internet. Die Grundlage dafür bieten verschiedene Studien aus den letzten Jahren. Zuletzt werden Handlungsstrategien für die Arbeit mit jungen Mädchen und Jugendlichen aufgezeigt. Dabei handelt es sich um die Mädchen- und Identitätsarbeit. Die Arbeit wird mit einem kurzen Fazit beendet.
2. Faszination Castingshow
Durch die Jahrtausenderwende kam es durch den Sender RTL2 zu einem neuen Aufschwung des Reality TV. Im Jahre 2000 erschien die Sendung POPSTARS, mit dem Ziel aus gesangstalentierten Mädchen eine Band zusammenzustellen. Der Zuschauer konnte von anfänglichen Castings bis hin zu öffentlichen Live-Auftritten jegliches Geschehen verfolgen. Die Jury bestand aus einer Gruppe Experten der Musikbranche. Nur kurze Zeit später, 2002, erschien Deutschland sucht den Superstar, mit dem Ziel am Ende der Staffel einen Sieger oder eine Siegerin zu verkünden. Dieser bzw. diese wird jedoch – im Gegensatz zu POPSTARS – in den Finalrunden durch eine Telefonabstimmung selektiert, wodurch der Zuschauer aktiv in das Geschehen der Sendung eingebunden wird. Die Popularität stieg rasant, wodurch sich in Deutschland immer mehr Castingshows mit verschiedenen Themenbereichen etablierten. So wurden in den letzten Jahren schon einige Sänger, Tänzer oder Models aus einer Masse ganz „normaler“ Menschen zu Stars gecastet. (vgl. Schurzmann-Leder, 2021, S. 80)
Germany’s Next Topmodel gehört als Castingshow zu der Genrefamilie Reality TV und bedient sich dessen Merkmalen und Inszenierungsstrategien. Anhand dessen liefert das Format ein Abbild der Lebenswirklichkeit, welche dann besonders spannend und dramatisch für ZuschauerInnen präsentiert wird (vgl. Abbildung von Klaus & Lücke, 2003, S.200). Dadurch konzentriert sich die Arbeit einleitend auf den Oberbegriff Reality TV, mit seinen Merkmalen und Ansätzen.
2.1 Der Ursprung – Realitätsfernsehen
Mit dem Begriff „Reality TV“ bezeichnen wir eine im deutschen Fernsehen verstärkt seit Beginn der 90er Jahre verbreitete Fernsehgattung, die in ihrer Form Elemente mehrerer anderer Gattungen wie der Serie und der Dokumentation aufweist. „Deren immer neue Mischung und Kopplung mit anderen Genres besitzt offensichtlich ein ungebrochenes Innovationspotenzial, wie der Erfolg der Castingshows oder auch der Gerichtsshows zeigt.“ (Lücke & Klaus, 2003, S.196) Durch diese Ausdifferenzierung und Vielfältigkeit kann man demnach eher von einer hybriden Genrefamilie sprechen, wodurch es schwierig ist eine einheitliche Definition zu verfassen. Trotz allem lassen sich einzelne Merkmale der Genres auf eine gemeinsame Strategie zurückführen. Alle Formate ähneln sich in der „Hinwendung zu alltäglicheren, der Lebenswelt der ZuschauerInnen und Zuschauer entnommenen Themen und damit einhergehend die emotionalisierte Darstellung des Privaten und Intimen in der Öffentlichkeit“. (Lücke & Klaus, 2003, S.196)
Die Autorin Claudia Wegener beschreibt 1994 erstmals erste gestalterische Charakteristiken von Reality TV. Diese beinhalten die Darstellung von Emotionen, Personalisierung, Dramatisierung und Stereotypisierung. (vgl. Wegener, 1994, S.143ff.) Die Autorinnen Bente und Fromm erweitern Wegeners Merkmale mit Intimisierung und Authentizität (Live-Charakter). Sie erklären zudem, dass Reality TV insbesondere Nicht-Prominente, also reale Menschen und deren Schicksale zeigt, welche wiederum besonders dramatisch dargestellt werden. (Bente & Fromm, 1997, S.20) Dies ist besonders relevant für die Authentizität und verstärkt nur mehr, dass der Unterschied zwischen der vorgestellten Wirklichkeit und der Lebenswirklichkeit der Menschen verschwimmt. Dies lässt die Frage aufkommen, wie viel Reales überhaupt hinter Reality TV steckt. In Kapitel~2.2 werden die zusammengeführten Merkmale der AutorInnen genauer beschrieben.
