Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema „Intersektionalität - Anwendung in der Sozialen Arbeit“. Der Ansatz der Intersektionalität wird seit den frühen 1990er-Jahren intensiv in den Sozialwissenschaften und Kulturwissenschaften diskutiert. Obwohl schon in früheren feministischen Bewegungen kritisiert wurde, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts kein Stimmrecht bei Wahlen hatten oder das Rassismus und Klassenunterdrückung in der Frauenbewegung selbst präsent war, nahmen ihre Forderungen erst in den 1980ern eine wissenschaftliche Gestalt an.
Der erste Teil dieser Arbeit befasst sich mich der Definition von Intersektionalität. Im nächsten Kapitel wird auf die Differenzkategorien der Intersektionalität eingegangen. Die anfängliche Trias der drei großen Unterdrückungsformen, Race, Class und Gender haben sich mittlerweile erweitert und werden immer noch diskutiert. Auch Körper, Alter, Gesundheit, Religion und Sexualität können Differenzkategorien sein, die Anknüpfungspunkte für Diskriminierung bieten. Aufgrund von Diskussionen basierend auf der Trias und den weiteren Differenzkategorien, wird auf die Mehrebenenanalyse eingegangen, die das Thema der Intersektionalität aus seinem komplexen Rahmen nimmt und methodisch anwendbar macht. Im nächsten Punkt wird ein Beispiel aufgezeigt, um das Konzept der Intersektionalität zu visualisieren. Im vierten Kapitel wird auf die Intersektionalität in der Sozialen Arbeit eingegangen. Generell wird in dieser Arbeit hauptsächlich auf den Ansatz der Intersektionalität von Winker & Degele eingegangen, die die wichtigsten Aspekte verschiedener Intersektionalitätskonzepte als Reaktion zur Unzufriedenheit mit dem aus ihrer Sicht ungenügenden Konzept zusammengefasst haben.
Inhaltsverzeichnis
Glossar der Begriffe
1 Einleitung
2 Intersektionalität: Eine Definition für den Einstieg
2.1 Geschichtlicher Hintergrund
2.2 Intersektionalität im Beispiel
2.3 Differenzkategorien
3 Intersektionalität in der Sozialen Arbeit
4 Schluss
4.1 Beantwortung der Fragestellung
4.2 Ausblick
Literaturverzeichnis
Glossar der Begriffe
Schwarz - in Großschreibung
Die Großschreibung von Schwarz verweist auf die Strategie der Selbstermächtigung. Es zeigt das symbolische Kapital des Widerstandes gegen Rassismus an, welches rassistisch markierte Menschen und Kollektive sich gemeinsam erkämpft haben.
weiß - kursiv und klein
Die Klein- und Kursivsetzung von weiß verweist auf die soziale Konstruiertheit von Differenzmarkierungen, wobei weiß üblicherweise unmarkiert bleibt. Da im Gegensatz zu Schwarz diese Differenzmarkierung kein Selbstermächtigungs- und Widerstandpotential innewohnt, wird weiß auch nicht großgeschrieben.
BPOC
BPOC steht für die politische Selbstbezeichnung Black und People of Color, die eine geteilte Rassismuserfahrung aufgreift und diese in eine kollektive Positionierung einfließen lässt.
Community
Community verweist in der Beibehaltung der englischen Terminologie auf das Kollektive und das darin eingeschriebene Widerstandspotential. Dies in Abgrenzung zur herkömmlichen Bedeutung der deutschen Übersetzung „Gemeinde“ oder „Gemeinschaft“.
Queer
Queer ist ein Sammelbegriff für Personen, deren geschlechtliche Identität und/oder sexuelle Orientierung (wen sie begehren) nicht der heteronormativen Norm entspricht. Queer wird auch verwendet, um Bewegungen und Dinge zu bezeichnen, die mit queeren Menschen in Verbindung stehen, wie zum Beispiel die queere Szene, Queer Studies oder queere Filmfestivals.
Heteronormativ
Heteronormativ beschreibt eine Weltanschauung und ein gesellschaftliches Wertesystem, das nur zwei Geschlechter (männlich und weiblich) und heterosexuelle Beziehungen (ein Mann und eine Frau) zwischen diesen Geschlechtern anerkennt und als normal ansieht.
Rasse
Im deutschsprachigen Kontext erscheint in der gender- und queer-theoretischen Literatur der Begriff Rasse mit Rücksicht auf die nationalsozialistische Vergangenheit zumeist in Anführungszeichen oder alternativ findet der englische Begriff race statt Rasse Verwendung. Da jedoch in diesem Zusammenhang mit der Kategorie Rasse ihre gewaltförmige Naturalisierung und Hierarchisierung und damit Prozesse der Ausgrenzung und Unterdrückung beschrieben werden, wird hier auf die Anführungszeichen bewusst verzichtet.
