Diese Arbeit soll zentrale Aspekte einer Sprachförderung im (Fach-)Unterricht sprachlich heterogener Klassen, wie der AV-SH, vorstellen und versuchen, erste Ansätze einer Implementierung dieser in den Bildungsgang zu entwickeln.
Der Bildungsgang der Ausbildungsvorbereitung Schleswig-Holstein als Teil des Übergangssystems umfasst eine sehr heterogene Schülerschaft und zeichnet sich durch ein tendenziell niedrigeres Bildungsniveau aus. In diesem befinden sich Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen nicht die nötigen Qualifikationen für eine Ausbildung besitzen oder aufgrund struktureller Marktbenachteiligung keinen Ausbildungsplatz finden können. Zu dieser Heterogenität tragen darüber hinaus vor allen Dingen die erheblichen unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen der einzelnen Schüler*innen bei.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zum Begriff der Sprachkompetenz im (Fach-)Unterricht
3. Auswertung der Handreichung und Umsetzungsvorschläge
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Bildungsgang der Ausbildungsvorbereitung Schleswig-Holstein1 als Teil des Übergangssystems umfasst eine sehr heterogene Schülerschaft und zeichnet sich durch ein tendenziell niedrigeres Bildungsniveau aus (vgl. Zoyke, 2014, S. 178). In diesem befinden sich Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen nicht die nötigen Qualifikationen für eine Ausbildung besitzen oder aufgrund struktureller Marktbenachteiligung keinen Ausbildungsplatz finden können (vgl. Zoyke, 2014, S. 178). Zu dieser Heterogenität tragen darüber hinaus vor allen Dingen die erheblichen unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen der einzelnen Schüler*innen bei. „Da fehlende Sprachkenntnisse häufig die Ursache eines nicht bestandenen Schulabschlusses sind, finden sich in diesem Übergangssystem eine Vielzahl an Schülerinnen und Schüler [sic!] mit geringen Deutschkenntnissen“ (Schröder, 2018, S. 122). Die nicht erworbenen Abschlüsse werden damit neben Schulabbrüchen auch mit Sprachdefiziten begründet (vgl. Ninkovic-Bockelmann/Vergöhl, 2018, S. 15). Die Debatte über Sprachförderung wurde im Zuge der Zuwanderung Geflüchteter 2015 noch einmal stark in den Fokus gerückt. Für diese ist besonders die Integration in das Berufsbildungssystem entscheidend. Fehlende Deutschkenntnisse erschweren dabei die Beschulung. Das Bundesland Niedersachsen versuchte den Geflüchteten beispielsweise mit den Programm SPRINT-Dual einen zügigen kulturellen und sprachlichen Einstieg zu ermöglichen (vgl. Schröder, 2018, S. 121). Im schleswig-holsteinischen Übergangssystem wurden sogenannte Berufsintegrationsklassen gebildet, in denen Deutsch als Zweitsprache unterrichtet wird (vgl. Terrasi-Haufe/Baumann/Riedl, 2018, S. 441). Die unterschiedlichen Sprachstände der Schüler*innen in der AV-SH stellen Lehrende trotz dieser Maßnahmen noch immer zunehmend vor große Herausforderungen. Schröder fasst die Probleme hinsichtlich der Sprache im Übergangssystem folgendermaßen zusammen: „Heterogenität besteht ebenfalls hinsichtlich individuell unterschiedlicher Sprachstände in der deutschen Sprache, einer Vielzahl von Muttersprachen, des häufig unterschiedlichen Alphabetisierungsgrades und der erlernten Schriftsysteme“ (Schröder, 2018, S. 127). Diese Arbeit soll zentrale Aspekte einer Sprachförderung im (Fach-)Unterricht sprachlich heterogener Klassen, wie der AV-SH, vorstellen und versuchen, erste Ansätze einer Implementierung dieser in den Bildungsgang zu entwickeln. Dafür wird zunächst die Handreichung der AV-SH hinsichtlich der Verankerung von Sprachförderung analysiert und ausgewertet, um anschließend diese Bedingungen hinsichtlich der Umsetzbarkeit mithilfe der wissenschaftlichen Erkenntnisse bewerten zu können.