Im Jahr 1994 beschäftigte sich auch Angela Keppler mit der Definition vom Reality TV und unterteilte den Begriff in „narratives“ und „performatives“ Realitätsfernsehen. „Narratives Reality TV umfasst jene Sendungen, die ihre ZuschauerInnen mit der authentischen oder nachgestellten Wiedergabe realer oder realitätsnaher außergewöhnlicher Ereignisse nicht-prominenter Darsteller unterhalten.“ (Klaus & Lücke, 2003, S. 199) Klaus & Lücke nennen dafür Formate wie Real Life Comedys, gewaltzentrierte Sendungen, Gerichts-Shows und Personal-Help Show (Klaus & Lücke, 2003, S. 199)
Performatives Reality TV hingegen beschreibt Sendungen, die eine Bühne für nicht- alltägliche Inszenierungen sind und zugleich in die Alltagswirklichkeit der „normalen“ Menschen eingreifen. Diese können reale Lebensänderung zur Folge haben. (Keppler, 1994, S. 8f.) Als Beispiel nennen Klaus & Lücke hier Beziehungs-Shows, Beziehungs-Game Shows, Daily Talks und Problemlösesendungen. (Klaus & Lücke, 2003, S. 199) Lothar Mikos stellt dazu beispielsweise die These auf, dass im performativen Reality TV keine Grenze zwischen Realität und Fiktion existiere. Dies macht es für ZuschauerInnen schwer zu verstehen, was vom Gezeigten nun wahr ist und was fiktiv. Er erstellt das Fazit, dass die Realität lediglich in den Köpfen der ZuschauerInnen stattfände. (Mikos, 2012, S. 51)
Seit den Beschreibungen von Wegener, Keppler und Bente & Fromm hat sich das Reality TV weiterentwickelt und ausdifferenziert, wodurch Klaus & Lücke (2003) neue Subgenres für das performative Reality ausgemacht haben. Diese sind die Reality- und Docu Soap. Außerdem würden auch Castingshows der Definition entsprechen und dazu gezählt werden können. (vgl. Klaus & Lücke, 2003, S. 199).
Es kann also folglich davon ausgegangen werden, dass die genannten Merkmale von Wegener und Bente & Fromm eine Gemeinsamkeit zwischen dem Realitätsfernsehen und seinen Subgenres herstellen. Diese von Klaus & Lücke genannten Inszenierungsstrategien (Klaus & Lücke, 2003, S. 208) werden nun im nächsten Kapitel genauer erläutert, da sie relevante Darstellungsstrategien des performativen Reality TVs darstellen, also auch für die Castingshow Germany’s Next Topmodel.
2.2 Fernsehästhetische Inszenierungsstrategien
Die im vorherigen Kapitel genannten Inszenierungsstrategien bilden als Darstellungsmittel des Reality TVs den Grundstoff für die Auseinandersetzung mit dem performativen Reality TV-Formates Germany’s Next Topmodel. Daher werden die Merkmale nun kurz erläutert.
Der grundlegende Kern einer Reality Show basiert laut Bente & Fromm auf wahren Geschichten. Sie können aufgrund dessen besondere Gefühle bei ZuschauerInnen hervorrufen. Für eine ausreichende Unterhaltung gehören jedoch noch die Merkmale Nicht-Prominente, Personalisierung, Intimisierung, Emotionalisierung, Stereotypisierung und Dramatisierung dazu. (vgl. Bente & Fromm, 1997, S. 20).
