Diese Arbeit befasst sich vorrangig mit dem Zeitraum zwischen 260 und 272 nach Christus, in dem Palmyra einen Brennpunkt römischer Reichspolitik darstellte und das Schicksal des römischen Orients entschieden wurde. In diesen Jahren stieg Septimius Odaenathus, Familienoberhaupt der Septimii Odaenathi, zum unumschränkten Herrscher über Palmyra auf und avancierte gegen Ende seines Lebens im gesamten römischen Orient zu einer Rettergestalt von fast schon messianischer Statur. Es soll untersucht werden, welche Rolle Septimius Odaenathus und seine Frau Septimia Zenobia bei der Errichtung und dem Zerfall des sogenannten Palmyrenischen Sonderreiches spielten. Dafür soll zunächst die Geschichte der Stadt und der palmyrenischen Gesellschaft vor der Machtergreifung der Septimii Odaenathi betrachtet werden, um die Funktion der Stadt für das Römische Imperium als "Tor zum Orient" verständlich zu machen. Folglich soll der Aufstieg des Septimius Odaenathus zum "Exarchen von Palmyra" und die Herrschaftsübernahme der Septimia Zenobia nach seinem Tod dargestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Palmyra vor der Machtergreifung des Septimius Odaenathus
3. Die Herrschaft des Septimius Odaenathus
4. Die Machtübernahme der Septimia Zenobia
5. Zusammenfassung und Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Palmyra, das alte Tadmor, Fernhandelszentrum der Wüste“1, beschreibt Michael Sommer die einstige syrische Karawanenstadt, deren Zugehörigkeit zum Römischen Imperium bis heute umstritten sei.2 Im ersten nachchristlichen Jahrhundert habe sie sich „zur unangefochtenen Metropole des transeurasischen Fernhandels“3 entwickelt. Die Siedlungsgeschichte der Stadt sei besser dokumentiert als die jeglicher anderer Städte des hellenistisch-römischen Syriens.4 Jedoch seien die „innere Verfaßtheit der palmyrenischen Gesellschaft, [...] der Umriß ihrer ethnisch-kulturellen Identität, [...] ihre religiösen Gebräuche und Überzeugungen [und] die Organisation ihres Karawanenhandels“5 bis heute größtenteils ungeklärt. Doch die entscheidenden Jahre der Stadt im dritten Jahrhundert nach Christus, die M. Sommer als „Auftritt auf der ganz großen Bühne der Weltgeschichte“6 bezeichnet, lassen sich anhand „literarische[r] Überlieferung und in Form einiger spektakulärer Münzprägungen“7 nahezu vollständig rekonstruieren. Diese Arbeit befasst sich vorrangig mit dem Zeitraum zwischen 260 und 272 nach Christus, in dem Palmyra einen „Brennpunkt römischer Reichspolitik“8 darstellte und „das Schicksal des römischen Orients“9 entschieden wurde. In diesen Jahren stieg Septimius Odaenathus, Familienoberhaupt der Septimii Odaenathi, „zum unumschränkten Herrscher über Palmyra auf und avancierte gegen Ende seines Lebens im gesamten römischen Orient zu einer Rettergestalt von fast schon messianischer Statur“10. Es soll untersucht werden, welche Rolle Septimius Odaenathus und seine Frau Septimia Zenobia bei der Errichtung und dem Zerfall des sogenannten Palmyrenischen Sonderreiches spielten. Dafür soll zunächst die Geschichte der Stadt und der palmyrenischen Gesellschaft vor der Machtergreifung der Septimii Odaenathi betrachtet werden, um die Funktion der Stadt für das Römische Imperium als „Tor zum Orient“11 verständlich zu machen. Folglich soll der Aufstieg des Septimius Odaenathus zum „Exarchen von Palmyra“12 und die Herrschaftsübernahme der Septimia Zenobia nach seinem Tod dargestellt werden.