2. Zum Begriff der Sprachkompetenz im (Fach-)Unterricht
Im Fachunterricht verwendete Texte bereiten nicht nur Schüler*innen mit Deutsch als Zweitsprache vielfach Probleme, sondern auch jenen mit Deutsch als Erstsprache. Für ein inhaltliches Verständnis dieser ist eine gezielte Spracharbeit notwendig (vgl. Schmölzer-Eibinger/Dorner/Langer/Helten-Pacher, 2013, S. 14). In der beruflichen Bildung setzen Lehrende oftmals ein bestimmtes Maß an Sprachverständnis und Sprachkompetenz voraus, da bei Eintritt in eine Berufsausbildung ein qualifizierender Schulabschluss vorliegen muss, der grundlegende Fähigkeiten wie Lesen und Schreiben von Texten umfasst (vgl. Tessmer, 2018, S. 27). Aufgrund der Besonderheit dieses Bildungsganges und der sehr heterogenen Voraussetzungen der Schüler*innen können solche Annahmen jedoch keineswegs gelten. Um über die entsprechende Sprachförderung sprechen zu können, muss allerdings zunächst geklärt werden, was Sprache überhaupt umfasst. Denn diese ist weitaus mehr als nur gesprochene Sprache (vgl. Leisen, 2013, S. 348). Begriffe, die auf unterschiedliche Weise mit Schriftlichkeit verknüpft sind, sind Bildungssprache, Unterrichtssprache oder Fachsprache (vgl. Schmölzer-Eibinger/Dorner/Langer/Helten-Pacher, 2013, S. 14). „Bildungssprache bedeutet, dass sowohl fachliche als auch alltägliche Themen unabhängig von der Situation in eindeutiger Art und Weise, vollständig und in angemessener Form ausgedrückt werden. Dazu sind ein entsprechender Wortschatz (Eindeutigkeit, Situationsunabhängigkeit) und entsprechende grammatische Strukturen (angemessene Form) notwendig“ (Tajmel, 2012). Die Kenntnis der Bildungssprache ist Bedingung für eine umfassende Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Schule muss daher dafür Sorge tragen, dass diese in allen Fächern systematisch vermittelt und gefördert wird (vgl. Schmölzer-Eibinger/Dorner/Langer/Helten-Pacher, 2013, S. 14). Zur Fachsprache zählen spezifische Ausdrucksmittel, die innerhalb einer fachlichen Disziplin verwendet werden (vgl. Schmölzer-Eibinger/Dorner/Langer/Helten-Pacher, 2013, S. 15). Sie kennzeichnet sich durch eine hohe Dichte an Fachbegriffen und Satz- und Textkonstruktionen aus, die in der Allgemeinsprache selten vorkommen. Im Unterricht werde sie besonders häufig bei Merksätzen und Definitionen verwendet. Fachsprachliche Texte eignen sich besser am Ende des Lernens, da Lerner sie erst verstehen können, wenn sie bereits viel über ein Thema wissen (vgl. Leisen, 2013, S. 349). Die Unterrichtssprache ist die Sprache, die bezüglich des Vokabulars und ihrer Formulierungen in mündlicher wie auch schriftlicher Form beim Lehren und Lernen im unterrichtlichen Kontext benutzt wird. Sie ist an die jeweilige Unterrichtssituation gekoppelt (vgl. Leisen, 2013, S. 349). Damit ist sie exklusiv in der Schule bzw. im Unterricht verortet (vgl. Schmölzer-Eibinger/Dorner/Langer/Helten-Pacher, 2013, S. 14). Die Sprache im Fachunterricht ist aber immer Bildungssprache (vgl. Leisen, 2013, S. 349). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Kommunikation im Bildungsbereich von wenig Fehlertoleranz und insgesamt von Komplexität geprägt ist, da die Sprechsituationen neu und unvertraut sind und Sprachfehler häufig den Sinn entstellen. Das kommunizierte Wissen ist darüber hinaus sehr abstrakt und die Inhalte eher unpersönlich (vgl. Leisen, 2013, S. 351).
Die Alltagssprache hingegen lässt Fehler und unpräzise Formulierungen zu, sie zeichnet sich eher durch Einfachheit aus. Die Alltagssprache umfasst grundlegende Kommunikationsfähigkeiten, wohingegen die Bildungssprache „schulbezogene kognitive Sprachkenntnisse“ meint, an welchen die Sprachförderung im Fach schließlich ansetzt (vgl. Leisen, 2013, S. 350-351). Auch die Kultusministerkonferenz orientiert sich mit ihren Vorhaben an der Bildungssprache: „Schule ist zentraler Ort für den Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen“. Von seinem Anspruch her ist er im Sinne einer durchgängigen Sprachbildung in allen Fächern und über alle Schulstufen hinweg umzusetzen. Damit wenden wir uns bewusst ab von einer Sprachförderung, die sich auf rein kompensatorische, vorübergehende und häufig isolierte Maßnahmen beschränkt“ (KMK, 2014, S. 6). Das Niedersächsische Kultusministerium betont in seinem Schreiben noch darüber hinaus, dass die gleichberechtigte Teilhabe von Schüler*innen mit nichtdeutscher Herkunftssprache Bestandteil des Bildungsauftrages und deshalb in das gesamte pädagogische Konzept einzubinden sei. Sie betonen hierin explizit, dass dies nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichtes und des additiven Sprachförderunterrichtes sein dürfe (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2014, S. 5).
Die sprachliche Kompetenz als eine von vier Dimensionen der Sprachkompetenz umfasst einen rezeptiven, produktiven und kognitiven Bereich. Das Hörverstehen und das Leseverstehen als Teilkompetenzen lassen sich dabei dem rezeptiven Bereich zuordnen und das Sprechen sowie das Schreiben dem produktiven. Dem kognitiven Bereich gehören Wortschatz und Grammatik an, da das Wissen hierüber als notwendige Komponente zur sprachlichen Kompetenz gehört. Als weitere Dimensionen neben der sprachlichen Kompetenz finden sich die soziolinguistische, die sprachlogische sowie die strategische Kompetenz. Für eine erfolgreiche Ausbildung ist es insofern nicht ausreichend, sich nur auf die sprachliche Kompetenz konzentrieren, als dass die Beherrschung einer Sprache nicht zwangsläufig einen Lernerfolg in dieser Sprache bedeutet.
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1 Die Ausbildungsvorbereitung Schleswig-Holstein wird im weiteren Verlauf der Arbeit mit der Abkürzung AV-SH versehen.