Für den Autor Lücke, ist eines der wichtigsten Charakteristiken der Nicht-Prominentenstatus der KandidatInnen in der Sendung. Wie aus Castingshows bekannt, werden am Anfang jeder Sendung „normale“ Menschen gesucht, welche im Laufe der Show zu Stars heranwachsen. Insbesondere die GewinnerInnen erhalten einen Promintentenstatus. Diese Identifizierung mit einem normalen bzw. nicht-prominenten Kandidaten scheint ein deutlicher Anreiz für die ZuschauerInnen zu sein, ins Programm einzuschalten. (vgl. Lücke, 2002, S. 53)
Dieses geht einher mit dem Merkmal der Authentizität. „ Die ‚wahren‘ Geschichten der unprominenten Personen werden je nach Sendekonzept entweder erzählt oder zum Zwecke der medialen Verbreitung vor der Kamera inszeniert. Der Live-Charakter unterstreicht die Authentizität des Gezeigten.“ (Bente & Fromm, 1997, S. 20). Dies heißt, dass die wahren Geschichten so bearbeitet werden, dass sie Unterhaltsam und spannend sind.
Des Weiteren beschreibt Wegener das Merkmal der Personalisierung . Durch das Fokussieren auf spezielle Einzelschicksale wie beispielsweise dramatische Schicksalsschläge, wird nicht nur Aufmerksamkeit geschaffen, sondern auch Betroffenheit. Dies macht die Show für ZuschauerInnen authentischer und erzeugt eine gewissen Glaubhaftigkeit und emotionale Nähe. Außerdem wird dadurch die Authentizität gestärkt und erschafft eine fiktive Realität (vgl. Wegener, 1994, S. 54ff.)
Daran knüpft das nächste Merkmal an, die Emotionalisierung . In jeglichen Reality TV Shows werden die TeilnehmerInnen gezielt gefilmt, wie sie ihren Gefühlen Ausdruck verliehen, sei es Freude, Wut oder Trauer. Diese Szenen werden oft künstlich dramatisiert, z.B. durch Musikeinlagen oder Großaufnahmen, und werden häufig wiederholt oder als Cliffhanger am Ende einer Folge oder vor Werbepausen genutzt, um die Spannung aufrecht zu erhalten. (vgl. Lücke, 2002, S. 54f.).
Auch die Intimisierung ist Teil der Inszenierung der TeilnehmerInnen und unterstützt das Merkmal der Emotionalisierung durch eine recht oberflächliche Charakterdarstellung. Denn während der Sendung werden Informationen aus der Privatsphäre der KandidatInnen öffentlich preisgegeben regen den/die ZuschauerIn an diese in Zusammenhang mit eigenen Privatangelegenheiten zu stellen. Dadurch ergibt sich eine gewissen Orientierungsfunktion. Das Merkmal bedient sich an Klischees, Stereotypen und bekannten Handlungsabläufen. (vgl. Klaus & Lücke, 2003, S. 209).
Ein weiteres Gestaltungsmerkmal ist die Stereotypisierung . Dazu werden aus knappen Szenen der TeilnehmerInnen bestimmte Seiten und Charaktereigenschaften gezeigt. Dadurch entstehen „(…) Klischees, stereotype Darstellungsmuster und standardisierte Handlungsabläufe (…)“ (Wegener, 1994, 77f. zit. in: Lücke, 2002, S. 56).
Wie schon in vorherigen Abschnitten und Merkmalen angedeutet, spielt die Dramaturgie in Realityshows eine besondere Rolle. Durch die verschiedenen Inszenierungsstrategien können Ereignisse oder Situationen um einiges spannender wirken. Mit Hilfe technischer Mittel, wie beispielsweise der Schnitt (unter anderem Cliffhanger), Hintergrundmusik oder Szenenwechsel können Spannungsbögen aufgebaut werden. Dies sorgt für eine ausreichende Unterhaltung und hält die Einschaltquoten oben. Demnach ist dies das wichtigste Inszenierungsmittel. (vgl. Klaus & Lücke, 2003, S. 210).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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