Hauptgrundlage der Untersuchungen stellen Michael Sommers Monographien Syria: Geschichte einer zerstörten Welt und Der Löwe von Tadmor dar. Auch sein Beitrag Palmyra and Hatra: "Civic" and "Tribal" Institutions at the Near Eastern Steppe Frontier ist aufschlussreich bezüglich der gesellschaftlichen Strukturen der Stadt. Des Weiteren bieten Beiträge von Marek Baranski, Marta Zuchowska, Andreas Schmidt-Colinet, Khaled al-Asaad und Waleed al-Asaad, in dem 2013 erschienenen polnischen Sammelband Studia Palmyrenskie XII, unter anderem einen guten Überblick über Handel, Kultur und Forschungsgeschichte.
Archäologische Grabungen in Palmyra begannen erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nachdem 1834 ein britisches Konsulat in Damaskus eingerichtet wurde, hatte der britische Konsular Captain Richard Burton im Jahr 1870 erstmalig die Möglichkeit, nach Palmyra zu reisen.13 Er veranlasste Grabungen an der südwestlichen Nekropole der Stadt, bei denen diverse Artefakte und menschliche Überreste freigelegt wurden.14 Sein Aufruf an die Welt für weitere archäologische Grabungen blieb lange Zeit ungehört.15 Erst in den 1960er Jahren fand eine weitere Expedition unter Leitung des polnischen Archäologen Michal Gawlikowski statt.16 Diese wurde im Jahr 1981 durch eine syrisch-deutsche Kooperation ergänzt, nachdem 1980 ein neuer Zweig des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Damaskus eingerichtet wurde. Andreas Schmidt-Colinet leitete diese Mission zusammen mit Khaled und Waleed al- Asaad.17 Ausgegraben wurden unter anderem eine große Menge an Textilien und Gräbern, sogenannte Tempel-Gräber, und Steinbrüche nordöstlich der Stadt.18 Insgesamt konnte dadurch die Chronologie der urbanen Entwicklung Palmyras in Ansätzen rekonstruiert werden.19 Laut M. Sommer liegt „dank intensiver archäologischer Forschung seit rund hundert Jahren [...] heute reichhaltiges Material zur sozialen und wirtschaftlichen, auch politischen Organisation der Wüstenstadt vor“20. Bezüglich der palmyrenischen Gesellschaft sei die Forschung jedoch zu zwei „völlig gegensätzlichen Modellen gelangt“21, welche im folgenden Kapitel aufgegriffen werden.
[...]
1 In: Michael Sommer: Der Löwe von Tadmor. Palmyra und der unwahrscheinliche Aufstieg des Septimius Odaenathus. In: Historische Zeitschrift 287 (2008), S. 281.
2 Vgl. Ebd. S. 281.
3 In: Michael Sommer: Syria. Geschichte einer zerstörten Welt. Stuttgart 2016, S. 139.
4 Vgl. Ebd. S. 139.
5 In: Sommer: Tadmor, S. 281-282.
6 In: Sommer: Syria, S. 139.
7 In: Ebd. S. 139.
8 In: Sommer: Tadmor, S. 317.
9 In: Sommer: Syria, S. 139.
10 In: Sommer: Tadmor, S. 309.
11 In: Sommer: Syria, S. 137.
12 In: Sommer: Tadmor, S. 317.
13 Vgl. Marek Baranski: The First Archaeologist of Palmyra. In: Gawlikowski, Michat; Majcherek, Grzegorz (Hg.): Studia Palmyrenskie XII. Fifty Years of Polish Excavations at Palmyra 1959-2009. Warschau 2013, S. 31-32.
14 Vgl. Ebd. S. 34.
15 Vgl. Ebd. S. 34.
16 Vgl. Khaled al-Asaad, Waleed al-Asaad, Andreas Schmidt-Colinet: Thirty Years of Syro-German / Austrian Archaeological Research at Palmyra. In: Gawlikowski, Michat; Majcherek, Grzegorz (Hg.): Studia Palmyrenskie XII. Fifty Years of Polish Excavations at Palmyra 1959-2009. Warschau 2013, S. 300.
17 Vgl. Ebd. S. 299.
18 Vgl. Ebd. S. 300.
19 Vgl. Ebd. S. 302.
20 In: Sommer: Syria, S. 146.
21 In: Ebd. S. 146.