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema „Intersektionalität - Anwendung in der Sozialen Arbeit“. Der Ansatz der Intersektionalität wird seit den frühen 1990er Jahren intensiv in den Sozialwissenschaften und Kulturwissenschaften diskutiert. Obwohl schon in früheren feministischen Bewegungen kritisiert wurde, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts kein Stimmrecht bei Wahlen hatten oder das Rassismus und Klassenunterdrückung in der Frauenbewegung selbst präsent war, nahmen ihre Forderungen erst in den 1980ern eine wissenschaftliche Gestalt an. Der erste Teil dieser Arbeit befasst sich mich der Definition von Intersektio- nalität. Die US-amerikanische Juristin Kimberlé Crenshaw führte den Begriff der Intersektio- nalität in den wissenschaftlichen Diskurs ein. Das englische Verb intersect (überkreuzen) visualisiert so die Überschneidung verschiedener Formen der Diskriminierung, ähnlich wie bei einer Straßenkreuzung (intersection). Weiterhin wird auf den geschichtlichen Hintergrund der Intersektionalität eingegangen, wie dieser Begriff überhaupt zustande kam und wo. Im nächsten Kapitel wird auf die Differenzkategorien der Intersektionalität eingegangen. Die anfängliche Trias der drei großen Unterdrückungsformen, Race, Class und Gender, haben sich mittlerweile erweitert und werden immer noch diskutiert. Auch Körper, Alter, Gesundheit, Religion und Sexualität können Differenzkategorien sein, die Anknüpfungspunkte für Diskriminierung bieten. Aufgrund von Diskussionen basierend auf der Trias und den weiteren Differenzkategorien, wird auf die Mehrebenenanalyse eingegangen, die das Thema der Intersektionalität aus seinem komplexen Rahmen nimmt und methodisch anwendbar macht. Im nächsten Punkt wird ein Beispiel aufgezeigt, um das Konzept der Intersektionalität zu visualisieren. Im vierten Kapitel wird auf die Intersektionalität in der Sozialen Arbeit eingegangen. Generell wird in dieser Arbeit hauptsächlich auf den Ansatz der Intersektionalität von Winker & Degele eingegangen, die die wichtigsten Aspekte verschiedener Intersektionalitätskonzepte als Reaktion zur Unzufriedenheit mit dem aus ihrer Sicht ungenügenden Konzept zusammengefasst haben. Zum Schluss gibt es einen Rückbezug auf die in der Einleitung aufgeworfene Frage, nämlich die Anwendung von Intersektionalität in der Sozialen Arbeit. Zudem werden die Ergebnisse zusammengefasst und einen Ausblick auf die Praxis wird verfasst.
2 Intersektionalität: Eine Definition für den Einstieg
„Intersektionalität (engl. intersection : Kreuzung, Schnittpunkt) beschreibt die integrative Analyse des Zusammenwirkens unterschiedlicher Formen und Dimensionen von Ungleichheit, Differenz und Herrschaft. Die in der Intersektionalitätsforschung verwendeten Differenzkategorien (die meist genannten sind race, class, gender ), in denen Machtverhältnisse wirken, die einige Eigenschaften privilegieren und andere diskriminieren, werden dabei gesellschaftlich konstruiert.
Im politischen Kontext bezeichnet „intersectionality“ Konzepte, welche sich auf vielfältige Problemlagen und Formen von Diskriminierungen und Herrschaftsverhältnisse richten, denen bestimmte Gruppen in besonders hohem Maße ausgesetzt sind. In der Wissenschaft bezeichnet diese Perspektive den Anspruch, gesellschaftliche, institutionelle und subjektbezogene Dimensionen bei der Untersuchung von sozialen Ungleichheiten und Diskriminierungsformen zu verbinden“ (vgl. Universität Bielefeld 2017).
Unterschiedliche Diskriminierungsformen, die aus den Differenzkategorien entstehen, können Klassismus, Homo- und Transphobie, Cis- und Heterosexismus, Ableismus, Islamophobie, Antisemitismus, Anti-Roma, Anti-Schwarzen, Anti-Asiatischen und Anti-Muslimischen Rassismus beinhalten (vgl. Center for Intersectional Justice 2019:6).
2.1 Geschichtlicher Hintergrund
Die historischen Wurzeln der Intersektionalitätsdebatte liegen in den Erfahrungen Schwarzer Frauen ( Black Feminism ), die sich im Feminismus westlicher weißer Mittelschichtsfrauen, nicht wiederfanden, da die Rede von einer gemeinsam erfahrenen Unterdrückung qua Geschlecht vor dem Hintergrund rassistischer Ausgrenzung zu kurz griff (vgl. Winker/ Degele 2009:11). Die Frage „Ain't I a Woman?“ (1851) von der Frauenrechtlerin und ehemaligen Sklavin Sojourner Truth des 19. Jahrhunderts, welche oft zitiertwird, benannte damit dieses zentrale Problem der Frauenbewegung. In den 1970er Jahren kritisierten in den USA Schwarze Feministinnen nochmals das eindimensionale Verständnis von global sisterhood ihrer weißen Kolleginnen. Grundlegend wiesen Sojourner Truth und später die Schwarzen Feministinnen daraufhin, dass Frauen of color nicht nur wegen ihres Geschlechts unterdrückt werden, sondern auch wegen ihrer Hautfarbe und ihrer Klassenzugehörigkeit (vgl. Winker/ Degele 2009:11f). Das Combahee River Collective veröffentlichte 1977 eine Erklärung mit dem Titel „A Black Feminist Statement“, das die von weißen Mittelklasse Frauen dominierte feministische Bewegung in den USA dafür kritisierte, die Lebenslagen und Erfahrungen von Schwarzen Frauen zu
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